WALL·E (USA 2008)

Selten bieten Endzeitvisionen Stoff für bezirzte Oooohs und Aaaahs aus dem Zuschauerraum oder sieht die Welt außerhalb der Matrix zum Knuddeln aus?

Zugegeben, der einstmals blaue Planet, auf dem der Abfallverarbeitungsroboter WALL-E sein Dasein fristet, ist nicht von der wohnlichen Art. Müllberge so groß wie Hochhäuser zieren sein Antlitz. Die Menschen, Verursacher des ganzen Übels, haben ihre Heimat wohlweislich längst verlassen. Nur der eckige, etwas schmuddelige WALL-E ist noch verblieben, um Tag für Tag den Müll schön säuberlich in handlichen Würfeln anzuordnen. Seine Kollegen haben längst das Zeitliche gesegnet, denn das Projekt, die Erde vom Abfall zu befreien, wurde längst für gescheitert erklärt.

Es ist also nicht Mutter Erde, die für verzückte Aufschreie im Kinosaal sorgt, sondern der titelgebende Held, bei dessen Design sich die Kreativen von Pixar mal wieder selbst übertroffen haben. WALL-E, mit seinen großen, traurigen Augen und dem altmodischen Unterbau, reiht sich nahtlos ein in die lange Schlange von Pixar-Helden, die das Herz des Zuschauers in den letzten Jahren im Sturm eroberten. Da ist es nur hilfreich, dass er kaum redet und die meiste Zeit verschroben süße Töne von sich gibt. Sein Äußeres täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass WALL-E keine bloße Kopie früherer Pixar-Helden ist. Der kleine Roboter wirkt vielmehr wie eine Inkarnation von Chaplins Tramp, nur eben aus Blech, versteht sich. So gestalten sich die ersten 40 Minuten des Films passenderweise recht stumm, auch wenn WALL-E Gesellschaft bekommt. EVE lautet ihr symbolträchtiger Name. Auf die Erde wurde sie geschickt, um nach Beweisen für die Bewohnbarkeit des Messie-Planeten zu suchen.

EVE ist im Grunde das beste Product-Placement, dass sich eine Firma nur wünschen kann. Natürlich trägt sie kein Logo, doch wer in seinem Leben schon mal einen iMac, iBook oder irgendein anderes Gerät mit dem “i” gesehen hat, der wird sich wundern, warum EVE der angebissene Apfel fehlt. WALL-E’s glänzend weiße neue Freundin ist eine Ausgeburt an Perfektion, was die ganze Apple-Werbung, die in der Anwesenheit eines iPods in der Wohnung unseres Hauptdarstellers kulminiert, auch irgendwie logisch erscheinen lässt.

In jedem anderen Film hätte EVE in etwa so langweilig ausfallen können wie ein Supermodel ohne Persönlichkeit, das nur zum Anschauen da ist. Nicht so bei Pixar, deren Qualitäten eben nicht nur bei wegweisenden Animationen liegen, sondern gerade der Zeichnung liebenswerter Figuren. EVE, die einen Hang dazu hat, alles zu Schutt zu schießen, was ihr suspekt vorkommt, ist so eine. Nach vierzig Minuten herzergreifender Slapstick-Unterhaltung, wie man sie im heutigen Kino selten zu sehen bekommt, tauchen jedoch Menschen auf. In gewisser Weise erscheint damit der Grund auf der Bühne, warum WALL-E nicht an die Qualität des letzten Pixars Ratatouille herankommt.

Die erste Hälfte des Films ist durch seine weitgehend abwesenden Dialoge wie eine lange Version der unzähligen Kurzfilme, welche das Pixar-Kinoerlebnis so einzigartig gestalten. WALL-E ist im Gegensatz zu diesen für die große Leinwand  mit ihren 90 Minuten geschaffen. Beweis dafür ist schon die Rolle von Kameramaestro Roger Deakins (“Fargo”, “No Country for Old Men”) als visual consultant. Diese Hälfte ist experimentierfreudig, ist charmant und liebenswert; ist pfiffig erzähltes großes Kino. Mit dem Auftritt der Menschen wird der Film nicht nur von Massen an Figuren bevölkert, die in etwa so individuell sind wie die gierigen Möwen in Findet Nemo. An sich wäre die Anwesenheit von kugelrunden homo sapiens nämlich nicht das Problem, schließlich sind sie ein bedeutender Teil der Botschaft des Werkes. Mit den Menschen wandelt sich WALL-E jedoch in ein rasantes Abenteuer, vielleicht am ehesten vergleichbar mit Die Unglaublichen. Es fehlt dem Film von Andrew Stanton damit an Homogenität.

WALL-E ist trotz allem immer noch besser als “Kung Fu-Panda” und Konsorten, weil keiner der Pixar-Konkurrenten dazu in der Lage ist, große Gefühle so glaubwürdig in die Herzen von kleinen Maschinen zu verpflanzen. Szenen wie den Tanz von WALL-E und EVE im Weltall, würde man sonst höchstens einem Steven Spielberg abnehmen und selbst der scheint sein Händchen dafür mittlerweile verloren zu haben. Es ist eben ein Glück, dass es Pixar gibt.