#131: James Bond 007 – Goldfinger

Am 31. Oktober 2020 ist Sean Connery im Alter von 90 Jahren gestorben. Das nehmen wir im Wollmilchcast zum Anlass, um über seinen dritten Einsatz als 007 zu sprechen: Goldfinger (1964). Im Podcast widmen wir uns ganz dem damals teuersten und erfolgreichsten James-Bond-Film.

Wir sprechen über Connerys Präsenz als Agent Ihrer Majestät und stellen sie seinem Filmgegenspieler Gert Fröbe gegenüber. Die drei Bond-Girls, darunter Pussy Galore (Honor Blackman), kommen natürlich ebenso zur Sprache. Wir fragen uns aber auch, ob es eine Autorschaft für den Film gibt, an dessen Gelingen Connery, Regisseur Guy Hamilton, Szenenbildner Ken Adam, Komponist John Barry und Sängerin Shirley Bassey alle einen wichtigen Anteil haben. Parallelen zum Franchise-Kino der Gegenwart ziehen wir ebenfalls. Viel Spaß!

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Der unvermeidliche Abstieg des Ernst Stavro Blofeld

Eine knappe Ansammlung persönlicher Notizen mit einigen Spoilern

Es gibt Filmfiguren, die werden verehrt, weil sie unseren Wünschen entsprechen. Von ihnen geht eine Faszination aus, weil sie unsere Helden und selbst mit ihren Fehlern perfekt sind. Ferdinand Griffon ist ein solcher Held für mich. Dann gibt es Figuren, die uns gerade faszinieren, da wir sie abstoßend finden (bei mir zum Beispiel Jens Albinus) oder weil von ihnen ein anziehender Schrecken ausgeht (Thulsa Doom). Eine meiner liebsten Leinwandpersönlichkeiten ist Ernst Stavro Blofeld, für gewisse Zeit der Erzfeind von James Bond, aber nicht weil er auch nur in einem Film wirklich überzeugen kann, sondern weil meine Vorstellungen von ihm überlebensgroß sind. Der Grund dafür liegt wahrscheinlich darin, dass ich ihn über seine Abbilder kennen gelernt habe. Aber schauen wir uns erst einmal die Nummer Eins von S.P.E.C.T.R.E. an.

Blofeld und S.P.E.C.T.R.E. tauchen bei Ian Fleming gerade einmal in drei Büchern auf. Es sind die zu den letzten Romanen der Reihe gehörenden Thunderball, On Her Majesty’s Secret Service und You Only Live Twice. Vorher hatte James Bond oft mit Handlangern der SMERSH zu tun gehabt, dem eigentlich seit 1946 aufgelöstem Nachrichtendienst der UdSSR, doch mit der Entspannungspolitik entschied sich auch Fleming, andere Gegner zu suchen. So ließ er ein globales Verbrechersyndikat auftauchen, welches von einem gewissen Ernst Stavro Blofeld geleitet wurde. „[…]zwei Augen, die tiefen Teichen gleichen, umgeben, »wie die Augen Mussolinis«, von zwei Skleren von sehr klarem Weiß, […] die einen an Puppenaugen denken läßt, auch wegen der schwarzen, seidigen Frauenwimpern […] Der Gesamteindruck ist der der Verstellung, Tyrannei und Grausamkeit ‘auf shakespeareschem Niveau’; er wiegt 120 Kilo.“[i] Am Anfang seiner Karriere arbeitet er in einem polnischen Telegrafenamt und fängt an mit geheimen Informationen zu handeln. Hier liegt der Ausgang von  S.P.E.C.T.R.E., das Syndikat, welches in einigen Verfilmungen den Platz der SMERSH einnehmen sollte (Dr. No, From Russia With Love).

Ian Fleming gibt Blofeld alles mit, was ihm Angst bereitet. Er ist sexuell nicht „normal“ (asexuell), nicht reinrassig (polnischer Vater, griechische Mutter), hat einen Bürstenschnitt und ist von niederer Herkunft. Doch all diese Beschreibungen sind die Krux. Sie machen aus Blofeld einen Bösewicht, der sich nur durch seine Organisation von den anderen Gegenspielern Bonds unterscheidet. Die Filme versuchen, aus ihm etwas Einzigartiges zu machen und nicht nur eine Schreckgestalt für Fleming. Sie reißen ihm die flemingschen Charakteristika vom Gesicht und erschaffen so ein Gespenst (spectre). Er ist nur ein Oberkörper mit einer Katze, ikonografisch simpel und einprägsam und durch das fehlende Gesicht setzt er der Fantasie keine Grenzen, um in totale Paranoia zu verfallen. Er ist sadistisch und hinterhältig selbst zu seinen Mitarbeitern und hat stets einen Knopf parat, der Menschen qualvoll in einen überraschenden Tod stürzen lässt. Sein einziges Charakteristikum ist das verkommene Wesen, das sonst nicht festzumachen ist. Hinter jeder Mauer kann sein Syndikat lauern, welches verschlagen und mächtig genug ist, um die Welt aus den Angeln zu heben. Der Schrecken hat zwar einen Namen, sonst ist er nur die Heimsuchung der eigenen Fantasie.

Den Produzenten Saltzman und Broccoli kann vorgeworfen werden, dass sie in Man lebt nur zweimal Blofeld ein Gesicht geben ließen und damit seinem Untergang zu einer Witzfigur ausgelöst haben. Doch das eben Beschriebene ist das Bild von Blofeld in meiner Fantasie, denn die Filme haben den Mythos, das Gespenst von Anfang an mit Stücken von Wirklichkeit kontaminiert. Die Ausnahme bleibt James Bond 007 jagt Dr. No. S.P.E.C.T.R.E. wird nur kurz erwähnt und bleibt so für den Zuschauer ein bedrohliches Mysterium. In Liebesgrüße aus Moskau und Feuerball, so geheimnisvoll sie Blofeld auch beginnen aufzubauen, wird das mögliche Mysterium aber schon abgeschwächt. Jedes Mal sitzt er Menschen gegenüber, mit denen er interagiert. Er ist aus Fleisch und Blut und nur dem Zuschauer wird das Gesicht vorenthalten. Dr. Claw oder die Anführer von F.O.W.L., beides deutliche Epigonen von Blofeld, haben die Lektion gelernt, sie sind nur per Fernsehübertragung zu erreichen und selbst für ihrer Mitarbeiter Phantome. Doch der schlimmste Makel in diesen Filmen ist vor allem die Durchnummerierung der S.P.E.C.T.R.E.-Mitglieder… streng nach Rang und Können. Diese magenverkrampfende Versinnbildlichung von Leistungsdruck, reißt Blofeld aber in einen Malstrom gen Enträtselung. Nachdem Bond die Top Ten getötet hat, kann er kaum gegen den Bodensatz oder gegen eine neue Nummer Zwei kämpfen. Ihm bleibt nur das I-Tüpfelchen.

Donald Pleasence spielt in Man lebt nur zweimal einen beeindruckenden Blofeld. Die Macher gaben sich alle Mühe, dem von ihnen geschaffenen Mythos gerecht zu werden. Doch danach wurde er zu einem überflüssigen Anhängsel. Er wurde das, was die Filme bisher verbargen, denn durch den Beweis seiner Realität wurde er zu einer Witzfigur die sich hinter lächerlichen Jalousien versteckt oder auf Jachten hockt, böses Genie spielt und über Fische philosophiert. Er war kein Phantom mehr, sondern für jeden sichtbar und damit uninteressant, weil verarbeitet, denn Angst verbreitet nur das Unbekannte.

Im Geheimdienst ihrer Majestät und Diamantenfieber versuchen auch kaum zu verstecken wie wenig Mühe sie sich mit der Figur geben. Telly Savalas spielt ohne Narbe und wühlt im Dreck der Wirklichkeit, sprich: er jagt Bond auf Skiern und mit Schnellfeuerwaffe hinterher und prügelt sich gar mit ihm. Eine Katze ist nirgends zu sehen. Und warum erkennen sie sich nicht, sie haben sich doch bereits getroffen? Sein Abgang dient auch nur noch als Sprungbrett für einen Treppenwitz. Diamantenfieber versucht nochmals mit dem einführen von chirurgisch gefertigten Doppelgängern, Blofeld Richtung Fantômas oder Dr. Mabuse zu rücken, aber sichtlich uninspiriert tötet Bond diese einfach. Zurück bleibt ein Feigling (Hatte der nicht mal ne Glatze? Sieht er nicht irgendwie wie Dikko Henderson aus Man lebt nur zweimal aus?), der wieder einmal schon vorm endgültigen Scheitern flieht (darf er doch nicht gefasst werden) und von Bond der Lächerlichkeit preisgegeben wird, da er in seiner U-Boot-Kapsel von Bond am Kran gefangen und hilflos wie von einem Puppenspieler gehandhabt wird. Kläglich verhallen seine Schreie, welche den ihm gebührenden Respekt einfordern. Augenscheinlich hatte er noch nicht erkannt, wie tief er gesunken ist.

Mit dem Auftritt von Roger Moore verschwindet dann auch Blofeld. Zu sehr hatte er sich überlebt. In In tödlicher Mission taucht er nochmal auf, aber nur um kurz zu Beginn von Bond in einen Schornstein geworfen zu werden. Ohne ihm Würde zu geben, wird er abserviert… mit einem herablassenden Klaps auf die Fontanelle wurde er entsorgt. Ich habe ihn über Inspektor Gadget und Darkwing Duck kennen gelernt und träume immer wieder den Traum eines gesichtslosen Schreckgespenstes, dass die Welt in ihren Klauen hält. Wenn ich die Filme sehe, wird mir aber immer wieder klar, dass es dieses nie gegeben hat.


[i] Eco, Umberto: Die erzählerischen Strukturen im Werk Ian Flemmings, in: Ders.: Apokalyptiker und Integrierte, Frankfurt am Main 1986, S. 273-312, S. 281.

Paranoider Tagtraum – Leben und Sterben lassen (GB 1973)

Der ungarische Gesandte spricht vor den Vereinten Nationen und der Delegierte des United Kingdoms fällt tot um. Nur die weißen Anwesenden schrecken auf. Die Gesandten von San Monique, Honduras und so fort, welche durch ihre schwarze Hautfarbe verbunden sind,  scheinen eher desinteressiert. Nur der Zuschauer sah, dass eine Hand mit eben dieser schwarzen Hautfarbe sich für den Tod verantwortlich zeichnete.

Ein Mann mit weißer Hautfarbe steht alleine vor einem „Fillet of Soul“-Restaurant in New Orleans. Durch seine Hautfarbe sticht er in dem offensichtlich von Schwarzen dominierten Viertel deutlich hervor. Die inzwischen an ihm vorbei schreitende Begräbnisprozession lässt ihn noch fremder erscheinen. Der Trauerzug ist nicht nur durch den demonstrativen Aufmarsch afroamerikanischer Modestile der 30er bis 60er für den englischen Agenten ausgrenzend oder durch den für ihn fremden Duktus von Musik und dem Schreiten der Trauernden, sondern ebenso durch die einfache Existenz der Trauernden. Denn der Mann passt nicht in diese Umgebung, weil er nicht weiss, wessen Tod solchen Schmerz verursacht. Als sich das Messer des Schwarzen neben ihm in seinen Körper bohrt, fragt sich der Zuschauer eigentlich nur, wieso er nicht erkennen konnte, wie fremd und unerwünscht er die ganze Zeit war. Er war von einer Masse Gleichgesinnter umzingelt, deren Schmerz nicht der Tod eines Menschen ist, sondern sein Leben, das Leben des weißen Mannes.

Der dritte weiße Mann, der zu guter Letzt stirbt, befindet sich auf San Monique an einen Pfahl gefesselt. Die Kurve des Klischeegehalts der Morde durch Schwarze steigt steil an, denn er befindet sich in den Klauen eines Voodoopriesters, der ihn während einer Zeremonie mittels einer Schlange tötet. Das ganze Dorf tanzt dazu in Ekstase. Die Ängste vor den afrikanischen Kulturen seit Beginn der Kolonisation Afrikas (atavistische Tänze, wilde Menschenopfer und auch ein Hauch von Kannibalismus)  scheinen wahr geworden zu sein und den Tod dieses weißen Mannes zu fordern.

Was diese drei Szenen verbindet, mit welchen Leben und Sterben lassen beginnt, ist die Etablierung des Grundproblems des folgenden Films: die grundsätzliche Verschiedenheit von afrikanischen/afroamerikanischen und den europäischen/euroamerikanischen Menschen. An diesem Punkt kann man in “Leben und Sterben lassen” einen rassistischen Film sehen, doch zu bewusst werden die kulturellen Unterschiede als Antriebsfeder des Films genutzt. Die ganze Spannung, von der sich “Leben und Sterben lassen” nährt, liegt in der Fremdheit der Kulturen und der daraus entstehenden Angst.

Natürlich ist dieses James Bond-Abenteuer keine anthropologische Studie und schon gar keine Untersuchung der Kulturen der Afroamerikaner oder der Karibik, welche im ganzen Film prominent vorgeführt werden. Vielmehr handelt es sich um die Darstellung eines Blickes auf diese Kulturen durch die Brille der weißen Zivilisation… eines ängstlichen, unverständigen und vor allem nicht parteilosen Blickes. Kurz: alles was wir zu sehen bekommen, ist die paranoide Illusion des zutiefst rassistischen James Bond.

Scorsese/Schrader haben den latenten Rassismus Travis Bickles in “Taxi Driver” durch den Blick der Kamera dargestellt. Die Kamera fährt an bunt gekleideten, schwarzen Zuhältern vorbei, welche hasserfüllt starren. Doch was wir sehen, ist keine Objektivität, sondern das Unbehagen Bickles gegenüber einer gesamten Rasse, welche für ihn nur noch unergründlicher, finsterer Abschaum ist. Der Schwarze Mann ist für ihn keine Kinderschreckfigur mehr, sondern furchterregende Realität.

“Leben und Sterben lassen” funktioniert auf die gleiche Weise. Guy Hamilton zeigt uns keine Realität, sondern den Blick James Bonds auf diese. So schafft er eine überaus gelungene Analyse des rassistischen Verfolgungswahns einer unbedarften Actionfigur. Vielleicht ist diese auch so gelungen, weil die gezeigte Paranoia der Sicht der Urheber entspricht, aber unter der Oberfläche dieses scheinbar naiven Actionabenteuers, das zu den besten der Serie gehört, lauert ein tiefer Abgrund, der den Wahn rassistischer Angst auslotet.

So ist der gesamte Film durchzogen von Motiven einer vereinigten schwarzen Rasse, welche sich autonome Orte der Rebellion geschaffen hat, in denen Weiße unerwünscht und machtlos sind. Nehmen wir nur die Harlem-Sequenzen in dem jeder Schwarze ein Agent von Drogenbaron Mr. Big ist. 007 und die vereinzelten CIA-Agenten finden sich an einem Ort wieder, wo das Leben eines Weißen oder eines Verräters an der eigenen Rasse nicht viel Wert ist. Denn wenn James Bond wieder einmal in einem „Fillet of Soul“-Restaurant durch einen Mechanismus in der Wand verschwindet, interessiert es scheinbar niemanden. Doch hinter dem Desinteresse zeigt sich die Fratze des Wissens um die Beseitigungsmöglichkeiten des weißen Mannes und das stille Gutheißen derselben. Das schlechte Gewissen James Bonds projiziert sich auf die Unterdrückten, welche seiner Meinung nach nur den Feind in ihm sehen können und sich deshalb gegen ihn verschwören. Überall lauern Gegner und Hass.

Die von Klischees gespeiste Angst Bonds führt sogar soweit, dass seine Fantasie einen Voodoozampano, der Touristen unterhält und an dem er kurz vorbei läuft, zur linken Hand des Bösewichts macht. Natürlich ist dieser die offensichtliche Wahl von 007, da er alles verkörpert, was er nicht versteht und was ihm an der Kultur der Schwarzen unangenehm ist. Er ist wild, ungehemmt, fremdartig und machtvoll auf eine atavistische Weise. Bonds Furcht lässt ihn nicht erkennen, wie lächerlich dieser Touristenschreck in Wirklichkeit ist.

Nachdem der MI6-Agent den Heroinhandel aufdeckt, welcher die Tode zu Beginn des Filmes verursachte, bietet sein Kopf ihm schlussendlich eine wahrhaft paranoide Lösung: Einhorn ist Finkle. Er, der überall Verschwörungen und Widersacher sieht, personifiziert alles Böse in einer Person. Der Regierungschef von San Monique und der New Yorker Drogenbaron Mr. Big können nur dieselbe Person sein. Solch ein großes Netz des Antagonismus muss von einem Menschen zusammen gehalten werden, mit dessen Tod, das Netz zu zerstören ist. Doch hier irrt sich James Bond und der Film zeigt es unumwunden auf. Nachdem er alle Schurken getötet hat, sitzt der ominöse Voodoopriester auf der Lokomotive, die Bonds Zug zieht, und lacht dem Zuschauer ins Gesicht… den Schwarzen Mann wird James Bond niemals los, denn er existiert nur in seiner Phantasie und stirbt nur mit seinem Rassismus oder mit ihm.