#203 – Thor: Love and Thunder von Taika Waititi

Die vierte Phase des Marvel Cinematic Universe wird im Kino mit Thor: Love and Thunder weiter geführt, dem vierten Solo-Film von Chris Hemsworths nordischem Gott. Wie sich der Stil von Taika Waititi in dem Film bemerkbar macht und was passiert, wenn die äußerst unterschiedlichen Spielstrategien von Hemsworth, Christian Bale und Natalie Portman aufeinander treffen, besprechen wir in dieser Folge. Außerdem erklären wir, warum Kevin Feige für Phase 4 Lob gebührt, obwohl sie der Anfang des Endes des MCU sein könnte.

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Wollmilchcast #76 – Men in Black: International, The Dead Don’t Die & Too Old to Die Young

Men in Black: International

Die Men in Black-Reihe ist zurück, diesmal ohne Will Smith, Tommy Lee Jones und Barry Sonnenfeld. Stattdessen tun sich Tessa Thompson und Chris Hemsworth für F. Gary Gray zusammen, um in der geheimen Alien-Parallelgesellschaft für Ordnung zu sorgen. Im Podcast fragen wir uns, ob sich die Reihe selbst geblitzdingst hat. Außerdem diskutieren wir, wie sich Jim Jarmusch in The Dead Don’t Die das träge Zombie-Tempo zu eigen macht, und was eine betont zähe Serie wie Too Old to Die Young von Nicolas Winding Refn und Ed Brubaker für unsere Ära des Peak-TV bedeutet. Viel Spaß!

Shownotes:

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Wollmilchcast #71- Avengers 4: Endgame von Kevin Feige

Avengers-4-Endgame

Das Marvel Cinematic Universe erreicht seinen vorläufigen Endpunkt – dies will uns zumindest das Marketing für Avengers 4: Endgame vorgaukeln. Im Podcast reden wir diesmal ausschließlich – und wie immer voller Spoiler – über den Abschluss der sogenannten Infinity Saga. Dabei diskutieren wir, ob uns Disney hier ein Best-of des MCU vorsetzt, was Endgame von Infinity War unterscheidet und wer der wahre Autor des MCU ist. Außerdem werfen wir einen ausführlichen Blick auf die Zukunft, ob auf der großen Leinwand oder bei Disney+. Viel Spaß!

Shownotes:

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Thor (USA 2011)

In Thor von Kenneth Branagh werden die konventionellen Stadien des Superheldendaseins einfach umgedreht. Thor, der Donnergott, muss nicht lernen, wie er mit seinen Kräften im Alltag zurecht kommt, sie sind ihm nicht fremd, sind vielmehr ein Teil von ihm. Stattdessen stellt “Thor” die Heldengenese auf den Kopf, präsentiert uns einen Gott, der erst seiner Kräfte beraubt und unter den Menschen erkennt, was einen Gott (= Superhelden) eigentlich ausmacht. Obwohl Kenneth Branagh so manches Mal an seine Grenzen stößt und dies oft genug freiwillig, obwohl Thor kein perfekter Film ist, sondern von Makeln geradezu gezeichnet, ja obwohl so einige Gründe gegen dieses bunte Epos von Menschen und Göttern und güldenen Himmeln sprechen, ist der neue Streich des Marvel-Universums der im positiven Sinne gewagteste seit Hulk von Ang Lee. An dessen Homogenität und inszenatorische Sicherheit kommt ein Branagh allerdings nicht heran. Es ist wohl kein Zufall, dass Thor nach Hulk der widerspenstigste Marvel-Heroe ist, der seinen Weg auf die Kinoleinwand gefunden hat. Beider Filmabenteuer stehen im Schatten ödipaler Konflikte, erzählen von Vater-Sohn-Beziehungen, in deren Mittelpunkt die Machtfrage als aufzulösender Konflikt steht. Konzentriert sich Ang Lee auf eine ästhetische Auseinandersetzung mit der Comic-Narration, ist Branagh erwartungsgemäß dem klassischen Drama verpflichtet und zeigt die ganze Bandbreite seiner Shakespear’schen Reputation.

Visuell stellt Thor die Vorstellung einer einzigen Welt von Beginn an in Frage. Alles, auch die menschliche Realität, hat eine Kehrseite. Dasselbe gilt für das prunkvolle Himmelreich Asgard, das steril wirkt im Vergleich zum staubigen New Mexico, welches als zweiter Handlungsort eingeführt wird. Da oben bei den Göttern ist alles überladen, erscheint dank der konvertierten 3D-Bilder teilweise wie der Modellbau eines geschmacklosen Kitschfanatikers. Dem gegenüber stellt “Thor” nicht die pulsierende Metropole so vieler anderer Comicfilme, sondern ein einsames Kaff in der Wüste, ein Raum, nicht weniger von der restlichen Welt isoliert als Asgard und damit ein perfektes, dreckig-lebendiges Gegenstück. Der Göttersohn Thor (Chris Hemsworth), der sich selbst überschätzt und andere damit in Gefahr bringt, wird von Odin (Anthony Hopkins) auf die Erde, an diesen trostlosen Ort verbannt, um sich etwas Selbstbeherrschung und göttliche Weisheit anzueignen. Hier kommen wiederum die beiden Kehrseiten von Thor zum Vorschein. Da oben das große Drama um Odin und seinen stets übersehenen zweiten Sohn Loki (Tom Hiddleston), da unten der Göttersohn zum Menschen degradiert, da oben “Hamlet” und “Macbeth”, da unten “Viel Lärm um nichts”.

Dass es Kenneth Branagh gelingt, die beiden vom Ton her völlig unterschiedlichen Handlungsstränge zu einem überzeugenden Endergebnis zusammen zu nähen, ist wahrscheinlich sein größter Verdienst. Zwischen der großen Vater-Sohn- und Bruder-Bruder-Tragödie sowie dem Slapstick eines Gottes auf Erden hin und her zu springen, ohne den ganzen Film in der kinematografischen Luft zu zerreißen, ist eine Leistung, die einem selbst diverse seltsame Entscheidungen der Regie übersehen lässt. Da ist etwa das stellenweise aufblitzende Unvermögen, in den für dieses Genre so wichtigen Actionsequenzen räumliche Orientierung zu schaffen. Zum anderen ist “Thor” völlig am 3D-Effekt vorbei inszeniert, was zuweilen zu verstärkter Desorientierung führt, sobald die Kamera etwas dynamischer agiert. Auffälliger ist Kenneth Branaghs Regie-Manierismus der schiefen Winkel, welcher auf Dauer die Nerven strapaziert. Der Einsatz von schiefen Establishing Shots für die psychologisch hochdramatische Götterwelt Asgard erscheint stimmig im Hinblick auf die kammerspielartigen Kabalen, mutiert bei einer diesseitigen, gemütlichen Kleinstadt dagegen zum aufgesetzten Stilmittel.

Freilich überzeugt Thor als ein Film der positiven Überraschungen. Dazu gehört eine geschmeidige Integration des S.H.I.E.L.D.-Subplots, wie sie Iron Man 2 richtig gut getan hätte. Hauptdarsteller Chris Hemsworth ist nicht der von vielen befürchtete charismalose Muskelprotz, auch wenn seine Physis einschüchtert. Er meistert den Slapstick, die Romantik (mit Natalie Portman als Natalie Portman), das Drama, die Action sowieso. Ein wahrer Schatz des Götterhimmels bleibt Tom Hiddleston als Loki, das fragile, das windige, aber nicht flache Gegenstück des aufgepumpten, arroganten Thor, der sich schon jetzt über einen Platz unter den besten Widersachern der Superheldenfilme freuen darf, gerade weil er kein eindeutiger Bösewicht ist, zeitweilig als verdienterer Erbe des Götterthrons um unsere Sympathien wirbt. Die Arbeit mit den Schauspielern zeugt von Kenneth Branaghs Erfahrung mit Ensembles. “Thor” glänzt mit Namen wie Stellan Skarsgard, Idris Elba und Tadanobu Asano im Cast. Nicht alle erhalten genügend Zeit, um sich zu entfalten, gleichwohl sind sie unschätzbare Mosaiksteine in der Erschaffung des neuen Universums, die – einmal zusammengefügt – Lust auf mehr machen. Die Vater-Sohn-, die Liebes- und die Brüdergeschichte jongliert Thor, ohne jemals vor Überforderung in sich zusammen zu brechen. Selbst dem altbacken wirkenden Vokabular Asgards gelingt es nicht, diese Comicverfilmung ins Joch der unfreiwilligen Komik zu zwingen. Wider Erwarten hat Kenneth Branagh ein gutes, durchweg unterhaltsames Superheldenabenteuer gedreht. Da müssen “The Amazing Spider-Man” und “X-Men: Erste Entscheidung” erst einmal nachlegen.


Zum Weiterlesen:
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