Kontrapunkt: B-Movie(s)

Nein, ich werde mir bei dieser Betitelung des Kontrapunktes jegliche wortwitzigen Kommentare auf den Dreamworks-Animationsfilm, der genau so ausgesprochen, aber nur ähnlich geschrieben wird, sparen. Irgendwann ist es nämlich auch nicht mehr lustig. Apropos: Wirklich lustig ist nur einer der von mir diesmal vorgestellten Filme – dreimal darf man raten, welcher.

Django (I/E 1966)

Zwei Jahre nachdem Clint Eastwood “Für eine Handvoll Dollar” zwei rivalisierende Gaunerbanden in einem gottverlassenen Kaff gegeneinander ausspielte und dann arge Probleme mit ihnen bekam, inszenierte Sergio Corbucci mit Franco Nero dieselbe Story mit leichten Abwandlungen gleich noch einmal. Doch Django ist blutiger, brutaler und dreckiger als Leones Westernklassiker, indem sich der Inhalt eines Sarges als die pure Vernichtungsmaschinerie entpuppt.

Die Straßen sind schlammig, die Inszenierung ist mit unmotivierten Zooms, simplen Dialogen und bösen Schergen mit roten Kapuzen trashig und das Finale auf dem (laut Film) Friedhof vom sagenumwobenen Tombstone (wo sich schon Wyatt Earp und Doc Holiday mit bösen Jungs duellierten) ist ebenso schlicht wie brillant. Sowohl Franco Nero als verbissener Titelheld als auch die eindringliche Titelmusik sind mittlerweile Kult und zogen etliche meist qualitativ minderwertige Fortsetzungen nach sich.

Schwerter des Königs – Dungeon Siege (D/CDN/USA 2007)

Der Film wäre gern „Der Herr der Ringe” unter den Konsolenadaptionen, scheitert aber trotz eines prominenten (aber keineswegs schauspielerisch guten) Casts um Jason Statham, Burt Reynolds, Ron Perlman und eines stattlichen Budgets von 60 Mio. Dollar an Uwe Bolls Unfähigkeit als Regisseur insbesondere von Actionszenen, dünnen Dialogen zwischen unfreiwilliger Komik und Affektiertheit und eines wirren Drehbuchs, das zu viele Fragen in diesem Kampfgetümmel-Fantasyfilm-Bla offen lässt (vor allem: warum endet der Film eigentlich so abrupt?). Die einzigen Verknüpfungspunkte zu Peter Jacksons Meisterwerk sind „Gimli” John Rhys-Davies, der als Magier Merick (nicht Merlin) noch am besten wegkommt, böse Viecher namens Krugs, die an Orks erinnern, die dramatisch-pathetische Musik (die allerdings nur bedingt passend wirkt) und zahlreiche Helikopter-Weitaufnahmen. Und warum der inhaltslose Crap auf zwei Stunden Laufzeit ausgeplustert werden musste – inklusive eines 9 Minuten-Monsterabspanns – weiß wahrscheinlich auch nur der böse Zauberer Ray Liotta in Lederkluft, der im Finale Bücher fliegen lässt und dem unfreiwillig komischen Treiben neben Oberknallcharge Matthew Lillard als intriganten Herzog die Krone aufsetzt, die er auch sonst gerne hätte.

American Fighter (USA 1985)

Wenn irgendjemand mit dem Namen Michael Dudikoff einen Film assoziiert, dann wohl am ehesten diesen: American Fighter. Mit einem Budget von nur einer Million Dollar inszenierte Regisseur Sam Firstenberg eine krude Story um einen in der Ninja-Kampfkunst unterrichteten, unbequemen Soldaten mit Amnesie namens Joe, der hinter böse Waffengeschäfte seines Vorgesetzten kommt und sich zu allem Überfluss noch in die Tochter des Colonels verliebt.

Prügeleien und Kämpfe zwischen vielen bösen Ninjas und dem guten amerikanischen Ninja sind zu sehen, so dass es nicht verwundert, dass ursprünglich Chuck Norris für die Hauptrolle vorgesehen war. Klar gibt es etliche Ungereimtheiten in der Story (so freunden sich Joe und Ausbilder Jackson nach vorherigem Kampf urplötzlich an und am actionlastigen Ende hebt ein Hubschrauber nur seeeeehr zögerlich ab), aber das tut dem Unterhaltungswert dieses simpel gestickten B-Movies keinen Abbruch.

Kontrapunkt: Mord im Orient-Express, Blow Up & Vorbilder?!

Einmal mehr eine illustre Zusammenstellung zwischen einem Klassiker, einen missverstanden Kunst- und einem aktuellen Kinofilm. Ich sage es vorweg: Wer mich wegen meiner Meinung zu „Blow Up” steinigen möchte, sollte es jetzt tun – oder für immer schweigen.

Mord im Orient-Express (GB 1974)

Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich mit Ausnahme von “Tödliche Entscheidung” noch keinen weiteren Film von Altmeister Sidney Lumet gesehen habe. Wohl aber meine ich konstatieren zu können, dass er ein eher gemächlicher, denn aufgeregter, eher subtiler, denn grober Regisseur ist. Und dies fällt auch bei Mord im Orient-Express auf: Im Zentrum steht die titelgebende Geschichte nach Vorlage von Agatha Christie und die potenziellen Täter (u. a. Sean Connery und die oscarprämierte Ingrid Bergman), allesamt Passagiere an Bord.

Albert Finney ermittelt als spleeniger Detektiv Hercule Poirot im Mordfall an dem Hauptbeteiligten einer Kindesentführung, die eine ganze Familie in den Tod trieb. Stets in edle Bilder getaucht und mit geschliffenen Dialogen gesegnet sowie mit Wendungen und Pointen zum Miträtseln animierend, fällt einzig das gemächliche Tempo der Inszenierung etwas auf. Aber was soll’s: Mord im Orient-Express ist großes Schauspielerkino.

Blow Up (GB/I/USA 1966)

… ist ziemlich aufgeblasenes und überschätztes Kunstkino. Meine Empfindung mag vielleicht auch daran liegen, dass dies mein erster Film von Michelangelo Antonioni ist und sich mir der tiefere Sinn um die – wie ich las – Verschmelzung der Künste, Intension und Extension sowie Realität und Fiktion im London der Swinging Sixties nicht wirklich erschlossen und ratlos zurückgelassen hat. Schön, wie Antonioni mit der filmischen Raumkonstruktion und Wahrnehmung von Tiefe und Fläche spielt. Schade nur, dass er dabei seine Story um einen arroganten Fotografen (David Hemmings), der zufällig einen Mord knipst und später die Leiche entdeckt, welche noch später spurlos verschwunden ist, vollkommen kleineren Nebenhandlungen preisgibt und sie am mit Symbolen regelrecht überfrachteten Ende scheinbar ad acta gelegt hat.

Genre? Keine Ahnung… Cineasten nennen das auch manchmal „Kunst”, wenn sie es nicht einordnen können. Ich nenne es im Sinne Kracauers „unfilmisch” und kann noch nicht einmal genau sagen, ob Blow Up narrativ oder assoziativ, Spielfilm oder Experimentalfilm ist. Am ehesten wohl noch ein Zwitter aus beiden, aber auf jeden Fall enorm prätentiöses Kopfkino. Kommt aber auf jeden Fall auf meine „Muss ich irgendwann nochmal sehen, um es vielleicht zu verstehen”-Liste.

Vorbilder?! (USA/D 2008)

Die Karrieren von Seann William Scott und Paul Rudd kann man nun wirklich nicht mehr kometenhaft nennen. Beide haben scheinbar ihre großen Zeiten schon hinter sich: Scott als „Stiffler” in American Pie und ähnlich gelagerten Sex-Klamotten um die Jahrtausendwende, Paul Rudd war ohnehin meist nie mehr als Nebendarsteller in Komödien wie in „Jungfrau (40), männlich, sucht…” oder „Beim ersten Mal”. Was also bei Vorbilder?! für ein Humor heraus kommen würde, kann man schon anhand dieser Filme erahnen: ein ziemlich tief gelegter. Scott spielt einmal mehr den dauergeilen Womanizer, der stets lustlos wirkende Rudd hingegen einen zynischen Loser. Beide arbeiten als Promoter für einen Energy Drink und verursachen eines Tages soviel Chaos, dass sie bei einer Organisation die sich um Problemkinder während ihrer Freizeit kümmert, Sozialstunden ableisten müssen.

Wie es ausgeht, ist klar: Alle raufen sich nach der ein oder anderen Zote wie Sex unter Schlaftabletten beim Campen zusammen und werden glücklich. Das ist zwar nett und gelegentlich aufgrund des speziellen „Stiffmeister”-Humors brüllkomisch, aber nicht tiefgründig oder originell, sondern nur guter Durchschnitt. Der Einfall mit dem Real-Rollenspiel am Ende, als sich alle Beteiligten als KISS verkleiden, ist aber ganz witzig.

Kontrapunkt: The International & Die Klasse

Vor der diesjährigen Oscarverleihung, auf deren Ergebnisse ja von the gaffer schon in aller Vollständigkeit hingewiesen wurde, standen noch zwei Kinobesuche an. Einer davon, zu „Die Klasse”, sollte auch unmittelbar mit dem Goldjungen zu tun haben, war der Film doch in der Kategorie „Bester nicht-englischsprachiger Film” nominiert. Der andere hingegen war eine der positiven Überraschungen meiner jüngeren Kinobesuche und ein Beweis dafür, dass deutsche Regisseure auch gutes Hollywood-Kino inszenieren können.

The International (USA/D/GB 2009)

Oftmals als eine Quasi-Verfilmung der aktuellen Bankenkrise bezeichnet, scheint es mir nötig, doch zu erwähnen, dass dem nicht so ist. Hier spielen eine luxemburgische Bank und ihre Geschäfte mit dem organisierten Verbrechen neben Clive Owen und Naomi Watts die Hauptrolle. Diese versuchen als Interpol-Agenten die kriminellen Machenschaften der Bank aufzudecken, die schon zu zahlreichen Todesfällen, sprich: Morden, von Insidern geführt haben.

„The International” ist ein über weite Strecken komplexer, wendungsreicher und hoch spannender Wirtschaftsthriller mit auffälliger Überlegenheitssymbolik riesiger Gebäude von Behörden oder Finanzdienstleistungen im Vergleich zum Menschen. Einem längeren Ausflug ins Actiongenre gab sich Regisseur Tom Tykwer dann aber bei einer minutenlangen Schießerei im nachgebauten Guggenheim-Museum doch hin, die vor dynamischer Inszenierung und Kraft nur so strotzt. Trotz einiger Logiklöcher empfiehlt sich Tom Tykwer damit für weitere Engagements in Übersee.

Die Klasse (F 2008)

In dem Gewinner der letztjährigen Filmfestspiele von Cannes nach dem Roman von Francois Bégaudeau geht es um eine aus Kindern von Migranten bestehende Schulklasse von 14- bis 15-Jährigen und deren Lehrer, der versucht, ihrer Gleichgültigkeit, schlechten Manieren und ihrem Desinteresse entgegen zu treten. Die unentwegt semidokumentarische Inszenierung von Die Klasse mit Handkamera, Laiendarstellern und dem weitestgehenden Verzicht auf musikalische Untermalung macht das Zuschauen auf Dauer anstrengend, erweckt jedoch einen authentischen Eindruck. Man erhält einen ungeschönten Einblick in den alltäglichen Kampf für Bildung und gegen Feindseligkeiten, der in einer Schulklasse im Nordosten von Paris stattfindet. Autor Bégaudeau selbst übernahm die Hauptrolle des unkonventionellen Pädagogen, den wir zwar über mehrere Tage begleiten, aber der niemals sein Inneres offenbart, was ob der um Intensität bemühten Inszenierung schon etwas irritiert. Weiteres von mir dazu hier.

Kontrapunkt: Special zur Berlinale 2009

Um es vorweg zu sagen: Nein, ich hatte keine Akkreditierung und deswegen war ich auch nur vom vergangenen Donnerstag, dem 12.02. bis vergangenen Sonntag, den 15.02. in unserer Landeshauptstadt. Ein Großteil der populäreren Filme wie „The International” oder „Der Vorleser” waren bis dahin zwar leider schon wieder aus den Berlinale-Kinos verschwunden, aber dennoch hielt das größte deutsche Filmfestival ein paar kleinere Perlen bereit.Doch alles der Reihe nach. Donnerstag um die Mittagszeit machten wir uns vom beschaulichen Jena zu fünft im Auto eines Kumpels (Jojo rocks!) auf nach Berlin, wo wir nach 3 Stunden Fahrtzeit inklusive Einchecken in unser Hostel eingetroffen sind. Nach einem eher ernüchternden Ausflug zum Vorverkaufsschalter in den Arkaden am Potsdamer Platz liefen wir etwas bedrückt durch die Innenstadt, bevor wir uns schließlich an der Tageskasse des Cinemaxx noch Karten für „Wir sind schon mittendrin” inklusive des vorangestellten Kurzfilms „Nur für einen Augenblick” von Abel Lindner aus der Sektion „Perspektive Deutsches Kino” sichern konnten.

Bei Wir sind schon mittendrin handelt es sich um einen knapp einstündigen Dokumentarfilm, in welchem Regisseur Elmar Szücs seine drei besten Freunde aus der Schulzeit porträtiert. Alle sind sie 29, alle irgendwie gescheiterte Existenzen, die bisher nichts wirklich aus ihrem Leben oder ihrer Familienplanung machen konnten und alle sind sie hochsympathisch. Man erkennt sich als eher unmotivierter Student in diesen schrulligen Typen wieder, die entweder ihr Musikstudium noch nicht beenden konnten oder ihr Biologiestudium gerade erst begonnen haben und sich mit wenig Geld durchs Leben schlagen müssen. Immer nah dran am Geschehen mit einer teilweise arg wackeligen DV-Kamera, aber mit Mut zur Selbstironie und authentisch schon einmal der erste filmische Glücksfall für mich. Und das sage ich nicht nur, weil hinterher das gesamte Filmteam im gleichen türkischen Imbiss einkehrte wie wir und auch zuvor, bei der Beantwortung einiger Fragen nach dem Film, einen äußerst sympathischen Eindruck hinterließ.

Nach besagter Stärkung war die Zeit auch schon fortgeschritten und wir begaben uns in unser Achtbettzimmer ins Hostel und gingen schlafen. Am nächsten Morgen ging es nach einem reichhaltigen Frühstück inklusive Müsli (ich esse sonst nie Müsli) in die Alte Nationalgalerie. Ja, auch ich habe es ab und zu (wenn auch eher selten) mal gern, wenn sich Bilder nicht bewegen und sowohl die Gemälde von Karl-Friedrich Schinkel als auch das selbstreflexive „Obststilleben” von Johann-Wilhelm Preyer hatten es mir besonders angetan. Danach stand 15.00 Uhr im Friedrichstadtpalast die Sichtung von Theo Angelopoulos’ neuem Film an.

The Dust of Time hieß dieses zweistündige, zwar ambitionierte, aber extrem kopflastige Werk. Bruno Ganz und Willem Dafoe spielen darin zwar mit und Kameramann Andreas Sinanos gelingt es hin und wieder, ein paar starke, sich ins Gedächtnis brennende Bilder einzufangen, jedoch vermögen sie nicht, gegen das wirre Skript anzukämpfen. Darin geht es um einen Komponisten, der seine eigene Vergangenheit um seine Eltern im poststalinistischen Internierungslager rekonstruiert, aber darüber hinaus Probleme mit seiner Frau und Tochter hat. Ein interessantes Tondesign mit leicht rauschenden Off-Kommentaren und einige fragwürdige Szenen legen gar eine perfide Deutung nahe, die allerdings nie aufgelöst wird und allzu abgegriffen und verquast wirkt.

Nachdem ich mich durch diesen im Wettbewerb außer Konkurrenz laufenden Film gequält hatte, liefen wir durch die Friedrichstrasse wieder Richtung Hostel und aßen dort total böse verboten auf unserem Zimmer zu Abend. Erst um 22 Uhr stand im Cinemaxx die nächste Sichtung aus der Sektion „Berlinale Shorts” an. Wir bekamen neben Jade, dem Gewinner des Silbernen Bären in der Kategorie Kurzfilm u. a. zwei weitere tolle kleine Filme zu sehen:

Karai Norte aka „Man of the North” ist ein 19-minütiges Zweipersonenstück in Schwarz-Weiß aus Paraguay. Darin geht es um eine alte Frau, die inmitten der Pampa in einer kargen Holzhütte lebt, einem zwielichtigen Fremden auf einem Pferd zu essen gibt und ihm davon erzählt, dass sie bestohlen wurde. Die staubige Atmosphäre und das originelle Setting des Films erinnern an Western und die Story birgt eine schöne Pointe. Da schaut man gerne zu.
Pure ist ein 5-minütiger, sehr dynamischer Zusammenschnitt mehrerer US-Actionfilme, der Szenen wie große Explosionen und gewagte Stunts auf ihre Ähnlichkeit zueinander „untersucht” und ebenso aus einem Guss montiert. Ein sehr schnelles filmisches Ratespiel für Cineasten und Fans von 80er und 90er Jahre-Actionfilmen das Spaß macht, obwohl es am Ende aufgelöst wird.

Es folgte für vier Leute von uns eine lange und bierselige Nacht in der Kneipe „PowwoW”, die uns die Berliner Stadtteile Kreuzberg/ Friedrichshain kennen lernen ließ. Um 5 lag ich schließlich in der Koje. Zum Glück stand am Samstag erst um 14.00 Uhr der nächste Film im International, einem Kino mit ganz speziellem Ostalgie-Charme, in der Sektion „Panorama” an.

Short Cut to Hollywood ist ein durchaus vergnüglicher deutscher Film, der allerdings auf platte Art und Weise Kritik am amerikanischen Reality TV-Wahn übt. Ein deutscher Versicherungskaufmann namens Johannes (Jan Henrik Stahlberg), 37, nennt sich fortan John F. Salinger, trägt Cowboykluft und Sonnenbrille und will mithilfe seiner beiden Kumpels in den USA berühmt werden. Dafür lässt er sich zunächst seinen kleinen Finger und dann seinen Arm amputieren, allerdings ohne Erfolg. Bis das Trio schließlich auf die Idee kommt, in Moslem-Kluft als gefakte Bombenattentäter ein amerikanisches Restaurant zu überfallen. Der Humor ist derb aber für einige Brüller gut, das Drehbuch hat so seine Löcher und hin und wieder fällt das knapp bemessene Budget auf. Alles in allem aber ein hübscher Film. Das Filmteam reagierte danach geduldig und gelassen auf Nachfragen zum Film und gar hinsichtlich eines gemeinsamen Fotos.

Gleich im Anschluss folgte im International mit Nord ein sehr vergnüglicher und mit unnachahmlich lakonischem Humor gesegneter Film aus Norwegen, in dem ein fauler Skiliftwärter (oder wie heißt dieser Beruf?) namens Jomar sich im winterlichen Norwegen mit seinem Schneemobil aufmacht, seinen Sohn mitten in der ländlichen Einöde zu besuchen. Natürlich begegnet er dabei einer Menge skurriler Gestalten und in einer der köstlichsten Szenen sieht man Jomar unkommentiert mit einem Tampon auf dem Kopf, welcher mit Alkohol vollgesogen ist, einem martialisch eingestellten Typen gegenübersitzen. Natürlich erinnert die Handlung des Films schon etwas an David Lynchs „The Straight Story”, ist aber um Einiges witziger, ohne zur platten Komödie zu verkommen.

Nach einem kurzen Spaziergang Richtung Alexanderplatz und anschließender Stärkung ging es einmal mehr zum Friedrichstadtpalast, wo ich mir 20.30 Uhr mit Tatarak aka „Der Kalmus” die neueste Regiearbeit vom 83-jährigen Urgestein des polnischen Films, Andrzej Wajda, anschaute. Ähnlich wie „The Dust of Time” kam auch dieser Film zunächst prätentiös daher.

Der Film beginnt mit einer mehrminütigen starren Einstellung von Krystyna Janda, die uns in einem Zimmer von ihren Erfahrungen mit ihrem verstorbenen Ehemann Edward K?osi?ski, eines berühmten polnischen Kameramannes, erzählt. Dann sehen wir, wie sie mit Namen Marta in einem Film mitspielt, der von der Liebe einer verheirateten Frau und ihrer tragisch verlaufenden Liaison mit einem Jungspund namens Bogus (Pawel Szajda) handelt. Martas Geschichte erinnert sie aber während Bogus’ Sterbeszene zu sehr an den Tod ihres Ehemannes, von dem sie immer wieder in den minutenlangen starren Inserts aus einem Zimmer berichtet. Realität/ Dokumentation/ Porträt und Fiktion/ Spielfilm verschmelzen dabei zu einem faszinierenden Ganzen und Wajda selbst ist sogar kurz im Bild zu sehen. Ein anstrengendes, aber enorm anspruchsvolles und reifes Alterswerk.

Diesen Brocken musste ich erst einmal setzen lassen, weswegen ich mich wiederum in unser Hostel-Zimmer begab. Der Abend wurde noch lang, allerdings konnten wir uns aufgrund der kollektiven Müdigkeit aller Beteiligten zu nichts mehr aufraffen und gingen schließlich schlafen. Am nächsten Morgen, Sonntag, war Packen angesagt. Bis 11 mussten wir aus unserem Zimmer heraus sein, weswegen ich auf das reichhaltige hosteleigene Frühstück für 5 Euro Aufschlag verzichtete.

Und 12.30 Uhr stand schließlich im Friedrichstadtpalast mit Lille Soldat unser letzter Wettbewerbsfilm an. Das mit Handkamera und Originalschauplätzen um Realismus bemühte Drama um eine alkoholkranke Ex-Soldatin namens Lotte (Trine Dyrholm), die für ihren Vater, einem Zuhälter, aushilfsweise dessen Freundin Lily (Lorna Brown) chauffiert, zog mich sofort in seinen Bann. Beide vom Leben enttäuschte Frauen freunden sich an und wollen schließlich aus ihrer unbefriedigenden Lage ausbrechen. Der Film von Annette K. Olsen (1:1 – Auge um Auge, 2006) ist spannend und so hart und rau wie das Leben und Milieu der Typen, die Lille Soldat bevölkern. Einzig etwas mehr Charakterzeichnung von Hauptfigur Lotte und ein paar Klischees weniger hätte man sich wünschen können.

Zum Abschluss unseres Berlinale-Trips ging es erst Mittagessen und schließlich noch ins Film- und Fernsehmuseum. Die deutsche Filmgeschichte wurde ebenso interessant mit vielen Ausstellungsstücken um Filme wie „Das Cabinet des Dr. Caligari” oder „Metropolis” aus der Blütezeit des Deutschen Expressionismus aufgearbeitet, wie ich es in Erinnerung hatte. Auch die Sonderausstellung „Casting a Shadow” zu Alfred Hitchcock wusste von ihrem Detailreichtum von Kostümen, über Interviews von Beteiligten bis zu Filmausschnitten zu begeistern. Leider musste ich mangels Zeit dann durch die Sonderausstellung „Loriot. Die Hommage” hetzen, die mir allerdings reichlich oberflächlich schien. Zwar wurden akribisch viele seiner audiovisuell aufgeführten Sketche zusammengekratzt und präsentiert und man erfährt, dass Vicco von Bülow nicht zuletzt durch seine Porträts von Nietzsche und Wagner auch ein begnadeter satirischer Maler war, allerdings bleibt seine Personlichkeit, welche Eigenarten er aufwies usw., leider im Dunkeln.

Gegen 18.30 Uhr (denke ich) starteten wir dann in Berlin wieder gen Heimat. Auf der Autobahn kam allerdings Schneetreiben auf, so dass wir erst nach einer knapp 4-stündigen ermüdenden Fahrt wieder in Jena ankamen. Und trotz des mittelgroßen finanziellen Lochs, das dieser 4-tägige Trip in die Landeshauptstadt in meinem Portmonee hinterlassen hat, kann ich nur sagen, dass er sich aus cineastischer Sicht durchaus gelohnt hat. In diesem Sinne: Die nächste Berlinale kann kommen!

Kontrapunkt: Der seltsame Fall des Benjamin Button & Daniel, der Zauberer

Gegensätzlicher könnten zwei Filme nicht sein: Hier mit 13 Nominierungen der gegenwärtig heißeste Anwärter auf die Oscars 2009, dort ein dilettantisch inszenierter PR-Film für die Fans vom Ex-Dschungelcamper, Ex-„DSDS”-Kandidaten und mittlerweile erfolgreichem Unternehmer Daniel Küblböck. Deswegen bieten sich diese beiden Pole doch regelrecht zum Besprechen an, oder?

Der seltsame Fall des Benjamin Button (USA 2008)

Ich sage es vorweg: Ja, der Film wird extrem gehypt und ja: er taugt nicht soviel, wie man es bei 13 Oscarnominierungen erwarten könnte oder müsste. David Fincher verabschiedet sich – nachdem man in „Zodiac – Die Spur des Killers” schon erste Anzeichen in diese Richtung erkennen konnte – damit gänzlich von seinem einst unverkennbaren düsteren Inszenierungsstil und scheint nun als Filmemacher im Mainstream angekommen zu sein. Das ist schade für ihn und auch für den Film, der jegliche Handschrift fernab des Konsens, wie man ein phasenweise mit Längen behaftetes Hollywood-Epos inszeniert (und zwar mit langen Einstellungen, stets unaufgeregt und mit einer ach so klugen Lebensweisheit am Ende) vermissen lässt. Die Geschichte eines Mannes, der als Rentner geboren wird und rückwärts altert, stellt natürlich einen dankbaren Ansatzpunkt zu mehreren Verknüpfungen zur Zeitgeschichte dar, weswegen Benjamin Button (Brad Pitt) auch einmal kurz mit dem Zweiten Weltkrieg in Berührung kommt. Die Liebesgeschichte zwischen ihm und der „herkömmlich” alternden Daisy (Cate Blanchett) birgt allerhand tragisch-emotionales Potenzial, welches aber leider nicht ausgeschöpft wird. Make-Up, Kamera und die visuellen Effekte sind toll und werden wohl auch die Oscars holen – der gute, aber keineswegs überragende Film und die weichgespülte Regie Finchers jedoch meines Erachtens nicht.

Daniel, der Zauberer (D 2004)

Mir fallen zu diesem filmischen Totalausfall nur drei Worte ein: Ach du Scheiße! 17 Monate und ein paar Tage nachdem er als Drittplatzierter (eigentlich schon bezeichnend) aus der ersten Staffel von „DSDS” rausgeflogen ist, wurde ein letztlich gescheiterter Versuch gestartet, Daniel Küblböcks abebbende Karriere als Popstar zu beleben. Also kurbelte man mit wenig Geld und noch weniger Ideen binnen sieben Wochen auf digitalem Material diesen Hokuspokus um den gesanglich wenig begabten, zuweilen tuckig daherkommenden Daniel, der von irgendwelchen bösen Leuten, die ihn und seine gewöhnungsbedürftige Musik hassen und ihn deswegen töten wollen, herunter. Wie gut, dass Daniel sich irgendwann durch eine Erscheinung seiner „positiven Energie” und der Magie seiner Musik erinnert, mit der er Jeden verzaubern kann. Wie schlecht, dass das doof ist und 90% der Schauspieler, welche zum Teil aus Familienmitgliedern Daniel Küblböcks und von Regisseur Uli Lommel bestehen, Dilettanten auf diesem Gebiet sind. Ein Film NUR für Fans von Gurkenlasterrammer Daniel K., denn einige Songs von ihm sind zu allem Überfluss auch noch zu hören, wenn er etliche Minuten des Films auf der Bühne rumhampelt. Und die Dialoge, Drehbuch, Regie, Darsteller… eigentlich alles ist richtig erbärmlich schlecht. Absolute Tiefstwertung für diesen schmerzenden und nur unter Schreien zu ertragenden filmischen Sondermüll!