Man nehme eine große Portion “Talk Radio” und eine gleich große Portion “Dawn of the Dead”, drehe beide kräftig durch einen Mixer und füge zum Würzen noch ein bisschen “Radio Rock Revolution” und “Das Fenster zum Hof” dazu und man erhält: Pontypool. Um es klar zu stellen: “Pontypool” ist im Grunde ein Zombiefilm, bei dem Menschen nicht durch irgendwelche Strahlen zu Untoten werden, sondern durch infizierte englische Wörter (irgendwie fällt mir da eine South-Park Folge ein, aber welche denn, verdammte Scheiße noch mal?). Die französisch-sprachigen Kanadier sind dadurch in diesem kanadischen Film außerordentlich im Vorteil gegenüber dem englisch-sprachigen Bevölkerungsteil, insbesondere jenen Personen in verschlafenen und verschneiten Nestern in Ontario. Nichtsdestotrotz sieht der Film in den ersten zwei Dritteln mehr wie “Talk Radio” von Oliver Stone als wie Romeros “Dawn of the Dead” aus: MAN SIEHT ÜBERHAUPT NICHTS! Sondern alles läuft im Grunde über das Akustische (zugegeben eine starke Vereinfachung von Stones‘ Meisterwerk).
Trotzdem baut der Film eine absolut wahnsinnige Spannung auf, die ab dem zweiten Drittel paradoxerweise durch Action- und Zombie-Sequenzen gestört wird. Dass letztlich auch das ganze Konzept, dass Worte töten können (ja: Talk Radio!), nicht völlig konsequent zu Ende gedacht wird und für eine etwas melodramatische Held-rettet-Heldin-Szene missbraucht wird, ist nur ein kleiner Wermutstropfen für einen Film, der meinen Adrenalin-Haushalt über weite Strecken ziemlich in Mitleidenschaft gezogen hat. Nicht etwa wegen Rum-Gesplattere, sondern eben weil man nichts sieht. Die Spannung entsteht nur durch die drei Hauptfiguren, die in einem Keller sitzen und versuchen, eine Radiosendung zu produzieren, während von draußen über Telefonate sehr bedrohliche Meldungen in das improvisierte Studio eintrudeln.
Wunderbar und absolut mitreißend ist Stephen McHattie in der Rolle des Radio-Moderators Grant Mazzy, der eine Frühmorgen-Sendung mit Wetterbericht und Schulbusverspätungs-Meldungen wie Barry Champlain/Alan Berg moderieren möchte und dabei ein ähnliches Charisma wie Gavin in “Radio Rock Revolution” entwickelt (gleiche Kopfbedeckung, aber ohne Feder). Nur dass er eben nicht wie im Stile der Piratensender die frohe Botschaft des Rock ‘n‘ Roll in die Welt sendet, sondern von der Außenwelt gruselige Botschaften erhält, die seine voyeuristischen Triebe massiv anregen. Auch er hat seine Grace Kelly bzw. seine Produzentin, die ihn zumindest vorerst in seinem Elan bremsen will und keine Liveübertragung eines Todes hören möchte. Am Schluss wird Grant jedoch mit mehr als nur zwei gebrochenen Beinen bestraft…
Nun also denn… ich fühle, dass mein Adrenalin-Spiegel sich wieder etwas normalisiert hat. Als Fazit würde ich ziehen: Sicherlich kein absolutes Meisterwerk, da die Spannung nun doch im letzten Drittel wieder an Niveau verliert. Sicherlich sind die Charaktere auch nicht so ausgereift wie in Oliver Stones bereits mehrfach erwähnten stillen Meisterwerk. Das grotesk-satirische Element der guten Romeros ist größtenteils auch abwesend (weder Splatter noch ein satirischer politischer Subtext… wenngleich Afghanistan irgendwie über dem Ganzen schwebt). Im Vergleich zum französischen Machwerk “La horde” ist Pontypool jedoch ein durch und durch respektabler Film, bei dem man sich auch mal wirklich gruseln kann, und dies obwohl sein Budget wahrscheinlich um ein vielfaches geringer war.
Und wieder einmal hat mein liebster deutsch-französischer Sender bewiesen, dass sein Programm unschlagbar ist, insbesondere wenn es in OmU ausgestrahlt wird. Etwas verwirrend jedoch ist, dass arte-Trash eigentlich immer am Freitag, und nicht Donnerstag Nacht kam. Schon den ganzen Tag hatte ich das Gefühl, dass heute Freitag wäre. Artes Sendeverschiebung verstärkt dieses Gefühl… Gefühl, Gefühl, Gefühl, Gefühl, Gefühl, Gefühl, Gefühl, Gefühl, Gefühl, Gefühl, Gefühl, Gefühl, Gefühl, Gefühl, Gefühl, Gefühl… Ce n‘était qu‘une blague! Le virus ne se transmet qu‘en anglais!
Pontypool von Bruce McDonald ist in Deutschland auf DVD und Blu-ray erschienen.