Die Rückkehr der Apokalypse – Dredd 3D (GB/ZA 2012)

Die Zeit der Hoffnung ist vorbei. Der Fall des Eisernen Vorhangs hatte sie nach Hollywood gebracht. Aber auch darüber hinaus. Mir wurden auch noch in der 10. Klasse vor 14 Jahren die nicht enden wollenden Freuden der Sozialen Marktwirtschaft nähergebracht … nur mit leichten Zweifeln konterminiert. Der Kalte Krieg war vorüber und die Angst vor einem nuklearen Holocaust purzelte den Menschen von den Schultern. Blühende Landschaften erschienen am Horizont und das seit Ende der 70er florierende Geschäft mit postapokalyptischen Welten brach ab. Diese wurden Osteuropäern überlassen. Wenn Tarr Bela seine Menschen durch eine zerstörte Landschaft stolpern lies, dann interessierte das den Glücksbetrieb des Westens aber nur geringfügig. Dort waren inzwischen auch die düsteren Visionen der Zukunft eher rosig. Waterworld machte da weiter wohin Mad Max verkommen war und stellte nette kleine Orte aus, wo es etwas zu viel Wasser statt zu wenig gab. Terminator 2: Judgement Day vergaß die Zukunft fast vollständig. Und Judge Dredd schließlich hatte Rob Schneider, der einem kunterbunten Film den debil grinsenden Todesstoß gab.

Sicherlich hatten alle diese Filme ihre erschreckenden Phantasien einer heruntergekommenen Zukunft, aber sie waren nur vergängliche Zwischenstationen, die schon niemand mehr so richtig ernstnehmen konnte. Kevin Costner ließ sich zweimal Jesus spielen, der die Menschen aus ihrer misslichen Lage erlöste. Er und die Seinen ließen die zerstörten Menschen mit ihrer alten Welt hinter sich und begannen einfach neu. Der T-800 zerstörte sich 1992 selbst, auf dass der Alptraum des ersten Terminators nie wahr werden möge. Zu unwirklich war diese Vision inzwischen geworden. Und Judge Dredd, der protofaschistische Held schlechthin, erkannte die Verkommenheit des Polizeistaats, für den er stand. Auch er war eine messianische Figur, die die Menschen von einer Maschine befreite, von der der Film nie klar machen konnte, warum es sie überhaupt gab. Nur die Verschlagenheit einiger Einzelwesen konnte zu so etwas geführt haben. Dagegen war selbst Running Man noch düster. Die Zeiten von eisernen Ladys und eskalierenden Schauspielerpräsidenten waren wie ein Traum vergangen. Selbst Helmut Kohl erschien zeitweise fast schon als ein, wenn auch unfähiger, so doch netter alter Mann. In Twelve Monkeys taumelte die Menschheit schließlich selbstgewählt in den Abgrund. Die Welt war selbst für die Menschen zu gut geworden.

Dredd kennt solche Probleme nicht. Die Wirtschaft zerstört. Die Umwelt zerstört. Die Gesellschaft zerstört. Das Genmaterial zerstört. Die Hoffnung zerstört. Nur die Gewalt herrscht, die Macht des Stärkeren und der Wille zu überleben, warum auch immer. In einem heruntergekommenen Moloch, der sich Mega-City One schimpft und von Boston bis Washington reicht, steht die Welt in Brand. Die Judges des Justizpalastes, die Einmannarmeen, Polizisten, Richter und Henker in einem und die letzte Bastion der vergangenen Zivilisation sind, können nur 6% der gemeldeten Straftaten nachgehen. Sie haben keine Zeit für gefühlvolles Verständnis, denn es herrscht Krieg. Dieser neue Judge Dredd (Karl Urban) ist das Gesetz und er vertritt es mit eiserner Hand und skrupelloser Pistole. Er ist der feuchte Tagtraum vieler Republikaner, Tories, CDUler und der nackte Alptraum aller Hippies und jugendlicher Anarchisten. Er würde lieber erst fragen und dann schießen, aber dafür bleibt ihm selten Zeit, denn anders als in Judge Dredd wird hier die Ausgangssituation ernst genommen und nicht dafür genutzt, den Faschismus seiner Hauptfigur vorzuführen. Judge Dredd ist ein widerlicher Arsch, aber wen gibt es sonst noch? Zumindest ist er nicht die letzte Wahrheit, die sich sonst niemand auszusprechen traut. Er ist einfach nur da und jemand muss schon sehr verzweifelt sein, um in ihm die Hoffnung einer besseren Welt verkörpert zu sehen. Nicht einmal die niedergeschmetterten Menschen in Mega-City One sind so vom Leid zerfressen.

Dredd ist ein schillernder Alptraum in rauschhaft, verängstigten Bildern. Die Kamera jagt durch das Elend eines Slums, eines Hochhauses, das nur aus Dreck und kalten, heruntergekommenen Steinwänden besteht. Die Betonwüste einer Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo, die manch einem so schon kalte Schauer über den Rücken jagte, ist hier vollkommen eskaliert und die einzige Wahrheit. Die Hoffnung liegt unter Äonen von Pessimismus vergraben. Doch das comichaft stilisierte 3D betont nicht die Kümmernis, sondern den Rausch des Blutes, des Selbstgerechten, des Unerbittlichen, des Irrealen. Ein Film gewordener wohlig warmer Schauer des Entsetzens.

Mit der Realität kann in dieser Wirklichkeit kaum noch jemand umgehen, weshalb der Drogenhandel floriert. „Slo-Mo“ ist die neuste Errungenschaft, welche die Zeiterfahrung auf 6% der normalen Geschwindigkeit verlangsamt. Eher zufällig landet Judge Dredd mit einer Rekrutin in dem 200-stöckigen Hochhausslum von Peach Trees und damit im Zentrum des Slo-Mo-Kartells. Drogenbaronin Ma-Ma kann den Richter nicht gehen lassen, ohne ihre Macht zu gefährden. Sie verwandelt das Hochhaus in ein Gefängnis, in dem der Krieg der Mega-City sich auf sein Wesen beschränkt. Hilflos stehen die Bewohner zwischen zwei Seiten, die sich nicht die Möglichkeit lassen, etwas anderes zu tun, als alles in Schutt und Asche zu legen. Dredd ist ein Action-Film und schwelgt im Adrenalin von Maschinengewehrfeuer und Explosionen. Doch am Rande sind sie zu sehen, die Opfer, die unter dem Stiefel dieser alptraumhaften Wirklichkeit zertreten werden. Helden gibt es keine.

Am Ende wird ein Kopf auf der Leinwand zerplatzen. Es wäre das unerbittlichste Ende, das ein Hollywood-Film je bereitgehalten hätte. Es wäre ein Abgrund, an dem auch der Kopf der Zuschauer zerschellen könnte. Kein Ausweg, nur Verdammnis. Doch Dredd läßt noch 5 Minuten Handlung folgen, die als Hauch von Hoffnung interpretiert werden können, aber im Grunde sind sie nur da, um das Erlebnis dieses Films zu verwässern, um ein Gros der Zuschauer nicht vor den Kopf zu stoßen, ihnen den Weg nach Hause zu erleichtern. Der düstere, pulsierende Nihilismus dieses Films ist aber stark genug, auch das zu verkraften, denn eines bleibt zweifellos klar: Die Zeit der Hoffnung ist vorbei.