Kontrapunkt: Kino pur V

Da bin ich ja mal wieder sehr kreativ bei den Filmen, die ich innerhalb der letzten Tage gesehen habe, aber was soll’s.

Repo Men (USA/CDN 2010)

Ein abartig blutiges und brutales Herumgeschnetzel mit wenig originellen Ideen, das von „Die Insel“ über „Repo! The Genetic Opera“ bis hin zu „Blade Runner“ die Filmgeschichte der letzten fast 30 Jahre plündert. In einer merkwürdigen Zukunftswelt können dabei Organe synthetisch erzeugt und dem zahlenden Kunden eingepflanzt werden. Doch wenn der nicht zahlt, werden die ihm wieder entnommen. Eines Tages gerät – na klar – einer der „Entnehmer“ (blass: Jude Law) in dieselbe missliche Lage und will zusammen mit einer weiblichen Ansammlung von Ersatzorganen das System zerstören. Hübsch anzuschauen mit einem ziemlich kranken (unfreiwilligen?) makabren Humor, aber bar jeglicher Intelligenz und mit einem Forest Whitaker, der sich als dümmlicher Sidekick gehörig blamiert. Mehr dazu von mir bei MovieMaze.

Easy Virtue – Eine unmoralische Ehefrau (GB/CDN 2008)

Oder: Wie man den Zuschauer über 90 Minuten mit der Unvereinbarkeit von lockerer amerikanischer Lebensart und britischer Aristokraten-Etikette nervt. Die Fettnäpfe, die Amerikanerin Larita (Jessica Biel) beim Besuch der Familie ihres englischen Mannes nicht auslässt, sind hin und wieder witzig (versehentlich getöteter Hund, Entehrung einer blankziehenden Tochter der Familie), vermögen aber diesen zähen und wendungsarmen Mischmasch aus Familiendrama und Lebensart-Komödie nicht zu tragen. Öde schleppt sich der Zickenkrieg zwischen Larita und der argwöhnischen Schwiegermama (Kristin Scott Thomas) mit einigen Lachern und – das Highlight – einem souverän agierenden Colin Firth als sarkastischem Familienvater bis zum offenen Ende dahin, das man irgendwann auch flehend herbeisehnt. Dann doch lieber weniger Cultureclash und noch einmal „Meine Braut, ihr Vater und ich“ schauen.

Kontrapunkt: Kino pur IV

Nach einer längeren Kreativpause einmal mehr mein Senf zu den miesen Ausgeburten, die durchs Lichtspielhaus geistern/geistern werden. Hier also die aktuellen und bald anlaufenden Kinofilme, vor denen man gewarnt sein sollte.

Iron Man 2 (USA 2010)

Mehr noch als im ersten Teil darf Milliardär Tony Stark (gewohnt lässig: Robert Downey Jr.) hier wieder seinen Narzissmus und seine Zerstörungswut ausleben, was seine genervte Umgebung und der russische Bösewicht (kommt viel zu kurz: Mickey Rourke), welcher von einem dümmlichen US-Waffenfabrikant hofiert wird, deutlichst zu spüren bekommen. Bei dieser dekadenten Materialschlacht mutet das riesige Budget von 200 Mio. Dollar gar noch bescheiden an. Der ganze Film ist dabei ein riesiges Werbeprodukt, was schon vor der Opening Scene mit DIESEL-Parfum beginnt, im Film mit auffälligen Audi-Product Placement fortgesetzt wird und im obligatorischen „The Avengers“-Cliffhanger endet. Tricktechnisch eindrucksvolles, inhaltlich jedoch arg banales Popcorn-Kino zum Weggucken.

The Other Man (USA/GB 2008)

Eine arg aufgeblasene, sinnlos verschachtelt erzählte Verfilmung einer Bernhard Schlink-Kurzgeschichte, in der einzig Laura Linney zeigen kann, was für ein schauspielerisches Schwergewicht sie ist. Der biedere Liam Neeson als Ehemann, der nach dem Verschwinden seiner Frau die klischeehafte Latin Lover-Liaison Antonio Banderas aufsucht, taugt dabei nicht als Sympathieträger. Und was sich Regisseur Richard Eyre („Tagebuch eines Skandals“) bei der wirren Zusammenstückelung seines Films auf mehreren Zeitebenen, die öfters durcheinander geraten, gedacht hat, weiß wohl auch keiner. Dann doch lieber noch einmal „Der Vorleser“ gucken.

A Nightmare on Elm Street (USA 2010)

Eins, zwei, Freddy kommt schon wieder vorbei. Sieben Jahre nach Robert Englunds letzten Auftritt in seiner Kultrolle in „Freddy vs. Jason“ prügelt Produzent und Krawallbarde Michael Bay dieses Remake des Slasher-Klassikers in die Kinos. Mit Jackie Earle Haley (Rorschach aus „Watchmen – Die Wächter“) wurde zwar ein ganz passabler Freddy-Ersatz gefunden, doch darf dieser leider keine hübschen Sprüchlein beim Traummetzeln aufsagen, die auch nur Anflüge schwarzen Humors beinhalten würden. Noch mehr Baustellen: die dummen Teenie-Darsteller, das einfallslose Skript, mangelnde Spannung, zu viel Getöse wie Gekröse. Etwas detailierter sind meine Einschätzungen bei MovieMaze und DAS MANIFEST.

Kontrapunkt: Cellu l'art 2010

Zum nunmehr 11. Mal fand dieses Jahr vom 14. bis 18. April das Jenaer Kurzfilmfestival „Cellu l’art“ statt und ich konnte nach wie vor nicht klären, welche Schreibweise nun die offizielle ist. Aber dafür kam ich in den Genuss, einen Großteil der insgesamt über 50 Filme zu sehen, die sich auf den internationalen Wettbewerb und den Länderschwerpunkt Indien verteilten. Kurz und knapp als akkreditierter Pressevertreter nun also mein Resümee.

Nachdem am Mittwochabend am Johannestor trotz widrigen Witterungsumständen beim Open Air einige Highlights aus den letzten Jahr zu sehen und die Live-Band „Standek“ zu hören war, wurde am Donnerstag (15. April) dann schließlich das Capitol Kino nach über einem Jahr Schließung wieder eröffnet. Und die Besucher kamen – in Strömen. Dabei greife ich vorweg: Gleich im ersten der insgesamt 5 Wettbewerbsblöcke lief der diesjährige Siegerfilm:

Stiller See (D 2010)

Die aus Erfurt stammende Regisseurin Lena Liberta, welche beim Cellulart 2009 bereits für ihren überladenen Problemfilm „Hundesöhne“ mit dem Publikumspreis geehrt wurde, widmete sich wieder ihrem bevorzugten Thema: der Familie und ihrer Probleme. In ihrem mit Klaviermusik buchstäblich durchkomponierten 7-Minüter erzählt sie die Geschichte um das von Unverständnis geprägte Verhältnis eines Vaters zu seinem autistischen Sohn. Die Mutter ist in dem See, an welchem die beiden Urlaub machen, vor einiger Zeit ertrunken. Der in prätentiös anmutendem Schwarz-Weiß präsentierte Film kreist um das Motiv der Musik und der kathartischen Wirkung des Wassers, ist eindrucksvoll gespielt. Ein würdiger Gewinner, auch wenn ich zwei Filme noch besser fand. Und zwar:

Territorio Enemigo (ESP 2008)

Dieses im 2. Wettbewerbsblock am Freitag gelaufene Kriegsdrama beweist nach den Wettbewerbsbeiträgen in den vergangenen Jahren einmal mehr, dass spanische Kurzfilme zu den international besten gehören. Darin verirrt sich ein Soldat auf feindliches Terrain und stellt dort den Gegner. Doch ein Fehltritt auf eine vermeintliche Mine schränkt neben seiner Bewegungsfreiheit auch seine Optionen dem Feind gegenüber ein. Packend, spannend und mit einer ebenso bitteren wie überraschenden Wendung am Ende fungiert der 11-Minüter von Rodrigo Plaza als beklemmendes Psychodrama um Angst und als Statement gegen den Irrsinn des Krieges, eingefangen mit einer bemerkenswerten Kameraarbeit. Auch sehr sehenswert:

Fliegen (D 2009)

… der im fünften und letzten Wettbewerbsblock am Samstag lief. Mit Sandra Hüller („Requiem“) und Jakob Matschenz, der später auch den Preis als bester Darsteller gewinnen sollte, hochkarätig besetzt, wird die Geschichte eines illegalen Einwanderers in Deutschland erzählt. Die Studentin Sarah (Hüller) dokumentiert sein Leben und beginnt eine Affäre mit ihm. Doch das – der einzige Kritikpunkt – ärgerliche Klischee um seine Verbindungen zu kriminellen Kreisen sorgt dafür, dass die Behörden bald auf ihn aufmerksam werden. Intensiv gespielt, authentisch wirkend und ein mutiges Thema: ein großartiger Kurzfilm!

Dabei stand die Qualität der von Kuratoren zusammen gestellten Kurzfilme vom indischen Subkontinent der Klasse dieser Filme nicht nach. Interessierte Zuschauer – und davon gab es erfreulicherweise erstaunlich viele – erhielten einen Einblick in ein Independentkino, welches soziale Probleme wie Armut und Menschenhandel ebenso thematisiert wie eine Gesellschaft im Auf- und Umbruch, in der eine riesige, aber stetig weiterwachsende Film- und Unterhaltungsindustrie immer mehr an Bedeutung gewinnt. Der skurrile Kurzfilm „The Private Life of Albert Pinto“ um einen Schauspieler, der auf seinen Durchbruch wartet thematisiert letztere ebenso wie „Tumse Milke“, in welchem das Mädchen Meera durch einen Schreibwettbewerb Shah-Rukh Khan kennenlernen will. Besonders im Gedächtnis haften blieb jedoch…

Kavi (USA/IND 2009)

Der oscarnominierte Kurzfilm lief außerhalb des Länderschwerpunkts im das Programm abrundenden „B-Side Special“ am Sonntag, indem Kurzfilme gezeigt wurden, die es trotz hohen Niveaus nicht ins reguläre Programm geschafft haben. Die Themen Kinderarbeit und moderne Sklaverei sind jedoch auch keine leichten, die Gregg Helvey da angepackt hat. Packend erzählt er die Geschichte vom indischen Jungen Kavi (Sagar Salunke), welcher den ganzen Tag Backsteine herstellt, obwohl er lieber zu den Schülern von nebenan gehören würde, die er immer wehmütig beobachtet. Als eines Tages seine Eltern verschleppt werden, hat er die Möglichkeit, aus seinem streng reglementierten Dasein auszubrechen. Trotz einer gewissen Plakativität in der Inszenierung verfehlt der Film seine aufrüttelnde Wirkung nicht und dringt einfühlsam in die Psyche eines Jungens ein, der in diese Form des Leibeigentums hineingeboren wird.

Genug der Rezensionen! Nun noch ein paar letzte Ausführungen zum Festival insgesamt, zusammengefasst in einer knackigen Checklist:

+ hohes Niveau der Wettbewerbsfilme
+ ungewöhnliche Einblicke durch den Länderschwerpunkt Indien
+ tolle Location (geschlossenes Kino quasi wiedereröffnet)
+ gute Cocktails zu noch besseren Preisen
+ viele Filmemacher/Beteiligte anwesend

eine Heizung im Saal wäre schön gewesen
durch Format-Hickhack der aufeinanderfolgenden Filme ein paar Problemchen bei Bild und Ton

Kontrapunkt: Wir waren Helden

Entweder, man beweist sich im Krieg oder im alltäglichen Leben, indem man Mitmenschen hilft. Die Frage ist nur, ob es etwas bringt.

Spezialeinheit Werwolf (RU/UKR 2009)

In dieser mutmaßlich fürs russische TV produzierten Kriegsfiktion plant eine kleine Spezialeinheit im Zweiten Weltkrieg, Adolf Hitler im Führerhauptquartier „Werwolf“ in der Ukraine zu ermorden. Doch nicht nur wegen eines Verräters in den eigenen Reihen gleicht das Unterfangen einem Himmelfahrtskommando. Aufwendig choreografierte Actionsequenzen, ein Effektespektakel oder charismatische Hauptfiguren sucht man in dieser zuweilen dialoglastigen DVD-Premiere vergebens. Dafür überzeugt der Film weitgehend mit solider Handarbeit und einem ganz ordentlichen Spannungsbogen. Zumindest, bis das Finale mysteriöserweise mittendrin abgebrochen wird und eine trauernde Frau Blümchen niederlegt. Zumindest ich fühlte mich dann doch etwas irritiert, weswegen der Film in meiner persönlichen Wertung knapp unter den Durchschnitt absackt.

Agenten sterben einsam (GB/USA 1968)

Eine kleine Truppe britischer Soldaten unter Führung von Major Smith (Richard Burton) soll zusammen mit dem GI Lt. Schaffer (Clint Eastwood) einen vermeintlichen General aus den Klauen der Nazis befreien. Doch das Schloss Adler wird sehr gut bewacht und auch hier scheint nicht jeder auf der Seite zu sein, wo man ihn zunächst wähnt. Die beinahe minutiöse Inszenierung – das ist der Grund, weswegen der Film eine satte Länge von 2,5 Stunden aufweist – hätte man etwas straffen können, doch abgesehen davon garantiert der spannende, actionreiche und wendungsreiche Agententhriller mit am Ende inflationär gebrauchter Pyrotechnik solide Unterhaltung. Da sieht man auch gerne nach, dass die zahlreichen Rückprojektionsaufnahmen als häufig verwendeter Effekt mittlerweile stark in die Jahre gekommen sind.

Kick-Ass (USA/GB 2010)

Die Geschichte über einen Loser, der über Nacht buchstäblich zum Superhelden mutiert, ist seit „Spider-Man“ nicht neu. Die Überlegung, dass Menschen ohne echte Superkräfte den Kampf gegen Verbrechen antreten seit „Watchmen“ auch nicht. Und dennoch ist „Kick-Ass“ originell: so comicnerdig-notgeil wie Protagonist Dave Lizevski (Aaron Johnson) im Alltag war Peter Parker, so talentunfähig beim Kämpfen war Spider-Man dann doch nicht. Dazu gesellen sich hyperbrutale Kämpfe, die mit all ihrem Blut und ihrer Überzeichnung ihre Comicwurzeln nicht verbergen. Das Filmbild wird zum Panel, die Vergangenheit von Damon Macready (Nicolas Cage) erstarrt in einer Rückblende zum dreidimensionalen Comicstrip. Beide, Dave sowie Damon und dessen Tochter jagen unter den Namen „Kick-Ass“ bzw. „Big Daddy“ und „Hit Girl“ die Schergen des größten Mafiosi der Stadt (finster: Mark Strong), dem es jedoch durch einen fiesen Trick gelingt, sie in seine Gewalt zu bringen. Das klingt ziemlich ernst und ist es auch, lässt aber auch witzige Zwischentöne und zahlreiche Anspielungen auf das Verhältnis Film und Comic zu, wo die Referenz an „Sin City“ nur die offensichtlichste ist.

Kontrapunkt: Osterrückblick

Da hat der Hoppelhase neben zahlreichen Eiern auch noch andere Dinge mit ins Haus gebracht. Ein Glück, dass er sich vorher die Pfoten auf der Fußmatte abgetreten hat. Endlich kam ich auch mal wieder dazu, mangels anderer Beschäftigungen fernzusehen. Am Karfreitag hielt RTL ein interessantes Fantasyspektakel im Vormittagsprogramm bereit:

Kampf der Titanen (USA 1981)

Diese eher freie Interpretation der Geschichte der griechischen Mythologie um Perseus (Harry Hamlin), der gegen die Medusa kämpft und schließlich die Prinzessin Andromeda (Judi Bowker) vor einem Meeresungehauer rettet, ist ziemlich unterhaltsamer, aber nicht sonderlich herausragender Fantasytrash. Warum er trotzdem in die Filmgeschichte einging? Effekte-Pionier Ray Harryhausen wendete hier letztmalig seine damals schon in die Jahre gekommene Stop-Motion-Technik bei der Animation der zahlreichen Kreaturen an. Dies bringt die Beschränkungen mit sich, dass die entsprechenden Figuren immer nur in einer Totalen aufgenommen werden konnten und/oder dann in das bereits ohne Effekte gedrehte Filmmaterial eingepasst werden mussten. Ob indes das in nahester Zukunft in den deutschen Kinos startende Remake denselben Charme des bisweilen effekthascherisch wirkenden Originals aufweisen wird, darf ernsthaft bezweifelt werden.

Torpedo (D 2008)

Das im Alter von 16 Jahren realisierte Regiedebüt von der jungen Skandal-Autorin Helene Hegemann um eine unangepasste Fünfzehnjährige (Alice Dwyer), die bei ihrer süchtigen Tante aufwächst, weißt autobiographische Bezüge auf. Leider vergisst Hegemann, die auch das Drehbuch beisteuerte, eine Geschichte zu erzählen und verliert sich in etlichen, kaum zusammenhängenden Episoden mit Figuren, die scheinbar relevant sind, aber teilweise nie wieder auftauchen. „Torpedo“ wirkt also etwas planlos in seiner Ausrichtung – weder ein wirklicher Spiel-, noch Experimentalfilm, weder Lang-, noch Kurzfilm. Als radikaler Einblick in die aufgewühlte, ungeordnete Gedankenwelt einer verunsicherten Teenagerin ist dieses absurdhumorige Drama dennoch interessanter als manch andere Adoleszenzgeschichte.

I love you, Phillip Morris (F/USA 2009)

Die Biografie vom echten Steven Jay Russell, dessen Geschichte hier nach Steve McVickers Roman erzählt wird, war sehr wechselhaft: Frau und Kind, Outing als Homosexueller, Betrü- gereien, Knast, die große Liebe im Knast, Ausbruch, Betrügereien, Knast, Ausbruch, Betrügereien… und so weiter, bis ihm 1998 eine 144-jährige Haftstrafe aufgebrummt wurde. Gespielt wird er von Jim Carrey, der etwas ernster als gewohnt, aber in seiner Rolle als windiger Berüger nicht humorlos agiert; Ewan McGregor spielt Phillip Morris, seine große Knacki-Liebe. Der Film weiß dabei als stimmige Tragikomödie mit hohem Unterhaltungswert durchaus zu gefallen, weißt sogar einige großartige Pointen auf. Negativ zu bemerken bleibt einzig die Reaktion des Publikums der Sneak Preview, die ich nach langer Zeit wieder einmal besuchen konnte: ausgiebige Küsse unter Schwulen oder die ironische Oralsex-Szene auf einem Boot bringen auch heute noch Ressentiments gegen Homosexuelle zum Ausdruck.