Kontrapunkt: Geheimtipps aus 3 Dekaden

Während dem ein oder anderen Leser ein „Na, den kenne ich doch!“ über die Lippen kommen dürfte, wird das bei der Mehrzahl bei den hier vorgestellten Filmen sicherlich nicht der Fall sein. Sollte es aber!

Mein Freund Harvey (USA 1950)

Elwood P. Dowd hat einen riesigen unsichtbaren weißen Hasen namens Harvey zum Freund, der ihn auf Schritt und Tritt verfolgt und seine Schwester dazu veranlasst, ihn in eine Anstalt einweisen zu wollen. Heitere Missverständnisse sind die Folge und Zweifel (engl. „doubt“) an dem geistigen Zustand der Mitmenschen von Elwood sind angebracht, wenn seine besorgte Schwester, Ärzte oder Pförtner ihre Spleens bei turbulenten Verwicklungen offenbaren. Großartig: James Stewarts unnachahmlich verträumter Blick und seine galante Art – mal ganz abgesehen davon, dass er hervorragend spielt und mit seinem unsichtbaren Co-Star formidabel harmoniert. Ein vergnügliches Plädoyer für mehr Toleranz und das Recht der individuellen Persönlichkeitsentfaltung.

La Bête – Die Bestie (F 1975)

Eigentlich ist die bewegte deutsche Zensurgeschichte um Kürzung, Indizierung und schließlich doch erfolgter Freigabe interessanter als die des Films, in welcher eine amerikanische Frau den Sohn eines verarmten französischen Adelsgeschlechts mit mysteriöser Vergangenheit ehelichen soll. Interessanter die Allegorie auf den animalischen menschlichen Sexualtrieb, welche Regisseur und Autor Walerian Borowczyk mit zahlreichen Motiven und Symbolen (Gemälde, Schnecken, omnipräsente Libido) kontinuierlich durchhält und in die berüchtigte Traumszene, in welcher eine Adlige von einem lüsternen Biest verfolgt wird, münden lässt. Beeindruckend fotografiert und ekstatisch inszeniert kommt dabei nie der Eindruck einer lüsternen Männerfantasie, wohl aber der eines hintersinnigen erotischen Kunstwerks auf. Eine analytische, umfangreichere Besprechung des Films folgt demnächst bei MovieMaze.

Express in die Hölle (USA/Israel 1985)

Einen Actionthriller ohne laute Schießereien gibt es nur selten. Noch seltener, wenn darin Haupt- und Nebendarsteller für den Oscar nominiert werden und Akira Kurosawa die Vorlage fürs Drehbuch lieferte. So geschehen bei dem vom Publikum verkannten Meisterwerk „Runaway Train“, in welchem der rücksichtslose Manny (Jon Voight) und der leicht debile Buck (Eric Roberts) aus einem Hochsicherheitsgefängnis in Alaska ausbrechen und bei ihrer Flucht auf einen Zug geraten, dessen Lokführer einen tödlichen Herzanfall erleidet. Der Zug gerät außer Kontrolle, gewinnt zunehmend an Geschwindigkeit und wird zum wilden, tödlichen Tier. Eine Analogie, die in dieser packenden Studie um den unbändigen Überlebens- und Freiheitstrieb des Menschen noch öfter aufgegriffen werden soll. Insbesondere im von Regisseur Konchalovsky mit russischem Schwermut und Inbrunst inszenierten Finale, wenn sich der unerbittliche Manny und seine Nemesis, der despotische Gefängnisdirektor, im Angesicht des gemeinsamen Todes gegenüber stehen.