1982, der diskrete Charme eines Filmjahres

Wieder einmal gibt es hier keinen Jahresrückblick, sondern eine anachronistische Top Ten. Diesmal soll es 1982 sein. Mehr oder weniger zufällig. Tatsächlich habe ich mir dieses Jahr ausgesucht und dann gemerkt, dass ich da gar nicht so viel empfehlen kann. Fast ausschließlich kann ich nur auf die sicheren Wahlen zurückgreifen, weil ich einfach keine Außenseiter kenne. Deshalb hier der Aufruf: Was gibt es verdammt nochmal in diesem Trauertal?

Denn wahrlich, es ist ein Jahr des Umbruchs. Alte Recken wie Fassbinder und Antonioni machen ihre letzten Filme, bevor ihre Herzen rebellierten. Die Filmwellen, die seit Ende der 50er Jahre über die Welt schwappten, fallen zurück. So befindet sich auch Truffauts Tod in greifbarer Nähe. Selbst das noch junge New Hollywood liegt schon wieder danieder. Doch während Europa und Asien sich recht orientierungslos präsentieren, hat in Hollywood das Blockbusterkino seinen Schatten auszubreiten begonnen. 1982 ist es aber noch nicht wirklich spürbar, auch wenn E.T. die Straßen fegt. Vielmehr regieren biedere Dramen (siehe Roger Eberts und Gene Siskels Top Ten). Trotzdem kann dieses Jahr mit einigen Meisterwerken aufwarten, auch wenn es vielleicht nicht die Tiefe hat. Natürlich kann mir vorgeworfen werden, dass ich Blade Runner ignoriert habe, der mir aber trotz einigen Sichtungen immer seltsam fremd geblieben ist.

10. Querelle (BRD/F)

Das Buch legt eher etwas wie Genets eigenen Film (Un chant d‘armour) nahe: verschlossen, stolz und lyrisch. Aber Fassbinder taucht Querelle in orangene Schwülstigkeit und macht so zum Abschluss seiner Karriere vielleicht nicht seinen besten, aber dafür seinen schönsten Film. So schafft er es selbst, den Kulissen, die nicht mehr Platz eingenommen haben können, als eine größere Theaterbühne zulässt, einen zarten Hauch von Leben einzuhauchen.

9. Das Böse unter der Sonne (GB)

Vielleicht ist das Agatha Christie Whodunit Filmchen kein Meilenstein. Und vielleicht reicht es auch nicht an Tod auf dem Nil heran. Dafür ist Peter Ustinov als franz… belgischer Detektiv Hercule Poirot in anmaßender Hochform und der Cast um Diana Rigg, Jane Birkin, Maggie Smith und und und lässt sich auch nicht lumpen. Vor allem hat aber Guy Hamilton nach dem Mord im Spiegel-Fiasko deutlich an Eleganz zugelegt. Unzählige Male gesehen und kein bisschen langweilig.

8. Das Ding aus einer anderen Welt (USA)

John Carpenter ist Anfang der 80er eine Bank und seine Variation des Körperfresser-Themas gehört zu den besten Umsetzungen, die es gibt. Statt allumfassende Bedrohungen im Alltag durchzudeklinieren, setzt er auf Klaustrophobie. Die Antarktisstation, die sich in kürzester Zeit in einen paranoiden Hexenkessel wandelt, wird damit aber nur existentieller in ihrer Wirkung.

 
7. Tenebre (I)

Immer wieder deutet Dario Argento einen Meta-Giallo an. Der Schriftsteller, der durch Reporter und einen Killer mit dem Sexismus, dem Zwangsvulgarismus und dem Hass auf Andersartigkeit in seinen Büchern konfrontiert wird, wird aber nie ausgenutzt, um sich ernsthaft mit dem eigenen Genre auseinanderzusetzen. Vielmehr suhlt sich Tenebre in seinen Klischees und entwickelt einen faszinierenden Teufelskreis der Selbstbezogenheit, der zumindest im Film im Wahnsinn enden muss.

6. Der Stand der Dinge (BRD)

Ich weiß gar nicht, warum er hier noch erscheint. Seit dem DÖS-Eingangsposting habe ich nur Ausschnitte gesehen und ich bin gespalten. Ich habe die großartigen Erinnerungen an vergangene Sichtungen, aber auch den Verdacht, dass er mir nicht mehr so viel Genuss bereiten wird, falls ich ihn wieder sehen sollte. Werde ihn im neuen Jahr doch mal wieder gucken. Solange tippe ich ihn auf die Sechs.

5. Die Sehnsucht der Veronika Voss (BRD)

Ein großer lakonischer Schlag gegen die 50er Jahre. Einerseits taucht Fassbinder seine Bilder in eine traurige Schönheit. Sehnsüchtig scheint der Blick zurück zu schmachten. Aber unter der wunderbaren Oberfläche lauern nur Wahnsinn und Verfall. Die Lügen über die Aufbaujahre der BRD, Glanz und Gloria, alles schmettert er nieder und zeigt eine Gesellschaft, die alles verdrängt, was nicht sauber genug ist. Drogenabhängige Stars aus der Vergangenheit, ebenso wie Juden, welche den Holocaust überlebten.

4. Fitzcarraldo (BRD)

Was soll noch über diesen Film gesagt werden. Ein Schiff wurde über einen Hügel gezogen. Indios boten die Ermordung Kinskis an. Herzog hat abgelehnt. Eine Oper soll im Amazonasdschungel gebaut werden. Alle sind besessen und haben diverse Grenzen von geistiger Gesundheit überschritten. Ist natürlich immer noch schön anzusehen und zu hören. Allein das Knarzen des Schiffes ist einen Blick wert.

 
3. White Dog (USA)

Eine Schauspielerin fährt einen weißen Schäferhund an und nimmt ihn bei sich auf. Schnell muss sie feststellen, dass er abgerichtet wurde, um Schwarze anzufallen. Mit seinem vorletzten Film setzte sich Samuel Fuller wieder ordentlich in die Nesseln. Seinem Tierhorror wurde Rassismus vorgeworfen und eine übertriebene Moralkeule. Erstes ist lachhaft und Zweites … verdammt er ist die Faust des Kinos, da ist nichts mit Dezenz. Aber (wie so oft) entwickelt gerade die Mischung aus Ungehobeltheit und tiefer Seele den Zauber seiner Filme.

2. Conan, der Barbar (USA)

Der Grabgesang für Flower-Power, das Erwachen aus einem Traum. Schluss mit Friede, Liebe, Gefühlen und solchen unmännlichen Dingen. In gewisser Weise ist Conan der Barbar ein einziger riesiger Phallus. Ein Film wie er Anfang der 80er Jahre entstehen musste. Die Bebilderung des Endes der Hoffnung auf eine schönere, liebevollere Welt. Eine Hoffnung die als dämonischer, dekadenter Verführungsversuch gebrandmarkt wird. Kaum vorstellbar, wie übel dass alles hätte sein können. Doch Milius’ Hände sind die richtigen. Hier ist er auf dem Höhepunkt seiner Erzählkunst und verwandelt ein Fantasy-Abenteur in einen Epos. Übermenschlich groß erschafft er eine archaische, präatheistische Welt. Das Setdisgn ist unsagbar gut und die Bilder machen Dialoge größtenteils überflüssig. Er läßt sich beim Erzählen Zeit, nicht um die Charaktere auszuarbeiten (was gibt es bei archaischen Trampeln (mit Verlaub) auch auszuarbeiten), sondern um eine Welt voller Mythen und Legenden auferstehen zu lassen. Wunderbar vom Score untermalt.

So träumt der Film den Traum einer intakten Form von einer heldenhaften, ungehobelten Männlichkeit und legt sich mehr Schlafen als es die Mitglieder des Hippiekultes um Bösewicht Thulsa Doom je könnten. Doch was hatte Hollywood je mit Realität zu schaffen. John Milius (so streitbar er selbst und die triefende Männlichkeit des Films auch ist) gibt lieber den Märchenonkel, der uns zu Kindern am Feuer macht. Mit leuchtenden Augen tauchen wir ein in seine Erzählung von einer rätselhaften, brutalen und mythischen Welt (und schafft so das, woran Bibelverfilmungen in Hollywood ständig scheitern).

1. Der Kontrakt des Zeichners (GB)

Peter Greenaway nimmt den Zuschauer an die Hand und erzählt eine Geschichte über einen Zeichner, der sich in einem Labyrinth aus Bildern, Indizien und Anspielungen verliert. Voll Lust entspinnt Greenaway eine gewaltige, hinterhältige Welt am Ende des 17. Jahrhunderts in England. An der Hand des Regisseurs scheint all das schön, einfach und verlockend. Doch bevor es einem bewusst wird, hat er seine Hand schon entzogen. Zurück bleibt nur sein freudiges Lächeln, wenn klar wird, dass dieser klaren Welt der Boden entzogen wurde … ein paranoides Plädoyer für mehr Verschwörungstheorien … in der Kunst.


Das Verfolgerfeld wäre:
Star Trek II: Der Zorn des Khan (USA)
Nur 48 Stunden (USA)
Café Flesh (USA)
Rambo (USA)


Was lief 1982 sonst noch? Hier einzusehen.
Was denken andere?
Gene Siskel
1. Moonlighting
2. Tootsie
3. E.T.
4. Diva
5. Mephisto
6. Lola
7. Personal Best
8. Three Brothers
9. Das Boot
10. An Officer and a Gentleman
Roger Ebert
1. Sophie’s Choice
2. Diva
3. E.T.
4. Fitzcarraldo / Burden of Dreams
5. Personal Best
6. Das Boot
7. Mephisto
8. Moonlighting
9. The Verdict
10. The Weavers: Wasn’t That a Time

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