Kurtz & Knapp IV

Men Suddenly in Black (HK 2003)

Edmond Pang soll ja einer der vielversprechendsten Regisseure Hongkongs sein, doch nach seinem Film “Isabella” beschlich mich der Zweifel und es dauerte eine Weile bis zum nächsten Pang. War “Isabella” noch ein ziemlich platter Versuch, einen auf Wong Kar-Wai zu machen und möglichst viele Festivaleinladungen zu sammeln, ist die drei Jahre zuvor erschienene Komödie “Men Suddenly in Black” eine ziemlich geschickte Verquickung von Genres und Stilmitteln, welche die Unterhaltung ihres Publikums nicht vernachlässigt.

Vier Herren (u.a. Eric Tsang und Chapman To) tun sich zusammen um ihre Frauen zu betrügen, die für einen Tag nach Thailand verreist sind. Der ganze Tagesablauf ist genau geplant und natürlich geht alles schief. Mit einer solchen Story hätte der Film ein plumbes Schicksal nehmen können, doch Pang hat anderes mit uns vor.

Inszeniert wie ein knallharter Actionthriller, in dem der Betrug zur Frage der Ehre wird, bedient sich Pang  augenzwinkernd bei den Stilmitteln des Heroic Bloodshed. Da sieht eine Verfolgungsjagd mit Paparazzis schon mal aus wie ein Shootout aus “The Killer”.

Die heimlichen Höhepunkte: Eine längst fällige “Infernal Affairs”-Parodie und der köstliche Auftritt von Tony Leung Ka-Fai (“Election”). Der opferte sich einst, um seinen Kumpels die Flucht zu ermöglichen und wird nun von seiner tyrannischen Frau (Sandra Ng) daheim wie ein Gefangener gehalten wird. Bis zum nächsten Pang wird sicher nicht viel Zeit vergehen.

Full Alert (HK 1997)

Von HK-Altmeister Ringo Lam habe ich vorher auch nur den Chow Yun-Fat Actioner “Full Contact” gesehen, weshalb “Full Alert” im direkten Vergleich ganz schön überraschte. Ersterer war ein beinahe nihilistischer, greller Heroic Bloodshed-Film. So einer, der nur von einem Hongkonger gedreht werden konnte, der als Kind zu vielen amerikanischen Filmen ausgesetzt war.

“Full Alert” ist dagegen ganz auf Realismus aus. Anstatt auf Stereotypen zu setzen, ergießen sich die Grautöne über den Thriller um einen Cop (Lau Ching Wan) und einen Loser/Kriminellen (Francis Ng), die sich ein erbittertes Duell liefern. Weniger die Action steht im Vordergrund als die Psychospielchen der beiden Gegner, die trotz allem einen gewissen Respekt für einander hegen. Keiner von von beiden kann einen anderen Weg wählen, was die letztendliche Konfrontation um so ergreifender macht.

Helden gibt es in diesem hochspannenden, modernen Klassiker des HK-Kinos nicht. Ein Vergleich mit  Michael Manns “Heat” liegt nahe und findet ohne Mühe seine Berechtigung.

The Heavenly Kings (HK 2006)

“The Four Heavenly Kings” wurden in den 90ern die Cantopopstars Andy Lau, Aaron Kwok, Jackie Cheung und Leon Lai getauft. Diese vier quasi als Vorbild nehmend, machen sich in der Mockumentary “The Heavenly Kings” der Schauspieler Daniel Wu und drei seiner Kumpels auf, die Charts zu stürmen. Das einzige Problem, dass ihnen zunächst im Weg steht: Nur einer von ihnen kann singen.

Die im Film gegründete Band ALIVE scheint von vornherein ein Fake zu sein. Wu, der als Regisseur des Films genannt wird, hat sich die Entlarvung der Hongkonger Musikindustrie auf die Fahnen geschrieben. Seine Band, die es tatsächlich für ein Jahr gab, lernt als erstes, wie man per PC falsche Noten korrigiert; wie professionelle Fans engagiert werden, die bei Konzerten ganz besonders laut schreien usw.

Dazu werden Profis aus dem Business interviewt, läuft die versteckte Kamera auch mal während den Verhandlungen mit der Plattenfirma. Das entblößt die fragwürdigen Methoden der Industrie, etwa wenn ein Manager versucht, den Jungs einen Zehnjahresvertrag unter zu schieben; erfreut allerdings primär durch die dargebotene Selbstironie der untalentierten Boyband. Am Ende weiß man nur leider nicht, was tatsächlich wahr ist und was gestellt. So verliert der Film einiges an Biss.

Hellboy II: Die Goldene Armee (USA/D 2008)

Der Trailer von Guillermos del Toros neuesten Streich ließ mich schon Angst und Bange werden, der Film werde in seinen unzähligen Spezialeffekten ertrinken wie einst George Lucas in seiner Klonarmee. Im Kino erwies sich die Furcht vor einem seelenlosen C.G.I.-Spektakel als unbegründet.

Au contraire! “Hellboy II” ist sozusagen die inoffizielle Bewerbung für die Verfilmung von J.R.R. Tolkiens “The Hobbit” und sollte als Lehrvideo dem Herrn Lucas noch im Schlaf untergeschoben werden.

Was del Toro hier an Kreaturen und Maschinen auffährt, sieht nicht nur beeindruckend aus. Denn das Getier wurde geformt mit Hilfe eines anscheinend überbordenden Vorrats an Persönlichkeit. Beispielhaft dafür ist der Besuch auf dem Trollmarkt und ein ziemlich großes Monster, das dem ein oder anderen Abgeordneten der Grünen als Maskottchen dienen könnte.

Sind die Monster wie im ersten Teil nicht nur perfekt animierte Schauwerte, wählt del Toro nach der Einführung in das Comicuniversum den weisen Weg, seinen Film nicht mit Handlungssträngen zu überladen. Stattdessen verlegt “Hellboy II” einen nicht geringen Teil seiner Aufmerksamkeit auf Nebenfiguren wie den introvertierten Nerd und Fischmenschen Abe Sapien.

Alles in allem ist der zweite Hellboy-Auftritt ein actionreicher Spaß, der die Comicverfilmung nicht neu erfindet. Stattdessen bietet sein visueller und figurentechnischer Einfallsreichtum und sein Verzicht auf Geschwafel á la “Mit großer Macht…” eine dringend nötige Abwechslung vom Einheitsbrei vieler seiner Artgenossen. Bewerbungsgespräch bestanden, Senor del Toro. Nun geht’s ab nach Mittelerde!