All About Lily Chou-Chou (J 2001)

Bloggen – das ist nichts anderes als der Aufbau einer virtuellen Identität. Selbst wenn man den korrekten Namen, die eigene Adresse bis hin zum Aszendenten des eigenen Geburtsdatums, also freizügig Informationen über die eigene Person dem weitgehend anonymen Onlinepublikum preisgibt, bleibt der nickname eine von der konkreten Körperlichkeit losgelöste Identität. An deren Konstruktion hat das reale Alter Ego ebenso wie der Gelegenheitsleser und -klicker teil. Im Gegensatz zu anderen Medien, die eine ähnliche Wirkung erzielen, steht das Internet allerdings jedem mitteilungsbedürftigen, nicht sonderlich technikfeindlichen user offen. Second Life, aber auch simple Foren, Chats und Blogs akkumulieren damit das offenkundig moderne Bedürfnis nach der Erfindung eines alternativen Ich. Nicht selten ist die Kompensation der Mängel des alltäglichen Lebens Grund für die Inanspruchnahme des mit Millionen von Parallelidentitäten überfüllten World Wide Webs. Abgesehen vom bloßen Eskapismus, welcher der Netzkultur zuweilen unterstellt wird, bietet sie sich als anarchisch anmutender Sandkasten alternativer Lebensentwürfe geradezu an. Hält das notdürftig zusammengezimmerte Identitätsgerüst den eigenen Ansprüchen nicht mehr Stand, ist schließlich der logout button der mühelose Weg zum Neuanfang.

Für blue_cat und philia ist das Netz die ideale Möglichkeit, sich über ihren Lebensinhalt auszutauschen: Die mysteriöse Sängerin Lily Chou-Chou. Eine Mischung aus Björk und Sinead O’Connor ist sie. Ihre Musikwelt wird im Chat als Äther bezeichnet und tatsächlich eröffnet Regisseur Shunji Iwai (“Yentown”) seinen Film mit einem halluzinatorischem Traumbild, begleitet von der schwebenden Stimme der fiktiven Sängerin: Ein Junge steht mit seinem Discman mitten in einem sattgrünem Reisfeld und lauscht den Liedern seiner Lieblingssängerin, als befände er sich in einem von der ihn umgebenden Welt abgeschirmten Raum. Für Yuichi (Hayato Ichihara) ist dieser Äther das unumgängliche Narkotikum, um sein tagtägliches Leben zu überstehen.

Alles beginnt recht harmlos mit dem neuen Schüler Hoshino (Shugo Oshinari), der auf seiner alten Schule schikaniert wurde und sich nun beim Kendo mit dem introvertierten Yuichi anfreundet. Auf einem Ferientrip nach Okinawa entkommt Hoshino nur knapp dem Tode. Nach diesem einschneidenden Erlebnis wandelt sich der ehemals zurückhaltende Vorzeigeschüler zunehmend zum mitleidlosen Schultyrann, der mit seiner Bande Altersgenossen drangsaliert und auch vor Prostitution und Vergewaltigung nicht zurückschreckt.

Die zunächst reißerisch erscheinende Plot erinnert an andere japanische Jugendfilme, in denen die Teenager in ihrem Verhältnis zur Gewalt wie kleine, psychotische Erwachsene dargestellt werden. Battle Royale ist wohl eines der bekannteren Beispiele dafür. All About Lily Chou-Chou mit japanischen Splatterfilmen zu vergleichen, tut dem Film jedoch Unrecht, auch wenn die Situation der japanischen Gesellschaft wohl für beide Herangehensweisen verantwortlich zeichnet. Im  Zentrum von “All About Lily Chou-Chou” steht nicht die Darstellung körperlicher Gewalt  und Ausbeutung an sich, sondern deren Auswirkungen auf die Psyche der jungen Protagonisten.

Über eine Zeitspanne von drei Jahren erzählt Iwai von der Freundschaft der beiden Außenseiter, die sich zur eiskalten Repression des einen durch den anderen wandelt. Dabei verfällt er jedoch nicht auf das zu oft gesehene schüchterner – Junge – entwickelt – homoerotische – Abhängigkeitsbeziehung – zu – psychopathischem – Charismatiker – mit – fatalen – Folgen – Schema. Die Ähnlichkeit verbindet Yuichi und Hoshino zunächst. Zwar wirkt letzterer oberflächlich gesehen wie ein gut aussehender Spitzenschüler, dem alles zufliegt. Beide leiden aber ebenso wie scheinbar ein Großteil der japanischen Gesellschaft an einer ausgesprochen erschreckenden Passivität.

Es ist das hilflose Danebenstehen der Eltern- und Lehrergeneration, wenn die pubertierenden Jugendlichen beginnen, verrückt zu spielen. Es ist aber auch die Apathie der gehänselten, malträtierten Opfer, deren einziger Fluchtweg in den oben beschriebenen Äther der Popmusik, des Internets oder gar in den Suizid führt. Die emotionale Isolation schweißt die beiden Freunde zunächst zusammen, bis Hoshinos Verhaltensweise spätestens nach dem Nahtoderlebnis von destruktiven Aktionen dominiert wird. Sich auflehnend gegen einen schikanierenden Mitschüler, findet  er Gefallen an der Erniedrigung anderer. Oder ist es nur sein persönlicher Verzweiflungsschrei über die gefühlsentleerte Welt?

Auch Hoshino ist dem Äther der Lily Chou-Chou verfallen, so dass wir versucht sind zu rätseln, ob es sich bei blue_cat und philia um die virtuellen Identitäten der beiden Protagonisten handelt. Die schmucklos gehaltenen Chatzeilen überlagern im Verlauf der 150  Minuten des Films immer wieder die farbenprächtigungen, zutiefst melancholischen Bilder, deren Schönheit hin und wieder fühlbar schmerzt. Zuweilen scheinen unsere Teenagerhelden und -heldinnen mitten in der Verbildlichung des von ihnen ersehnten Äthers zu stehen. Die Unerreichbarkeit desselben im realen Leben lässt den Zuschauer daher ihre seelische Qual unwillkürlich nachfühlen.

In den Chatgesprächen wird einer erzählenden Rahmung gleich die Liebe zu Lily Chou-Chou geteilt und diskutiert, aber auch der eigene Seelenzustand. Für diese Worte gibt es im Alltag keine Hörer. Die fortwärende Spekulation über die körperlichen Alter Egos füttert Iwai durch verschiedene, sich erst bei näherem Hinsehen als Hinweise entpuppende Anhaltspunkte. Von Sichtung zu Sichtung verleitet der Film daher zu neuen Interpretationen genau darüber. Darin liegt eine seiner diversen Stärken.

Das 150 minütige Rätselraten mag für die nicht voll investierte Aufmerksamkeit strapazierend wirken. Gerade wenn Iwai die nicht-lineare Erzählung durch einen Mittelteil ergänzt – der Trip nach Okinawa – der mit seiner Handkameraoptik nicht nur wie ein Urlaubsvideo wirkt, sondern eines sein soll, könnte der ein oder andere Zuschauer nur noch mit einem verwirrten Kopfschütteln reagieren. Im Endeffekt erreicht er jedoch gerade durch seinen Verzicht auf eine konventionelle Narration und einfache Antworten im allgemeinen die gewünschte prägnante Darstellung der Jugend seiner Zeit, ohne dabei den rechthaberischen Zeigefinger zu schwingen.

Wenn virtuelle und reale Welt schließlich einander kreuzen, der ersehnte Äther sich nur als scheinbare Rettung vor der Wirklichkeit erweist, genügt jedenfalls die Erkenntnis, dass Hoshino und Yuicho Inhaber der Netzpersönlichkeiten Philia und blue_cat sein könnten. Mit der Feststellung, dass auch der kaltblütige Hoshino nur einer unter vielen Jugendlichen ist, welche die Unschuld der Kindheit allein aus Filmen kennen, sind wir durchaus gut bedient. Näher als Iwai kommt nämlich kaum ein Regisseur seinen 13- bis 15-jährigen Protagonisten.

Dank der Integration des modernsten Mediums, seiner Grenzen und Möglichkeiten, ohne in eine abgedroschene Cyberpunk-Optik zu verfallen, sowie der Idee Popmusik nicht – wie in unzähligen Coming-of-Age-Filmen – als melancholisches Begleitgedudel, sondern als zentrales Element der Story zu instrumentalisieren, gleitet All About Lily Chou-Chou sanft dem Status eines wegweisenden Beitrages seines Subgenres entgegen. Der großartig verwirrende, äußerst traurige, viel zu lang geratene und dennoch wunderschön tiefsinnige Film ist ein Markstein des neuen Jahrtausends, der erstmal eingeholt werden will.

Kontrapunkt: Die Fälscher, Silent Movie & Endlos-Erotikreihe

Diese Woche war bei mir nicht wirklich ergiebig, weswegen ich mal von einer Filmwochenrückblick-Belästigung absehe und stattdessen wie gewohnt nur kurz zu drei Filmen meinen Senf dazu geben möchte.

Numero Uno:

Die Fälscher (A/D 2007)

Basierend auf einem Tatsachenbericht wird uns in Die Fälscher die Geschichte einer Handvoll Juden erzählt, die im KZ Sachsenhausen ab 1939 im Auftrag der Nazis versuchen, Pfund- und Dollarnoten zu fälschen, um die Wirtschaft des Feindes zu schwächen. Endlich wird mal wieder eine originelle und kaum wiedergekäute Geschichte im Rahmen des deutschsprachigen Vergangenheitsbewältigungs-Kinos erzählt, dessen Film-Vertreter leider immer noch viel zu oft und unverdient zum Dunstkreis der Oscarnominierten für den besten nicht-englischsprachigen Film gehören.

Das Drehbuch von Regisseur Stefan Ruzowitzky (“Anatomie”) stellt einige unbequeme Fragen nach Anpassung und Opportunismus auf Seiten der jüdischen KZ-Häftlinge und eines Nazi-Schergen als Zugeständnis, um überleben zu können, was seinem Film Tiefe gibt. Die Hauptfigur, Fälscher Sorowitsch (Karl Markovics) bleibt jedoch ebenso wie die anderen Figuren auch zu eindimensional gezeichnet; ein Eindruck, der sich durch etwas unterkühlt wirkende, durch Wackelkamera um Realismus bemühte Inszenierung noch verstärkt. Aus diesem Grund ist “Die Fälscher” ein „nur” guter Film, dessen Thematik ihm in erster Linie den Oscar einbrachte und (leider) nicht seine Klasse.

Zweitens:
Silent Movie (USA 1976)

Mel Brooks ist einer jener komödiantischen Filmemacher, die eher für anarchisch-brachialen Witz denn hintergründige Satire stehen. Das ist einer der Gründe dafür, dass Silent Movie zwar formal (ja, der Film ist stumm und beinhaltet Zwischentitel – ist aber farbig) durchaus interessant, aber inhaltlich zu gehaltlos geraten ist.

Die Story um einen versoffenen Filmemacher (Mel Brooks), der die Idee hat, mithilfe von großen Stars wie Burt Reynolds oder James Caan anno 1976 einen Stummfilm zu drehen und diese dann nacheinander akquiriert, erinnert eher an eine Nummernrevue, in der sich eine Slapstick-Szene an die andere reiht. Ein paar Zeitraffer hier, ein bisschen Situationskomik da und fertig sind 87 Minuten kurzweilige Belanglosigkeit. “Spaceballs” und “Die verrückte Geschichte der Welt” waren da irgendwie besser und noch komischer. Ein Film, der prima dazu geeignet ist, währenddessen Diskussionen über das eigene Magisterarbeitsthema anzustacheln, nicht wahr, Frau Chefin?

Schließlich:
Schulmädchen-Report 11. Teil – Probieren geht über Studieren (BRD 1977)

Warum schaue ich mir ausgerechnet den elften Teil einer extrem populären, aber an sich ebenso total trashigen Aufklärungsfilmreihe an? Nun ja, weil es ausgerechnet diesen in der Erfurter Videothek (Video Buster rocks!) günstig gab (Bild links) und ich gespannt war auf die Rolle von Heiner Lauterbach, der hier zum dritten und letzten Mal in einem der Report-Filme mitwirkte. Allerdings ist dieser (mit Rollenname Achim, der einen auf „lieber Liebe als nur Sex” macht) die wohl einzige jugendlich aussehende Person, die nur angezogen zu sehen ist, was man von den zahlreichen attraktiven Isc… ähhh… Schulmädchen nicht behaupten kann. Deren entblößte Körper sind dann auch das Highlight dieses in Episoden erzählten Films, der dieses Mal von einer Rahmenhandlung um eine Gruppe von Erwachsenen, die über Jugendschutzgesetze diskutieren, notdürftig zusammengehalten wird.

Bis heute wird bei Cineasten um den Kultfaktor der Filmreihe gestritten. Ach ja: Eine Universität oder (willige) Studentinnen kommen nicht vor, was bei dem Deutsches-Sprichwort-Untertitel schon etwas irritiert. Etwas ausführlicher habe ich mich einmal mehr in der OFDb geäußert.

Die Golden Globes 2009

[UPDATE: Die Gewinner findet man jetzt hier]

Woran merkt man, dass der Winter angekommen ist selbst zu Zeiten globaler Erwärmung? An der Oscarsaison  natürlich. Die beginnt im Gegensatz zum launischen Wetter verlässlich wie immer mit den Preisen der diversen Kritikervereinigungen in den USA und nimmt mit den Nominierungen für die Golden Globes schließlich volle Fahrt auf. Während jedoch die Gewinner der Academy Awards von knapp 6000 Professionellen aus der Filmindustrie gewählt werden, ist die Hollywood Foreign Press Association für die Globes verantwortlich. Wie der Name schon andeutet, handelt es sich  dabei um Filmjournalisten, die für Publikationen außerhalb der USA arbeiten.

Der nicht unumstrittene Verein gab gestern seine Nominierungen für die 66. Zeremonie bekannt, die am 11. Januar 2009 in aller Welt ausgestrahlt werden wird. Abgesehen davon, dass Kritiker, nicht Filmschaffende, die Sieger auswählen, honorieren die Globes außerdem noch die besten Fernsehserien, -filme und -schauspieler. Die Globes sind also sozusagen eine Mischung aus den Emmys und den Oscars. Über den Sinn dieser Zusammensetzung darf diskutiert werden.

Ungeachtet dessen ist die Verleihung der wichtigste Gradmesser für die einen Monat später am 22. Februar stattfindende Verleihung der Academy Awards. Nachdem die letzten Oscars die schlechtesten Einschaltquoten aller Zeiten eingefahren hatten, trotz oder gerade wegen des starken Wettbewerbes mit “No Country For Old Men”, “There Will Be Blood” und “Michael Clayton”, wurde der Ruf nach mehr Zuschauerfreundlichkeit laut.

Zuschauerfreundlichkeit heißt in diesem Zusammenhang: Nominieren wir doch Filme, die das breite Publikum auch gesehen hat! Da die Oscarsaison jedoch wie oben angedeutet zum Winter gehört, wie die CO2-Emission zum globalen Klimawandel, werden populäre Sommerblockbuster so gut wie gar nicht berücksichtigt.

Dass die Globes nun für “Massenware” eine Lanze brechen, war nicht zu erwarten gewesen. Vielleicht wird es bei den Oscars ja anders aussehen. Die Auslandsjournalisten haben Filme wie The Dark Knight oder Iron Man jedenfalls so gut wie vollkommen ignoriert. “Iron Man” ist sicher nicht der beste Film des Jahres, aber Robert Downey Jr. nur mit einer Nominierung als Bester Nebendarsteller (“Tropic Thunder”) zu ehren, ist nicht wirklich nachvollziehbar. Selbiges gilt für Heath Ledger.

And the nominees are…

Best Motion Picture – Drama
The Curious Case Of Benjamin Button
Frost/Nixon
The Reader
Revolutionary Road
Slumdog Millionaire
Best Performance By An Actress In A Motion Picture – Drama
Anne Hathaway – Rachel Getting Married
Angelina Jolie – Changeling
Meryl Streep – Doubt
Kristin Scott Thomas – I’ve Loved You So Long
Kate Winslet – Revolutionary Road
Best Performance By An Actor In A Motion Picture – Drama
Leonardo DiCaprio – Revolutionary Road
Frank Langella – Frost/Nixon
Sean Penn – Milk
Brad Pitt – The Curious Case Of Benjamin Button
Mickey Rourke – The Wrestler
Best Motion Picture – Comedy Or Musical
Burn After Reading
Happy-Go-Lucky
In Bruges
Mamma Mia!
Vicky Cristina Barcelona
Best Performance By An Actress In A Motion Picture – Comedy Or Musical
Rebecca Hall – Vicky Cristina Barcelona
Sally Hawkins – Happy-Go-Lucky
Frances McDormand – Burn After Reading
Meryl Streep – Mamma Mia!
Emma Thompson – Last Chance Harvey
Best Performance By An Actor In A Motion Picture – Comedy Or Musical
Javier Bardem – Vicky Cristina Barcelona
Colin Farrell – In Bruges
James Franco – Pineapple Express
Brendan Gleeson – In Bruges
Dustin Hoffman – Last Chance Harvey
Best Animated Feature Film
Bolt
Kung Fu Panda
Wall-E
Best Foreign Language Film
The Baader Meinhof Complex (Germany)
Everlasting Moments (Sweden/Denmark)
Gomorrah (Italy)
I’ve Loved You So Long (France)
Waltz With Bashir (Israel)
Best Performance By An Actress In A Supporting Role In A Motion Picture
Amy Adams – Doubt
Penelope Cruz – Vicky Cristina Barcelona
Viola Davis – Doubt
Marisa Tomei – The Wrestler
Kate Winslet – The Reader
Best Performance By An Actor In A Supporting Role In A Motion Picture
Tom Cruise – Tropic Thunder
Robert Downey Jr. – Tropic Thunder
Ralph Fiennes – The Duchess
Philip Seymour Hoffman – Doubt
Heath Ledger – The Dark Knight
Best Director – Motion Picture
Danny Boyle – Slumdog Millionaire
Stephen Daldry – The Reader
David Fincher – The Curious Case Of Benjamin Button
Ron Howard – Frost/Nixon
Sam Mendes – Revolutionary Road
Best Screenplay – Motion Picture
Simon Beaufoy – Slumdog Millionaire
David Hare – The Reader
Peter Morgan – Frost/Nixon
Eric Roth – The Curious Case Of Benjamin Button
John Patrick Shanley – Doubt
Best Original Score – Motion Picture
Alexandre Desplat – The Curious Case Of Benjamin Button
Clint Eastwood – Changeling
James Newton Howard – Defiance
A. R. Rahman – Slumdog Millionaire
Hans Zimmer – Frost/Nixon
Best Original Song – Motion Picture
“Down To Earth” — Wall-E
“Gran Torino” — Gran Torino
“I Thought I Lost You” — Bolt
“Once In A Lifetime” — Cadillac Records
“The Wrestler” — The Wrestler
Quelle: Variety [Dort sind auch die Fernsehkategorien einsehbar]

Kontrapunkt: Death Race, Der Mann ohne Vergangenheit, The Chumscrubber & Gedöns

Willkommen zu einem Wochenrückblick der anderen Art. Mag sein, dass meine Gereiztheit in Verbindung mit der Verschriftlichung der einzelnen Wochentage zuweilen den Eindruck erweckt, man würde eine Neu-Verfilmung von Kubricks “Shining” lesen, aber dem ist nicht so.
Also lasst mich mal überlegen… Montag… Montag? Hatten wir schon in Form von “Die purpurnen Flüsse 2” – hier auf diesem Kanal. Es folgte mit Dienstag zugleich…

Death Race (USA 2008)

Dass mit dem Statham-Film ein eigenes Genre mit schnellen Autos, bekloppter Action und so nem schneidigen Bulldogge-Typen mit Namen (na? richtig!) Jason Statham ein neues Genre geschaffen wurde, hat ja die CINEMA zu diesem Film geschrieben. Dass dem Zuschauer allerdings – wie the gaffer schon etwas subtiler ansprach – aufgrund der hektischen Schnittfolgen und Wackelkamera-Bilder beim Zuschauen fast das Kotzen kommt, jedoch nicht so wirklich.

Fakt ist: Der Film hat so viele PS, dass er sämtlicher Sinnhaftigkeit davondüst. Und so überzeugen am Ende beinahe wirklich nur noch die turbulenten Actionsequenzen und Jason Statham als Häftling, der als gelinkter, arbeitsloser Familienvater und Ex-Rennfahrer um sein Leben fährt. Joan Allen als pseudo-harte Knast-Chefin vom Dienst jedenfalls mit idiotischen Sprüchen wie (O-Ton sogar, glaube ich) „Wenn du mich anpisst, werden wir ja sehen, wer am Ende auf den Bürgersteig kackt” auf keinen Fall. Trash sollte es werden, unterhaltsamer Trash ist es geworden. Nicht gut, aber ganz passabel.

Mittwoch gab’s nix, denke ich. Donnerstag: ja…

Der die Tollkirsche ausgräbt (D 2006)

Franka Potente brachte es mit ihrem Regiedebüt fertig, im Jahre 2006 einen modernen Stummfilm (oh, welch lobenswertes Magisterarbeitsthema) zu inszenieren um eine verarmte Familie im Jahre 1918, die durch einen dummen Zufall Besuch von einem Punk aus der Gegenwart bekommt. Töchterchen verguckt zwar gar schnell, aber alle anderen sind nicht wirklich hell – weswegen sie ständig irgendwelche Slapstick-Einlagen in Anlehnung an Stan Laurel und Oliver Hardy hinlegen müssen. Auch mit anderen Referenzen an die Stummfilmzeit wie der Lochblende und einer unbewegten Kamera wurde nicht gespart, was den Film zwar ästhetisch irgendwie interessant, aber nicht besser macht. Die Story bleibt ziemlich dünn und die Szenerie unfreiwillig komisch. Etwas mehr zu diesem Film gibt’s in Kürze (sehr bald) auf MovieMaze von mir zu lesen.

Freitag: Weihnachtsfeier mit…

Der Mann ohne Vergangenheit (FIN/D/F 2002)

Wer die Filme von Aki Kaurismäki kennt, der weiß, was auf einen zukommt: Die Neuentdeckung der Langsamkeit im Erzählen garniert mit eher unterkühlten Figuren, die einen sehr speziellen Humor an den Tag legen, dem es beinahe schon spottet, ihn als lakonisch oder trocken zu umschreiben. Ein Mann (Markku Peltola) wird verprügelt, verliert sein Gedächtnis und landet erst einmal in einem Container, indem er lebt, bevor er Irma (Kati Outinen) von der Heilsarmee kennen und lieben lernt.

Kaurismäki inszenierte seinen Film unaufgeregt, beinahe bewusst lustlos, was sich auch auf seine Figuren überträgt, sodass der Zuschauer den Eindruck hat, dies sei ein Stilmittel. Gerade dadurch bezieht Der Mann ohne Vergangenheit seine Klasse: Man denkt, dass Finnland und seine Bewohner wirklich so sind. Dass sie trinken, irgendwie abgestumpft und dröge sind und sich mit pointierten, aber trocken servierten Sprüchen bei Laune halten. Ein großartiger Film und mir persönlich lieber als fast jeder Jarmusch oder Wenders, weil die zuweilen Stil mit Langeweile verwechseln.

Freitag, die Zweite:

Shoot ‘Em Up (USA 2007)

Es war einmal: Clive Owen, nach Chuck Norris die coolste Sau, wo gibt, der an der Bushaltestelle sitzend ‘ne Karotte knabbert. Kommen ‘n paar Leute vorbeigerannt, die hinter ‘ner Schwangeren her sind. Clive nimmt die Verfolgung auf und tötet einen der Bösen mit seiner Möhre.

Ein Feuerwerk an absurder, blutiger und brutaler Action zu Hardrockklängen (u. a. Motörhead) bricht los mit irrwitzigen Stunts. Und dann ist’s auch leider schon wieder zu Ende. Ich war zwischendurch Glühwein holen (verdammte Gastgeberpflichten), aber das, was ich gesehen habe, ist der feuchte Traum eines jeden Überdrehte-Actionfilme-Geilfinders wie mir. Ziemlich großes „YEEAAAAAHHHH!!!”-Prädikat für einen Film, der einfach rockt.

Samstag:

The Chumscrubber – Glück in kleinen Dosen (USA/D 2005)

Dass Drogen Teufelszeug sind, wussten wir schon seit “Trainspotting”. Dass Siedlungs-Spießertum zur Hölle werden kann, wissen wir seit “American Beauty” auch. Und dass die Kombination aus beidem zwangsläufig zum Tode führen muss, erfährt der Chef-Drogenverticker der Highschool, Troy (Josh Janowicz), am eigenen Leib. Jedenfalls baumelt er eines Tages von der Decke und sein Außenseiter-Kumpel Dean (Jamie Bell) findet ihn. Und damit er die letzten Reserven von Troys Vorrat rausrückt, kidnappt eine kleine Halbstarken-Gruppe seiner Kunden den Sohn eines Polizisten, den sie fälschlicherweise für Deans Bruder halten.

Es entspinnt sich eine mit surrealen Elementen angereicherte Psycho-Story, bei der sich fast alle Beteiligten, auch die Erwachsenen, als Süchtige erweisen – auch wenn unterschiedliche Dinge „eingeschmissen” werden, was irgendwie an “Requiem for a Dream” erinnert. Das Ende davon ist eben so vorhersehbar wie radikal und das ist neben dem beeindruckenden Cast mit hohem Wiedererkennungsfaktor (u. a. Ralph Fiennes, Glenn Close, Jason Isaacs, Carrie-Anne Moss) und dem stets subjektiv anwesend wirkenden Gefühl des Unwohlseins und der Anspannung eine große Stärke des Films.

Sonntag:

Madagascar 2 (USA 2008)

Willkommen beim unerwarteten Flop der Woche: Der Fortsetzung eines großen Animationsfilm-Erfolgs. Zugegebenermaßen gibt’s hier wieder die spleenigen Charaktere des Vorgängers und auch dessen Art von Humor. Das heißt aber noch lange nicht, dass lärmender Klamauk so toll ist wie die Tatsache, dass beinahe sämtliche pädagogischen Ansätze (wenn überhaupt mal vorhanden) in derben, wenig kindgerechten Gags untergehen. Die Story ist simpel (Pinguine und das Quartett aus dem ersten Teil stürzen diesmal über der Savanne ab) und klaut kräftig bei “Der König der Löwen”, unterhaltsam und kurzweilig ist es trotzdem, auch wenn man zwei Tage später alles schon wieder vergessen hat. Etwas ausführlicher habe ich mich dazu in der OFDb geäußert.

Soweit meine Film-Woche. Fortsetzungen schließe ich solange nicht aus, wie jedes Jahr im Januar oder Februar ein neuer Film der mittlerweile extrem ausgebluteten “Saw”-Reihe ins Kino geknüppelt wird. Also mindestens noch zweihundert Jahre.

Trailer: Slumdog Millionär

Heißer Oscarkandidat und Publikumsliebling auf diversen Festivals ist Slumdog Millionär, der aktuelle Film des Briten Danny Boyle (“Trainspotting”, “28 Days Later”). Vom amerikanischen National Board of Review erhielt Boyles Regiearbeit erst kürzlich sogar den Preis für den Besten Film des Jahres, die Kritiker überschlagen sich derweil vor Lob. Grund genug ist das, mal den sehenswerten Trailer zu begutachten.

Der Inhalt: Nur noch eine Frage trennt Jamal (Dev Patel) vom 20 Millionen Rupien-Hauptgewinn in Indiens TV- Show “Wer wird Millionär?”. Doch was in aller Welt hat ein mittelloser Youngster aus den Slums von Mumbai in dieser Sendung verloren? Und wie kommt es, dass er auf alle Fragen eine Antwort weiß… [Quelle: Filmstarts.de]

Am 19. März startet der farbenfrohe Ausflug nach Indien in unseren Kinos. Der Trailer ist unten einzusehen oder bei MovieMaze.

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