Infernal Affairs II (HK/VRC/SGP 2003)

Fortsetzungen sind ja mittlerweile ein Schimpfwort im Feuilleton und bedenkt man die Qualität der Sequels dieses letzten Jahres (und es waren beileibe nicht wenige), so könnte man der Bewertung glatt zustimmen.

Fortsetzungen wiederholen das Schema von Teil 1 um die Stars wieder zusammen zu bringen. Fortsetzungen sind entweder extrem überladen (besonders wenn sie auf Teil Drei hinarbeiten) oder einfach nur repetitive Fingerübungen, denen es an Fantasie, Originalität und dem Wille zum Risiko fehlt.

Aber es gibt auch diese Ausnahmen, die dünnen Lichtblicke am Horizont der Kinolandschaft, die da wären “Das Imperium schlägt zurück” (Teil Zwei der Star Wars Saga), “Tanz der Teufel II” oder auch The Godfather of all Sequels: “Der Pate II”.

In Hongkong läuft der kommerzielle Hase nicht anders. Für jedes “A Better Tomorrow” gibt es ein “A Better Tomorrow II” und III usw. So war es trotz der nicht gerade zum Sequel einladenden Story von “Infernal Affairs” keine große Überraschung, als sofort eine Fortsetzung für den Kinohit angesetzt wurde.

Auch wenn Teil Drei der infernalischen Saga auf Grund seiner Struktur – einer Mischung aus Prequel und Sequel – eher zum Vergleich mit “Der Pate II” einlädt, kann man getrost sagen, dass Infernal Affairs II das für die Serie erreicht hat, was damals Teil II für die Mafiatrilogie erreicht hatte: Er hebt die Saga auf ein neues Level, eine neue Qualitätsebene epischer Erzählung.

War Infernal Affairs noch ein Hochglanzthriller aller erster Güte gewesen, dessen Hauptaugenmerk dem Plot galt, so präsentiert sich die erste Fortsetzung zum großen Teil als Charakterstück, als ganz große Tragödie im Triadenmilieu.

1991 startet die Handlung, Infernal Affairs II ist also ein Prequel, das die Starfrage ganz einfach dadurch löst, dass die beiden Hauptdarsteller des Originals (Tony Leung und Andy Lau) durch ihre jungen Alter Egos ersetzt werden.

Yan (Shawn Yue) ist noch ein korrekter Polizeischüler, der wegen seiner verschwiegenen Verwandschaft mit dem Triadenboss Hau (Francis Ng) von der Akademie fliegt. Den einzigen Weg in den Polizeidienst bietet ihm sein zukünftiger Mentor Inspektor Wong (Anthony Wong): Die Undercoverarbeit bei den Triaden und damit an der Seite seines Halbbruders Hau.

Lau (Edison Chen) dagegen erledigt noch kriminelle Aufträge für die Ehefrau des späteren Triadenbosses Sam (Eric Tsang), der loyal zu seinem “Vorgesetzten” Hau steht. Schließlich wird Lau von Sam in die Polizeiakademie geschickt, um seine Arbeit als Spitzel zu beginnen.

Natürlich muss man fragen: Wo zum Henker ist die große Tragödie?

In “Infernal Affairs” war das Finale, die ganze Spannung des Films auf die Konfrontation Laus und Yans ausgerichtet gewesen. Wer diese beiden auch im Zentrum des Prequels erwartet, wird nur bedingt enttäuscht werden. Natürlich spielen sie eine Rolle, doch das große Drama läuft zwischen anderen Figuren ab.

Wer sich nach der Sichtung des ersten Teils schon immer mal gefragt hat, warum der Cop Wong den Gangster Sam so gut zu kennen scheint, der wird hier seine Antwort finden. Auch für die Frage, warum aus der anfänglichen Freundschaft ein tödlicher Wettstreit wird, liefert das Prequel eine überraschend befriedigende Erklärung.

Die erste Sequenz in “Infernal Affairs II” zeigt Wong und Sam beim gemeinsamen Essen, eine klare Referenz an das Aufeinandertreffen der beiden in Teil Eins. Der Ton ist freundschaftlich, Sam ist noch ein kleiner Fisch im Gewerbe und hilft seinem Freund hin und wieder.

Diese erste Dialogszene – und jede Szene mit Anthony Wong und Eric Tsang ist ein Highlight – setzt den Ton des Films und stellt dessen Präferenzen hinsichtlich seiner Hauptfiguren klar.

Ein Prequel will immer auch zeigen, wie die bekannten Figuren zu dem geworden sind, was wir kennen und/oder lieben. Dieser Aufgabe geht auch “Infernal Affairs II” nach.

So ist Inspektor Wong zu Beginn der Handlung keinesfalls der gute, aufrechte Mentor aus Film Eins. Jedes Mittel ist ihm recht, um die Triaden zu bekämpfen. Das schließt auch kaltblütigen Mord nicht aus.

Dabei gerät er immer wieder in Konflikt mit seinem gesetzestreuen Freund und späteren Vorgesetzten Luk. Angesichts seines moralischen Zustandes ist es nicht verwunderlich, dass Wong einen rechtschaffenen, jungen Mann ohne mit der Wimper zu zucken in den Undercoverdienst schickt.

Sam dagegen ist ein Krimineller ohne Ambitionen. Ein loyaler Helfer, der an seiner ehrgeizigen Frau hängt und mit seiner Situation vollkommen zufrieden ist. Die Freundschaft Wongs und Sams wird erst auf die Probe gestellt, als der wie ein geschniegelter, harmloser Anwalt herumlaufende Hau die Familiengeschäfte übernimmt und zum Triadenboss wird.

Beobachtet man Francis Ngs an Michael Corleone erinnernden Hau bei der Arbeit, so erkennt man, dass auch “Infernal Affairs II” sich nicht auf einen klaren Bösewicht festlegen will.

Mehr noch, die subtile Darstellung dieses berechnenden Geistes, der seinem Gegenüber stets einen Schritt voraus zu sein scheint, dessen wahre Gefühle nur in den seltensten Fällen aufblinken, gewährt uns trotz allem noch einen Einblick in die Persönlichkeit des charismatischen Familienmenschen, dessen Gedanken zu jeder Zeit der Bewahrung des Erbes seines Vaters gelten.

Die Grenzen zwischen Gut und Böse sind in “Infernal Affairs II” längst nicht mehr auszumachen. Das große Drama besteht darin, dass diese Figuren ihrem Schicksal entgegenlaufen, welches wir zumeist durch den ersten Teil kennen.

Diese Schicksale sind aber nicht unausweichlich. Es ist hier keine höhere Macht am Werke, die deterministisch darüber entscheidet, wer durchkommt und wer auf der Strecke bleibt. Der Plot ist gänzlich character driven, was das ganze gleichzeitig schmerzhaft und einleuchtend macht. Jede Figur entscheidet selbst über ihren Weg in die titelgebende Hölle des ewigen Leidens.

Nicht zuletzt deswegen ist auch der visuelle Stil in “Infernal Affairs II” ein anderer. Der verstärkte Handkameraeinsatz bringt uns näher an die Psyche der Figuren. Wo in “Infernal Affairs” noch klassische Hongkong-Kino-Stilmittel eingesetzt wurden, um die Emotionen hervorzuheben, halten Alan Mak und Andrew Lau hier einfach drauf – fast minutenlang – um die Figuren an ihren Grenzen zu erleben und die Grenzen nicht nur durch offensichtlich künstliche, filmische Mittel zu suggerieren.

Die Besetzung um Anthony Wong, Francis Ng und Eric Tsang verspricht einen großen Schauspielerfilm und darin liegt auch der Vorzug von Infernal Affairs II. Das Tempo ist kaum zu vergleichen mit dem des Vorgängers, auch wird durch die Zeitsprünge die Spannung nicht so gezielt aufgebaut.

Wenn das Schicksalsdatum Hongkongs – der 1. Juli 1997, als die Kronkolonie an China zurückgegeben wurde – aber erreicht ist, dann wird einem unfreiwillig bewusst, dass die Wege nur in die Geschehnisse des Vorgängers münden können, auch wenn der Film dieses Problem nicht mit dem psychologischen Vorschlaghammer regelt.

“Infernal Affairs II” ist ein episches, klischeefreies Unterweltdrama, dass beim Zuschauer einiges an Vorwissen bzgl. des ersten Teils voraussetzt. Dafür entlohnt der Film mit einem schauspielerischen und erzählerischen Niveau, welches auch im westlichen Kino selten zu finden ist und das selbst seinen Vorgänger übertrifft.


Zum Weiterlesen…
Infernal Affairs
The Departed