Kontrapunkt: Trash IV

Der geistige Anspruch ist gering, der Unterhaltungswert zuweilen aber groß: Einmal mehr möchte ich drei Filme vorschlagen, die meiner Meinung nach auf dem Scheiterhaufen der heiligen Intellektisition verbrannt gehören.

Rocky IV – Der Kampf des Jahrhunderts (USA 1985)

Eigentlich schon ein Klassiker, wenn man bedenkt, dass der polit-ideologische Hinterbau mittlerweile antiquiert und der einprägsame Soundtrack, auf dem sich „Survivor“ mit drei Songs und James Brown mit „Living in America“ (im Film als Live- Performance zu sehen) tummeln, schlicht großartig ist. Doch Dolph Lundgren als mit Anabolika hoch gezüchtete sowjetische Kampf-maschine, die den gesamten Film über nur 7 martialische Sätze fauchen darf und die sich im Männerschweiß- und Muskelfetisch verlierende Handlung (inklusive Parallelmontagen bei Trainingsmethoden) sind total hohl. Nachdem der großmäulige Apollo Creed (Carl Weathers) bei einem Schaukampf von Ivan Drago (Lundgren) im Ring getötet wurde, giert der All American Hero Rocky (Sylvester Stallone) nach einer Revanche, die einmal mehr [SPOILER] in der letzten Runde eines unrealistischen Boxkampfes [SPOILER ENDE] stattfinden soll. Dumpfes Trashkino – auch wenn am Ende ungleich des Stallone-Actionspektakels „Rambo III“ eine halbgare Versöhnungsbotschaft zu Zeiten des Kalten Krieges steht.

Mutant Chronicles (USA 2008)

Eine aufwendige Produktion mit vielen gelungenen SFX und einigen bekannten Gesichtern (Thomas Jane, Ron Perlman, Benno Fürmann und John Malkovich) garantiert noch keinen guten Film.

Warum?

Weil der Film mit optischen Raffinessen wie Blenden und Filtern dermaßen vollgestopft ist, dass auch die Darsteller blass wirken – im doppelten Sinne. Weil das Blut zwar in Strömen fließt, aber vor der CGI-Kulisse wie das ewig gleich und einfallslos choreographierte Geballer und Gemetzel immer total künstlich aussieht. Weil zu viele Fragen offen bleiben (Wie nahm die „Maschine“ ohne Menschen wieder ihre Funktion auf? Warum nimmt keiner die Weltrettungs-Mission ernst und geht nur diesem Ziel nach, anstatt immer wieder in pseudo-humanitären Kämpfen zu sterben?). Weil dies eine lose und dümmliche Videospiel-Adaption ist – und nicht Uwe Boll auf dem Regiestuhl saß (kleiner Joke ;-)).

Fazit: Ansehbar – aber bei diesem blutrünstigen Metzel-Flop bitte keine Ansprüche stellen!

Dracula 3000 (D/ZA 2004)

Hier ein Blick ins Regelwerk fürs preisgünstige Produzieren von C-Movies:

1. Drehe bevorzugt im Aufenthaltsraum für Drehpausen! Dort gibt es gepolsterte Sitzmöbel, Spinde, Getränke und einen Videorekorder mit angeschlossenem Fernseher auf dem AV-Kanal. Zu vernachlässigen ist hierbei, dass es sich um die Inneneinrichtung eines Raumschiffs aus dem Jahre 2950 handeln soll. Tape rockt noch in über 900 Jahren!

2. Peppe den Film genrespezifisch auf! Da mit Dracula ein klassischer Horrorstoff in den Weltraum verlegt wurde, sollten die obligatorischen Namen und Gimmicks up to date sein. So kommt die Vampirenplage vom Planeten Transsylvanien am Rande der Karpatengalaxis und ist hinter Captain Van Helsing (Casper Van Dien) her. Schlurfend rumlaufen und schnell Blut trinken wollen ist auch nur was für Old-School-Vampire! Verpass ihnen stylishe Kontaktlinsen sowie billige Spitzzähne und lass sie dummes Zeug labern (siehe 4.).

3. Lass den Praktikanten im Bereich SFX gleich die Effekte für den Film machen. Kein teures Fachpersonal und der Typ kann sich am Ende seines Bachelor-Studiums eine weitere ASQ anrechnen lassen.

4. Bring möglichst viele Dialoge unter – egal, ob sie Sinn ergeben oder nicht! Aber damit füllt man eine Menge Zeit, die sonst mit Stunts, Action und Effekten kompensiert werden müssten. Denn die sind teuer und erfordern (noch mehr) Kreativität!

5. Verpflichte nur eine Handvoll Darsteller! Achte darauf, dass einige bekannte Gesichter darunter sind, die a) entweder nicht schauspielern können (Coolio) oder b) zwar schauspielern können, aber keine Lust darauf haben und das (wenige) Geld brauchen.

6. Stehe zur Sinnlosigkeit deines Films! Versuche erst gar nicht, eine Geschichte zu erzählen, denn die gibt’s nicht. Das wird der extrem gelangweilte Zuschauer sowieso schon bald merken – genau so wie 1. bis 5.

Kontrapunkt: Die Filme von Jochen Hick

„Wer?“ mag sich jetzt so Mancher fragen. Der 1960 in Darmstadt geborene Filmemacher Jochen Hick inszenierte bis dato gerade einmal zwei Spielfilme, aber insgesamt neun abendfüllende Dokumentationen über schwule Themen – zuletzt: The Good American. Homosexuelle Subkultur(en), AIDS, Pornografie und Deutsche, welche aus den verschiedensten Gründen ins Ausland gereist sind, sind dabei wiederkehrende Inhalte in seinen unabhängig produzierten Filmen, die hier in einer kleinen, willkürlichen Auswahl besprochen werden sollen.

Via Appia (BRD 1989)

… ist die Bezeichnung eines Stadtviertels von Rio De Janeiro, wo männliche Prostituierte ihrem illegalen Job nachgehen. Dahin reist Frank (Peter Senner), nachdem er von seinem dort stammenden One Night Stand Mario mit AIDS angesteckt wurde. Zusammen mit einem Regisseur (Yves Jansen) und Kameramann, die ihn begleiten, begeben sie sich auf die Suche nach Mario und tauchen in die homosexuelle Stricherszene vor Ort ein. Auffällig bei der Machart des Films ist seine anhaltende Referenz ans Filmemachen. Frank spricht sich mit dem Regisseur ab, dem alsbald vom Produzenten mangels Erfolg bei der Suche der Geldhahn zugedreht wird. Der Kameramann liefert die Bilder für den Film (und den Film im Film), der folgerichtig mit Bildstörungen endet, da gerade die letzte Filmrolle verbraucht wurde. Eine auf Kausalketten beruhende Handlung sucht man dabei vergebens. In diesem semidokumentarischen, um Authentizität bemühten Gestus fällt zuweilen das affektierte Spiel der beiden Hauptakteure etwas negativ auf.

Menmaniacs – The Legacy of Leather (D/USA 1995)

Eine Dokumentation um die Leder-Szene im Schwulen-Milieu, die zunächst einmal viele Klischees bestätigt. Von der Verquickung mit SM über Leder-Fetischismus (schleck!) und Uniformen bis hin zu ausladend langen Aufnahmen von Conventions der Community und Mister-Wahlen, deren Strahlkraft Kameramann und Regisseur Hick öfters verfiel, ist alles dabei. Gut nur, dass der Film insbesondere bei der Thematisierung von AIDS dann doch etwas tiefer schürft und sich darum bemüht, der deutschen Ikone Thomas Karasch („International Mr. Leather 1987“), mittlerweile deutlich von seiner HIV-Erkrankung gezeichnet und als Porno-Produzent tätig, viel Screentime zu geben. Andere Personen wie Marcus Hernandez (Redakteur bei der Szenezeitschrift „Drummer“) und Hans-Gerd Mertens (ebenfalls Deutscher und Freund von Thomas Karasch) kommen allerdings zu kurz. Ein bemühter, über weite Strecken jedoch nur oberflächlicher Einblick in eine zum Teil befremdliche Subkultur.

Sex Life in L. A. (D/USA 1998)

Das Porträt von neun jungen Männern, welche in Los Angeles ihre Erfüllung in der Sex-Branche finden wollen. Doch der Weg zum Foto-Model oder Gayporno-Star ist steinig: Viele scheitern oder werden von der oberflächlichen Industrie schnell verschlissen. Die Stärke des Films liegt darin, auch die Schattenseiten der oberflächlichen Sex-Glitzerwelt von Los Angeles aufzuzeigen: Drogensucht, HIV bei Darstellern und Prostitution, um finanziell irgendwie über die Runden zu kommen. Doch die Schwachstelle ergibt sich schon aus der Ausgangssituation: Jochen Hick gelingt es nicht, jedem der neun Männer gleichermaßen gerecht zu werden. So erfährt man über die beiden Stricher Patrick, der keine feste Bleibe hat und auch mal in seinem Auto lebt, und David, der gläubig ist und von einer Karriere als Unterwäschemodel träumt, durch ihre spröde Art wenig, während Schönling Kevin Kramer eine dominierende Präsenz an den Tag legt. Ein interessanter und zum Teil auch intimer Querschnitt, der ein paar explizite Szenen bereit hält.

Kontrapunkt: Exground Filmfest 2009

Ich habe dieses Jahr the gaffer zumindest an den ersten beiden Tagen auf dem 22. Exground Filmfest in Wiesbaden Gesellschaft geleistet – hier der Beweis. Und da ja immer Filmbesprechungen und das (Independentfilm-)Festival selbst in einem Festivalbericht die größte Rolle spielen sollten, will ich meiner Leserschaft Anmerkungen zur Hin- und Rückfahrt (danke dir noch mal, Christoph! Hat je nur 3,5 Stunden auf der Autobahn gedauert), den kulinarischen Genüssen (Schümli-Kaffee rockt und Brunchen am Sonntag im Café Klatsch ist echt sehr studentisch-keimig-geil-üppig!) weitestgehend ersparen. Nun also zu den Geschehnissen am 13. und 14. November dieses Jahres, die mit dem Exground zu tun haben in chronologischer Abfolge.

Um 21 Uhr ging es erst einmal mit den mobilen Kurzfilmfestival „A Wall Is a Screen“ aus Hamburg auf Tour quer durch Wiesbaden und seine Häuserwände. Das Thema der Filme dieses Jahr orientierte sich am Datum des 13. Novembers: Freitag, dem 13., um genauer zu sein. Besonders im Gedächtnis haften geblieben ist dabei ein australischer Kurzfilm namens „Spider“. Ich möchte nicht zuviel verraten, aber: Unverhofft kommt oft, soviel ist mal sicher! Seht selbst:

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Leider kollidierte diese Veranstaltung mit dem Programm in der Caligari Filmbühne (dem schönsten Kino wo gibt), weswegen wir nur wenige Kurzfilme sehen konnten und dann auch schon wieder kehrt machen mussten. So begann schon um 22.15 nach dem Vorfilm “Spider“ (den ich so innerhalb von anderthalb Stunden zweimal sah) zum Abschluss des Abends jener Film, auf den ich schon sehr gespannt war:

I Sell the Dead (USA 2008)

Man nehme eine Idee aus einem eigenen Kurzfilm und blase sie zu einer streckenweise langatmigen, hin und wieder ermüdenden, phasenweise ironischen und immer atmosphärisch dichten Referenz an die Hammer-Filme der 60er Jahre auf. So lässt sich diese Horrorkomödie um einen Grabräuber (Dominic Monaghan – Merry der Hobbit aus „Der Herr der Ringe“), der im 19. Jahrhundert kurz vor seiner Hinrichtung allerlei Anekdoten vom Friedhof um Untote und Leichen zu erzählen hat, wohl am besten zusammen fassen. Neben der überraschenden Schlusspointe und Larry Fessendens Ähnlichkeit mit Jack Nicholson bleibt insbesondere Ron „Hellboy“ Perlmans Auftritt als Priester in bleibender Erinnerung – auch wenn er darin nicht viel zu spielen hat. Eine etwas detailiertere Einschätzung des Films gibt es hier von mir.

Tag 2: Um 17.30 Uhr liefen im sog. 3-er Programm drei deutsche Kurzfilme, welche alle Migration zum Inhalt hatten. Jenny hat alle Einschätzungen (die ich auch teile) schon in ihrem ersten Festivalbericht angemerkt. 20 Uhr folgte dann ein weiteres, wenn nicht eines der Highlights schlechthin:

Humpday (USA 2009)

Zwei heterosexuelle Kumpels aus Jugendzeiten beschließen, an einem Amateurpornofestival teilzunehmen und miteinander Sex vor der Kamera zu haben. Was wie die Synopsis von der 10. Fortsetzung von „American Pie“ klingt, entpuppt sich als originelle Ausgangsidee für eine Komödie, die neben Situationskomik und witzigen Dialogen auch ernstere Untertöne um unerfüllte Wünsche und individuelle Freiheit im Leben bereithält. Dabei ist es vor allem dem Drehbuch von Regisseurin Lynn Shelton sowie der intensiven Inszenierung (mit vielen Großaufnahmen und dem Verzicht auf Filmmusik) zu verdanken, dass die Ereignisse wie aus dem Leben gegriffen wirken. Ein enorm witziger Indie-Film, der auch zum Nachdenken anregt.

Danach sollte eigentlich die Sichtung von Captain Berlin vs. Hitler erfolgen. Doch die unglückliche zeitliche und logistische Abstimmung bescherte Jenny die letzte Karte im dann ausverkauften Kulturpalast (mit geringem Platzkontingent), während Christoph und ich leer ausgingen und zurückhetzten ins nicht einmal halb gefüllte Caligari, wo 22.15 Uhr unsere letzte Vorstellung für den Abend laufen sollte:

The Good American (D 2009)

Jochen Hick, der Dokumentarfilmer in der Schwulenszene, porträtiert mit Tom Weise den HIV-positiven Mitbegründer des größten schwulen Online-Escortservices rentboy.com. Weises bewegtes Leben um HIV, Hepatitis C und als illegaler Einwanderer in den USA, seine anstehende Rückkehr nach Deutschland und der Verstoß durch seine Eltern hätten genügend Stoff hergegeben für eine kritische Reflexion dieses ambivalenten Charakters. Doch Weise wirkt durch seine professionelle, selbstdarstellerische Fassade, die auch Hick trotz aller Behutsamkeit in über einem Jahr Drehzeit nicht durchbrechen konnte, als Person stets wenig greifbar. So verwundert es nicht, dass der Film aufgrund dieser Umstände oberflächlich wirkt und sich auch mit der Escort-Szene in den USA oder den Hustlaball-Sexparties – als dessen Mitbegründer Weise auch gilt – beschäftigt. Insbesondere gegen Ende verliert Hick dabei seine Hauptfigur bei der expliziten Dokumentation eines Porno-Drehs oder Bühnenshows ein ums andere Mal aus den Augen. Ein interessanter Einblick in die Szene der schwulen Escort-Szene, aber leider kein intimes Porträt.

Thats all – nächstes Jahr wieder! Das Exground Filmfest findet noch bis 22. November statt und ist in jedem Fall einen Besuch wert. Warum? Hier noch einmal knapp zusammengefasst die Pros und Contras nach 2 Tagen Festival:

+ große Vielfalt in der Filmauswahl: Dokumentationen, Spielfilme, Kurzfilme – für jeden Geschmack etwas dabei

+ Kurzfilme als Vorfilme vor jedem Spielfilm

+ tolles Kino: die Caligari Filmbühne allein ist schon sehenswert

+ gute Moderatoren/Filmankündiger/Interviewer der Filmemacher

+ zahlreiche Filmemacher anwesend und auskunftsbereit

+ zahlreiche Verlosungen und hübsche Merchandise-Artikel

– zahlreiche Verlosungen und deshalb oftmals verspäteter Filmstart

– ausbaufähige zeitliche und organisatorische Abstimmung zwischen den Veranstaltungen und Veranstaltungsorten

Kontrapunkt: Wald-Horror mit dummen Studenten

Die freie Natur, ein Hort des Friedens und der Entspannung? Nicht in den hier vorgestellten Filmen, wo sich junge Erwachsene mit einer unsichtbaren Hexe, einem langweiligen Mörder und einer fleischfressenden Seuche herumplagen müssen.

The Blair Witch Project (USA 1999)

Eine simple Idee, große Wirkung: die beiden Filmstudenten Daniel Myrick und Eduardo Sanchez schickten drei Personen in den Wald von Maryland, die ihre Erfahrungen beim Nachgehen des – frei erfundenen – Mythos um die Hexe von Blair mit zwei Kameras dokumentieren sollten. Bei nur 60 000 Dollar Produktionskosten, spielte der Film durch einen Hype im Internet um das angeblich wahre Verschwinden der Drei weltweit 248 Mio. Dollar ein. Der Zuschauer wird dabei Zeuge, wie sich das Trio der Möchtegern-Filmemacher in den Wäldern verirrt und schließlich den Kontakt mit der Hexe von Blair mit dem Tod bezahlen muss. Die wackelige First-Person-Perspektive garantiert dabei durch seinen dokumentarischen Charakter größtmögliche Authentizität und lässt den Zuschauer auf beklemmende Art an den mysteriösen Geschehnissen sowie an der Angst und den Gefühlen der Beteiligten teilhaben. Ein Film, der zum Vorbild für zahlreiche Spielfilme im Dokumentarstil wurde, wobei „Cloverfield“ und „District 9“ (dort allerdings gefilmt aus der Third-Person-Perspektive) herauszuheben sind. Ein ebenso innovatives wie cleveres Werk.

Deep in the Woods – Allein mit der Angst (F 2000)

Schon seltsam der Titel, wenn man bedenkt, dass a) nur 5 Minuten des Films überhaupt im Wald spielen und b) eine Gruppe von 4 der 5 Theaterstudenten dabei zusammen unterwegs ist. Doch die Liste der Ungereimtheiten bei diesem dümmlichen Edel-Slasher ist noch länger. Die Story um einen Mörder, der im Anwesen von einem Milliardär umgeht und es im Wolfs-Kostüm unter anderem auch auf eine dort „Rotkäppchen“ aufführende Gruppe von Theaterstudenten abgesehen hat, ist dünn, zäh vorgetragen und ergibt in der Motivation des schizophren scheinenden Mörders keinen Sinn. Zahlreiche falsche Fährten zur Verhüllung seiner Identität und Klischees (plötzlich auftauchender Polizist, angeblicher Triebtäter im umliegenden Wald, Überwachung im Schloss, Psycho-Kind, Ausweiden von Tieren) werden uns in der um Kunstfertigkeit bemühten Inszenierung präsentiert, die zwar einige nette POV-Aufnahmen und schöne Bilder in Chiaroscuro-Beleuchtung zu bieten hat, allerdings mit dem unmotivierten Einsatz von Chorälen wie dem penetranten „Böser Wolf“-Motiv und sexuellen Motiven (latent schwuler Gastgeber, Lesben-Szene, Sex im Wald) überladen wirkt. Diese 20 Mio. Franc teure Kunst-Trash-Mixtur ist wahrlich nur schwer genießbar.

Cabin Fever (USA 2002)

Eine Gruppe ignoranter College-Studenten (2 weiblich, 3 männlich) machen Urlaub in einer Waldhütte, bevor eines Abends ein Mann mit einer widerlichen, fleischfressenden Krankheit auftaucht. Nachdem der von ihnen in die Flucht geschlagen wurde, verseucht dessen Leiche ein Trinkwasserreservoir und alle infizieren sich nach und nach. Die Seuche ist eine Metapher – nur wofür? Ich mutmaße ja AIDS oder Homosexualität. Zumindest gehen die Hinterwäldler extrem auf Infizierte ab. Eli Roth präsentiert uns in seinem teilweise immerhin spannenden Survival-Schocker mit der gründlichsten Beinrasur der Filmgeschichte (ihhh!) zahlreiche Referenzen an Genre-Vorbilder wie „Beim Sterben ist jeder der Erste“ (degeneriertes Kind auf Schaukel) oder [SPOILER] „Die Nacht der lebenden Toten“ (der einzige Uninfizierte wird von der Staatsmacht erschossen) [SPOILER ENDE], neigt aber insbesondere durch die dümmlichen Figuren und dem zu gewollt ironischen Ende zur unfreiwilligen Selbstparodie. Das einzig wirklich gelungene ist der Score von Lynch-Komponist Angelo Badalamenti, welcher unvergleichlich gut auf der Klaviatur des Schreckens zu spielen versteht.

Kontrapunkt: 90er Jahre-Vampire

Das Subgenre des Vampirfilms hat so seine eigenen Regeln: Bestimmte Klischees um das Töten der Blutsauger müssen (zumindest bei den hier besprochenen Filmen) immer erfüllt werden. Sex spielt immer eine Rolle und das mit dem Beißen ist auch obligatorisch. Dennoch gibt es auch Unterschiede in den Lesarten der Filme.

Interview mit einem Vampir (USA 1994)

Ein wohltuend zurückhaltend auftretender Brad Pitt mit Grunge-Frisur erzählt Schreiberling Christian Slater seine bis dahin 200 Jahre dauernde, weichgespülte Lebens-geschichte als Vampir. Das Szenario schwelgt nur so in seiner prachtvollen Gothic-Ausstattung, einer netten düsteren Atmosphäre, der Selbstverliebtheit des unsympathischen und weibstollen Tom Cruise und endlos langweiligen Dialogen, die wirken wie aufgesa(u)gte Theaterphrasen und null Erkenntnisgewinn um das Wesen der Vampire mit sich bringen. Immerhin wird es dann gegen Ende des melodramatischen Konflikte-Potpourri etwas temporeicher und Antonio Banderas, der als einziger prominenter Blutsauger eine mysteriöse Aura um seine Figur aufzubauen vermag, beißt das Spektakel dann noch aus den Untiefen der Genre-Hölle heraus. Inhaltlich auf das Drama ein Vampir zu sein aufbauend, kratzt der Film leider nur an der Oberfläche eines interessanten Themas.

Bram Stoker’s Dracula (USA 1992)

Die Exposition: genial. Doch danach geht es in diesem Rausch der Farben und Formen dauerhaft bergab. Stets überzeugend in den Set-Designs und Kostümen, verärgert die postmoderne Machart des Films, welche sich in der Reflexion des eigenen Mediums (man erinnere sich an den denkwürdigen Besuch einer Kinematographen-Vorführung) und der Zurschaustellung der eigenen Künstlichkeit offenbart. Letzteres geschieht mit betont künstlichen Lichtsetzungen, mehreren nicht räumlich zusammen passenden Motiven innerhalb eines Bildes sowie der Betonung der farbenfrohen Dekors/Kostüme und omnipräsenten Spezialeffekten. Die Handlung beginnt sich alsbald zu verflüchtigen, um sich in diesen visuellen Exzessen zu verlieren. Evident dafür ist Anthony Hopkins’ selbstparodistische Darstellung des wahnwitzig-überdrehten Vampirjägers Van Helsing. Viel Wahnwitz und Sinnesreize, aber wenig Sinn.

From Dusk Till Dawn (USA 1996)

Der erste Teil: ein ironischer Gangstertthriller, der zweite Teil: ein blutiges Vampirgemetzel. Ein ebenso haarsträubender wie schlicht großartiger Genre-Mix. Zwei Gangsterbrüder (Quentin Tarantino und George Clooney) wollen mit ihrer Beute nach Mexiko fliehen, nehmen eine Familie um Priester Jacob (Harvey Keitel) als Geisel und kehren fatalerweise in ein verlaustes Vampir-Etablissement ein. Es folgt der wohl erotischste Tischtanz der Filmgeschichte durch Salma Hayek bevor ein Kampf auf Leben und Tod beginnt. Tarantinos vor tollen Dialogen und Monologen sprühendes Drehbuch hält einige ironische Brechungen mit dem Genre parat („Sollten die nicht verbrennen oder sowas?“) und George Clooney mit Tattoo ist die coolste Sau wo gibt – mal abgesehen von Maskenbildner Tom Savini als „Sex Machine“ mit Puller-Revolver. Da sieht man über einige unnötige CGI-Effkte beim Vampiretöten gerne hinweg.