Kurtz & Knapp III

Während das Sommerloch sich in seiner vollen langweiligen Blüte zeigt und die einzigen Lichter am Ende des Tunnels die deutschen Starttermine von “The Dark Knight” und “Tropic Thunder” sind, will ein Blog natürlich gepflegt werden. Um der drohenden Vernachlässigung entgegen zu wirken, erscheint hier daher eine weitere Folge von Kurtz & Knapp. Die bereits vierteilige Sonderauflage über die Filme des Festivals in Bologna ist  aber noch lange nicht an ihrem Ende angelangt, wird also noch fortgesetzt werden.


Once (IRL 2006):

Seinen Oscar für den besten Song hat “Once” zwar verdient, aber zu mehr als einen  85-minütigen Videoclip über zwei musikversessene Aussenseiter reicht es dann doch nicht. Gewisse Ermüdungserscheinungen setzten zumindest bei mir nach dem dritten oder vierten melancholischen Lied ein und wollten nicht mehr verschwinden. “Falling Slowly” bleibt aber wirklich ein tolles Lied.

Kung Fu Panda (USA 2008):

An Pixar kommen die Filme von Dreamworks Animation auch mit Kung Fu Panda noch lange nicht heran, dazu ist die Story zu konventionell; verlässt sich die (visuelle) Charakterisierung der Nebenfiguren noch zu sehr auf die Verwendung unterschiedlicher Tiere. Dafür begeistert die Geschichte des widerwilligen Kung Fu-Heroen Po mit farbenprächtigen Landschaftsanimationen und rasanter Action – der Ausbruch des Bösewichts Tai Lung aus seinem Hochsicherheitsgefängnis sei an dieser Stelle hervorgehoben. Es ist schon ein wenig traurig, wenn der Kampf des Pandas Po mit seinem Meister Shifu um eine Teigtasche nicht nur aufregender, sondern auch besser in Szene gesetzt ist als das ganze “Grabmal des Drachenkaisers”.

Ein Hauch von Zen (RC 1969):

Lange lag die DVD im Regal bis sie dank eiserner Überwindung  und etwas Kaffee endlich im Player landete. “Ein Hauch von Zen” ist ein, trotz anfänglicher Längen, unerreichter Wuxia-Klassiker, der am Ende – nach fast drei Stunden  – alle Genregrenzen hinter sich lässt und Kubrick’sche Größe erreicht. Wer die Inspiration  für Ang Lees “Tiger and Dragon” sehen will, wende sich bitte an den Film von King Hu. Poetisch und einfach nur schön. Wow!

The Heroic Trio (HK 1993):

Dass gute Superheldenfilme nicht nur aus den USA kommen, bewies Johnnie To bereits 1993 mit seinem heroischen Trio. Invisible Woman (Michelle Yeoh), Thief Catcher (Maggie Cheung) und Wonder Woman (Anita Mui) tun sich hier erstmals im Kampf gegen einen machtgierigen Eunuchen, der reihenweise Säuglinge entführt, zusammen. Typisch Hongkong ist “Heroic Trio” dank der Actionchoreographie von Ching Siu Tung (“Hero,” “A Chinese Ghost Story”) und der unvermeidlichen Brutalität (mal wieder wird auch vor Kindern nicht halt gemacht), die in  ähnlichen Mainstreamfilmen aus Hollywood in dieser Form gar nicht auftauchen würde. Auch wenn die düstere Optik von Tim Burton inspiriert zu sein scheint, verkommt Johnnie Tos Heldinnensaga nicht zur bloßen Kopie von Batmans Abenteuern.

“The Heroic Trio” ist Kult und sehr lustig. Dieser einfachen Feststellung kann selbst das hin und wieder antiquiert wirkende Wire-Fu nichts anhaben. Und Anthony Wong darf als hirnlose Bestie Kau seine eigenen Finger verputzen. Lecker, lecker!

My Name is Fame (HK 2006):

In Anbetracht der Tatsache, dass HK-Edelmime Lau Ching Wan Ende der Neunziger in einen Knaller nach dem anderen zu sehen war – von einer Hauptrolle in Ringo Lams “Full Alert” bis hin zu Milkyway-Filmen wie “The Longest Nite” oder “Running out of Time” – ist die Dichte an mittelmäßigen Komödien, die seine Filmografie im neuen Jahrtausend übersät, doch recht überraschend. Da war der Hong Kong Film Award, den Lau für “My Name is Fame” gewann, schon so etwas wie ein dringend nötiges Comeback. Anders als sein Film Alter Ego Poon war Lau bis dahin unzählige Male für den HK-Oscar nominiert gewesen und am Ende immer leer ausgegangen. Dieser Poon, ein Charakterdarsteller mit einem leichten Hang zum Alkoholrausch, ist nach einem solchen Preis für seinen ersten Film als ewiges Talent abgestempelt wurden. Abgehalftert, ohne Aussicht auf gute Rollen, nimmt er die von einer Filmkarriere träumende Faye unter seine Fittiche und entdeckt ganz nebenbei seine Liebe zur Schauspielerei wieder.

Das in “My Name is Fame” von der Filmindustrie gezeichnete Bild einer großen Familie hat nicht viel mit der Wirklichkeit zu tun. Alles ist in diesem Film nämlich ein bisschen rosa überzeichnet und weit von einer knallharten Satire entfernt. Der Weichzeichner stört nicht weiter, denn Lau sitzt die Rolle wie angegossen. Löblich ist sicher auch die Zeit, die der Film auf den eigentlichen Prozess des Spielens verwendet; von einfachen Aufwärmübungen über den Ideenaustausch mit dem Regisseur bis hin zum Variieren des Spiels von Take zu Take. So ist der Film am Ende v.a. eine Liebeserklärung an die in Hongkong seltene Spezies des Charakterdarstellers, die sich durchkämpft in einer Industrie, welche die Kinosäle mit untalentierten Models und Popsternchen zu füllen sucht.

Johnnie To mag Hongkong und dessen Taschendiebe

Johnnie To Ein Regiewerk kann nicht nur aus genialen Film Noir-Experimenten und modernen Heroic Bloodshed-Opern bestehen. Das dachte sich wohl Johnnie To, als er seinen Film Sparrow fertigstellte, der immerhin schon seit drei Jahren in Arbeit gewesen war. Drei Jahre, die die Veröffentlichung von Election I und II, Exiled, Triangle und Mad Detective sahen, allesamt Krimis und Thriller unterschiedlicher Couleur. Sparrow, neben Linger der zweite eher “leichte” Film des Neo Noir-Maestros in diesem Olympiajahr, vereinigt sein Stammpersonal (Simon Yam, Gordon Lam, Kelly Lin, Lam Suet) in einem spielerischen Liebesbrief an Hongkong. Das zumindest suggeriert der leichtfüßig geschnittene Retro-Trailer, dessen Look eher Jacques Demy als Johnnie To vermuten lässt.

Als Sparrows werden übrigens die professionellen Taschendiebe Hongkongs bezeichnet.

Kei (Simon Yam) is an experienced “sparrow”. He enjoys a carefree lifestyle taking photos with his vintage Rolleiflex. One day a dashing beauty, Chun Lei (Kelly Lin), suddenly appears in Kei’s viewfinder. The sparrow is mesmerized… But behind Chun Lei’s attractive facade lies a mysterious past and a mission to set herself free… [Quelle: Milkywayimage.com]

Wie an anderer Stelle bereits erwähnt, gibt es sogar einen deutschen Starttermin für Sparrow. Zumindest die IMDB nennt den 31. Juli.

Der offizielle Trailer für diesen Wettbewerbsbeitrag der diesjährigen Berlinale ist unten zu sehen oder bei Twitch.

Johnnie Tos nächstes Projekt bewegt sich wieder in düsteren Gefilden. Er wird ein Remake von Jean-Pierre Melvilles Klassiker Vier im Roten Kreis (Le Cercle Rouge) drehen mit Orlando Bloom, Liam Neeson, Chow Yun-Fat und Alain Delon.

Dass To nicht den John Woo machen wird, verspricht zumindest die Wahl Hongkongs als Schauplatz des Films. Ein To ohne Hongkong ist wie Helmut Schmidt ohne Zigarette: Einfach unvorstellbar.

[youtube=http://de.youtube.com/watch?v=3_YucG8-7Fw]


Zum Weiterlesen:

Beiträge zum Hongkonger Kino, einschließlich anderer Filme von Johnnie To.

Was LoveHKFilm.com über Sparrow zu sagen hat.

Election (HK 2005)

Election

Über 50 Triaden soll es in Hongkong heute geben. Die größten dieser “schwarzen Gesellschaften” zählen bis zu 25.000 Mitglieder. Diese chinesische Mafia macht ihr Geld mit Drogenhandel, Prostitution, Auftragsmorden, Raubkopien von DVDs… Die Liste ist endlos. Ihrem Gründungsmythos nach entstanden ihre Strukturen aus Untergrundgesellschaften, die im 18. Jahrhundert gegen die Fremdherrschaft der mandschurischen Quing-Dynastie aufbegehrt hatten.

Dieser Mythos einer Schar von Widerständlern findet sich heute wohl kaum im “Geschäftsethos” der Verbrecherorganisationen wieder. Gepflegt wird er im Ritual aber noch immer. Einen solchen Akt zeigt uns zumindest Johnnie To in seinem Thriller Election, der im Original ??? (Kantonesisch: hak se wui) heißt, “Schwarze Gesellschaft”.

Die alten Herren, die Tee trinkend über den zukünftigen Führer der Triade abstimmen, verteidigen die Tradition, den Ablauf der Wahl. Dieser althergebrachte Pfeiler der ehrenvollen Gesellschaft ist längst morsch. Die Übergangsriten verbergen die innere Zersetzung, denn Boss wird, wer die meisten “Wahlmänner” schmiert. Big D (Tony Leung Ka-Fai), der impulsive Bewerber für die zweijährige Amtszeit, glaubt, er habe genau das getan. Doch dann wird der zurückhaltende Lok (Simon Yam) von der Altherrenrunde zum Führer bestimmt. Der Konflikt eskaliert, als Big D die Wahl in Frage stellt und das Übergaberitual sabotiert.

Election

Ohne die Triaden würden den Gangsterfilmen Hongkongs wohl die Themen ausgehen. Auch Johnnie To hat sich hier des typischen Sujets seiner heimischen Filmindustrie angenommen. Während andernorts und auch durch ihn selbst das organisierte Verbrechen als Aufhänger für actionlastige Thriller genutzt wird, gräbt Election unangenehm genau die Mechanismen der Triadenhierarchie aus. Einem Wissenschaftler gleich, der die Implosion einer Zelle durch das Mikroskop beobachtet. Das geschieht entsprechend ruhig, mit einem distanzierten Blick für das Schachspiel der Bosse und die Katz-und Maus-Jagd ihrer Handlanger.

Wenn die Jagd nach dem jahrhundertealten Zepter der Triade, dessen Besitz den neuen Führer legitimiert, von den Kontrahenten noch aus der Untersuchungshaft dirigiert wird; ihre Helfer sich im nächtlichen Hongkong das begehrte Objekt vor der Nase wegschnappen; dann ist das die düstere Fassung der raffinierten Perfektion, die man von To spätestens seit The Mission erwarten kann.

Election

So sehr zielt er auf die Inszenierung komplizierter Abläufe ab, dass sein Interesse für Details den Blick auf eine mitreißende Erzählung verbaut. Ein Vergleich mit Der Pate ist daher hier nicht angebracht. Election sucht nicht das Drama Shakespeares, das epochale Lied vom Aufstieg und Niedergang. Sein nüchterner Blick auf das Treiben der Triaden ist To selbstverständlich nicht vorzuwerfen. Schließlich ist nach den Jahren der fragwürdigen Young and Dangerous-Reihe jede realistische, statt glorifizierende, Bearbeitung dieses Stoffes wünschenswert.

Die ihrem Wesen nach recht magere Story, der es an Überraschungen fehlt, fällt jedoch zu nichtssagend aus, um mehr als eine gehobene Film Noir-Spielerei darzustellen. Einzelne Segmente präsentieren den stilsicheren Regisseur immer wieder in Bestform, etwa die unvermittelt brutalen letzten Minuten, deren rohe Härte den wenig zuvor ausgiebig beschworenen Ehrenkodex der Triadenbruderschaft effektvoll pervertiert.

Seinen Höhepunkt erreicht Election damit zu spät. Angesichts des überlegenen Sequels wird der Vorgänger allenfalls zum hochwertigen Prolog degradiert, der qualitativ nicht viel besser ist, als die Summe seiner Teile.

Election


Zum Weiterlesen:
Weitere Kritiken zum Hongkonger Kino.
Ein ausführlicher Artikel zur Geschichte der Triaden mit 36 traditionellen Eiden (Bitte nicht zu Hause nachmachen!).
Ein Special über Johnnie To der immer wieder sehenswerten Arte-Sendung Tracks.

Kommende Attraktionen

Auch wenn die letzten zwei Wochen den Anschein geben: Nein, diese Seite wird sich nicht auf eine Ansammlung von drei-Sätze-Trailer-Posts beschränken. Seit Iron Man habe ich nur leider keinen reviewtauglichen Film mehr gesehen, was allerdings eher an meiner mangelnden Kreativität lag, als an den betreffenden Filmen. Das wird sich allerdings in den nächsten Tagen massiv ändern.

Heute Abend geht’s erstmal in eine Vorstellung von Brügge sehen…und sterben?, deren Genuss, wenn der große Kinogott nichts einzuwenden hat, in eine Kritik münden wird. Gleiches gilt für den Besuch der morgigen Vorpremiere von Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels (mal sehen, wer den ganzen Titel an der Kasse nennt, ohne dabei an seiner Zunge zu ersticken).

An der Kritikenfront werde ich in den nächsten Wochen mindestens drei Filme von Johnnie To abarbeiten, nämlich die Triadensaga Election samt deren zweiten Teil, Election II, und den Kurosawa-Tribute Throwdown.

Der seit langem geplante dritte Teil meiner kleinen Peter Sellers-Retrospektive wird ebenfalls demnächst das Licht des World Wide Web erblicken.

Anlässlich einer Kritik des nostalgischen Hongkong-Streifens Just One Look von Riley Yip, werde ich außerdem einen Blick auf die 10 besten Rollen von Anthony Wong werfen.

In ferner Zukunft erwartet die LeserInnen dieses Blogs schließlich noch eine Retrospektive ausgesuchter Werke des kürzlich verstorbenen Briten Anthony Minghella, sowie Kritiken des ein oder anderen Francois Truffaut-Films.

Eine gesunde Mischung aus Hollywood, Großbritannien, Hongkong und Frankreich wird also in nächster Zeit hier zu finden sein.

Und um die üblichen drei-Sätze-Trailer-Posts werde ich natürlich auch nicht herum kommen.

Johnnie Tos The Sparrow

Eigentlich sollen hier ja nur gute Trailer gepostet werden, doch für den Meister himself wird eine Ausnahme gemacht. Der neue Film von Hongkong-Auteur Johnnie To, die Gaunerkomödie The Sparrow, lief im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale und stellt nach seinen düsteren Filmen der letzten Jahre – von Mad Detective über Exiled bis hin zu Election 2 allein seit 2006 – eine federleichte Abwechslung dar.

Für die Geschichte um eine Gang von Taschendieben in Hongkong (u.a. Simon Yam) gibt es leider noch keinen Trailer in ordentlicher Qualität. Die einzige von mir gefundene Version ist der YouTube-Trailer, der kaum einen Eindruck vom Film verschafft.

Als deutscher Starttermin steht bereits der 31. Juli fest. Das allein ist schon ein Grund zu feiern. Es geht einfach nichts über einen gut gelaunten Johnnie To

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=KzxhA85rgmE&hl=de]