Kontrapunkt: Paris

Die Stadt der Liebe wird als Schauplatz für entsprechende Genre-Filme gerne genommen. Aus diesem Grund möchte ich dieses Klischee hier zweimal wirklich und einmal nicht so ganz bedienen.

2 Tage Paris (F/D 2007)

Marion (Julie Delpy) und ihr mürrischer amerikanischer Freund, der Ex-Knacki Jack (Adam Goldberg), reisen auf einem Eurotrip nach Paris, um ihre Eltern zu besuchen. Dieser 2 Tage dauernde Abstecher wird aufgrund der Notgeilheit des Vaters, der Überfürsorglichkeit der Mutter und der Konfrontation mit zahlreichen Ex-Lovern Marions zum Prüfstein der Beziehung. Auch wenn die anhaltende Geschwätzigkeit im Film auf Dauer doch etwas an den Nerven zerrt, gelingt Julie Delpy in ihrem Regiedebüt eine ehrliche, charmante. witzige und unkonventionell inszenierte romantische Komödie mit Seitenhieben auf den Zusammenstoß der französischen mit der amerikanischen Lebenskultur. Denkwürdig: Daniel Brühls kurzer und sehr seltsamer Auftritt als militanter Umweltaktivist in einer Fastfood-Filiale.

Paris je t’aime (F/FL/CH 2006)

Zugegebenermaßen waren die Erwar-tungen an diese Kurzfilmkompilation rund um das Thema „Liebe in Paris“ hoch. Umso mehr konnten sie nicht erfüllt werden. Von den 18 Miniaturen kann nur die Hälfte als wirklich gelungen bezeichnet werden, auch große Regisseure wie Gus Van Sant und Wes Craven fielen mit pointenlosem Stückwerk auf die Nase. Zu den Beiträgen von Walter Salles um das Leben einer Tagesmutter und von Nobuhiro Suwa um Trauerarbeit um ein verstorbenes Kind fehlte mir der Zugang. Hervorstechend: Alexander Paynes Liebeserklärung einer einsamen amerikanischen Touristin an Paris und der tolle Beitrag von Tom Tykwer. Die eigentlichen Überraschungen stellen aber die Segmente „Tour Eiffel“ von Sylvain Chomet (skurrile Komik um einen Pantomimen auf Frauensuche) und die durch Rückblende erzählte, traurige Liebesgeschichte zwischen einem Obdachlosen und einer Sanitäterin von Oliver Schmitz („Places des Fetes“) dar – beide großartig.

An American Werewolf in Paris (USA/GB/L/NL/F 1997)

Drei notgeile US-Teens machen auf ihrem Eurotrip einen Zwischenstopp in Paris. Der Softie von ihnen (Tom Everett Scott) verliebt sich dabei in Serafine (again: Julie Delpy), die sich vom Eifelturm stürzen will. Nach der unkonventionellsten Aschenputtel-Vari- ation der Filmgeschichte (Bungee-Jumping) folgt das erwartete Aufein- andertreffen von Menschen und Werwölfen, die es fast ausschließlich – man beachte die latente Gesell- schaftskritik – auf das kulturlose Volk der Amerikaner abgesehen haben. Die Auflockerung des Ganzen mit einigen (vorwiegend flachen) Gags oder witzigen Einfällen machen diese klischeelastige und mit durchwachsenen Special Effects um die Animation der Werwölfe gespickte Horrorkomödie launig und kurzweilig zu schauen, etwas wirklich Neues bekommt man allerdings nicht geboten, wenn man den ersten Teil kennt.

Kontrapunkt: Film vs. Buch – Homo Faber

Dass beide Medien unterschiedliche Ausdrucksmöglichkeiten haben, beim Roman die Sprache, beim Filmen die Bilder und Töne, ist nicht neu. Doch Volker Schlöndorff, der „Die Blechtrommel“ von Günther Grass fürs Kino durchaus adäquat für die Leinwand aufbereitete, ignoriert in Homo Faber (F/D/GR/GB 1991) diesen Fakt. Natürlich will er sich eng an die Vorlage halten, um die Leser des Buches nicht zu verärgern und um Max Frischs Bericht um die letzten Monate eines rational denkenden Logikmenschen gerecht werden zu können. Doch dieses Vorhaben scheitert nicht nur in Anbetracht einiger Freiheiten, die er sich dabei nimmt und auf die noch näher einzugehen sein wird. Wenn Walter Faber im Buch emotional unterkühlt daherkommt, aber der Leser immer wieder tief in seine Psyche einzudringen vermag, für die menschliche Empathie ein Fremdwort zu sein scheint, in seine Lebenslügen und die wehmütige Auseinandersetzung mit seiner Vergangenheit, so endet das Einfühlungsvermögen des Films – ohne Schrift, aber eben mit Bildern – vor den runden Brillengläsern der von Sam Shepard unzugänglich, gar unsympathisch verkörperten Hauptfigur.

Diese Hauptfigur ist ein gestandener Mann, unnötig und unpassend stilisiert zum Womanizer. Auf dem anfänglichen Flug, bei dem er Herbert Hencke kennenlernt, wird ihm bereits eine unglaubwürdige Affäre mit der Stewardess angedichtet, die es im Buch nicht gibt. Faber wird im Laufe der Handlung konfrontiert mit dem Tod seines ehemals besten Freundes Joachim, lernt nach einem Wiedersehen mit seiner Flamme Ivy seine ihm unbekannte Tochter Elsbeth kennen, mit der er schließlich zusammen durch Europa tourt. Am Ende steht dabei Fabers Wiedersehen mit seiner ehemaligen Fast-Ehefrau Hanna und Mutter Elsbeths – unter traurigen Umständen.

Die Figur des Amerikaners Marcel, welchem Faber und Hencke in Palenque begegnen, fehlt ganz, was allerdings nicht weiter stört. Ohnehin ist ein Film darauf angewiesen, die komplexen Bilder und Motive des Buches zu vereinfachen, für die Geschichte Unerhebliches auszusparen. Die Reise zur Farm von Joachim wird verknappt, die Öde in der schwirrenden Hitze von Palenque, im Buch wiederum stimmungsvoll geschildert, fällt weg und wird aufs Nötigste zusammengekürzt. Nahezu unverzeihlich sind jedoch die sich fundamental voneinander unterscheidenden Enden. [SPOILER] Während Faber im Buch seinem Magenkrebsleiden erliegt, rahmt der Film die Geschichte dadurch, indem Hanna Faber zum Flughafen bringt (getaucht in Sepia-Töne). Dieser wohlgemerkt in dem Wissen über die Geschehnisse, die dann – der Struktur des Buches als „Bericht“ sehr ähnlich – rückblickend geschildert werden. Unverzeihlich ist dies deswegen, weil der Film Fabers Zusammenbruch auf der Flughafentoilette zu Beginn als Auswirkung dieses Leidens zeigt, dies aber dann zugunsten eines weniger pessimistischen Endes – in welchem Faber immerhin mit dem Leben davon zu kommen scheint – fallen lässt. [SPOILER ENDE]

Sam Shepard gelingt es dabei in der Hauptrolle nie, Sympathie zu wecken. Dies ist auch seinem – in der deutschen Synchronisation – mehr oder minder lustlos vorgetragenem Off-Kommentar geschuldet. Julie Delpy als jugendlicher Wirbelwind Elsbeth vermag durch ihren frischen Charme aus der Besetzung noch herauszustechen, Barbara Sukowa als Hanna und Deborra Lee-Furness als Ivy gelingt es jedoch kaum, Akzente zu setzen. Über allem thront jedoch Schlöndorffs unentschlossene Regie, die nicht so recht weiß, wo sie der literarischen Vorlage treu bleiben kann und wo sie ihr treu bleiben soll. Das Medium Buch lässt sich vom Medium Film nicht ohne Qualitätsverlust übertragen – das beweist zumindest „Homo Faber“