“Trau nie einem Cowboy mit aufgemaltem Schnurrbart!” Das scheint die Lehre zu sein, die der Zuschauer nach dem Genuss von Tears of the Black Tiger noch an seine Kindeskinder weitergeben kann. Denn die Geschichte des Bauernjungen Dam, der seiner Liebe zur Gouverneurs-Tochter Rumpoey wegen von der Uni fliegt und sich fortan in einer Bande von Outlaws verdingt, ist ansonsten simpel. Einem anderen Mann zur Ehe versprochen, schmachtet die Schöne mit den roten Lippen in ihrem Elternhaus dahin, während ihr Held vor der untergehenden Sonne auf seiner Mundharmonika spielt. Hin und wieder geht er selbstverständlich auch seinem Beruf nach und liefert sich Schießereien, in deren Verlauf das Blut in wahren Fontänen die bemitleidenswerten Körper seiner Gegner verlässt. Liefert er sich nicht gerade Duelle, reitet Dam mit der Bande seines Bosses durch die thailändische Landschaft. Naturgemäß geschieht das auf Pferden. Ebenso naturgemäß wird das begleitet von einem Soundtrack, der zuweilen recht auffällig Ennio Morricone zitiert.
Man könnte glatt dem Glauben verfallen, dass es sich um eine Co-Produktion von Douglas Sirk und Sergio Leone handelt. Wären die beiden nicht längst in die ewigen Jagdgründe eingegangen. Schließlich ist das Regiedebüt von Wisit Sasanatieng ein Retrop-Trip in seiner reinsten Form. Irgendwo in den Fünfziger Jahren scheint sich Sasanatieng verlaufen zu haben, als er diese Idee ersponn.
Hier scheint die Welt eingefroren zu sein in strahlende Pastellfarben, ist der Mond noch von Hand gemalt und währt die Liebe von der Kindheit bis zum (Un)Happy End. Dabei beruft sich der Regisseur zum Glück auch oder gerade auf die Popkultur seiner Heimat Thailand. Nicht der Morricone-Verschnitt gibt die Gangart vor, sondern Thai-Oldies. Deren wehmütige Untermalung wird neben dem Look des Films wohl das bleiben, was der Zuschauer am ehesten mit nach Hause nimmt. Mal abgesehen von obiger Weisheit.
Der Look hat es allerdings in sich. Ganz wie es sich für einen Debütfilm gehört, scheint Sasanatieng beständig in Versuchung zu geraten, seinen Film mit visuellen Finessen zu überladen. Nicht nur haftet der Gestaltung die Atmosphäre eines nachkolorierten, etwas vergilbten Stückes vergammelten Zelluloids an. Seine Schießereien sind auch noch überdrehte Gore-Spektakel, deren trashiger Humor erstmal eingeordnet werden muss in die kitschige Geschichte. Als Auflockerung des melodramatischen Geschehens kommen Blutspritzer und zermatschte Köpfe dem Zuschauer gerade recht. Ungeachtet dessen fragt man sich: Was will uns der Regisseur damit sagen? Die Suche nach einer Message scheint hier jedoch unangebracht.
Allenfalls wirkt der Film durch seine Vermischung der Stile wie ein postmodernes Experiment. Ein Hybrid des klassischen thailändischen Action- und melodramatischen Kinos und zeitgleicher westlicher Genrefilme, der auf dem langen Weg zur Leinwand noch Tarantinos Kunstblutvorrat geplündert hat. “Tears of the Black Tiger” ist ein in höchstem Maße artifizielles Werk, dessen Realismusanteil gen Null strebt.
Doch was sagt uns das schon über den Film? Der visuelle Überschwang; der Einfallsreichtum der Farbgestaltung; der bewusst ernste Blick auf die überlebensgroßen Gefühle seiner Protagonisten, welche zur Abwechslung mal nicht ironisch unterhöhlt werden; allerhand Gründe gibt es, diesen Film zu sehen. Sasanatieng hat ihm vielleicht zu viele Spielereien angedeihen lassen, aber eines nicht vergessen: Ein Herz. Tears of the Black Tiger trägt in sich, wie seine beiden Hauptfiguren Dam und Rumpoey, eine ungebrochene Liebe. Es ist die Liebe zum Medium Film und dessen Geschichte. Weisheiten sind da überflüssig.