Johnnie To mag Hongkong und dessen Taschendiebe

Johnnie To Ein Regiewerk kann nicht nur aus genialen Film Noir-Experimenten und modernen Heroic Bloodshed-Opern bestehen. Das dachte sich wohl Johnnie To, als er seinen Film Sparrow fertigstellte, der immerhin schon seit drei Jahren in Arbeit gewesen war. Drei Jahre, die die Veröffentlichung von Election I und II, Exiled, Triangle und Mad Detective sahen, allesamt Krimis und Thriller unterschiedlicher Couleur. Sparrow, neben Linger der zweite eher “leichte” Film des Neo Noir-Maestros in diesem Olympiajahr, vereinigt sein Stammpersonal (Simon Yam, Gordon Lam, Kelly Lin, Lam Suet) in einem spielerischen Liebesbrief an Hongkong. Das zumindest suggeriert der leichtfüßig geschnittene Retro-Trailer, dessen Look eher Jacques Demy als Johnnie To vermuten lässt.

Als Sparrows werden übrigens die professionellen Taschendiebe Hongkongs bezeichnet.

Kei (Simon Yam) is an experienced “sparrow”. He enjoys a carefree lifestyle taking photos with his vintage Rolleiflex. One day a dashing beauty, Chun Lei (Kelly Lin), suddenly appears in Kei’s viewfinder. The sparrow is mesmerized… But behind Chun Lei’s attractive facade lies a mysterious past and a mission to set herself free… [Quelle: Milkywayimage.com]

Wie an anderer Stelle bereits erwähnt, gibt es sogar einen deutschen Starttermin für Sparrow. Zumindest die IMDB nennt den 31. Juli.

Der offizielle Trailer für diesen Wettbewerbsbeitrag der diesjährigen Berlinale ist unten zu sehen oder bei Twitch.

Johnnie Tos nächstes Projekt bewegt sich wieder in düsteren Gefilden. Er wird ein Remake von Jean-Pierre Melvilles Klassiker Vier im Roten Kreis (Le Cercle Rouge) drehen mit Orlando Bloom, Liam Neeson, Chow Yun-Fat und Alain Delon.

Dass To nicht den John Woo machen wird, verspricht zumindest die Wahl Hongkongs als Schauplatz des Films. Ein To ohne Hongkong ist wie Helmut Schmidt ohne Zigarette: Einfach unvorstellbar.

[youtube=http://de.youtube.com/watch?v=3_YucG8-7Fw]


Zum Weiterlesen:

Beiträge zum Hongkonger Kino, einschließlich anderer Filme von Johnnie To.

Was LoveHKFilm.com über Sparrow zu sagen hat.

Baz Luhrmanns Australia

Baz Luhrmanns Australia

Der Welt größte Nicole Kidman-Anhängerin bin ich nicht gerade und auch Moulin Rouge habe ich noch nie bis zum Ende durchgehalten, doch der neueste Streich des australischen Regisseurs Baz Luhrmann (Romeo + Julia, Moulin Rouge) wirkt entgegen aller Befürchtungen seiner typischen Stakkato-Schnitt-Torturen recht vielversprechend. Ein Epos im Gefolge David Leans, inklusive Krieg, Sonnenuntergängen im Outback und einen kantigen Viehtreiber. Ein Aussie muss man nicht sein, um diese Inhaltsstoffe interessant zu finden.

Neben Frau Kidman wird in Australia ihr Landsmann Hugh Jackman, der die ursprünglich für Russel Crowe vorgesehene Rolle des Leading Man übernommen hat, zu sehen sein. Der Trailer sieht zwar irgendwie nach Oscar und Flop zugleich aus. Doch ungeachtet aller Box Office-Ergebnisse und vergoldeten Statuetten – man kann bei Luhrmann davon ausgehen, dass sein erster Film seit sieben Jahren alles sein wird, nur nicht gewöhnlich.

Der Inhalt des Abenteuerepos’ sieht laut Filmstarts.de wie folgt aus:

Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs reist die britische Aristokratin Lady Sarah Ashley (Nicole Kidman) nach Australien. Dort muss sie sich mit einem raubeinigen Viehtreiber (Hugh Jackman) verbünden, um die Farm ihres Mannes, die sie geerbt hat, zu retten. Sie begeben sich auf eine Reise, die ihr Leben für immer verändern wird. […] Die Lage spitzt sich zu, als sie die Bombardierung der Stadt Darwin durch die japanischen Streitkräfte erleben müssen, die zuvor Pearl Harbor angegriffen haben.

In Deutschland wird Australia am 25. Dezember 2008 starten. Was will man am ersten Weihnachtsfeiertag auch anderes tun, als Nicole Kidman durch die australische Steppe irren zu sehen?

Den Trailer (oder ist es ein Teaser?) gibt es bei Apple in mehreren Größen oder in der Flash-Version unten:

[youtube=http://de.youtube.com/watch?v=EB8hBwl4jyk]

Der neue Film der Gebrüder Coen: Burn After Reading

George Clooney und Frances McDormand lieben Kino

Brad Pitt, George Clooney, Tilda Swinton, Frances McDormand und John Malkovich in einer Komödie der Coen Brüder. Need I say more?

Der Red Band Trailer für Burn After Reading ist mithilfe von iTunes hier zu sehen oder ohne Apple Unterstützung bei slashfilm.com.

Ein deutscher Starttermin für den Nachfolgefilm von No Country For Old Men steht noch nicht fest.

Dafür haben die Coens mein Eintrittsgeld schon sicher (wenn sie es wollen…).

Election (HK 2005)

Election

Über 50 Triaden soll es in Hongkong heute geben. Die größten dieser “schwarzen Gesellschaften” zählen bis zu 25.000 Mitglieder. Diese chinesische Mafia macht ihr Geld mit Drogenhandel, Prostitution, Auftragsmorden, Raubkopien von DVDs… Die Liste ist endlos. Ihrem Gründungsmythos nach entstanden ihre Strukturen aus Untergrundgesellschaften, die im 18. Jahrhundert gegen die Fremdherrschaft der mandschurischen Quing-Dynastie aufbegehrt hatten.

Dieser Mythos einer Schar von Widerständlern findet sich heute wohl kaum im “Geschäftsethos” der Verbrecherorganisationen wieder. Gepflegt wird er im Ritual aber noch immer. Einen solchen Akt zeigt uns zumindest Johnnie To in seinem Thriller Election, der im Original ??? (Kantonesisch: hak se wui) heißt, “Schwarze Gesellschaft”.

Die alten Herren, die Tee trinkend über den zukünftigen Führer der Triade abstimmen, verteidigen die Tradition, den Ablauf der Wahl. Dieser althergebrachte Pfeiler der ehrenvollen Gesellschaft ist längst morsch. Die Übergangsriten verbergen die innere Zersetzung, denn Boss wird, wer die meisten “Wahlmänner” schmiert. Big D (Tony Leung Ka-Fai), der impulsive Bewerber für die zweijährige Amtszeit, glaubt, er habe genau das getan. Doch dann wird der zurückhaltende Lok (Simon Yam) von der Altherrenrunde zum Führer bestimmt. Der Konflikt eskaliert, als Big D die Wahl in Frage stellt und das Übergaberitual sabotiert.

Election

Ohne die Triaden würden den Gangsterfilmen Hongkongs wohl die Themen ausgehen. Auch Johnnie To hat sich hier des typischen Sujets seiner heimischen Filmindustrie angenommen. Während andernorts und auch durch ihn selbst das organisierte Verbrechen als Aufhänger für actionlastige Thriller genutzt wird, gräbt Election unangenehm genau die Mechanismen der Triadenhierarchie aus. Einem Wissenschaftler gleich, der die Implosion einer Zelle durch das Mikroskop beobachtet. Das geschieht entsprechend ruhig, mit einem distanzierten Blick für das Schachspiel der Bosse und die Katz-und Maus-Jagd ihrer Handlanger.

Wenn die Jagd nach dem jahrhundertealten Zepter der Triade, dessen Besitz den neuen Führer legitimiert, von den Kontrahenten noch aus der Untersuchungshaft dirigiert wird; ihre Helfer sich im nächtlichen Hongkong das begehrte Objekt vor der Nase wegschnappen; dann ist das die düstere Fassung der raffinierten Perfektion, die man von To spätestens seit The Mission erwarten kann.

Election

So sehr zielt er auf die Inszenierung komplizierter Abläufe ab, dass sein Interesse für Details den Blick auf eine mitreißende Erzählung verbaut. Ein Vergleich mit Der Pate ist daher hier nicht angebracht. Election sucht nicht das Drama Shakespeares, das epochale Lied vom Aufstieg und Niedergang. Sein nüchterner Blick auf das Treiben der Triaden ist To selbstverständlich nicht vorzuwerfen. Schließlich ist nach den Jahren der fragwürdigen Young and Dangerous-Reihe jede realistische, statt glorifizierende, Bearbeitung dieses Stoffes wünschenswert.

Die ihrem Wesen nach recht magere Story, der es an Überraschungen fehlt, fällt jedoch zu nichtssagend aus, um mehr als eine gehobene Film Noir-Spielerei darzustellen. Einzelne Segmente präsentieren den stilsicheren Regisseur immer wieder in Bestform, etwa die unvermittelt brutalen letzten Minuten, deren rohe Härte den wenig zuvor ausgiebig beschworenen Ehrenkodex der Triadenbruderschaft effektvoll pervertiert.

Seinen Höhepunkt erreicht Election damit zu spät. Angesichts des überlegenen Sequels wird der Vorgänger allenfalls zum hochwertigen Prolog degradiert, der qualitativ nicht viel besser ist, als die Summe seiner Teile.

Election


Zum Weiterlesen:
Weitere Kritiken zum Hongkonger Kino.
Ein ausführlicher Artikel zur Geschichte der Triaden mit 36 traditionellen Eiden (Bitte nicht zu Hause nachmachen!).
Ein Special über Johnnie To der immer wieder sehenswerten Arte-Sendung Tracks.

Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels (USA 2008)

Indiana Jones und das Königreich des KristallschädelsWissenschaftler erklären uns die Welt mit einer rationalen Beweisführung, die jeglichen Rückgriff auf mythische Kräfte jenseits unseres Erkenntnishorizontes entbehrt. Henry Jones Jr. ist so ein Wissenschaftler, ein Archäologe, ein Professor, der verstaubte Bücher wälzt, in den Ruinen untergegangener Kulturen nach Tonscherben gräbt. Indiana Jones ist seine Superheldenidentität, sein Kostüm ist der Fedora, die Peitsche, die Lederjacke. Ein Abenteurer mit der Persona eines Wissenschaftlers, der am Ende der Suche, ob nach dem heiligen Gral oder der Bundeslade, stets zur Erkenntnis gezwungen wird, dass Dinge existieren, die sich rationalen Erklärungsmustern entziehen. Indiana Jones sucht nach Artefakten, doch sein Weg verläuft nicht selten am Rande einer Epiphanie.

Wenige Minuten nach dem Ende des Vorspanns von Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels wird einem bewusst, dass Indy diesmal dem Göttlichen nicht begegnen wird. Das bekommt seinem vierten Abenteuer nicht. Unerklärliche Dinge passieren in Steven Spielbergs neuesten Streich allerdings zu Hauf. Damit ist nicht der Fakt gemeint, dass eine Horde kaum Englisch sprechender Russen in den USA der 50er, in den USA der Red Scare (!), frei herumlaufen und harmlose Uniprofessoren durch die Kante jagen können. Unwahrscheinlichkeiten dieses Ausmaßes nimmt man in einem Blockbuster kaum mehr wahr. Vielmehr ist der Mythos, welcher Indiana Jones diesmal von Land zu Land jagen lässt, das kann man bald erahnen, ein Produkt der paranoiden Nachkriegszeit: Area 51 heisst das Schlagwort. Sieht man den titelgebenden Kristallschädel, bleibt kein Zweifel: Altes und Neues Testament müssen ruhen, Science Fiction ist der Quell der Inspiration beim Drehbuchschreiben gewesen.

Indy (Harrison Ford) ist allerdings ein Archäologe, also führt der MacGuffin ihn und seinen jungen Kumpan Mutt (Shia LaBeouf) erstmal zum Grab des Konquistadors Francisco de Orellanas nach Peru, während die Russen, angeführt von der Agentin Dr. Irina Spalko (Cate Blanchett), ihnen auf den Fersen bleiben.

Die Suche nach El Dorado wird das also! Das wäre fast so interessant wie Atlantis. Doch nein, El Dorado allein genügt nicht. Indiana Jones 4 spielt schließlich in den Fünfzigern und zu den Fünfzigern gehört Science Fiction. Alle anderen denkbaren Klischees dieses Jahrzehnts komprimiert Spielberg erstmal zwinkernd, bevor es in den Dschungel geht. Vom Atombombentest, den Indy natürlich überlebt, zum Teenagerleben à la Pleasantville. Er spielt mit den Ikonen der Zeit. Das erste Drittel des Films bezieht seinen umwerfenden Charme genau daraus. Höhepunkt dieses Cartoons, der dem Traum eines Nachgeborenen gleicht, ist der Auftritt Shia LaBeoufs mit der Lederjacke auf dem Motorrad, wie einst Marlon Brando in Der Wilde. Dass diese Referenz nicht in Lächerlichkeiten ausartet, bestätigt LaBeoufs vielbeschworenes Talent, welches dem Hype endlich gerecht wird.

Trotz der popkulturellen Verweise ist Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels vor allem eine Hommage an das eigene Franchise. Visuelle Anspielungen en masse bevölkern die Bilder, leider grenzt ihre Nutzung bisweilen an eine platte Selbstparodie. Die Würdigung des verstorbenen Denholm Elliott (alias Marcus Brody) ist nachvollziehbar, die Verwurstung eines älteren MacGuffins eine sinnlose Entwürdigung. Sagen wir es mal so: Wäre Indy im Dschungel Perus zufällig über den Heiligen Gral gestolpert, hätte das bei diesem Film niemanden mehr verwundert. Diese Freude am Zitat des eigenen Werkes ist aufdringlich und reichlich übertrieben. Nach 19 Jahren Wartepause kann man dafür aber leicht Verständnis aufbringen. Sich zu dem Ursprungsmaterial konsequent in Beziehung zu setzen, dient schließlich der Integrität der Franchise. Die erste Hälfte gibt einem auch das Gefühl, einen Indiana Jones-Streifen zu sehen. Mit dieser tiefen Befriedigung, gestärkt durch den hohen Spaßfaktor, freut man sich auf den Rest des Films, doch dieser fällt im letzten Drittel in ein tiefes, sandiges Loch, in einen CGI-überladenen Akte-X-Abenteuer-Cartoon, der das ganze Filmerlebnis ruiniert, das angesammelte Potential vor die Wand fährt.

Die Bedrohlichkeit ist dahin, das Finale ist eine miese Mixtur aus Tex Avery und einer Sci-Fi-Version von “Die Mumie kehrt zurück”, aber kein Indiana Jones. Nach “Die Unheimliche Begegnung der dritten Art”, “E.T.”, “A.I.” und “Krieg der Welten” kann die Wahl Spielbergs nicht als überraschend bezeichnet werden. Unser Lieblingsarchäologe hat sie nur nicht verdient.

Alles kann man den Machern verzeihen: Die hochkarätigen Nebendarsteller, besonders Ray Winstone und Jim Broadbent, werden verschwendet. Seltsame Urmenschen krabbeln an Bäumen herum, wie schlecht animierte Spidermen und verschwinden unerklärt wieder… Das alles wird heruntergeschluckt, ignoriert zum Wohle der Indiana Jones Experience. Nur das Ende, das kann man einfach nicht vergessen. Der vierte Teil ist kein schlechter Film, ist keine Dunkle Bedrohung. Der Franchise würdig wird dieser Kristallschädel aber nicht.