Trailer: Slumdog Millionär

Heißer Oscarkandidat und Publikumsliebling auf diversen Festivals ist Slumdog Millionär, der aktuelle Film des Briten Danny Boyle (“Trainspotting”, “28 Days Later”). Vom amerikanischen National Board of Review erhielt Boyles Regiearbeit erst kürzlich sogar den Preis für den Besten Film des Jahres, die Kritiker überschlagen sich derweil vor Lob. Grund genug ist das, mal den sehenswerten Trailer zu begutachten.

Der Inhalt: Nur noch eine Frage trennt Jamal (Dev Patel) vom 20 Millionen Rupien-Hauptgewinn in Indiens TV- Show “Wer wird Millionär?”. Doch was in aller Welt hat ein mittelloser Youngster aus den Slums von Mumbai in dieser Sendung verloren? Und wie kommt es, dass er auf alle Fragen eine Antwort weiß… [Quelle: Filmstarts.de]

Am 19. März startet der farbenfrohe Ausflug nach Indien in unseren Kinos. Der Trailer ist unten einzusehen oder bei MovieMaze.

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=AIzbwV7on6Q]

Kurtz & Knapp V

Der Mann, der niemals lebte (USA 2008)

Ein weiterer Eintrag auf der länger werdenden Liste unbefriedigender Filme von Ridley Scott. Der Regisseur, dessen letzter guter Film (Black Hawk Down) rund sieben Jahre zurückliegt, versucht sich in Der Mann, der niemals lebte am Spionagethriller, einem Genre, dass zur Zeit so “in” ist wie der Berliner 80er Jahre Heroin-Schick in der Modewelt. Leider hat Scott zwei massive Fehlkalkulierungen zu verantworten: Eine belanglose Story, die eine Momentaufnahme der modernen Spionagewelt sein will. Aber selbst Momentaufnahmen können irgendwo hin führen. Dazu ist seine traurigerweise nicht in der Lage. Unweigerlich vermisst man außerdem die nötige Konsequenz und Härte gegenüber den Figuren, denn wenn Scott schließlich den Ausweg im Klischee sucht, bleibt nur noch der Wunsch nach einer Geldzurückgarantie und der fahle Nachgeschmack vergeudeter Lebenszeit.

Fehlkalkulierung Nummer zwei ist das Casting von Leonardo DiCaprio. Der ist, wie wir alle wissen, seit einigen Jahren auf einem Trip zwanghaft suggerierter Männlichkeit, der sich in verschiedenen Ausformungen ärmlicher Bärtchen  und nervtötender Stirnrunzelei äußert. Dass ihm sein Gesicht in betont maskulinen Rollen im Wege steht, hat ihm offensichtlich noch niemand zugeflüstert. Ein Beispiel könnte er sich mal an Matt Damon nehmen, der mit  seinem jugendlichen Aussehen gekonnt spielt und trotzdem oder gerade deswegen zum glaubwürdigen Actionhelden geworden ist.  Stattdessen lässt sich Leo als tougher Agent im Nahen Osten sowohl von Russel Crowe (der sich gar nicht mal richtig bemüht) und erst recht von Mark Strong (als jordanischer Geheimdienstchef) an die sprichwörtliche Wand spielen. Denn die beiden sind im Gegensatz zu ihm zu subtilen Leistungen in der Lage.

Death Race (USA 2008)

Jason Statham ist sozusagen das genaue Gegenteil von Leo Dicaprio. Wenn die Kamera in Death Race geradezu sabbernd vor Schaulust über sein kantiges Gesicht, seinen freien Oberkörper gleitet, glaubt man sich in der übertriebenen Körperlichkeit von Actionfilmen der 80er Jahre wiederzufinden. Statham, der glücklicherweise wesentlich mehr Charisma und Ironie transportiert (schlechtes Wortspiel) als Arnie und Co. ist der geborene Actionheld. Ein wenig sieht er aus wie Bruce Willis, nur eben mit dieser offenkundigen physischen Härte und Unkaputtbarkeit, die der betonten Verletzlichkeit und Sensibilität in Stirb Langsam 1 unversöhnlich gegenübersteht.

“Death Race” ist nun ein in jeder Einstellung übertriebener Actiontrash und liefert damit für Autorennfilme das, was vor einem Jahr Shoot ‘Em Up mit dem Heroic Bloodshed à la John Woo getan hatte. Und Statham ist die perfekte Besetzung  für den Exrennfahrer Jensen Ames, der fälschlicherweise für den Mord an seiner Frau auf eine Hochsicherheitsgefängnisinsel gebracht wird und dort in den titelgebenden Todesrennen vor laufender Kamera seine Freiheit erfahren muss. Die sind auf Dauer etwas langweilig, auch wenn Regisseur Paul W.S. Anderson versucht, sie durch verschiedene Tricks zu variieren. Die Unfähigkeit des Films, den Rennverlauf für den Zuschauer ersichtlich zu machen oder auch nur die einfache Frage zu beantworten, wer gerade vorne liegt, ist dem miserablen Schnitt zu verdanken, der, wie in so vielen modernen Actionfilmen, zur Unübersichtlichkeit neigt.

Das Potenzial zur unterschwelligen Gesellschaftskritik verwässert der Film. Zwar wird der Rennverlauf, also auch die Todesfälle, für die imaginierten Zuschauer am heimischen Bildschirm recht makaber wie eine DSDS-Abstimmung präsentiert. Da allerdings die Perspektive ebenjenes Publikums ansonsten überhaupt nicht eingenommen und der Film fast ausschließlich aus der Sicht Ames’ und der Gefängnisleiterin (Joan Allen !) erzählt wird, hat die Medienkritik weder Hand noch Fuß. Mehr als kurzweiliger Trash mit ein paar außerordentlich komischen Momenten ist Death Race daher nicht. Aber vielleicht reicht das ja auch.

Diese Franzosen…

Franzosen sind seltsam. Das wissen wir nicht erst, seit ihre Filmelite die 100 besten Filme aller Zeiten gewählt und damit mal eben die ganze britische Filmindustrie auf ganzer Linie gedisst hat.

Die spinnen halt, die Gallier. Das beweist auch der folgende, höchst objektive Clip:

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=9V7zbWNznbs]

Die 100 besten Filme aller Zeiten… mal wieder

Womit verbringen Filmkritiker, wenn sie nicht gerade im Kino sitzen oder ihrem Beruf nachgehen, am liebsten ihre Zeit? Na Klar, sie machen Listen. Die besten Filme des Jahrzehnts, die besten Filmfiguren, die besten Kostüme von Marlene Dietrich und natürlich die Mutter aller Listen, die besten Filme aller Zeiten, dürfen in keinem Kritikernotizbuch fehlen.

Die Cahiers du Cinema, ihrerseits Mutter und wohl auch selten gesehener Onkel aller Filmzeitschriften, hat sich mal zur Freude aller Cineasten an einer solchen Liste versucht und zum Wohle eines demokratischen Wahlverfahrens ganze 78 Kritiker und Filmhistoriker befragt. Herausgekommen ist eine Zusammenstellung, die alles in allem die Zunft professioneller Listenerstellung nicht revolutionieren, dafür aber dennoch für einige Diskussionen sorgen dürfte.

…Trommelwirbel für die angeblich hundert besten Filme aller Zeiten:

[Zur Diskussion der Liste, bitte nach unten scrollen]

  1. Citizen Kane – Orson Welles
  2. The Night of the Hunter – Charles Laughton
  3. The Rules of the Game (La Règle du jeu) – Jean Renoir
  4. Sunrise – Friedrich Wilhelm Murnau
  5. L’Atalante – Jean Vigo
  6. M – Fritz Lang
  7. Singin’ in the Rain – Stanley Donen & Gene Kelly
  8. Vertigo – Alfred Hitchcock
  9. Children of Paradise (Les Enfants du Paradis) – Marcel Carné
  10. The Searchers – John Ford
  11. Greed – Erich von Stroheim
  12. Rio Bravo – Howard Hawkes
  13. To Be or Not to Be – Ernst Lubitsch
  14. Tokyo Story – Yasujiro Ozu
  15. Contempt (Le Mépris) – Jean-Luc Godard
  16. Tales of Ugetsu (Ugetsu monogatari) – Kenji Mizoguchi
  17. City Lights – Charlie Chaplin
  18. The General – Buster Keaton
  19. Nosferatu the Vampire – Friedrich Wilhelm Murnau
  20. The Music Room – Satyajit Ray
  21. Freaks – Tod Browning
  22. Johnny Guitar – Nicholas Ray
  23. The Mother and the Whore (La Maman et la Putain) – Jean Eustache
  24. The Great Dictator – Charlie Chaplin
  25. The Leopard (Le Guépard) – Luchino Visconti
  26. Hiroshima, My Love – Alain Resnais
  27. The Box of Pandora (Loulou) – Georg Wilhelm Pabst
  28. North by Northwest – Alfred Hitchcock
  29. Pickpocket – Robert Bresson
  30. Golden Helmet (Casque d’or) – Jacques Becker
  31. The Barefoot Contessa – Joseph Mankiewitz
  32. Moonfleet – Fritz Lang
  33. Diamond Earrings (Madame de…) – Max Ophüls
  34. Pleasure – Max Ophüls
  35. The Deer Hunter – Michael Cimino
  36. The Adventure – Michelangelo Antonioni
  37. Battleship Potemkin – Sergei M. Eisenstein
  38. Notorious – Alfred Hitchcock
  39. Ivan the Terrible – Sergei M. Eisenstein
  40. The Godfather – Francis Ford Coppola
  41. Touch of Evil – Orson Welles
  42. The Wind – Victor Sjöström
  43. 2001: A Space Odyssey – Stanley Kubrick
  44. Fanny and Alexander – Ingmar Bergman
  45. The Crowd – King Vidor
  46. 8 1/2 – Federico Fellini
  47. La Jetée – Chris Marker
  48. Pierrot le Fou – Jean-Luc Godard
  49. Confessions of a Cheat (Le Roman d’un tricheur) – Sacha Guitry
  50. Amarcord – Federico Fellini
  51. Beauty and the Beast (La Belle et la Bête) – Jean Cocteau
  52. Some Like It Hot – Billy Wilder
  53. Some Came Running – Vincente Minnelli
  54. Gertrud – Carl Theodor Dreyer
  55. King Kong – Ernst Shoedsack & Merian J. Cooper
  56. Laura – Otto Preminger
  57. The Seven Samurai – Akira Kurosawa
  58. The 400 Blows – François Truffaut
  59. La Dolce Vita – Federico Fellini
  60. The Dead – John Huston
  61. Trouble in Paradise – Ernst Lubitsch
  62. It’s a Wonderful Life – Frank Capra
  63. Monsieur Verdoux – Charlie Chaplin
  64. The Passion of Joan of Arc – Carl Theodor Dreyer
  65. À bout de souffle – Jean-Luc Godard
  66. Apocalypse Now – Francis Ford Coppola
  67. Barry Lyndon – Stanley Kubrick
  68. La Grande Illusion – Jean Renoir
  69. Intolerance – David Wark Griffith
  70. A Day in the Country (Partie de campagne) – Jean Renoir
  71. Playtime – Jacques Tati
  72. Rome, Open City – Roberto Rossellini
  73. Livia (Senso) – Luchino Visconti
  74. Modern Times – Charlie Chaplin
  75. Van Gogh – Maurice Pialat
  76. An Affair to Remember – Leo McCarey
  77. Andrei Rublev – Andrei Tarkovsky
  78. The Scarlet Empress – Joseph von Sternberg
  79. Sansho the Bailiff – Kenji Mizoguchi
  80. Talk to Her – Pedro Almodóvar
  81. The Party – Blake Edwards
  82. Tabu – Friedrich Wilhelm Murnau
  83. The Bandwagon – Vincente Minnelli
  84. A Star Is Born – George Cukor
  85. Mr. Hulot’s Holiday – Jacques Tati
  86. America, America – Elia Kazan
  87. El – Luis Buñuel
  88. Kiss Me Deadly – Robert Aldrich
  89. Once Upon a Time in America – Sergio Leone
  90. Daybreak (Le Jour se lève) – Marcel Carné
  91. Letter from an Unknown Woman – Max Ophüls
  92. Lola – Jacques Demy
  93. Manhattan – Woody Allen
  94. Mulholland Dr. – David Lynch
  95. My Night at Maud’s (Ma nuit chez Maud) – Eric Rohmer
  96. Night and Fog (Nuit et Brouillard) – Alain Resnais
  97. The Gold Rush – Charlie Chaplin
  98. Scarface – Howard Hawks
  99. Bicycle Thieves – Vittorio de Sica
  100. Napoléon – Abel Gance

Ein paar Anmerkungen, über die man streiten kann:

Die wievielte Liste ist das nun, die Citizen Kane auf Platz eins hievt? Egal, wie sehr Welles’ Film den Platz verdient hat, eine mutigere Entscheidung hätte zumindest für etwas Überraschung gesorgt.

Charles Laughtons Die Nacht des Jägers auf Platz zwei! Ist endlich eine Wiederentdeckung fällig? Wohl kaum, sagt das pessimistisch gestimmte Herz. Dennoch Daumen hoch für die Wahl!

Jean Renoir auf Platz drei… verdammt, die BFI-DVD ist vollkommen überteuert. Bis zur Preissenkung oder deutschen DVD-Veröffentlichung muss das abgenutzte Videoband genügen.

Es folgen die üblichen Verdächtigen, denen man ohne schlechtes Gewissen zustimmen kann.

Chaplin gewinnt knapp vor Keaton. Schade. Das aber ist Geschmackssache, ich geb’s zu.

Ein bisschen Asien wurde auch untergebracht mit Ozu, Mizoguchi und Ray. Auffallend: Es fehlen moderne Regisseure wie Wong Kar-Wai, John Woo, Park Chan-Wook, Takeshi Kitano, Zhang Yimou, Kim Ki-Duk oder Takashi Miike. Zu diesem Grundproblem später mehr.

Die Verachtung (15) (Yay!)

Der Leopard (25) (Yay!)

Panzerkreuzer Potemkin landet relativ weit hinten auf Platz 37, ebenso Der Pate (40), (46) und Kurosawa (Die Sieben Samurai, 57).

Alfred Hitchcock hat es dreimal auf die Liste verschlagen. Vertigo (8) und Der Unsichtbare Dritte (28) sind nachvollziehbar, Berüchtigt (38) weniger. Wo sind “Psycho”, “Die Vögel” und v.a. “Das Fenster zum Hof”? Zeigt sich hier doch einmal das wagemutige Wesen der Franzosen?

Mit 2001: Odyssee im Weltraum (43) und Barry Lyndon (67) schafft es Stanley Kubrick verdient zweimal auf die Liste. Der vielfach unterschätzte “Barry Lyndon” erfreut besonders, schließlich schreien “Uhrwerk Orange” oder “Full Metal Jacket” penetranter nach Aufmerksamkeit.

Die Scharlachrote Kaiserin von Josef von Sternberg auf Platz 78! Yay!

Wow, ein aktueller Film ist auch zu finden! Pedro Almodovars Sprich mit ihr hat es immerhin auf Platz 80 geschafft. Das kommt ja fast schon der vermissten Revolution gleich. Aber nur fast.

Der Partyschreck mit Peter Sellers hat sich auf Platz 81 in eine Bestenliste geschlichen! Num num!

Und noch ein aktuelles Werk: Mulholland Drive (94) von David Lynch. Sind sie denn noch ganz bei Trost? Da hat sich aber jemand in eine Videothek geschlichen.

Howard Hawks, Vittorio de Sica und Abel Gance schließen diese Top 100 ab und das Fazit lautet: Französische Cineasten scheinen in einer Zeitblase gefangen zu sein. Zumindest die Wahlberechtigten haben sich irgendwann in den Achtziger Jahren den Kinobesuch abgewöhnt, um nur noch ihre alten Cahiers-Ausgaben zu streicheln, heimlich, still und leise in ihrem Kämmerchen, das wahrscheinlich von Asta Nielsen-Plakaten geziert wird.

Glaubt man der Liste, hat das deutsche Kino seit dem Ende der Stummfilmzeit aufgehört zu existieren. Wie kann man sonst das Fehlen von Rainer Werner Fassbinder erklären? Vom Neuen Deutschen Film sei hier gar nicht erst die Rede.

Die Deutschen können sich jedoch noch glücklich schätzen, denn eine andere europäische Nation hat es wesentlich schwerer getroffen. Der tendenzielle Minderwertigkeitskomplex, mit dem die Briten ihre Filmgeschichte betrachten erhält durch diese Liste weitere Nahrung, denn KEIN britischer Film hat es unter die hundert Besten geschafft! Nun könnte man beruhigend mein: Tja, die Iren haben auch keinen. Aber das  Argument dürfte niemanden aus der Depression retten.

Wer mit dem britischen Film ausschließlich sozialkritisches Kino verbindet, vergisst, dass David Lean (“Oliver Twist”, “Lawrence von Arabien”) dazu zählt, ebenso wie Carol Reed (“Der Dritte Mann”) und Michael Powell (“Irrtum im Jenseits”, “Peeping Tom”). Dies sind noch die gängigen Regisseure, die internationale Bestenlisten bevölkern.

Die unzähligen französischen Meister, denen stattdessen ein Platz zugestanden wurde, sollten wohl zum Zweifel an der breiten Auswahlbasis des ganzen Vorhabens berechtigen. Die Notwendigkeit der Nennung von Jean Renoir, Marcel Carné oder Alan Resnais sehe ich ein, eine Bestenliste ist ohne Die Spielregel oder Kinder des Olymp einfach unvollständig. Ist aber ein Zugeständnis von zwei oder drei Filmen für diese Regisseure gerecht? Müsste dann nicht auch der große Ingmar Bergman durch mehr als nur einen Film (Fanny und Alexander, 44) vertreten sein? Der offensichtliche Faible der Wähler für klassische Auteurs würde dafür sprechen.

Eine gleichmäßigere Verteilung der Filme pro Regisseur (z.B. nicht mehr als zwei) hätte vielleicht wenigstens dem internationalen Kino der letzten 25 Jahre zum Einzug in die Bestenliste verhelfen können. Das Argument, Filme sollten sich erstmal über Jahrzehnte hinweg bewähren, wird an dieser Stelle abgeschmettert, schließlich hat die Liebe der Wähler für Autorenfilmer aktuellen Filmen von Almodovar und Lynch den Weg in die Liste geebnet.

Ich bin beileibe nicht der Typ Cineast, der Pulp Fiction oder Fight Club in die Top 20 aufnehmen würde, aber wenn selbst Werke von Sam Peckinpah, Martin Scorsese, Robert Altman und Terrence Malick fehlen, verleitet die Auswahl unweigerlich zum Stirnrunzeln. Zugegeben, eine Bestenliste, die zur Abwechslung mal Die Verurteilten übersieht (der absolut nichts auf so einer Liste zu suchen hat) ist ein seltenes Vergnügen. Die fast völlige Ignoranz gegenüber der neueren Filmkunst, geschweige denn der Kinos der Zweiten und Dritten Welt, untermauert jedoch schlussendlich die Unglaubwürdigkeit des ganzen Unterfangens.

Alternativen:

Die Top 100 vom Time Magazine (ungeordnet).

Die Top 100 von Entertainment Weekly.

Empire hat mal eben die 500 (!) besten Filme aller Zeiten wählen lassen.

Die von den Usern gewählte Top 250 der IMDb. Platz eins: “Die Verurteilten”.

Sight and Sound führt alle zehn Jahre einen Top Ten-Poll durch. Die Ergebnisse vom letzten (2002) und allen davor findet man hier.

Bei Britmovie wählen die User tagtäglich die hundert besten britischen Filme aller Zeiten.

Das American Film Institute hat natürlich auch nichts besseres zu tun, als regelmäßig die 100 besten amerikanischen Filme aller Zeiten zu wählen.

Kontrapunkt: Blood Diamond, Armee der Finsternis & Die purpurnen Flüsse 2

Manchmal ist es lohnend, sich Filme in Originalsprache (in diesem Fall: Englisch) mit deutschen Untertiteln anzuschauen. Dass ich so etwas sage/schreibe, scheint für die Leute, die meine Faulheit beim Filmrezipieren kennen, wie ganz böse Ironie zu wirken. Doch ich kann euch versichern: Bei Blood Diamond sowie Armee der Finsternis habe ich mal eine Ausnahme gemacht. Und nicht nur, weil man das Nuschel-„Yaa”-Brit-Englisch von Leo nicht und Bruce Campbells rotzige Kommentare dafür umso besser versteht, ist letzterer Film der bessere von beiden.

Blood Diamond (USA/D 2006)

Der Afrikaner Solomon (Djimon Hounsou) findet während Zwangsarbeit einen riesigen Diamanten, vergräbt den irgendwo in der Nähe und kann fliehen. Seine Familie wurde jedoch interniert und er will sie wieder. Da kommt der böse weiße Kapitalisten-Mann mit afrikanischen Wurzeln (Leonardo DiCaprio) gerade richtig: Beide wollen den Diamanten und Solomon bekommt von ihm die Freiheit seiner Familie versprochen.

Die ganzen Geschehnisse haben einen Funken von Zeitgeschichte inne, die Actionsequenzen muten realistisch an und gelegentlich kommt eine gewisse kritische Haltung durch, wenn der Handel mit „Blutdiamanten” aus afrikanischen Krisengebieten latent angeprangert wird.

Soweit ein ambitionierter Film, der einige wenige Afrika-Klischees jedoch nicht aussparen kann und spätestens beim arg peinlich wirkenden, gedehnten Pathos-Finale, bei dem das böse Weißbrot Leo im Sterben liegend noch etwas Gutes für den guten schwarzen Mann tut, nervt, anstatt aufzuwühlen oder zumindest zu unterhalten. Gesamtnote: „gut”, aber seine 5 Oscarnominierungen (u. a. für Leos Performance mit unverständlichem Dialekt-Kauderwelsch) nicht annähernd wert.

Armee der Finsternis (USA 1992)

Bruce Campbell-Filme sind ein eigenes Genre, das gemeinhin (etwas weiter ausgeweitet) als „Kult” bezeichnet wird. Und bezogen auf diese Tatsache stellen sich gewisse Fragen nach wesentlichen Filmelementen dieses finalen Teils der Tanz der Teufel-Trilogie gar nicht.
Special Effects: Stop Motion ist mittlerweile veraltet und die meisten anderen Effekte sind – nun ja – schlecht.
Dialoge: Reden wir nicht drüber.

Humor: Sehr ironisch und reich an Slapstick mit gelegentlichem Hang zur Absurdität, wenn ein Ritterfilm mit Fantasy- und Horrorelementen aufgepappt wird, was zum Beispiel in einem Auto mit Propeller als “Braindead”-Rasenmäherersatz zum Meucheln von Untoten gipfelt, nur dass hier keine Zombies aus Fleisch und Blut, sondern Skelette dran sind.

Inszenierung: Brillant! Sam Raimi liefert Action en masse, Cinematographer Bill Pope (später u. a. für die Bebilderung der “Matrix”-Trilogie verantwortlich) irritiert mit ebenso hektischen wie unkonventionellen Kamerafahrten und insbesondere das Set Design auf dem Friedhof ist mit seiner unheilvoll-düsteren Grusel-Atmosphäre, das es hervorbringt, schlicht genial. Bruce Campbell in seiner Paraderolle als Ash ist göttlich, wenn er grimassiert und einen großkotzigen Spruch nach dem anderen loslässt.

In den letzten 20 Filmminuten beim Kampf der Lebenden gegen die Toten um das Nekronomicon, das Buch des Todes welches man schon aus den 2 Vorgängern kennt, gibt es dann auch Action satt. 80 Minuten läuft “Armee der Finsternis”, also nicht zu lang, und am Ende bleibt dem Zuschauer nur das Sprüchlein zum Film zu sagen, mit welchem Hauptfigur Ash am Ende dieses Trash-Meisterwerks seine Geliebte rumbekommt: Hail to the King, Baby!. Horror-Kino, das rockt und zugleich der beste Teil der Trilogie.


Noch ein kleiner Nachtrag: Eine Kurzkritik zu einem Film, den ich heute mangels massentauglicher Alternative gesehen habe (allerdings nur in der deutschen Synchronfassung). Den ersten Teil fand ich seinerzeit (vor längerer Zeit, als ich ihn sah) durchaus gelungenen, diese Fortsetzung nun jedoch nicht. Die Rede ist von…

Die purpurnen Flüsse 2 – Die Engel der Apokalypse (F/IT/GB 2004)

Die Ermittlungen von Inspektor Niemans (Jean Reno), die in Teil 1 schon irgendwie hoch vertrackt, um nicht zu sagen: verwirrend waren, werden hier in Sachen Abtrusität noch weiter gesteigert. Man bekommt als Zuschauer der Fortsetzung des französischen Kinohits eine mit religiösen Motiven vollkommen hoffnungslos überfrachteten Blödsinn um Herrschsucht und Mord (soweit ich das ausmachen konnte) geboten, der nach knapp einer Stunde Filmlaufzeit beginnt, zu nerven.

Jean Reno macht als klugscheißerischer Bulle wie eigentlich immer eine ganz passable Figur, sein Gegenüber, Kollege Benoit Magimel, bleibt dafür genauso farblos wie die dümmlichen Apokalypsen-Mönche auf Drogen in ihren schwarzen Kutten, die ständig irgendwelche Leute, die religiösen Kram faseln, töten. Sinn und Verstand kann man da schon ab dem eingemauerten Typen in der Wand vom Anfang lange suchen, Logik und Charakterzeichnung noch länger: man wird sie kaum finden.

Atmosphärisch gesehen ganz nett im Sinne der schummrig ausgeleuchteten, stets keimig wirkenden Sets wie Sieben, bietet “Die purpurnen Flüsse 2” allenfalls durchschnittliches Mystery-Entertainment, aber auch nur dann, wenn man den Kopf auslässt.