Wollmilchcast #94 – Knives Out und Underwater

Nach seinem Star Wars-Ausflug stellt Autor-Regisseur Rian Johnson ein Whodunit mit Daniel Craig als exzentrischem Detektiv vor. Im Podcast sprechen wir über die Puzzle-Erzählung von Knives Out, haben ganz unterschiedliche Meinungen zur Figur von Ana de Armas und kommen bei den flauschigen Pullovern wieder zusammen. Außerdem betrachten wir Kristen Stewarts Star-Präsenz im Monster-Thriller Underwater von William Eubank. Viel Spaß!

Shownotes

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14 Schauspieler bei der Arbeit

14 Schauspieler tun das, was sie am besten können: schauspielern. Die New York Times steht hinter den 14 Kurzfilmen, in denen Größen wie Michael Douglas, Javier Bardem und Matt Damon auf ganz unterschiedliche Weise ihrem Beruf nachgehen. Mein Lieblingsclip bleibt die Dreyer-Hommage mit der wie immer göttlichen Tilda Swinton.

Alle Clips kann man als YouTube-Video bei Pajiba sehen. Eine Auswahl von sechs Kurzfilmen gibt es hier:

Tilda Swinton

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=J2Zajvjm4LI&feature=player_embedded[/youtube]

Natalie Portman

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=J9lEXw6G4G8[/youtube]

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Kontrapunkt: Anders-Denker

Dieses Mal sollen eine reale und zwei fiktive Personen im Fokus stehen, die intellektuell anders sind: Hoch gebildet und unkonventionell, dumm wie Brot oder ziemlich schweinisch.

Zizek! (USA/CDN 2005)

Die Dokumentarfilmerin Astra Taylor begleitete den Kulturtheoretiker Slavoj Zizek auf seinen Vortragsreisen in die USA und in seine slowenische Heimat. Dabei erhält der Zuschauer sowohl Einblick in das Werk und lacanianisch-marxistische Denken des wild gestikulierenden und nervösen Intellektuellen um Kapitalismus, Psychoanalyse und Ideologie als auch in sein Privatleben, wenn er beispielsweise die politische Korrektheit seines Sohnes anhand der Zusammenstellung seines Spielzeugs anspricht. Das letztendlich nicht mehr übrig bleibt, als eine an Eindrücken reiche, aber inhaltlich unentschlossene Doku, macht die riesige Präsenz der Hauptfigur wieder wett, die mit allerlei pointierten Anekdoten wie um den perfekten Selbstmord in einem Treppenhaus für Kurzweil sorgt. Weiteres von mir dazu demnächst hier.

Zoolander (USA/A/D 2001)

Derek Zoolander (Ben Stiller) ist ein männliches Model, dumm wie Stroh und mittlerweile dank seines Rivalen Hansel (Owen Wilson) karrieretechnisch auf dem absteigenden Ast. Also der perfekte Kandidat, um die geplante Ermordung des malaysischen Staatschefs durchzuführen, weil der Kinderarbeit im eigenen Land verbieten will und somit die Modeindustrie gravierend schädigen würde. Soweit die abstruse Geschichte dieses Films, der solche überbewerteten Dinge wie Handlung oder Logik schon einmal aus den Augen verliert. Die Kostüme sind extravagant, der Soundtrack cool und der Humor intellektuell tiefer gelegt aber pointiert, wenn das Supermodeltum durch Zoolanders Unfähigkeit, links herum zu gehen oder einen Computer anzuschalten ihr Fett fernab jeder Crashdiät weg bekommt. Mein Highlight: der von David Bowie (einer von etlichen Cameo-Auftritten) beurteilte Laufsteg-Wettkampf von Hansel und Zoolander („Walk off“). Ein saukomischer Film, der aber auch weiß, dass er nach 80 Minuten lieber Platz machen sollte für die Credits.

Seine Majestät das Schwein (F/E 2007)

Lange vor Christi Geburt wächst auf einer Insel im Ägäischen Meer Minor (José Garcia) unter Schweinen auf. Nach einigen Verwicklungen – u. a. der analen Penetration durch den Satyr Pan (Vincent Cassel) – wird er, ein Mensch mit tierischen Instinkten, zum König gekrönt und kommt der wunderschönen Clytia (Mélanie Bernier) näher. Doch die Sau, mit der er jahrelang ein intimes Verhältnis pflegte, wird eifersüchtig und seine Herrschaft soll nur von kurzer Dauer sein. Ebenso abstrus wie die Handlung klingt, ist auch der unentschlossen zwischen Fantasy, frivoler Komödie und Liebesdrama schwankende Film. Die Bilder sind hübsch, die Sets und Kostüme sehen nach Big Budget aus, aber das Nichts von Story und einige unnötig sexklamaukige Szenen im Sagen-Wald (eigentlich das Set, was noch am ehesten nach großem Fantasykino aussieht) liefern genug Erklärungen dafür, warum der Film nun erst nach knapp 2 Jahren als DVD-Premiere in Deutschland erscheint. Für die einen sicherlich ein origineller Genremix mit einigen versteckten Märchen- und Mythenanspielungen. Für andere nur ein tumbes, zähes und weitgehend witzloses Machwerk.

Kontrapunkt: Wahnsinn

Wir erinnern uns an Wolfgang Petry, der in einem seiner Songs den Titel dieses Kontrapunkts mit der Songzeile „… warum schickst du mich in die Hölle?“ vervollständigt. Dort lauert zweifellos „Das Grauen… das Grauen“. Oder schlechte Drehbücher, die Mädels von der Venus im ländlichen Oberbayern nach „Reibeflüssigkeit“ suchen lässt. Hätte Jacques Mesrine dort doch wenigstens mal eingegriffen und nicht nur im französischen Finanzsystem.

Public Enemy No. 1 - TodestriebPublic Enemy No. 1 – Todestrieb (F/CDN 2008)

Irgendwie hat man bei diesem Film ein Déja-vu nach dem anderen: Immer noch die Einbrüche, Ballereien (dieses mal mit der Wackelkamera allerdings negativer in Erinnerung bleibend) und Frauengeschichten wie in Part Un der Verfilmung der Autobiographie von Jacques Mesrine, keine wirklich innovativen Aspekte. Nun ja, the gaffer hat ja schon Einiges dazu gesagt. Und eigentlich ist es auch unverzeihlich, dass man schon zu Beginn des ersten Teils zeigte, wie die ganze Geschichte ausgeht. Ich als Nicht-Wikipedia-Leser wäre dann vielleicht noch überrascht wurden. Dennoch fiebert man mit, wenn minutiös und mit nahezu hypnotischer Spannung Mesrines letzter Gang zu und Mesrines letzte Fahrt in seinem Auto nachgezeichnet wird. Irgendwie wie bei „Star Wars“ in Episode III: Eigentlich weiß man, was passiert, fesseln tut es aber trotzdem. Trés jolie. Zumindest diese Szene. Der restliche Film drumherum ist fast schon erschreckend konventionell, so dass er nur durch den diabolique Monsieur Cassel noch ganz gut ist.

Ach jodel mir doch einenAch jodel mir noch einen (BRD/A 1974)

Der hirnrissige deutsche Untertitel „Stoßtrupp Venus bläst zum Angriff“ oder der nicht minder doofe amerikanische Titel „2069: A Sex Odyssey“ sagen eigentlich schon alles über diese wahnsinnig bescheuerte Erotikklamotte, in welcher eine Gruppe von Venus-Frauen wegen akuten Spermienmangels auf ihrem Planeten in Oberbayern auf „Reibstoff“-Jagd geht. Platte Wortwitze um Tankschläuche und Einspritzpumpen sind an der Tagesordnung, die billigen Effekte bestehen hauptsächlich in blinkenden Lampen. Die albernen Kostüme wirken in diesem unfreiwillig komischen, haarsträubenden Billig-Fummelfilm auf bayrisch wie von einer Dorf-Trekkie-Party im hintersten Pfaffenwinkel abgeguckt, aber immerhin sind die drallen Venus-Miezen ganz nett anzuschauen, wenn sie diese denn mal ausziehen. Das passiert gegen Ende der zum Glück nur 75 Filmminuten zwar immer öfter, aber die ohnehin dünne Handlung leidet ebenso darunter wie der Zuschauer, der nur das Ende dieses spacigen Aktes herbeisehnt.

Apocalypse Now ReduxApocalypse Now Redux (USA 1979)

Eigentlich braucht man über dieses Meisterwerk nicht mehr viele Worte verlieren: Krieg ist Wahnsinn, die Bootsfahrt zum Reich von Colonel Kurtz (Marlon Brando) jenseits der kambodschanischen Grenze eine Reise durch den Vorhof der Hölle, wo Vernunft, Bedeutung und Sinn unerlaubt abwesend sind. Die Kameraarbeit von Vittorio Storaro schwelgt in surrealen, düsteren Bildern, Gemälden gleich. Zusammen mit der übermächtigen Soundkulisse wird Coppolas Film zu einem einzigartigen Trip bar jeder Genrezuordnungen in das Innere des Menschen und den sich widerstrebenden Teilen seiner Seele: Liebe und Hass, Lust und Ratio. Die Redux-Fassung wirkt insgesamt etwas stimmiger (der Tiger… der Tiger), verärgert aber mit einer überflüssigen Szene bei französischen Siedlern. Zudem enttäuscht das Fehlen der mit psychedelischen Bild-Ton-Kompositionen inszenierten Zerstörung des Lagers im Abspann (der komplett zum Opfer fiel). Dennoch: ein verstörender Trip, der den Zuschauer ebenso fasziniert wie berauscht zurücklässt. Ganz großes Kino!

Public Enemy No. 1 – Todestrieb (F/CDN 2008)

Public Enemy No. 1 - TodestriebEin bisschen stieg das Gefühl eines Déjà-vu-Erlebnisses in mir auf, als ich letzte Woche in der Spätvorstellung des zweiten Teils der Biografie von Jacques Mesrine saß. Oder war es ein Fehler in der Matrix? Wohl kaum, denn da war er wieder, der Verbrecher gespielt von Vincent Cassel, der in Frankreich Banken ausraubt, ins Gefängnis kommt, ausbricht, einen neuen Kompagnon trifft, der von einem französischen Star gespielt wird (Mathieu Amalric), sich mit ihm überwirft, eine hübsche Freundin findet, die von einem französischen Star (Ludivine Sagnier) gespielt wird, sich mit ihr streitet, ein Casino ausraubt, jemanden entführt usw. Natürlich läuft das alles nicht in dieser Reihenfolge ab und ich kann Regisseur Jean-François Richet nicht vorwerfen, einzig die Handlungsstationen des Vorgängers noch einmal mit anderen Frisuren zu wiederholen. Doch da saß ich eben im Kino und wunderte mich, warum in “Mordinstinkt” all die obigen Elemente noch relativ frisch gewirkt hatten und das vergleichbar flotte Tempo von “Todestrieb” im Gegensatz dazu hin und wieder zur Ermüdung führte. Plötzlich nervten etwa die verwackelten Actionszenen, welche in der ersten halben Stunde die Exposition ersetzen und damit den Einstieg in den Film auch nicht gerade erleichtern.

Das soll nicht heißen, Public Enemy No. 1 – Todestrieb leide im Vergleich zum Vorgänger an einem rapiden Qualitätsverlust. Beauftragt, die hohe Ereignisdichte von Mesrines Biografie als homogene, zweiteilige Erzählung auf die Leinwand zu bringen, versuchen Richet und sein Drehbuchpartner Abdel Raouf Dafri alles, um sowohl erzählerische Motive aus dem Vorgänger im zweiten Teil zu variieren, als auch Mesrines Transformation zum Public Enemy No. 1, den Wandel vom Mordinstinkt zum Todestrieb des gewalttätigen Robin Hood-Verschnitts glaubhaft zu machen. Im Zusammenspiel mit den Medien kommt Mesrines eitle Großmannssucht zum Tragen. So entführt er einen Journalisten, der ihn in einem Artikel beleidigt hat, prahlt in seiner Autobiografie mit Morden, welche er nicht begannen hat und führt, wenn er gerade nicht irgendetwas ausraubt, Interviews wie jeder andere Celebrity.

War Mordinstinkt noch vom Hintergrund des Algerienkriegs und dem Niedergang der französischen Kolonialmacht in den Anfangsjahren der Fünften Republik geprägt, macht der Terror in den Nachbarländern Mesrine in den Medien nun Konkurrenz. In demselben Maße wie es in den Siebzigern zur Radikalisierung von Teilen der Linken kommt, scheint Mesrine selbst zum verzerrten Spiegelbild seiner Außenwelt zu werden. Richets ambivalente Herangehensweise schwankt hierbei jedoch immer wieder zwischen der Entlarvung seiner grenzenlosen Brutalität und der Bewunderung des schelmischen Banditen, stets erfolgreich in seinen Versuchen, der Staatsmacht ein Schnippchen zu schlagen. Bis diese selbst alle Zügel der Legalität fahren lässt.

Das Leben Jacques Mesrines als Allegorie auf RAF, Rote Brigaden und Co.? Nur stellenweise wird diese Deutung dem Film gerecht, sind doch seine schon im Vorgänger angedeuteten, rar gesäten Motive  – z.B. die Schließung von Hochsicherheitsgefängnissen – einigermaßen halbgar aufbereitet, kaum ernst zu nehmen und meistens in der irrationalen Blase gefangen, in der sich auch der Instinktmensch Mesrine bewegt. Todestrieb ist in erster Linie die Charakterstudie eines sich zunehmend in seinen Taten verlierenden Raubtieres, welches recht früh erkennt, dass es aus der Falle, die sein Leben ist, kein Entkommen gibt und sich daraufhin immer tiefer in ihr verfängt.

Trotz der in der zweiten Hälfte überaus spannenden Kost bleibt die Frage im Raum stehen, ob dem Leben und Sterben des Jacques Mesrine nicht auch ein einziger Film gerecht geworden wäre. Ein bisschen weniger Déjà-vu, ein Tick mehr Mut zur erzählerischen Lücke, überhaupt die Fähigkeit eine Lebensstation wegzulassen, wenn sie dem Bild Mesrines nichts neues hinzufügen kann – die Erfüllung dieser Wünsche verweigern uns die Macher. Da beide Teile, “Mordinstinkt” und “Todestrieb”, sich in Ton und Atmosphäre nicht  – wie etwa “Kill Bill 1+2” – fundamental voneinander unterscheiden, vielmehr an ihren Enden einander überlappen, hätte ein beherzter Cutter dem Ganzen durchaus gut getan. Abgesehen davon hat ein Film William Wellman, Howard Hawks und deren Kollegen doch auch gereicht.


Zum Weiterlesen:
Public Enemy No. 1 – Mordinstinkt