Seven Men From Now – Der Siebente ist dran (USA 1956)

Nachdem Fluss ohne Wiederkehr Otto Preminger bei einem Abstecher in ein ihm fremdes Genre zeigte, ist Seven Men from Now eine Arbeitsprobe eines v.a. mit Western identifizierten Regisseurs. Budd Boetticher hatte zuvor schon Western gedreht, doch “Seven Men” bildete den Auftakt des “Ranown-Zyklus”, einer Serie von Filmen mit Randolph Scott, die seinen Ruhm zementieren sollte. Mehr über Boetticher kann man u.a. bei Heise.de nachlesen.

“Dies ist in der Tat der intelligenteste Western, den ich kenne”, schrieb André Bazin 1957, “aber auch der am wenigsten intellektuelle, der raffinierteste und der am wenigsten ästhetisierte, der einfachste und der schönste.”[1. Bazin, André: Ein exemplarischer Western. Seven Men From Now, In: ders.: Was ist Film? Berlin: Alexander Verlag, 2009², S. 283] Lauter scheinbare Widersprüche versammelt Bazin in seinem Urteil über Budd Boettichers “Seven Men From Now”. Das Drehbuch weist er als in seiner Struktur simpel aus. Ein Mann muss sieben Männer töten. Ein Achter kommt womöglich hinzu. In den Folgejahren drehte Boetticher diesen “einfachen” Film immer wieder. Man kann ihn “Ride Lonesome” nennen, “The Tall T” oder eben “Seven Men From Now”. Was die politique des auteurs den ‘großen’ Regisseuren als Methode zugeschrieben hat – Wiederholung und Variation –  treibt Boetticher mehr noch als Ford oder Melville auf die Spitze. Wundersam spricht deshalb für sein Werk, dass man es erst in seiner Gänze wirklich zu schätzen lernt.

Der Ranown-Zyklus, jene B-Western, welche von Hauptdarsteller Randolph Scott und Harry Joe Brown produziert wurden, gestaltet sich deshalb als Sammlung einander gleichender Ausschnitte aus einer entfernten Sagenwelt, die von wenigen Wesen/Figurentypen beheimatet wird. Scott ist Siegfried, Beowulf und andere in einer Person. Sein Gentleman-Cowboy kommt aus dem Nichts, besteht ein Abenteuer, verschwindet wieder. Dieses Motiv ist elementarer Bestandteil des frontier-Mythos und wurde von keinem treffsicherer verkörpert als von John Wayne. Boettichers Filme jedoch gehen jeder Historizität aus dem Weg. Während andere Genre-Kollegen die Eroberung des amerikanischen Westens mythologisieren, bewegen sich Boettichers Sagenwesen durch eine vorzeitliche, eine archaische Welt. Nicht weniger mythisch ist diese. Doch während der Western Dichotomien von Wildnis und Zivilisation, Westen und Osten, Mann und Frau verhandelt, erwecken Boettichers Filme zu keinem Zeitpunkt auch nur den Anschein, sie würden irgendeinen gesellschaftlichen Diskurs – und wenn es nur jener um den Gründungsmythos der USA ist – aufgreifen. “Seven Men From Now” handelt ebenso wenig wie “The Tall T” von Amerika. Allenfalls dreht sich der Film um einen Mann, dessen Frau bei einem Überfall ermordet wurde, einen Mann, der nun die Rache sucht.

Den Weg der Rache gestaltet Boetticher in verschiedenen Urszenen. Ein nächtliches Gewitter. Bei strömenden Regen gesellt sich ein Fremder zu zwei schutzsuchenden Männern in eine Höhle. Es werden die ersten beiden Häkchen auf der Todesliste sein. Selbiger blickt wenig später auf ein Tal hinab. Ein Siedlerehepaar versucht, einen Planwagen aus dem Schlamm zu befreien. Es ist eine jener Zufallsbegegnungen, die im Ranown-Zyklus immer wieder auftauchen, genau wie das gemeinsame Kaffeetrinken mit dem Schurken oder der vereinsamte Außenposten in der Wildnis. Scotts Gentleman bandelt natürlich mit der verheirateten Dame an. Einer Sirene gleich umgarnt ihr Gesang Held und Ehemann, während sie ein Bad nimmt. Das ist so eine Szene, die man dem harten Hemingway-Verehrer nicht zutrauen würde, doch Boettichers Filmen ist eine wilde Romantik immanent, welche den Frauen – entgegen seiner eigenen Ausführungen – alles andere als nur die Rolle des Beiwerks zukommen lässt.

Man könnte ebenso gut über Randolph Scotts würdevolle Darstellung reden oder Lee Marvins exzentrisch unterhaltsamen bad guy, doch begnügen wir uns mit Boettichers eigentlicher Heldin: der Landschaft. Wie Ford vom Monument Valley war der frühere Matador besessen vom kargen amerikanischen Westen. Lone Pine in Kalifornien, eine Gegend, welche er mehrfach auf Film gebannt hat, ist mit seinen unwirklichen Gesteinsformationen, der Steppe, den Sanddünen mehr Wüste als Garten Eden; ein menschenfeindliches Fleckchen Erde, in dem man ohne weiteres auch Urzeitfilme mit leicht bekleideten Starletts hätte drehen können. Statt Riesenskorpionen beherbergen die an Geister gemahnenden Indianer diese Wildnis. Sie sind eine, wie die sie umgebenden Berge, sprachlose Präsenz, welche die guten und bösen Cowboys daran erinnert, wessen Heimstatt dieser Teil der Neuen Welt noch immer ist.

Der B-Natur entsprechend effizient inszeniert, ein bisschen als würde Hitchcock einen Western drehen, ist in “Seven Men From Now” keine Minute überflüssig. Die zur Abstraktion neigende Kunstfertigkeit spürt man zudem in jedem Frame, etwa wenn sich eine Schießerei zunehmend von der weiten Landschaft in enge Felsspalten verlagert, all das eingefangen mit einer stummen Unvermeidlichkeit. “Seven Men From Now” ist nicht nur ein “exemplarischer Western”, um Bazins Einschätzung wieder aufzugreifen, sondern einer der besten Vertreter seines Genres.

Fluss ohne Wiederkehr (USA 1954)

Zu den Neuerungen, die auf the-gaffer.de Einzug halten, gehören Specials, die sich um Genres, Schauspieler und vieles mehr drehen. Otto Premingers “Fluss ohne Wiederkehr” bildet den Auftakt für das erste Kritiken-Special, das sich ausschließlich Vertretern des klassischen amerikanischen Westerns widmen wird.

Am Ende ist es die Stille, welche das erwartete Spektakel des Finales durchdringt. Ein starker Kontrast zur Musikalität der vorangegangenen Minuten, reizt doch Marilyn Monroe nicht nur visuell, sondern auch als Sängerin, die  traurig “Love is a traveler on the river of no return” in die Westernkulisse säuselt. Western heißt in den 50er Jahren Wiederholung, heißt Zementierung eines Mythos durch immergleiche Bausteine, die hie und da anders zusammengesetzt werden, ohne das Gesamtkonzpt ins Wanken zu bringen. Otto Premingers Fluss ohne Wiederkehr besteht ebenfalls aus Bausteinen, aber jene Stille ist keiner davon. Premingers herausragende Fähigkeiten bei diesem Film bestehen zum einen darin, altbekannte Elemente auf ungewohnte Weise zusammen zu setzen, zum anderen aber lässt er ihr Vorhandensein einfach vergessen. Menschen auf dem Wildwasser – das verwandelt einer wie Curtis Hanson in den handwerklich zuverlässigen “Am Wilden Fluss”, der zu keiner Zeit mehr liefert als man erwartet (eben einen wilden Fluss). Ungeachtet der veraltet wirkenden Rückprojektionen, die bei Nahaufnahmen auf dem Floß unumgänglich sind, hat “Fluß ohne Wiederkehr” nichts an Stärke eingebüßt. Das ist kein Zufall. Bei  Preminger ist der Fluss genauso wie bei Hanson Katalysator der Konflikte, aber nicht der heimliche Hauptdarsteller.

Das obwohl der Film zu protzen scheint mit seinem CinemaScope, einer Technik, die Preminger in all ihren Facetten – von der Landschafts- bis zur Innenaufnahme – ausspielt. Ganz abgesehen von den kanadischen Bergen, die für das amerikanische Hinterland glänzend herhalten, denke man an einen simplen Koffer. Kay (Monroe) will das Floß verlassen, welches ihren Spielerfreund und sie in eine von Reichtum gesegnete Zukunft transportieren soll. Dabei fällt einer ihrer Koffer der Strömung des Flusses zum Opfer. Nun kann man dem Gegenstand allerhand symbolische Bedeutung zuschreiben. Treiben Kays Träume da flussabwärts? Wird hier schon auf den betrügerischen Charakter ihres Freundes verwiesen, der sich in wenigen Minuten offenbaren wird, als dieser einem Farmer (Robert Mitchum) Pferd und Gewehr stiehlt? So verlockend die Metaebenen auch sind, geht es zunächst ausschließlich darum, die Charakterisitken des Breitwandformates dezent in den Vordergrund zu rücken. Der Koffer gerät nämlich in dieser Sequenz nie ganz aus dem  Blick, schlängelt sich am Bildrand oder in der Tiefe der hinteren Bildebenen durch das Wasser, während der Film sich längst wieder mit wichtigeren Dingen beschäftigt. Wenn er überhaupt ein Symbol ist, so darf man in ihm einen zwinkernden Wink Premingers sehen, der sich bei dieser Auftragsarbeit sichtlich amüsiert hat.

Rache ist der klassische Motor des Films – Mitchum will den Dieb stellen – und in der Strömung des Flusses findet sich ihre unaufhaltsame Dynamik wieder.  Mit Kay und seinem kleinen Sohn begibt dich der Farmer auf die waghalsige Reise. Der Rindertrack aus “Red River” und die Kutsche aus “Stagecoach”, allesamt Vehikel des amerikanischen Gründungsmythos’, der Besiedlung des Westens, werden gleichsam durch das Floß ersetzt. Die gefährliche Reise gehörte wie auch das geläuterte Showgirl schon 1954 zum verstaubten Inventar des Genres. Doch worum es Preminger eigentlich geht, ist die Rekonstitution einer Familie, sozusagen der Siedlergemeinschaft auf der Mikroebene. So muss man nur vom Ende – der Stille – zum Beginn des Films springen, um die Tragweite von Premingers Prioritäten zu erkennen. Farmer Matt, ein verurteilter Mörder, wurde gerade aus dem Gefängnis entlassen und sucht nun nach seinem Sohn, den er seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Inmitten eines verkommenen Goldgräberlagers, dessen sündigem Chaos Premingers weitläufige Bilder entgegen kommen, finden sich die zwei Fremden. Von nun an müssen sie Familie sein. So reif und ohne jede Illusion, wie die Stille nach dem Schuss im Finale vorgetragen wird, so nüchtern ist diese Zusammenkunft zweier, die sich noch einmal kennenlernen müssen. Dass Mitchum der perfekte Schauspieler für den hartgesottenen Dad ist, steht von vornherein fest. Ihm gegenüber gelingt es der Monroe in dem von Marlene Dietrich perfektionierten Typus des Saloon-Mädchens Muttergefühle aufscheinen zu lassen. Der klassische Western kennt bekanntlich nur zwei Frauentypen und in Kays Brust schlagen ganz klar deren beider Seelen. Nur eine davon kann am Ende die Oberhand behalten.

Dass in einem Text über “Fluss ohne Wiederkehr” viel von den Figuren, der Landschaft und kaum etwas über Pferde, Duelle und Cowboys geschrieben werden kann, gibt einen Eindruck davon, wie wenig der Film den gängigen Unterhaltungsmustern des Genres nachhängt. Preminger, nicht gerade ein typischer Western-Regisseur, verbringt die meiste Zeit im ihm bekannten Terrain des psychologischen Dramas, das von Zeit zu Zeit durch Stromschnellen unterbrochen wird. Sein Gespür für die damals noch neue CinemaScope-Technik stellt er dennoch unter Beweis und zeigt gleich deren Potential abseits der Landschaftsaufnahmen auf. Damit ist “Fluss ohne Wiederkehr” ein Zeugnis der Flexibilität eines Genres, welches der Nachwelt wie kaum ein anderes in Gestalt von Stereotypen in Erinnerung geblieben ist.

Iron Man 2 (USA 2010)

Aus seiner narzisstischen Ader macht Tony Stark (Robert Downey Jr.) bereits im Trailer für sein neues Abenteuer keinen Hehl. Während andere Superhelden nie über die Persönlichkeitsspaltung hinweg kommen, welche ihr Job mit sich bringt, übergeht Stark diese einfach und verwandelt sein Alter Ego am Ende des ersten Teils in eine Wunderwaffe jeder Publicity-Abteilung. Manövrieren sich Spider-Man, Batman und Hulk von Film zu Film durch die in sich zusammen stürzenden Trümmer ihres Privatlebens, getrieben von Macht, Verantwortung und einem zuweilen wehleidigen Heldenethos, kann in Iron Man 2 höchstens der Körper Starks zum Preis des Erfolges werden. Dennoch ist der Narzissmus mehr noch als in den Abenteuern der Kollegen Programm in der Iron Man-Schmiede. Mit einem wie Robert Downey Jr. als center piece kann deshalb auch offenkundige Mangelware als spaßige Action an Mann und Frau gebracht werden. Trotz eines Ensembles mit hochkarätigen Neuzugängen wie Mickey Rourke und Scarlett Johansson lebt “Iron Man 2” von den Exzessen seiner Hauptfigur, welche den Großteil der Laufzeit in Anspruch nehmen, ohne dass schlussendlich von einer charakterlichen Evolution gesprochen werden kann. Jon Favreaus Fortsetzung tritt dafür auf der Stelle.

Ein russischer Bösewicht (Rourke) will Stark an die Kehle, genauso wie sein Konkurrent Justin Hammer (Sam Rockwell). Der Staat begehrt den Wunderanzug und die Superheldenorganisation S.H.I.E.L.D. will auch irgendwas vom Helden. Was, ist nicht ganz klar, da diese Handlungsstrang nur ein Vorwand zu sein scheint, um Frau Johansson eine Rolle zu verschaffen und Samuel L. Jacksons Kontostand etwas Gutes zu tun. Erstere bringt mit neuer roter Mähne etwas Schwung in den Alltag von Stark Industries, bedeutet ihre Anwesenheit doch reichlich Zündstoff für die (Nicht-)Beziehung von Tony Stark und seiner Assistentin Pepper Potts (Gwyneth Paltrow). Potts bleibt auch in diesem Film eine willkommene Abwechslung zu jenem passiven Typus der Superheldenfreundin, der ständig aus Gefahrensituationen gerettet werden muss. Die Verkaufsargumente von “Iron Man 2” aufzuzählen, zu denen die Kombo Paltrow-Downey zweifellos gehört, kann auf Dauer langweilig geraten, denn es handelt sich dabei hauptsächlich um die des ersten Teils. Iron Man ist neben den weniger ansehnlichen Fantastic Four die wohl unbekümmertste Superheldenreihe der letzten Jahre zuteil geworden und das Sequel ändert daran nichts. Zuweilen etwas arg überdreht, heben sich die Geschichten um Tony Stark durch ihre flinken, sich überschlagenden Dialoge und die ausgeprägte Technikverliebtheit von denen der Kollegen ab, ohne je deren große Tragik zu bemühen.

Ein Funke Ehrgeiz wäre für das Gelingen des zweiten Teils trotzdem wünschenswert gewesen, wiederholt dieser schließlich im wesentlichen ein Erzählschema, welches bereits im Vorgänger nicht überzeugen konnte: Ein Widersacher Starks gelangt an dessen Technik und verwendet diese gegen ihn. Um einiges sympathischer und übersichtlicher als Michael Bays Robo-Kloppereien fällt das aus. Iron Man in jedem Film gegen sich selbst kämpfen zu lassen, zeugt freilich eher von Ideenlosigkeit als psychologischer Raffinesse. Während andere Serien im zweiten Anlauf ihren Zenit erreichen, ist “Iron Man 2” damit ein genügsames Monument der Redundanz. Auch dieses Mal lässt sich die Selbstreflexivität bzgl. der Verehrung glänzender Oberflächen und überwältigender Schusskraft auf eine simple Weisheit reduzieren: Gut oder böse wird die Technik erst durch ihren Besitzer. Die Waffe Iron Man ist Zeugnis einer modernen Abschreckungsmaßnahme. Das Wettrüsten liegt nun in den Händen der Privatwirtschaft. Die technologische Eskalation wird zum absehbaren Klimax im dritten Akt.

“Im Iron Man-Universum nichts Neues” könnte die Tagline zum zweiten Teil lauten. In Hinblick auf Antagonisten wie Mickey Rourke und Sam Rockwell, die hier durchaus nicht zu kurz kommen, dramaturgisch gesehen allerdings auf das Abstellgleis – die Parallelmontage – versetzt werden, überwiegt dann doch ein wenig die Resignation, wenn auch nicht die blanke Enttäuschung. Das Wohlwollen der Zuschauer zu verspielen, scheint für diesen Superhelden unvorstellbar. Als hyperaktiv herumplappernde One Man-Show hält Robert Downey Jr. die Reihe auch weiterhin am Laufen, tatkräftig unterstützt von seiner sich wiedereinmal in einnehmender Spiellaune befindlichen Umgebung. Dessen ungeachtet weicht die große Vorfreude nach diesem Sequel erstmal der Zurückhaltung.

Die Legende von Beowulf (USA 2007)

Einen Film aus Robert Zemeckis’  Digitalschmiede im Anschluss an den visuellen Genuss des Billion Dollar Babies “Avatar” vorgesetzt zu bekommen, ist ein schwieriges Los. Liest man die vielen positiven Kritiken über Die Legende von Beowulf, fällt es aus heutiger Sicht schwer, die geäußerte Begeisterung für die fortschrittlichen Effekte nach zu empfinden. “Beowulf” ist nämlich mehr noch als viele andere Effekt-schwangere Werke ein historisches Erlebnis, ganz einfach weil der Film so schnell überholt wurde von der Zeit. Man könnte sagen, er sei schlecht gealtert, man könnte aber auch einwerfen, dass bereits zu seiner Veröffentlichung vor rund drei Jahren “Beowulf” ein technisch gescheitertes Werk gewesen ist. Im Gegensatz zum “Polarexpress” und der späteren “Weihnachtsgeschichte” von den selben Machern, ist Zemeckis’ “Beowulf” ein Film für Erwachsene, keinesfalls ein Abenteuer für Jung und Alt. Die Altersfreigabe (FSK 12) mag dem widersprechen, doch die erotisierte Stimmung im Film, deren Personifizierung – ja sinnbildliche Verkörperung – Angelina Jolies wohlgeformter Wasserdämon darstellt, wird durch eine für  den Animationsfilm überraschende Brutalität ergänzt. Psychoanalytisch ausgedrückt: Eros und Thanatos, Lebens- und Todestrieb, machen in diesem Falle jedes unschuldige Märchen zu Nichte.

All das ist natürlich von den Verantwortlichen gewollt. Durch die Schilderung des ausschweifenden Lebens der Krieger und ihrer unzähligen Frauen führt der Film uns ein in die Welt um 600 n. Chr., in welcher der betrunkene König (Anthony Hopkins) halbnackt zur Freude aller vor seinem Thron hin uns her wankt. Das laszive heidnische Leben wird natürlich in der selben Sequenz bestraft durch den brutalen Angriff des Monsters Grendel (Crispin Glover), welches von den lauten Feierlichkeiten in Rage versetzt wird. Grendel ist einerseits ein Sagenwesen, für welches das sich annähernde Christentum keinen Platz hat außer jenem im Grab, doch im selben Moment fungiert es als Racheengel für eine moralische Übertretung, für eine Versündigung. Denn einst hatte der König Grendel gezeugt mit einer Hexe (Jolie). Er war der Verführung der Frau (Eva und Schlange zugleich) verfallen. In seiner Not ruft der Schuldige nach einem Helden, der sein Volk befreit von dem Monster und siehe da! Beowulf (Ray Winstone – digital geliftet und leider kaum wiederzuerkennen) kommt mit seinen Mannen (u.a. Brendan Gleeson), um sich diesem zu stellen. Beowulf ist ein nordischer Krieger durch und durch, ein jüngeres Abbild des Königs. Zemeckis’ Film treibt diesen Aspekt weiter als die Vorlage, um eine im Mainstream-Kino obligatorische erzählerische Einheit zu schaffen. Zwar erlegt Beowulf Grendel, doch damit ist das Übel längst nicht ausgestanden.

In der mitleidigen Darstellung des deformierten Grendel findet sich eine nachvollziehbare Modernisierung des Stoffes, sind wir doch heutzutage nach ambivalenten Widersachern scheinbar süchtig. Die gleiche Vielschichtigkeit kommt auch dem Helden in der zweiten Hälfte des Films zu, so dass die Story etwas Vertiefung erlangt abseits des klassischen Held-erschlägt-Monster-Motivs, welches an dem Heiligen Georg denken lässt. Die Drehbuchautoren Neil Gaiman und Roger Avary betonen außerdem mit Hilfe erzählerischer Freizügigkeiten die christliche Moral des Films. Nicht von ungefähr steht der verführerischen Hexe (lies: Hure), deren Höhle vor Sexualmetaphern nur so strotzt, die unter ihren wollüstigen Männern leidende Königin (Robin Wright Penn) gegenüber, welche gegen Ende des Films, von einem Geistlichen begleitet, zum Symbol christlicher Tugend, zur symbolischen Mutter ohne Kind wird. Im Aussehen Grendels zeigt sich, wo der Samen des Mannes hingehört hätte.

“Beowulf” ist dank des Drehbuchs nicht nur auf Schauwerte aus, wenn auch die Technik mit jeder Speerspitze, jeder Träne auf den Wangen der animierten Figuren in den Vordergrund gerückt wird. Doch all das nützt nichts, denn die “Legende” kommt nie über den Widerspruch zwischen jenen technischen Kinderschuhen, in denen sie steckt und ihrer, wenn auch mit Action geladenen, vor allem ernsten Thematik hinweg. Abseits der Großaufnahmen herrscht in dem Film das Gewusel lebloser Augen, unglaubwürdiger Oberflächen (Diese schreckliche aufgemalte Haut!) und unnatürlich langsam gleitender Bewegungen. Als hätte Zemeckis 1907 ein Musical gedreht, ist sein Film ein dramaturgisch-technisches  Himmelfahrtskommando. Animierte Drachen, Stop-Motion-Drachen, gezeichnete Drachen bergen in sich allenfalls ein Problem des Bedrohungspotenzials für den Zuschauer. Menschen aber, die müssen durch Menschen als Menschen akzeptiert werden. Kein Wunder eigentlich, das Jolies Wasserdämon in Frauengestalt hier noch das glaubwürdigste Geschöpf auf zwei Beinen ist.

A Serious Man (USA/GB/F 2009)

Die großen einfühlsamen Dramen werden die Coen-Brüder wohl nie drehen. Dafür sind sie nicht gemacht, ist der Blick auf ihre Mikrokosmen zu distanziert, zu stark an der emotionalen Oberfläche interessiert. So erscheint es nur logisch, dass ein recht persönliches Werk wie A Serious Man mit einer gewissen hermetischen Perfektion einher geht.  Die Perfektion ihres Stils haben die Brüder in formaler wie inhaltlicher Hinsicht vor Jahren schon erreicht. Nun gilt es, ihre Herangehensweise entweder von vornherein zu hassen oder deren qualitative Abstufungen mehr oder weniger wohlwollend zu beobachten. Die große Weiterentwicklung, welche man nach “No Country for Old Men” durchaus hätte erwarten können, ist ausgeblieben. “A Serious Man” überrascht nur insofern, als die Brüder hier auf ihr Stammpersonal vor der Kamera verzichten, um sich dem jüdischen Leben im Minnesota der späten 60er anzunähern. Dass Joel und Ethan Coen in Minnesota aufgewachsen sind, kann man sich bei der Spezifik des Themas schon denken. Ansonsten ist alles beim Alten im Coen-Universum. Die Figuren finden sich in abwegigen, aber punktgenau geschnittenen Situationen wieder, die sie zuerst überfordern, sich dann Stück für Stück zu einer Art Trademark-Coen-Dramaturgie aufstapeln, bis am Ende alle Elemente in der schwarzhumorigen Pointe kulminieren.

Für Larry (Michael Stuhlbarg) sieht das in diesem Falle besonders grausam aus. Die Coens bzw. ihr Stellvertreter (Gott) lässt allerlei Unheil über ihn kommen, um seinen Glauben zu prüfen. Larry ist sicher kein Heiliger, aber als er von der Ehefrau für einen anderen (Sy Ableman!) verlassen wird, sein Job, sein ganzes Leben Gefahr läuft, den Bach runter zu gehen, muss er sich wie dereinst Hiob fragen, warum der Herr ihm das alles antut. Larry ist ein religiöser Jude, ein kleines Licht im Vorstadtdschungel, der einem nicht einmal typisch jüdischen Problem ausgesetzt wird. Es ist die Infragestellung des Glaubens in Folge der scheinbaren Grausamkeit oder Abwesenheit Gottes. Die Lösung heißt natürlich, Rat zu suchen bei den Autoritäten, beim Rabbi. Dass dies zum Spießrutenlauf wird für den Verzweifelten liegt zu einem guten Teil an ihm selbst, schließlich erwartet er eine klare Antwort auf eine Frage, die zu stellen, vergeblich ist. Gottes Wege, das wird auch ihm erklärt, bleiben unergründlich. Zum anderen sparen die Coens nicht mit selbst-ironischem (jüdischen) Witz, wenn es um die Eigentümlichkeiten jüdischer Institutionen und Rituale geht. Wenn Larry mit einem Junior-Rabbi konfrontiert oder von der Sekräterin des uralten Rabbi Marshak davon geschickt wird, weht leise Kritik durch die Parabel. Die Diskrepanz zwischen der Jugendkultur Ende der Sechziger und den jahrhundertealten Strukturen des organisierten Glaubens findet ihren Fixpunkt in Larrys Sohn, der lieber kifft als hebräisch zu lernen, was zu einer etwas anderen Bar Mizwa-Erfahrung führt.

Natürlich bietet sich eine dermaßen auf Orthopraxie bedachte Religion, wie das Judentum eine ist, den in die Überzeichnung verliebten Autoreninstinkten der Coens an. Man darf jedoch gleichfalls annehmen, dass die Schöpfer hier ihre ganz persönliche Auseinandersetzung mit der eigenen Jugend auf die Leinwand gebannt haben. Einerseits ist “A Serious Man” eine Parabel über einen kleinen Mann, der die Wirren, die in sein Leben einfallen, weder versteht, noch ihnen zu begegnen weiß, andererseits ein Autorenfilm im reinsten Sinne mit den damit einhergehenden Problemen für den Zuschauer. Der Nachfolger von “Burn After Reading” hat zweifellos mehr food for thought, weniger Groteskerie für die Lachmuskeln zu bieten. Dafür ist “A Serious Man” ein auf der Handlungsebene weniger in sich abgeschlossenes Werk, das mehr noch als die letzten Filme der Brüder nach Interpretation und damit dem Wohlwollen der Zuschauer/Fans ruft. Wer sich dem nicht öffnet, wird womöglich nicht schlecht unterhalten, sich aber schlussendlich vor den Kopf gestoßen fühlen.