Kontrapunkt: Ich will meer!

Oh mein Gott, ein Wortspiel! Wie pointiert, wie deutsch – denn im Englischen wäre es nicht möglich. Deswegen auch die entsprechenden Filme mit der metaphorischen Bedeutung von „the ocean“ vorne dran.

Vincent will meer (D 2010)

Das Meer als Symbol für Freiheit: Vincent (Florian David Fitz) hat Tourette und wird von seinem kalten Politiker-Vater nach dem Tod seiner Mutter in eine psychiatrische Klinik eingeliefert. Dort lernt er eine Magersüchtige (Karoline Herfurth) und einen Zwangneurotiker kennen. Sie klauen zusammen ein Auto und gurken quer durch die Republik Richtung Italien ans Meer. Neben pittoresken Landschafts-aufnahmen, Szenen entfesselter Freiheit (Gipfelkreuz!) und ziemlich viel Charme weist diese originelle Coming-of-Age-Komödie hinsichtlich der Krankheiten seiner in sich selbst eingesperrten Hauptfiguren auch ernste Zwischentöne auf, die jedoch nie erschlagend wirken. Kurzweilig und einfühlsam, auch wenn der hin und wieder konstruierten Story manchmal etwas die Substanz und die Tiefe fehlt, um mehr zu sein als „nur“ ein ultrasympathischer deutscher Film. Mehr dazu von mir auf news.de.

Liebe deinen Feind (D 2010)

Das Meer als Grenze: Wehrmacht-Offizier Friedrich (Stephan Kampwirth) ist kurz nach Ende des 2. Weltkriegs auf dem Festland interniert, seine Verlobte Gesa (Katharina Wackernagel) arbeitet auf der von Briten besetzten Insel Nordstrand in einer Schneiderei. Ab und an schwimmt Friedrich die lange und gefährliche Strecke zu ihr hinüber, doch der britische Captain Simon (Benjamin Sadler) hat auch ein Auge auf sie geworfen. Nach der anfänglichen, dröge vorgetragenen „Pearl Harbor“-Kriegsschmonzette entspinnt sich ein Militärjustizthriller, der mangels Spannung nicht zu fesseln vermag. Der Strand wird dabei sowohl zum Schauplatz der Liebe als auch des Verbrechens. Die allesamt mit nur einem Gesichtsausdruck durchspielenden Darsteller verstärken mit ihrer Lustlosigkeit noch den egalitären Eindruck, den diese lahme TV-Produktion beim Zuschauer hinterlässt. Auch hierzu Weiteres von mir auf news.de.

Knockin’ on Heaven’s Door (D/B 1997)

Das Meer als „Final Destination“, als symbolische Pforte zum Himmel, wenn sich Wasserdampf zu Wolken verdichtet, auf denen in einer naiv-religiösen Vorstellung das Leben nach dem Tod weitergeht. Zwei Totgeweihte klauen zwei depperten Gangstern ihr Auto, bei dem sich 1 Mio. DM im Kofferraum befinden und machen die Republik unsicher, bis sie schließlich ihren Tod am Meer finden. Die an Hollywood-Vorbildern orientierte Road Movie-Thrillerkomödie ist nur selten berührend, meistens vollkommen überzeichnet und zu sehr um Coolness bemüht, wie der lässige Auftritt von Rutger Hauer als  arg dämonisierer Obergangster zeigt. Der damals noch weitgehend unbekannte Moritz Bleibtreu hat als prolliger türkischer Gangster Abdul die Lacher auf seiner Seite, Jan Josef Liefers – der inzwischen ganz ordentliche Musik macht – bekommt hingegen den Affektiertheitspreis für sein theaterhaftes Schauspiel. Ein im Kern dummer und überkonstruierter Film, der in seinen absurden Dialogen zu sehr abkupfernd bei Tarantino nur mit einer Handvoll guter Pointen aufwarten kann.

Kontrapunkt: Martialisch

Im Duden steht zu martialisch: „(bildungsspr.): kriegerisch, Furcht einflößend, grimmig“. Also nix für Pussies, die kommenden Filme, sondern nur für die ganz Harten, die auch die Arschlöcher ficken, da die sonst auf Alles scheißen, ne? Hat jemand den entsprechenden Film gesehen, aus dem ich frei zitiert habe? Nee? Auch gut.

Fight Club (USA/D 1999)

Ein Film, der schon totrezensiert und –interpretiert wurde, aber dennoch immer wieder Spaß macht. Kritik an der modernen Lifestylegesellschaft und Konsum wurden selten so dreckig serviert wie hier, als ein namenloser Schreibtischsklave (Edward Norton) sich aufmacht, den Kapitalismus und dessen pervertiertes Menschen- und Männlichkeitsideal mit der Gründung einer Untergrundorganisation subversiv zu Grabe zu tragen. Spätestens, wenn man mehr als vier Monologe von Tyler Durden mitsprechen kann, sollte man sich übrigens evtl. mal von einem Psychologen auf Depressionen oder Schizophrenie untersuchen lassen.

In diesem Sinne (eher frei): „Wir sind die Zweitgeborenen der Geschichte, Leute.“ – „Wir haben keinen großen Krieg, keine große Depression. Unser großer Krieg ist der spirituelle. Unsere große Depression ist unser Leben.“ – „Die erste Regel des Fight Club lautet…“… Aua… Lass das… Ja, du… Du auch… Mann!

Die Jugger – Kampf der Besten (AUS/USA 1989)

Jugger ist eine Sportart, die Rugby-Elemente mit Nahkampf verbindet. Im postapokalyptischen 23. Jahrhundert zieht Sallow (Rutger Hauer) mit einigen Kameraden durch die kargen Landschaften, um damit seinen Lebensunterhalt zu verdingen. Denn den Gewinnern eines jeden brutalen Jugger-Spiels, wo Platzwunden und Knochenbrüchen noch zu den harmloseren Dingen gehören, die einem beim Einsatz von zahlreichen metallischen und hölzernen Hieb- und Stichwerkzeugen sowie purer Muskelkraft zustoßen können, winken Sex, Alkohol und Geld. Der Traum eines jeden Spielers ist es, in die „rote Stadt“ unter die Erde vorzudringen, wo professionelle Jugger in Saus und Braus leben, doch bis dahin ist es ein langer Weg.

Reich an Action, teilweise etwas zu platt, aber mit gelungener Endzeit-Atmosphäre vermag „Die Jugger“ dabei fast als Ode an die männliche Ehre und Freundschaft durchzugehen, da es dem Film gelingt, auch in seinen ruhigen Momenten nie peinlich oder unfreiwillig komisch zu wirken. Da verzeiht man die arg eindimensionalen Charakterzeichnungen (abgehalfterter Held, aufstrebender Neuling etc.) nach Schema F und einige Brutalitäten auch gern.

Crank (GB/USA 2006)

Ein ziemlich dynamischer 85-minütiger Brutalo-Videoclip, der so durchgeknallt ist, dass man über Logiklöcher und ein gewisses Maß an Frauenfeindlichkeit (Amy Smart ist schon eine Süße, obwohl sie das Dummchen spielt, das auf offener Straße von Jason penetriert wird) gar nicht nachdenkt. Untertitel werden eingesetzt, kehren sich verkehrt herum, Split Screens, eine Eröffnung des Films mit subjektivem Point of View, ungewöhnliche Kamerapositionen: für Filmanalysten ein inszenatorisch sehr interessantes und explosives Action-Bonbon in einem.

Der simple wie absurde Vorwand, Jason Statham als Gangster Chev Chelios angelegt an ein Computerspiel der Marke „GTA“ auf einen den gesamten Film dauernden Rachefeldzug für seine Vergiftung zu schicken, der er mit Adrenalinstößen begegnen muss, reicht aus, um viele Stunts, Crashs und Shoot-Outs aneinander zu reihen. Nicht gehaltvoll, aber schnell und laut. Chuck Norris schaut seit dem Kinostart dieses Films jedenfalls vorm Schlafengehen immer unters Bett, ob nicht die garstige Bulldogge Jason Statham drunter ist.