Von der omnipotenten Puppenspielerin und dem Mann, der sich noch mehr hasste als die Frauen – Basic Instinct (USA 1992)

Manchmal scheint es mir, dass es sehr einfach ist, einen Film zu machen, der mir gefällt. Nichts an Basic Instinct scheint mir augenscheinlich außergewöhnlich, wahnsinnig, unfassbar oder originell. Er ist anscheinend nicht von besonderem Witz oder von geschickter bzw. komplexer Durchtriebenheit. Er funktioniert sehr offensichtlich und manchmal habe ich das Gefühl, dass ich mich von etwas erschreckend Simplen manipulieren lasse. Er braucht nur immer wieder dieses Rot vom Mars. Er benötigt nur kaputte Menschen, die ihre Todessehnsucht in einem Braun ausleben, das getrocknetem Blut gleicht. Er inszeniert Menschen so, dass ihnen nicht mehr getraut werden kann. „You just can’t tell about people, can you?“, wird Lieutenant Walker abschließend sagen und mehr oder weniger mit einem Schulterzucken quittieren. Wahrscheinlich ist die Geschichte für ihn abgeschlossen, weil er jetzt weiß, was passiert ist. Doch Basic Instinct hat in seiner perfiden, manchmal auch lächerlichen Spannungsbögen jeden Sinn für Sicherheit zerstört. Am Ende gibt es keinen Helden. Es bleiben höchstens Verlierer, die sich in offensichtliche Happy Ends stürzen, um mit dem Leben wenigstens rudimentär klar zu kommen.

In der Tiefe der Geschichte wird wohl kaum Interessantes oder Originelles auffindbar sein. Klischees, Stereotype und unoriginelle Plot-Twists werden massiv angehäuft. Ein Rockstar ist mit einem Eispickel umgebracht worden. Ein selbstzerstörerischer Cop am Rande zum Alkoholismus soll den Fall mit seinem besten Freund lösen und verwickelt sich in den Intrigen einer manipulativen femme fatale, die sein Gehirn mittels einer Erektion auszuschalten sucht. Das ist kurz gesagt, was passieren wird. Gähnende Erinnerungen an schwarz-weiße Bilder von männlichen Männern in Trenchcoats werden wach. Nur die nicht enden wollenden Offenbarungen werden diese mit der Zeit zurückdrängen und bittererweise Wörter wie „postmoderne Bedeutungslosigkeit“ im Kopf aufpoppen lassen.

Dass Drehbuchautor Joe Eszterhas zu den bestbezahlten Vertretern seiner Zunft gehört(e), mag wie ein Rätsel erscheinen. Seine Drehbücher sind oberflächlich betrachtet schlecht zusammengeschusterte Geschichten, die sich immer wieder ihrer eigenen Lächerlichkeit hemmungslos hingeben. Nur eines, das hat er gekonnt, seine Charaktere mit Leben füllen. Seine Stereotype waren frisch und er schaffte es, sie faszinierend erscheinen zu lassen. Und wen wir bei Basic Instinct nicht alles haben:

Den selbstgerechten Det. Nick Curran (Michael Douglas), der sich nach einem tödlichen Fehlgriff nur noch mit zitternder Hand und schwitzender Stirn vom letzten Schritt Richtung Selbstaufgabe und hemmungslosen Alkoholismus abhalten kann. Seine Trockenheit mag von außen erzwungen scheinen, aber er ist es, der sich an diesen Strohhalm eines kaum möglichen Selbstwertes klammert. Erst wenn die Wirrnisse ihn von innen zerreißen, ist ihm alles egal und er lässt sich fallen. Der alte Haudegen Gus (George Dzundza) steht wie ein hechelnder Hund an seiner Seite und möchte ihn mit allen Mitteln verteidigen, aus Eifersucht, aus Angst ihn zu verlieren. Sein Grund zur Sorge ist nicht unbegründet, denn Nick wird zwischen zwei genialen, manipulativen fatalen Frauen aufgerieben. Auf der einen Seite seine Psychologin und Ex-Freundin Dr. Beth Garner (Jeanne Tripplehorn), die nur das Beste für Nick will. Herzhaft kümmert sie sich um ihn und opfert sich auf. Ihre Unschuld und ihre Hilflosigkeit ähneln einer Spinne, die ihre Opfer mit möglichst herzzerreißendem Dackelblick in ihr Netz lockt. Nick zieht es aber instinktiv zur morbiden Schriftstellerin Catherine Tramell (Sharon Stone), die nur seinen Schwanz, seinen atavistischen Schmerz und Selbsthass möchte … und vielleicht auch nur etwas mit ihm spielen will. Im Abgrund ist niemand gern allein.

Zwischen diesen mehr oder weniger alt eingesessenen Charakteren gibt es ein paar alteingesessene Offenbarungen, die sich selbst in den Schwanz beißen und am Ende keine Substanz hinter all den Intrigen zurücklassen. Für einen Twist wird hier alles getan, so dass am Ende alles unter der Oberfläche möglich ist. Vielleicht ist Catherine Tramell eine omnipotente Mörderin, die sich nur noch mit blutigen Kicks und Manipulationen aus ihrer Langeweile retten kann … vielleicht ist sie aber auch unendlich emotional verkrüppelt von dem ganzen Blut und dem Sterben um sich herum. Vielleicht ist Nick Curran im Himmel, vielleicht hat er aber wieder einen Unschuldigen getötet.

Aber diese Charaktere würde kaum mehr als Klischees sein, wenn da nicht die Kamera wäre. Jan de Bont zeigt San Francisco mit dem Blick durch die Protagonisten. Alles leuchtet im Rot der blutunterlaufenen Augen von durchzechten Nächten, im Rot der reißenden Begierden, im Rot der kaum noch zu unterdrückenden Wut, verursacht durch ständiges Scheitern, durch das ständige zum Besten Gehaltenwerden. Die Kamera fliegt lasziv durch die Szenerie und hinterlässt ein Gefühl des Gleitens, des Fließens, der kaum greifendbaren, lustvollen Unsicherheit. Sie schmilzt die unterkühlten Verhörräume der Polizei mit ihren kurzen schweißtreibenden Fahrten, wie Tramells Schamhaar jede Professionalität der Cops dahinschmelzen lässt (und mehr Pausetasten von Videorekordern/DVD-/BD-Playern auf dem Gewissen hat, als umgestoßene Getränke).

Vor allem aber orientiert sich Paul Verhoeven nicht so sehr an Huston, Lang, Siodmak oder Hawks, auch wenn die Anleihen an den Film Noir überdeutlich sind. Viel mehr sind es Brian De Palmas Filme aus der ersten Hälfte der Achtziger Jahren und das San Francisco aus Bullitt, welches immer wieder vorbei fährt, welche ihn optisch und atmosphärisch beeinflußt haben. Nur das Comichafte dieser Vorbilder tauscht er gegen eine schillernde Erdigkeit. Basic Instinct ist dadurch ein simpler, wenn auch verschnörkelter Thriller, der mehrmals an nichtiger Beliebigkeit vorbeischrammt, aber von seinem je ne sais quois gerettet wird. Vielleicht sind es auch das schwebende Rot, die verlorenen Charaktere und die geile Paranoia.

Kontrapunkt: Rauchen

Ich muss zugeben, dass ich mich von einem sehr gelungenen Essay auf schnitt.de hab inspirieren lassen bei dieser Retrospektive. Dabei soll keine Ode an den blauen Dunst im Vordergrund stehen (bei mir als zu 99%-Nichtraucher wäre das auch ein Verrat an mir selbst), sondern etwas Klarheit in die nebligen Facetten seiner filmischen Thematisierung gebracht werden.

Thank You for Smoking (USA 2005)

Ein eloquenter Lobbyist der Tabakindustrie namens Nick Naylor (Aaron “Harvey Dent” Eckhart) tritt in den Medien zur Ehrenrettung einer milliardenschweren Industrie gegen das negative Image der Zigarette solange an, bis er einer hinterlistigen Journalistin (Katie Holmes) auf den Leim geht, der er im Bett pikante Details preis gibt. Mit satirischen Seitenhieben auf die Filmindustrie (absurde Ideen zur Steigerung der Popularität des Rauchens in einem Science-Fiction-Film oder die Abänderung alter Filmplakate, auf denen der Glimmstängel zu sehen ist) und den Job des Lobbyisten (man muss im Angesichts von Krebskindern schon mal „moralisch flexibel“ sein und auch mal Käse als gesundheitsschädliches Genussmittel deklarieren) wird dabei nicht gespart. Dabei treffen viele bissige Gags genau ins Schwarze und es ist eine Freude, dem Vorzeige-Lobbyisten bei der Manipulation der Meinung der Menschen zuzusehen. Übrigens: Im gesamten Film wird keine einzige Zigarette geraucht. Na, wenn das mal kein politisches Statement ist!

Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford (USA/CDN 2007)

Der alles andere als knackige Titel steht in einem gewissen Zusammenhang zur Behäbigkeit des Films: Auf Genauigkeit und Exaktheit wurde sehr stark Wert gelegt, auf ausladende Länge aber auch. „Die Ermordung…“ hält sich eng an die biografischen Daten von Jesse James (Brad Pitt) in den letzten Monaten seines Lebens und illustriert mit der elegischen Musik von Nick Cave und wiederholten Aufnahmen von Wolken dessen düsteren Gemütszustand und das angespannte, von Misstrauen geprägte Klima, was zwischen ihm und seinen Gefährten, insbesondere seinem späteren Mörder und Verräter Robert Ford (Casey Affleck), geherrscht hat. Zwar gab der von Depressionen geplagte James nach außen hin den jovialen Lebemann, der in diesem Gestus genüsslich seine Zigarre als Symbol seiner Erhabenheit genoss. Innen aber schien er mit seinem Leben abgeschlossen zu haben. Nach einigen dialogverliebten Längen in den ersten zwei Stunden offenbart das Western-Epos zum Ende hin, als es sich zunehmend der Schilderung des Lebens von Robert Ford nach seinem legendären Mord annimmt, seine ganzen Qualitäten als schwermütige, großartig bebilderte Tragödie fernab der plakativen Mythenbildung.

Basic Instinct (USA/F 1992)

Ein moderner, hoch spannender Film Noir um einen aufbrausenden Cop Nick (Michael Douglas), den Ermittlungen in einem Mordfall zu der bisexuellen Millionenerbin und Romanautorin Catherine Tramell (Sharon Stone) führen. Eine leidenschaftliche Affäre, in der beide ihre Kräfte und Grenzen austesten, nimmt ihren Lauf. Legendär ist der wohl berühmteste Beinüberschlag der Filmgeschichte, wenn Sharon Stone ohne Unterwäsche als verruchte und Ketten rauchende Femme Fatale zu einem Mord verhört wird. Rauchen wird dabei mit Sünde und Laster in Verbindung bebracht, gerät der zunächst vom Glimmstängel abstinente, dann „rückfällige“ Nick doch immer tiefer in einen undurchsichtigen Strudel um Sex & Crime, den Regisseur Paul Verhoeven graphisch und körperlich mit Mut zur Provokation inszenierte und Joe Eszterhas wendungsreich schrieb. Dabei weiß man erst bei Sichtung der ebenso überkonstruierten wie sterilen Fortsetzung von 2005 wieder, was man an diesem Erotikthriller und insbesondere Michael Douglas hatte, der den Direktvergleich zum schauspielerischen Totalausfall David Morrissey als männlicher Part locker gewinnt.