Unstoppable (USA 2010)

Unstoppable ist ein Film über Leute, die ihren Job gut machen und andere, die ihn schlecht machen. Ein junger Lokführer (Chris Pine) und ein alter Hase (Denzel Washington) müssen sich darin zusammenraufen. Der eine will den anderen belehren, weist ihn zurecht, wenn er zu lang telefoniert und wartet auf jeden noch so kleinen Fehler. Frank (Washington) hat ganz eigene Motive für sein Handeln, doch um eines geht es ihm immer: seinen Ethos der Professionalität, dem jeder Kollege folgen sollte. Frank ist einer, der sich mit seiner Arbeit identifiziert, der seinen Job gut machen will. Die Struktur der Exposition von “Unstoppable” stellt neben das Kennenlernen der beiden Helden den Gegenentwurf. Ein Bahnmitarbeiter geht seiner Arbeit schlampig nach, er verlässt das Führerhaus seines Güterzuges (und was für ein Güterzug das ist!) während der Fahrt, um eine Weiche umzustellen. Die Druckluftbremse aktiviert er aus Faulheit nicht. Der Zug wird schneller. Und weg ist er, führerlos, außer Kontrolle. Frank und Will (Pine) werden sich früher oder später mit ihrer Lok auf den Weg machen, den Zug zu bremsen, bevor es zu einer Katastrophe kommt.

Bis dahin lässt sich Tony Scott jedoch viel Zeit. Viel Zeit, um sich in die Industrielandschaft Pennsylvanias zu verlieben, in die Rauchschwaden, Schornsteine und natürlich die Züge.  Der nicht zu stoppende #777 ist ein einschüchternder Koloss auf Gleisen. Jeder, der schon mal auf einem einsamen Bahnsteig seine Zeit vertreiben musste, während ein endloser Güterzug nach dem anderen die Trommelfelle strapaziert, wird in “Unstoppable” dieses Gefühl der Ohnmacht angesichts der tonnenschweren Geschwindigkeit erneut erleben können. Ganz auf die Physis des Zuges ist die Inszenierung nämlich zugeschnitten, um aus ihm visuell und auditiv eine blinde Bedrohung zu formen, welche den Zuschauer im Verlauf des Films gewissermaßen auf die Kante seines Kinosessels drückt, während sie in dutzenden Einstellungen auf die Kamera zu- oder an ihr vorbei braust. Geradezu lebendig wirkt der unter der Last der gefährlichen Fracht ächzende Antagonist im Blick Tony Scotts und seines Kameramanns Ben Seresin. Und er wirkt echt. Das Erschreckendste an “Unstoppable” ist nicht der mit giftigen Chemikalien beladene Zug, der Kurs auf eine Stadt genommen hat. Das Erschreckendste ist, dass die Bodenständigkeit des Films, die bis zum Finale durchgehaltene Präferenz der Echtheit, nicht der C.G.I.-generierten Haptik, für die vom modernen amerikanischen Actionkino abgestumpften Augen geradezu ungewohnt wirkt. “Unstoppable” ist ein Spektakel der alten Schule.

Geradlinig und schlank erzählt Tony Scott seine Geschichte auf Basis einer einfachen Weltanschauung, die natürlich nicht ohne gewissenlose Konzernobere auskommt. Durch die direkte Thematisierung der Entlassungen in diesem industriellen Rückgrat der USA ist der Film ein Produkt unserer Zeit. Als fast schon capraesker Depressionsactioner gibt sich “Unstoppable”, der idealistisch an die Durchsetzungsfähigkeit beruflicher Kompetenz und harter Arbeit glaubt. Zur klassisch angehauchten Moral von der Geschicht’ gesellt sich die für Scotts Verhältnisse zurückhaltende Ästhetik, welche den Exzessen eines “Domino” oder “Man on Fire” eine logische Absage erteilt. Einziger Schnörkel ist die bei diesem Regisseur erwartbare Zuhilfenahme einer weiteren Erzählinstanz, um die diversen Handlungsstränge zu vernetzen: Fernsehkameras. Das ist gegen Ende einigermaßen übertrieben und unnötig hektisch, bildet andererseits aber eine Konstante spätestens seit den Satellitenaufnahmen in “Der Staatsfeind Nr. 1”. So reiht sich “Unstoppable” nahtlos ein in die Filmografie Tony Scotts, nimmt bekannte Motive auf (zu U-Booten, Fähren und U-Bahnen als Handlungsorte gesellen sich nun Züge) und fädelt sie ein in ein besonnenes Alterswerk, welches erneut unter Beweis stellt, dass Scott nicht nur einer der interessantesten amerikanischen Mainstream-Regisseure der Gegenwart ist. Er ist v.a. auch einer der sinnlichsten, der beständig die Möglichkeiten und Grenzen seines Mediums im Korsett spektakulärer Einfachheit auszureizen sucht.