Von Löwen und Lämmern (USA 2007)

Erst der wie eh und je genervt brüllende MGM-Löwe, begleitet vom United Artists-Logo, dann der Titel “Von Löwen und Lämmern”, der in einer anderen Zeit auch einen Film von Michael Curtiz oder William Wyler hätte segnen können.

Ungeachtet der aktuellen Thematik wirkt Robert Redfords siebte Regiearbeit in vielerlei Hinsicht altbacken. Das ist nicht notwendigerweise schlecht. In einem Drama, das im wesentlichen von seinen Dialogen lebt, kann eine überdrehte Kameraarbeit à la “24” nur ablenkend wirken. Dennoch wünscht man sich, Redford hätte hinsichtlich seiner Inszenierung mehr gewagt. An den gravierenden Schwächen des Drehbuchs hätte das aber wohl auch nichts geändert.

Auf drei Erzählebenen, die gleichzeitig und in Echtzeit ablaufen, diskutiert Von Löwen und Lämmern” (Lions for Lambs) das außenpolitische Engagement der USA und die Rolle des einzelnen Staatsbürgers in der Ära des US-Interventionismus.
Eine Journalistin (Meryl Streep) interviewt den republikanischen Senator Jasper Irving (Tom Cruise) in Washington.
Ein College-Student (Andrew Garfield) in Kalifornien sitzt in der Sprechstunde seines Profs (Robert himself).
Zwei US-Soldaten (Michael Pena und Derek Luke) harren verletzt auf einem Plateau irgendwo in einem afghanischen Gebirge aus und warten auf ihre Rettung.

Die inszenatorische Verbindung dieser drei Erzählstränge erreicht zwar niemals das Niveau der Filme eines, Alejandro González Inárritu spannend ist der Film allemal. Unverhüllt ist die Kritik an der Politik der (nie offen genannten) Bush-Administration, die durch Senator Irving verkörpert wird.

Hat man die erste Paralysierung durch die ungesund strahlend weißen Zähne des Mr. Cruise erstmal überstanden, so muss man zugeben, dass das Casting des aufstrebenden rebublikanischen Politikers kein völliger Fehlschlag ist. Das schleimig-zynische Saubermann-Charisma steht unserem Lieblingsscientologen sehr gut. Leider hat Tom das Pech, gegen Meryl Streep anzuspielen, die ihn nicht nur an die Wand, sondern wie ein oscarverwöhnter Robocop geradezu durch die Wand hindurch rammt..äh..spielt.

Die Dialoggefechte, die sich Streep erst mit Cruise, dann mit ihrem Vorgesetzten liefert und ihre damit einhergehende Verzweiflung über den Zustand der Medienlandschaft, über den Verfall der Werte ihrer eigenen Profession, bilden die erfolgreichsten Momente des Films. Wenn Streep erscheint, funktioniert Von Löwen und Lämmern.

Die Streep-Episode ist schlichtweg besser konstruiert, als die beiden anderen. Klare Fragen werden hier aufgeworfen: Inwiefern hat die ach so kritische Presse Anteil an den Debakeln im Irak und in Afghanistan? Was weiß der Armani-tragende Politiker in Washington schon von der Realität des Lebens der Soldaten, die er in den Tod schickt? Welche Opfer kann die Außenpolitik in Kauf nehmen um ein unklares, idealistisches Fernziel zu erreichen?

Die relative Offenheit des Films – er verweigert vielfach den eigenen Standpunkt – gerät bei dieser Erzählebene nicht zum Nachteil. Das unlösbare Dilemma der Journalistin, das Gefangensein in einer nach ökonomischen Prinzipien funktionierenden Medienwelt, dessen Folgen ihrem Ehrenkodex keinen Raum geben, dieses Dilemma legt der Film bloß. Hier bringt er nicht nur eine konkrete Kritik an, er zeichnet auch einen glaubwürdigen, vielschichtigen Charakter, der aus dem Leben gegriffen scheint.

Redford als Mentor-Professor dagegen ist eine Idealfigur (besonders für Studenten an Massenuniversitäten), ebenso wie sein hochbegabter, aber resignierter Student. Die beiden diskutieren darüber, ob es sich lohnt, Engagement zu zeigen in einer korrumpierten Welt, deren Ideale verschüttet in den Trümmern der Dörfer des Nahen Ostens liegen.

Die Antwort in diesem dialogschwachen Erzählstrang wird angdeutet, nicht ausformuliert: Reiche Jungs gehen in die Politik, arme in den Krieg?

Die auffälligsten Schwächen des Films offenbaren sich in der Story der beiden Soldaten. Sie haben das Engagement für ihr Land wörtlich genommen und werden folglich als Helden dargestellt. Von Löwen und Lämmern verstrickt sich an dieser Stelle in Widersprüche, schließlich wissen die beiden um die fadenscheinige Argumentation der Regierung. Hätte man in der Opposition gegen den unrechten Krieg nicht mehr bewirken können? Als würde es einen Unterschied machen, wenn man als Fußsoldat im Nirgendwo stirbt.

Besonders in der ersten Hälfte bleibt dieser Strang ein Mittel zur künstlichen Spannungserzeugung, dessen Existenzberechtigung in einem dialoglastigen Drama sich nur schwer erschließen lässt. Sidney Lumet hat es doch auch ohne Maschinengewehre geschafft!

Die Ziellosigkeit dieses Erzählstranges, die Unbestimmtheit in seiner Argumentation weitet sich gegen Ende auf den ganzen Film aus. Man hat das Gefühl, dass es jemand sehr gut gemeint hat, dass jemand nicht nur einseitig eine liberale Message in die Köpfe hämmern wollte.

Man hat das Gefühl, dass jemand die Zuschauer zum Denken anregen wollte. Das würde nur leider um einiges erfolgreicher sein, wenn nicht zwei Drittel des Films ins Leere laufen würden.


PS.: Selten hat mich in den letzten Monaten etwas so genervt, wie das ewige hereinge-c.g.i.-en deutscher Texte in die Szenen dieses Films. Ob Zeitungsüberschriften oder Collegeakten. Eine wacklige deutsche Schrift vereinfacht uns allen das Verständnis, denn für Untertitel sind wir alle zu blöd. Juhu, zurück in die Fünfziger!
PPS.: Hiermit beantrage ich die Anerkennung des Wortes “etwas herein-c.g.i.-en” zum Zwecke der Bereicherung der deutschen Sprachwelt.