Michael Clayton (USA 2007)

Michael ClaytonAus George Clooney ist ein Schauspieler geworden!” Das war meine erste Reaktion auf Michael Clayton, das mehrfach für den Oscar nominierte Regiedebüt von Tony Gilroy, der u.a. die Drehbücher der Bourne-Filme geliefert hat.

Als treuer Emergency Room-Zuschauer war mir der Charme des Herrn Clooney geläufig gewesen, doch bisher hatten sich seine überzeugenden Rollen auf (Gauner-)Komödien á la Out of Sight und Ein Unmöglicher Härtefall beschränkt.

Mit Cary Grant und Clark Gable wurde er nicht zuletzt auf Basis dieser Filme in Verbindung gebracht. Sein Spiel scheint gerade von Grants Screwball-Komödien und dessen späte Rollen, wie neben Audrey Hepburn in Charade, geprägt zu sein. Entspannte Womanizer im feinen Zwirn, die durch ihre Selbstironie die Herzen der weiblichen Hauptfiguren und hingerissenen Zuschauerinnen im Sturm gewinnen.

Die größten Rollen von Cary Grant waren untrennbar mit seinem Starimage verbunden, man fordert es noch heute beim Ansehen seiner Filme geradezu ein. Ein Cary Grant-Film wird nicht auf dieselbe Weise geschaut, wie ein Robert DeNiro-Film. Man will das eigene Bild von Cary Grant wieder und wieder in Variationen bestätigt sehen, nicht den detailgenauen Method Actor, der hinter seiner Figur verschwindet. Dank Grants komödiantischem Vermögen bleibt das auch interessant, egal wie viele seiner Filme man nun sieht.

Clooney hätte sich eine veritable Karriere auf ähnliche Weise aufbauen können, doch schon einer seiner “frühen” großen Kinofilme, Robert Rodriguez‘ Roadmovie-Vampir-Slasher From Dusk Till Dawn, bewies seinen Hang zu Filmen abseits ausgetretener Blockbusterpfade. Mit den eigenen Regiearbeiten (Confessions of a Dangerous Mind, Good Night and Good Luck) und seiner Zusammenarbeit mit Steven Soderbergh bestätigte er diese Tendenz auch im neuen Jahrtausend. Hinter der Kamera hatte er so sein – für viele überraschendes – Können bewiesen. Dass er auch vor der Kamera souverän als Schauspieler – nicht Star – agieren kann, hätte zumindest ich nicht gedacht. Soviel zur Lobdudelei im voraus.

Michael Clayton ist ein Anwaltsthriller. Das ist ein ausglutschtes Genre, denkt man. Bitte nicht noch eine Grisham-Verfilmung/Kopie, denkt man. Gute Einwände gegen weitere Leinwandabenteuer im Gerichtssaal gibt es zuhauf, sie alle haben ihre Berechtigung. Tony Gilroy jedenfalls tat einen ersten lobenswerten Schritt, indem er einen Film über Anwälte gedreht hat, der ohne einen Gerichtssaal auskommt. Regisseur und Autor Gilroy hat einen zweiten, vorteilhaften Schritt dadurch unternommen, dass er seine Erzählung nicht auf das Ankurbeln des Plots beschränkt.

Wie will man sonst die Existenzberechtigung einer Sequenz erklären, in der Karen Crowder (Tilda Swinton) vor dem Spiegel steht, um wieder und wieder die vorbereiteten Sätze für ein Fernsehinterview von sich zu geben? Sie ist eine Perfektionistin, sagen uns die Bilder. Sie ist unsicher, nervös und würde wohl alles dafür tun, ihre Karriere in Gang zu halten. Der Film baut einige solcher zeitlichen Nullpunkte ein, um seine Figuren und die verkommene, urbane Geschäftswelt, in der sie leben, näher zu beleuchten.

Angefangen bei den Monologen des verrückt gewordenen Staranwalts Arthur Edens (Tom Wilkinson), der in seinem Wahn die amoralische, dunkle Seite seiner Profession durchschaut, bis hin zur Schilderung der privaten Katastrophen des Ausputzers Michael Clayton (Clooney) selbst, verfolgt Gilroy in der ersten Hälfte des Films, um es übertrieben auszudrücken, die Schilderung der Krankheit Zivilisation. Deren schlimmste Auswüchse scheinen die großen Anwaltskanzleien zu sein, die Milllionen mit der Verteidigung über Leichen gehender Chemiekonzerne verdienen. Einzig die Natur und die Geborgenheit des Familienverbandes scheinen den geplagten Großstädter Clayton die Freiheit verheißen zu können.

Denn er ist am Ende, ist ausgebrannt, müde, durch seinen Job, in dem er reiche Klienten als juristischer Expressdienst in den ersten Minuten nach ihrem Vergehen berät, sie vor dem Gefängnis bewahrt. Vom Glamour des Danny Ocean sieht man in Clooneys Spiel nichts. Der ehemals Spielsüchtige (was für eine Ironie im Hinblick auf die Filmografie des Hauptdarstellers!) scheint sich in einem aus Glas und Stahlbeton bestehendem Gefängnis zu befinden. Erst als sein Freund Arthur sich während einer Vorverhandlung vor aller Augen nackt auszieht, damit die Verteidigung des Chemiegiganten U-North in Gefahr bringt und Clayton die Kohlen aus dem Feuer holen soll, keimt der Zweifel an seiner Profession gemächlich in ihm auf.

Der Verdienst des Drehbuchs ist die ausgeklügelte Figurenzeichnung, die Clayton nicht zum Heiligen ausstaffiert und Swintons Figur (eine U-North-Anwältin) nicht zur alles kontrollierenden Antagonistin. Für Zuschauer, die einen konventionellen Thriller erwarten, könnte das in ein paar Längen resultieren, doch Gilroy weiß durch so manchen Schock zu überraschen. Oft schlägt hierbei weniger der Plot die Haken, stattdessen geht die Inszenierung Wege, die man als Kenner des Genres schlicht und einfach nicht antizipiert. Selbst das etwas formelhafte Ende wird uns glaubhaft verkauft, weil der Film nie die Entwicklung seiner in der Grauzone der Moral agierenden Figuren vernachlässigt und eine der befriedigensten letzten Einstellungen des Jahres enthält.

Als ein weiteres großes Glück muss man die Tatsache betrachten, dass Tony Gilroy sich in seinem Debüt nicht an der Handkamera-Ästhetik der Bourne-Regisseure orientiert hat. Michael Clayton ist mehr The Insider, mehr Michael Mann oder Sidney Pollack (der auch mitspielt), als Paul Greengrass und erbringt den Beweis, das ein Realismuseffekt auch ohne die intensified continuity, wie David Bordwell den Trend bezeichnet, zu erreichen ist.

Michael Clayton war der Oscar-Film mit den meisten Schauspieler-Nominierungen (insgesamt drei), was nicht unbegründet geschah. Die ausgeglichenen Leistungen des Ensembles, in dem ein Clooney auch nicht gegenüber der großartigen Swinton verblasst, machen den Anwaltsthriller am Ende zu einem überzeugenderen Beitrag als das unter seine angestrebte Größe zu ersticken drohende Ölepos There Will Be Blood.

There Will Be Blood (USA 2007)

There will be bloodKlirrende Streicher, als stoße jeder einzelne Sonnenstrahl seinen langgezogenen Klagelaut aus, während er sich in den Nacken dreckverschmierter Arbeiter einbrennt. Die karge Wüstenlandschaft mit ihren welligen Hügeln. Einer Mondlandschaft gleich verbieten ihre trockenen Steine jedes menschliche Leben.

Und doch wird stetig gegraben, ringt Daniel Plainview in der Tiefe seines persönlichen schwarzen Loches der Erde Zentimeter für Zentimeter ein paar Unzen Gold ab, als gäbe es nichts anderes auf dieser Welt als die Suche nach mehr.

Saturiert ist er nie, auch nicht wenn er mit schwarzem Gold das große Geld macht. Plainview ist auf das Gewinnen aus, nicht das Leben mit dem Gewinn. Ein Misanthrop ist er, ein Scheusal, das geradezu stolz zugibt, es hasse die meisten Menschen. Daniel Plainview ist der kapitalistische Raubbau in seiner Reinform.

Er ist der Held in Paul Thomas Andersons There Will Be Blood. Sein vermeintlicher Gegenspieler, der junge Reverend Eli Sunday (Paul Dano), begegnet ihm mit dem christlich moralischen Zeigefinger, doch im Grunde seines Wesens ist der Mann Gottes dem Ölmagnat ähnlicher als ihm lieb sein sollte.

“EPOS” steht auf jedem Zelluloidstreifen von Paul Thomas Andersons aktuellem Werk in fetten öligen Buchstaben geschrieben. Alles ist groß an diesem Werk, gerade die Figuren der beiden Hauptdarsteller, deren Widerstreit von Amerikas zwiespältigem Gründungsmythos erzählt. Teil von God’s Own Country ist auch diese Wüste, bei deren Antlitz man sich unwillkürlich fragt, welches Siedlerhirn sich diesen Ort als Wohnstätte ausgesucht hat. In der Tiefe verborgen liegen die kostbaren Ressourcen, deren Herr Daniel Plainview sein muss, koste es was es wolle, wie auch sein Land stetig seine Wirtschaft durch Öl in Gang hält, selbst wenn ein Krieg im Wege steht.

Ein Spiel von Erpressung und Gegenerpressung liefern sich Plainview und Sunday, als die freiwillige Kooperation von religiösem Sendungsbewusstsein und Kapital nicht funktioniert. There Will Be Blood spielt zu Beginn unseres Jahrhunderts, könnte in seiner Thematik aber kaum aktueller sein. Ist Daniel Plainview eine Version des amerikanischen Kapitalismus, so sollte uns bange sein. Würde man Eli Sunday vor eine TV-Kamera stellen, so hätte er wohl auch heute genügend Zuhörer. Paul Dano (Little Miss Sunshine) bietet dem überdimensional bösen Daniel Day Lewis überraschend gekonnt Paroli. Ohne seine Präsenz würde der Film wohl durch Day Lewis’ gegen Ende karikaturhaft anmutende Grimassen erschlagen werden.

Eine Kritik über einen Film von Paul Thomas Anderson braucht die technische Perfektion wohl kaum noch zu erwähnen. Bei diesem Regisseur wäre alles andere eine Enttäuschung, doch herauszuheben sei an dieser Stelle die Musik von Radiohead-Gitarrist Jonny Greenwood. Die Songs von Aimee Mann waren in Magnolia die perfekte Untermalung gewesen, nun hat Anderson seinen eigenen György Ligeti gefunden. Die Musik ähnelt den Soundtracks von Kubrick-Werken, die Hauptfigur würde selbst einem gewissen Charles Foster Kane Angst einjagen, auch an John Ford fühlt man sich zuweilen erinnert.

Noch ist Paul Thomas Anderson künstlerisch nicht auf einer Stufe mit Welles und Co. angelangt. Er will dorthin, das merkt man. Das ist bewundernswert. There Will Be Blood ist auf Grund seiner reichlich übertriebenen Hauptfigur nicht der beste Film des Jahres 2007. Schuld daran trägt jedoch die starke Konkurrenz, weniger Andersons überbordender Wille, ein amerikanisches Meisterwerk zu schaffen.

Kurtz & Knapp

Dog Bite Dog (HK 2006):

Ein geradezu apokalyptisch düsterer Thriller, dessen Protagonisten sich wie tollwütige Hunde durch die dreckigen Straßen Hongkongs jagen, ohne Rücksicht auf Verluste oder unsere Sympathie. Brutal, pessimistisch, handwerklich perfekt. Eine ausführliche Kritik wird folgen.

Die Spielwütigen (D 2004):

Eine Doku, die den Weg von vier Menschen zur Schauspielerei verfolgt. Von der Bewerbung an der Schauspielschule bis zum Abschluss. Ganz nah ist die Kamera dran am Geschehen, stets haben wir die Frage auf den Lippen: Werden auch die vier gebrochen werden? Seltsam nur, dass sie selbst bei den Interviews zu spielen scheinen, besonders wenn die Kamera minutenlang auf den Gesichtern verweilt, nachdem alles gesagt ist. Das tut sie leider viel zu oft.

Just One Look (HK 2002):

Oberflächlich gesehen ein Vehikel für Teenie-Idole, wie die Twins und Shawn Yue (Infernal Affairs I + II) ist Just One Look in Wirklichkeit eine Liebeserklärung des Regisseurs Riley Yip (Metade Fumaca) an das Hongkong Kino der 70er Jahre. Eine Coming-of-Age-Ballade, die mit dramatischen ebenso wie surrealistischen Zügen glänzt, in der die Realtität bald von der Filmwelt nicht mehr zu unterscheiden ist. Auch hier wird’s eine ordentliche Kritik geben.

Ravenous (CZ/GB/USA 1999):

Gott, was war das denn? Ein Kannibalenfilm mit schwarzhumorigen Elementen, der im Amerika des 19. Jahrhunderts spielt und uns irgendwas über die Natur des Menschen, des amerikanischen Staates oder die stärkende Kraft von Menschenfleisch erzählen will. Neben Guy Pearce zeigt Robert Carlyle mal wieder sein schrecklichstes Overacting. So ein Müll!

Ebola Syndrome (HK 1996):

Ok, dieser Film ist eigentlich auch Müll, aber da Anthony Wong mitspielt kriegt er von mir schon mal eine Trillion mehr Punkte als Ravenous. Ein fieses, ekelhaftes Arschloch namens Kai (Mr. Wong) wird nach der Vergewaltigung einer sterbenden Afrikanerin (!) zum Träger des Ebola-Viruses. Was nun folgt, darf sich getrost als Klassiker des schlechten Geschmacks bezeichnen. Kai verbreitet nämlich fröhlich das Virus in Hongkong und überall brechen wild zuckend Menschen zusammen. Dieser Film nimmt sich überhaupt nicht ernst – und macht deswegen einen Heidenspaß. (Auch für den wird es natürlich eine Kritik geben)

Red Cliff – Der neue Film von John Woo

Der Brain Drain, der Mitte der Neunziger Jahre einen nicht geringen Teil des künstlerischen Talents der Hongkonger Filmindustrie ausgesaugt und gen Hollywood transportiert hat, erfährt ja glücklicherweise in den letzten Jahren seine Umkehr.

Ringo Lam (Full Contact, City on Fire) dreht zwar immer noch Filme mit Jean-Claude Van Damme, wechselt diese in letzter Zeit aber wieder mit Filmen in seiner Heimat ab (Triangle). Tsui Hark (Once upon a Time in China, A Chinese Ghost Story) ist auch wieder da – nach dem seine Van Damme-Filme in den USA floppten.

Zeitlupenliebhaber John Woo (The Killer, Hard Boiled, Face/Off), der von allen migrierten HK-Regisseuren noch am kommerziell erfolgreichsten in den USA abschnitt (trotz einer Zusammenarbeit mit Jean-Claude), hat auch endlich den Weg zurück nach China gefunden. Sicher nicht unbeeinflusst von der erfolgreichen Welle chinesischer Historienepen liefert Woo mit Red Cliff sein erstes eigenes Schlachtenepos mit Starbesetzung ab.

Hier eine kurze Inhaltsangabe von Filmstarts.de:

Basierend auf dem im 14. Jahrhundert entstandenen Abenteuer-Epos “Geschichte der drei Reiche” von Luo Guanzhong erzählt John Woo von einem großen Krieg im 3. Jahrhundert. Das Land Wu wird angegriffen vom mächtigen Kriegsfürsten Cao Cao und dessen millionenstarker Truppe. In seiner Verzweiflung bittet Sun Quan, König von Wu, den Erzfeind Liu Bei um Hilfe. Der gewährt sie ihm, wohlwissend, dass er nächste Opfer von Cao Cao wäre. Doch auch zu zweit sind ihre Armeen in der Zahl den Gegnern deutlich unterlegen. Da hat der Stratege Zhou Yu eine Idee…

Tony Leung (Infernal Affairs, Hero) und Takeshi Kaneshiro (House of Flying Daggers, Chungking Express) sind unter den Stars des Historienschinkens, der angeblich der teuerste asiatisch finanzierte Film aller Zeiten sein soll.

Der erste Trailer ist zwar in Chinesisch, aber geredet wird nur am Anfang. Man sollte ihn allerdings bis zum Schluss anschauen, da er ein Markenzeichen von John Woo präsentiert, auf das man als Kenner bei diesem Regisseur einfach wartet – ob man will oder nicht.

UPDATE: Zur Kritik folgt man bitte diesem Link.

[youtube=http://de.youtube.com/watch?v=VgOD04m8qDM]
Bei Twitch.com gibts auch noch einen japanischen Teaser in – man glaubt es kaum – Japanisch.
Ein deutscher Starttermin für Red Cliff scheint noch nicht festzustehen.

Son of Rambow Trailer

Wer sich wundert, dass hier in letzter Zeit so wenig passiert ist, dem kann ich eine wasserdichte Ausrede präsentieren: Eine Hausarbeit über die Geschichte des DDR-Fernsehens (Ja, ab und zu muss selbst ein Student studieren). An der Arbeit sitz ich noch immer, danach kommt noch eine zum Thema Infernal Affairs vs. The Departed, also wird die Postgeschwindigkeit in den nächsten Wochen noch etwas moderat bleiben.

Das soll mich aber nicht davon abhalten, auf die neue britische Komödie Son of Rambow hinzuweisen, deren Trailer unten zu sehen ist.

Garth Jennings, der vor drei Jahren “Per Anhalter durch die Galaxis” mit viel Fantasie auf die große Leinwand gebracht hat, begibt sich in Son of Rambow zurück in die 80er und erzählt die Geschichte zweier Jungen, die inspiriert von Rambo: First Blood einen Film drehen.

Die Filmzeitschrift Empire hat passenderweise geschrieben:

“If you only see one Rambo movie this year, make sure it’s this one.”

Der deutsche Starttermin liegt laut der IMDB im August. Wir müssen uns also noch etwas gedulden.

[youtube=http://de.youtube.com/watch?v=jDFNLHH_D2M]