Kurtz & Knapp VI

Dumplings (HK 2004)

Fruit Chan ist so etwas wie das einsame Zugpferd der Hongkonger Indieszene und noch dazu verantwortlich für einen der besten HK- Filme überhaupt (“Made in Hong Kong”). Bezeichnenderweise sind seine Filme nicht gerade für ihre Linearität oder Zuschauerfreundlichkeit bekannt. Dumplings markiert nun seinen gelungenen Schritt zum Mainstream – oder sagen wir lieber zu geradlinigen Narrationsformen. Denn der Film glänzt mit einer selbst für Hongkong- Verhältnisse recht geschmacklosen Prämisse: Ex- TV Star Mrs. Lee (Miriam Yeung) hadert mit dem Alter und v.a. den dazugehörigen Falten. Um Mr. Lee (Tony Leung Ka-Fai) nicht endgültig an junge Konkurrentinnen zu verlieren, wendet sie sich an die ‘Köchin’ Mei (Skandalnudel Bai Ling), deren Teigtaschen ein wundersames Verjüngungsmittel bereit halten: menschliche Föten.

Ist man den asiatischen Umgang mit menschlichem Leben aller Altersstufen nicht gewohnt, erscheint die angewiderte Abwendung von diesem Filmschmankerl als gerechtfertigte Reaktion. Leicht bekömmlich ist dieser Film offensichtlich nicht. Vertragen die filmischen Geschmacksnerven aber auch härtere Kost, kann man “Dumplings” durchaus als Hybrid aus Psychothriller und Satire empfehlen. Dabei beweisen Regisseur Chan und DoP Christopher Doyle (“In the Mood for Love”) ihr Können v.a. in den Momenten der unangenehmen Andeutung, die nicht nur Miriam Yeung zwischen Faszination und Abscheu erstarren lassen.

2046 (VRC/HK/D/F 2004)

Christopher Doyle die Zweite: Die Entwicklung kaum eines Regisseurs ist so eng mit seinem Kameramann verbunden wie die von Wong Kar-Wai. Zwar arbeitete Wong auch mit anderen Größen wie Andrew Lau (später Regisseur von “Infernal Affairs”) zusammen, doch seit “Days of Being Wild” (1990), stellte Doyle fraglos das perfekte Auge seines zugleich farbintensiven wie düster- melancholischen Stils dar. Und keiner filmt rauchende Divas wie Chris Doyle. Dafür legt Wongs vorerst letztes HK- Werk 2046 erneut Zeugnis ab. Als lose Fortsetzung von “In the Mood for Love” konzipiert, haben wir erneut am Schicksal des Journalisten und Autoren Chow (Tony Leung Chiu-Wai) teil, der die Nachwirkungen seiner gescheiterten Affaire aus dem tragisch schönen Liebesfilm von 2000 noch zu verarbeiten sucht. So erscheint “2046” weniger als “ultimativer Liebesfilm”, wie ihn die deutsche Werbung anpreist, treffender wäre da das Etikett als “ultimativer Liebeskummerfilm”. 2046, das ist schließlich der Ort der Erinnerung in Chows Sci-Fi- Romanen, von dem niemand je zurückgekommen ist. Im Jahr 2046 wird Hongkong außerdem seinen Sonderverwaltungsstatus verlieren und nach Ansicht vieler Pessimisten seine verbliebenen Freiheiten an die Volksrepublik China abgeben. Davon weiß Chow reichlich wenig, schließlich spielt der Film wie auch schon der Vorgänger im Hongkong der 60er Jahre.

Einen häufig verwirrenden Flickenteppich aus Schicksalen webt Wong um die Geschichte, welche von unser aller Lieblingsmelancholiker Leung getragen wird, der gleich drei asiatische Diven zur Seite gestellt bekommt: die göttliche Gong Li, die feenhafte Faye Wong und die alles überragende Zhang Ziyi. Von dem eher kurzen Auftritt von Leungs Ehefrau Carina Lau ganz zu schweigen. Das fragmentarisch angelegte Figurenkarussell ist wohl das hervorstechende Symptom der endlosen Produktionszeit des Films. Dass “2046”, eine 126 Minuten lange, visuelle Extravaganz eines ohnehin nicht gerade erzählerisch begabten Regisseurs, dennoch sowohl berauscht, als auch befriedigt, darf als kleines Wunder betrachtet werden. Wie genau der höchst eigenwillige Film das schafft, ist mir allerdings nach der ersten Sichtung noch nicht aufgegangen.