Bei meinem Kurzurlaub in Wien vor nunmehr 3 Wochen habe ich – weil das Filmmuseum Wien gerade Sommerpause hatte – die enttäuschende Ausstellung „Wien im Film – Stadtbilder aus 100 Jahren“ besucht. Warum enttäuschend? Weil bei den thematisch geordneten Ausschnitten allzu oft dieselben Filme auftauchten. „Nordrand“ allein vier Mal – unter verschiedenen Gesichtspunkten, versteht sich. Doch insbesondere, wenn man sich die österreichischen Produktionen in der jüngeren Vergangenheit vergegenwärtigt, die international für Aufmerksamkeit sorgten, ist die Frage gerechtfertigt, warum die Mannigfaltigkeit österreichischer Filme – auch in ihrer Breite – so versteckt wird. Hier nun willkürlich zusammengewürfelt 3 beeindruckende Werke, die durchaus vorzeigbar sind.
Revanche (A 2008)
Das für den Oscar als Bester nichtenglischsprachiger Film nominierte Schuld-und-Sühne-Drama ist eine im positiven Sinne quälend intensive Erfahrung. Durch eine durchgehaltene formale Strenge und größtmöglichen Realismus (keine Hintergrundmusik, nur Originalschauplätze, kaum künstliches Licht) gelingt es Regisseur und Drehbuchautor Götz Spielmann, tief ins Innenleben seiner von Schuldgefühlen und Rachegedanken (heißt: Mordabsichten) geprägten Figuren einzudringen. Hier der Ex-Sträfling Alex (Johannes Krisch), der zusammen mit seiner Freundin Tamara, einer Nutte, mittels eines Banküberfalls aus dem Teufelskreis von Prostitution und Menschenhandel ausbrechen will. Dort der Polizist Robert (Andreas Lust), der Tamara auf der Flucht versehentlich erschießt. Die Szenenauflösung erfolgt dabei zumeist mittels langer Einstellungen und innerer Montage, ohne Schnitt. Das Nachdenken der authentisch gezeichneten Figuren wird nicht abgeblendet, sondern ein schmerzlich offenbarer Prozess entlarvender Ehrlichkeit. Dazu eine Meditation über Leben und Tod unter dem Damoklesschwert der Moral, das immer wieder ins Herz christlicher Gebote sticht. Ein großartiges, hoch spannendes Drama!
Import/Export (A 2007)
Ulrich Seidl, der schon mit „Hundstage“ den kleinbürgerlichen Wahnsinn in der Vorstadt offenlegte, zeichnet auch hier wieder das Bild einer feindseligen Gesellschaft, in der es brodelt. Während die ukrainische Krankenschwester Olga (Ekateryna Rak) in der Hoffnung auf ein besseres in Österreich als Putzfrau zu arbeiten beginnt, verschlägt es den Security-Mann Paul (Paul Hofmann) aus Geldsorgen mit seinem Stiefvater Michael nach Osteuropa, wo er mit den prekären Lebenssituationen der Bevölkerung im tiefsten Winter konfrontiert wird. Während Olga latenter Rassismus und – bei Erfahrungen mit Webcam-Sex – der Sexismus der österreichischen Kunden entgegenschlägt, gibt Michael den Macho-Usurpator, erniedrigt ukrainisches Mädchen gar wie einen Hund. Seidl zeichnet dabei ein grimmiges Bild von den Schattenseiten der Globalisierung – stets mit dem Fokus auf der Borniertheit innerhalb der österreichischen Gesellschaft. Zwar bleibt eine gewisse Schwarz-Weiß-Zeichnung innerhalb der tendenziösen Inszenierung mit sterilen und kargen Räumen nicht aus, doch weiß der Film eindringlich den Arbeitsalltag von und den rauen Umgang mit ausländischen Arbeitskräften darzustellen. Anstrengend, aber lohnend.
Indien (A 1995)
Das satirische Kontrastprogramm zu den anderen beiden Filmen, basierend auf dem gleichnamigen Theaterstück. Der Yuppie Kurt Fellner (Alfred Dorfer) und Kollege Heinz Bösel (Josef Hader) sind Restauranttester und im Außendienst quer durch Österreich unterwegs. Während sich der schnöselige Grünautonome und Indien-Fan Fellner und der versoffene Prolet Bösel anfangs überhaupt nicht leiden können, wächst alsbald eine Freundschaft heran. Dumm nur, dass alsbald bei Fellner Hodenkrebs diagnostiziert wird und den beiden Freunden nicht mehr viel Zeit bleibt. Insbesondere die Schelmigkeiten, die die Beiden mit Gastwirten verschiedener Couleur abziehen und die zwischen Klugscheißerei, Blödsinn und Lebenserfahrungen angesiedelten Dialoge (einer gar durch die Tür zum Klo) sind sehr kurzweilig und machen „Indien“ zu einem zwar manchmal etwas schwer verständlichen (der Dialekt!), aber dennoch oder gerade deswegen pointiertem Spaß. Ein weiterer Beweis dafür, dass auch mit wenig Geld sehr herzliche Filme entstehen können.