#164 – The Night of the Hunter von Charles Laughton

Auch in dieser Folge geht es unheimlich zu und das ist nicht die einzige Parallele zwischen Poltergeist und The Night of the Hunter (Die Nacht des Jägers, 1955). Was der Horrorfilm mit dem Klassiker von Charles Laughton gemeinsam hat und warum The Night of the Hunter als einzigartiger Film gilt (und das verdient), besprechen wir im Podcast. Viel Spaß und danke an Wollmilchcast-Hörer Michael für den Vorschlag!

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Wollmilchcast #114 – Die Höllenfahrt der Poseidon

Lange vor dem Weltenzerstörer Roland Emmerich eroberten Katastrophenfilme die Spitze der Kino-Charts. In den 70er Jahren erlebte das Genre unter anderem dank des Produzenten Irwin Allen seine Blüte. In dieser Folge sprechen wir über Allens Hit Die Höllenfahrt der Poseideon von Regisseur Ronald Neame. Darin finden sich Gene Hackman, Ernest Borgnine und Shelley Winters in einem umgekippten Ozeanriesen wieder, der sich langsam mit Wasser füllt. Vergleiche mit Titanic, Emmerichs Filmen und Wolfgang Petersens Remake bieten sich hier natürlich an. Viel Spaß!

Shownotes:

  • Die Höllenfahrt der Poseidon (The Poseidon Adventure, 1972) von Ronald Neame (Spoiler!)
    • Das Erfolgsrezept der Katastrophenfilme; der Boom des Genres in den 70ern; Poseidon als Blaupause; religiöse Gefühle; Gene Hackman und die Stars; die Erben von Roland Emmerich bis Dwayne Johnson.

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Zartes Zerreißen – Ein Platz an der Sonne (USA 1951)

In vielerlei Hinsicht ist A Place in the Sun (oder eben “Ein Platz an der Sonne”) ein schizophrener Film. Oder nein. Er ist ein zutiefst menschlicher Film, der nicht kohärent sein kann, weil es die Menschen nicht sind. Zu reich an Emotionen, Erfahrungen und Vorstellungen sind sie. Zu widersprüchlich ihre Wünsche, zu unvereinbar ihre Vergangenheit und ihre Zukunft. Ein Platz an der Sonne zeigt uns einen solchen Menschen, lässt uns tief in ihn Blicken und uns einen unermesslichen Reichtum erfahren.

George Eastman (Montgomery Clift) ist ein Tagelöhner, geflohen vor dem religiösen, asketischen Leben seiner Eltern, der nach Los Angeles zu seinen reichen Verwandten kommt. Von diesen wird er mit einer Stelle an einem Fließband abgespeist. Was von dort beginnt, könnte eine filmische Ruptur genannt werden. Er wird zerrissen zwischen seinen Möglichkeiten, seinen Träumen, seiner Herkunft und der Realität. Er wird unter unerträgliche Spannungen gesetzt und aufgespannt. Regisseur George Stevens zeigt uns folglich nicht einen Film, sondern zwei. Mindestens.

Da ist einmal das realistische Drama. Allein in der Großstadt fängt er, trotz des expliziten Verbotes, eine Affäre mit der Kollegin Alice Tripp (Shelley Winters) an. Einsamkeit? Trotz? Zuneigung? Wer kann sagen, was die Motivation für die Beziehung ist. Die von Hollywood so prominent propagierte Liebe ist es jedenfalls nicht. Zu deutlich hängt er seinen Träumen von Modell Angela Vickers (Elizabeth Taylor) hinterher. Doch die Kamera (William C. Mellor) zeigt nichts, was George Grund zum Träumen gibt. Die dunklen Straßen, die kleinen Räume, der triste Arbeitsplatz, nie scheint die Sonne zu strahlen, nichts als Realismus über das Leben von Arbeitern am unteren Lohnniveau. Wahrscheinlich findet er sich einfach nur mit seiner Situation ab. Doch auf George wartet eine Überraschung. Sein Onkel erinnert sich seiner, befördert ihn und führt ihn in die gehobene Gesellschaft ein. Er lernt Angela Vickers kennen und beide verlieben sich. Die Bilder leuchten … und Elizabeth Taylor glitzert weit mehr, als es die Diamanten um ihren Hals könnten. Ein riesiger Schmachtfetzen macht sich neben dem Realismus breit. George landet in einem Märchen sondergleichen, dass sich wie in einer Parallelwelt abzuspielen scheint.

Die ellenlangen Überblendungen, welche die Übergänge zwischen den beiden Realitäten darstellen, lassen aber keinen Zweifel daran, dass George nur in einer Welt lebt. Eine Welt, in der alle seine Träume wahr zu werden scheinen, eine Welt, in der Alice schwanger ist, eine Welt, in den 50er Jahren, wo schwangere Frauen Ehemänner brauchen, eine Welt, in der George gefeuert wird, wenn seine Beziehung zu Alice publik wird, eine Welt, in der er sich entscheiden muss … zwischen seinen Träumen oder auf welcher Leiche er diese aufbaut.

Bis zum Ende gibt es keine einfache Lösung, keine einfache Moral. Ein Platz an der Sonne ist genauso zerrissen, wie George Eastman, dessen Geschichte George Stevens erzählt. Die Sensibilität und Vieldeutigkeit der Kargheit eines Robert Bresson steht neben der Charakterzeichnung und ausufernden Bildsprache eines Melodrams von Douglas Sirk. Einerseits herrscht eine unerbittliche Härte … jederzeit wird über George Gericht gehalten, seine Taten hinterfragt und geprüft, wie in keinem anderen Film wird die schmerzliche Unumkehrbarkeit unserer Handlungen deutlich. Nichts kann er tun um seinen Traum zu retten, nie wird er seine andere Realität los. Er kann sich winden, wie er will, nichts lässt ihn eine einheitliche, klare Welt erlangen … oder Erlösung. In jedem der beiden Realitäten, in denen er gefangen ist, wird er von der anderen verfolgt … mit unerbittlicher Härte. Doch gleichzeitig ist Ein Platz in der Sonne voller Mitgefühl und Verständnis, denn das Urteilen wird den Protagonisten überlassen. Es herrscht eine süße, zärtliche Schmerzhaftigkeit von der eine grenzenlose Wärme für das Leben mit all seiner Härte ausgeht.

Eine der wichtigsten Qualitäten, mit denen dieser Prinz unter den Melodramen gekrönt wird, ist die den Bildern vertrauende Erzählweise. Wenn Marcel in Auf der Suche nach der verlorenen Zeit in ein Pissoir geht, dann wird er mit Erinnerungen überflutet, die Proust Seite um Seite vor uns ausbreitet. Marcel selbst und seine Vergangenheit werden so für den Leser greifbar. Georg Stevens und William C. Mellor schaffen dasselbe mit ihren einfachen Bildern, die Räume für Unausgesprochenes aufreißen. Wenn George beispielweise vor singenden Kindern aus einer Predigergemeinde steht, spiegelt sich nicht nur seine Kindheit. Seine Herkunft, sein Verhältnis zum Jetzt, seine tiefe Zerrissenheit werden deutlich. Hinter Montgomery Clifts Gesicht wird ein dunkler, unendlicher Raum geöffnet, der Bände spricht, obwohl er nie mehr als Ahnungen beinhaltet. Alles was er nicht sagt und vielleicht nicht sagen kann, steht in diesen schlichten Fenstern zu seiner Welt und seiner Seele.