Space Madness – Christmas on Mars (USA 2008)


“Where is heaven when you’re outer space.”

Die Flaming Lips sind vielleicht am besten, wenn sie mit naiver Selbstverständlichkeit Schnapsideen umsetzen. Ideen, für deren Umsetzung jeder andere Bewohner dieses Planeten zu viel gesunden Menschenverstand oder zu wenig weltvergessenes Selbstvertrauen hat. Sie haben mit „Zaireeka“ ein Album aufgenommen, das sich auf 4 gleichzeitig abzuspielenden CDs befindet. Auf Konzerten kann es passieren, dass zu glücksversprühenden Melodien Sänger Wayne Coyne in einer Kunststoffblase über das Publikum läuft und selig lächelt, während auf der Bühne umringt von außerirdischen Cheerleadern und Santa Clausen der Rest der Band im Konfettiregen untergeht. Doch was die Lips so groß macht, ist, dass hinter all dieser Naivität und Freude die Welt mit einer wahnsinnigen Fratze hervor lugt. So kann sich in selben Moment des Konzertes auf der Leinwand hinter der Band gerade jemand per Pistolenschuss das Leben nehmen. Ihr just erschienener Song 7 Skies H3 versprüht in seiner imposanten Spielzeit von 24 Stunden auch eher besessene Beklommenheit als Lebensfreude.

Nach der Jahrhundertwende wollte sich nun besagter Wayne Coyne einen lang gehegten Traum verwirklichen. Er wollte einen Science-Fiction-Weihnachtsfilm drehen. Da er aber kaum über die ausreichenden Mittel verfügte, diese vielleicht auch gar nicht haben wollte, weil Selbstbasteln viel mehr Erfüllung bereithält, drehte er in seinem eigenen Garten und in umliegenden, leer stehenden Industriehallen in selbstgezimmerten Kulissen. Das Problem mit dem Endprodukt Christmas on Mars ist, dass die Leidenschaft an jeder Ecke zu spüren ist, aber genau so der Umstand, dass hier jemand etwas tut, mit dem er nicht vertraut ist. Das Wayne Coyne vielleicht etwas macht, was er liebt, aber bei dem er sich nicht mit derselben intuitiven Zielsicherheit bewegen kann, wie in der Musik.

Besagte Kulissen stellen aber noch ein geringes Problem dar. Dafür ist die Geschichte von der abgeschnittenen Raumstation, die von einem stummen Alien (Wayne Coyne) im Santa Kostüm heimgesucht wird, eine dramaturgische Gurke sondergleichen. Christmas on Mars folgt fast die gesamte Zeit dem ständig durch die Station laufenden Mayor Syrtis (Steven Drozd), der sich auf der Suche nach seinem Santa-Darsteller für die Weihnachtsparty befindet. Endlos wandert er durchs Nichts. Nebenbei erfährt der Zuschauer zwar, dass die Station immer mehr auseinanderfällt und die letzte Frau Komplikationen bei ihrer Schwangerschaft hat. Das Ende der Station und vielleicht der Menschheit scheint zu nahen. Doch durch die dahin plätschernden Dialoge und die nichtssagenden Handlungen bleibt alles ein riesiger Brei. Die stark gestreckte Handlung endet zudem so plötzlich, wie der Aufbau langwierig war. Christmas on Mars gleicht so dem Blick auf eine Sanduhr … erst zieht sich die zeitlose Monotonie ewig hin, aber sobald das letzte Korn fällt, scheint alles nur vorbeigerast zu sein.

Die größte Schwierigkeit ist aber, dass hinter der offensichtlichen Symbolik eine geradezu lächerlich hochtrabende Fragestellung lauert. Hinter dem mehrmals gesagten „Human beings weren’t meant to live in space.“ verbirgt sich nichts weniger als die Frage, ob die Menschheit, welche nicht in der Lage ist, mit seinesgleichen und seiner Umwelt zu leben, Überlebenschancen hat. Auf seltsame Weise rettet sich Christmas on Mars aber gerade dadurch vor dem totalen Scheitern. Den Schlüssel dazu liefert Hauptdarsteller Steven Drozd, Gitarrist, Drummer und Keyboarder der Flaming Lips.

Wer weiß, dass der Film auf dem Höhepunkt seiner Heroinsucht entstand, am Rande zu dessen Tod, dem kann sein Spiel merklich erschüttern. Er starrt orientierungslos an seiner Umwelt vorbei, ringt mit seinem Text und damit sich nicht zu verlieren. Nach zwei Worten kämpft er schon mit der Erinnerung, was er eben sagte. Ständig scheinen seine Gedanken abzuschweifen und in seinem Gesicht steht eine riesige Anstrengung nach Konzentration geschrieben. Aber die anderen Darsteller benehmen sich kaum anders. Ob gewollt oder nicht, entwickelt Christmas on Mars so eine beindruckende Darstellung von „Space Madness“, die selbst „Ren & Stimpy“ alt aussehen lässt. Durch die andauernde Isolation verlieren sich die Astronauten in ihren Gedanken und die Verbindung zu ihren Kollegen scheint unmöglich. Verloren stehen sie sich gegenüber und können nichts miteinander anfangen, weil sie Rätsel füreinander sind. Paranoia und Hilflosigkeit sind nur der Anfang. Stammeln und Orientierungslosigkeit kumulieren in einer halluzinierten Blaskapelle, deren Mitglieder keine Köpfe, sondern weibliche Genitalien haben. Zwischen den Menschen herrscht eine Kälte wie im sie umgebenden All, die sie geistig aufzufressen droht.

Dieser beängstigende zwischenmenschliche Wahnsinn wiegt zwar nicht alle ermüdenden Unzulänglichkeiten auf, schafft es aber, sich langwierig im Kopf zu verankern und große Teile der zweiten Hälfte des Films zu einem wirren Erlebnis zu machen. Einem breiigen Erlebnis in dem der Erfolg sich zur Abwechslung mal nicht in einem langen, harten, klar strukturierten Gegenstand findet, sondern sich hinter mehrmalige Griffe in undefinierbaren Massen versteckt. Geradezu utopisch.

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