Kontrapunkt: Die Filme von Jochen Hick

„Wer?“ mag sich jetzt so Mancher fragen. Der 1960 in Darmstadt geborene Filmemacher Jochen Hick inszenierte bis dato gerade einmal zwei Spielfilme, aber insgesamt neun abendfüllende Dokumentationen über schwule Themen – zuletzt: The Good American. Homosexuelle Subkultur(en), AIDS, Pornografie und Deutsche, welche aus den verschiedensten Gründen ins Ausland gereist sind, sind dabei wiederkehrende Inhalte in seinen unabhängig produzierten Filmen, die hier in einer kleinen, willkürlichen Auswahl besprochen werden sollen.

Via Appia (BRD 1989)

… ist die Bezeichnung eines Stadtviertels von Rio De Janeiro, wo männliche Prostituierte ihrem illegalen Job nachgehen. Dahin reist Frank (Peter Senner), nachdem er von seinem dort stammenden One Night Stand Mario mit AIDS angesteckt wurde. Zusammen mit einem Regisseur (Yves Jansen) und Kameramann, die ihn begleiten, begeben sie sich auf die Suche nach Mario und tauchen in die homosexuelle Stricherszene vor Ort ein. Auffällig bei der Machart des Films ist seine anhaltende Referenz ans Filmemachen. Frank spricht sich mit dem Regisseur ab, dem alsbald vom Produzenten mangels Erfolg bei der Suche der Geldhahn zugedreht wird. Der Kameramann liefert die Bilder für den Film (und den Film im Film), der folgerichtig mit Bildstörungen endet, da gerade die letzte Filmrolle verbraucht wurde. Eine auf Kausalketten beruhende Handlung sucht man dabei vergebens. In diesem semidokumentarischen, um Authentizität bemühten Gestus fällt zuweilen das affektierte Spiel der beiden Hauptakteure etwas negativ auf.

Menmaniacs – The Legacy of Leather (D/USA 1995)

Eine Dokumentation um die Leder-Szene im Schwulen-Milieu, die zunächst einmal viele Klischees bestätigt. Von der Verquickung mit SM über Leder-Fetischismus (schleck!) und Uniformen bis hin zu ausladend langen Aufnahmen von Conventions der Community und Mister-Wahlen, deren Strahlkraft Kameramann und Regisseur Hick öfters verfiel, ist alles dabei. Gut nur, dass der Film insbesondere bei der Thematisierung von AIDS dann doch etwas tiefer schürft und sich darum bemüht, der deutschen Ikone Thomas Karasch („International Mr. Leather 1987“), mittlerweile deutlich von seiner HIV-Erkrankung gezeichnet und als Porno-Produzent tätig, viel Screentime zu geben. Andere Personen wie Marcus Hernandez (Redakteur bei der Szenezeitschrift „Drummer“) und Hans-Gerd Mertens (ebenfalls Deutscher und Freund von Thomas Karasch) kommen allerdings zu kurz. Ein bemühter, über weite Strecken jedoch nur oberflächlicher Einblick in eine zum Teil befremdliche Subkultur.

Sex Life in L. A. (D/USA 1998)

Das Porträt von neun jungen Männern, welche in Los Angeles ihre Erfüllung in der Sex-Branche finden wollen. Doch der Weg zum Foto-Model oder Gayporno-Star ist steinig: Viele scheitern oder werden von der oberflächlichen Industrie schnell verschlissen. Die Stärke des Films liegt darin, auch die Schattenseiten der oberflächlichen Sex-Glitzerwelt von Los Angeles aufzuzeigen: Drogensucht, HIV bei Darstellern und Prostitution, um finanziell irgendwie über die Runden zu kommen. Doch die Schwachstelle ergibt sich schon aus der Ausgangssituation: Jochen Hick gelingt es nicht, jedem der neun Männer gleichermaßen gerecht zu werden. So erfährt man über die beiden Stricher Patrick, der keine feste Bleibe hat und auch mal in seinem Auto lebt, und David, der gläubig ist und von einer Karriere als Unterwäschemodel träumt, durch ihre spröde Art wenig, während Schönling Kevin Kramer eine dominierende Präsenz an den Tag legt. Ein interessanter und zum Teil auch intimer Querschnitt, der ein paar explizite Szenen bereit hält.