Kontrapunkt: Wald-Horror mit dummen Studenten

Die freie Natur, ein Hort des Friedens und der Entspannung? Nicht in den hier vorgestellten Filmen, wo sich junge Erwachsene mit einer unsichtbaren Hexe, einem langweiligen Mörder und einer fleischfressenden Seuche herumplagen müssen.

The Blair Witch Project (USA 1999)

Eine simple Idee, große Wirkung: die beiden Filmstudenten Daniel Myrick und Eduardo Sanchez schickten drei Personen in den Wald von Maryland, die ihre Erfahrungen beim Nachgehen des – frei erfundenen – Mythos um die Hexe von Blair mit zwei Kameras dokumentieren sollten. Bei nur 60 000 Dollar Produktionskosten, spielte der Film durch einen Hype im Internet um das angeblich wahre Verschwinden der Drei weltweit 248 Mio. Dollar ein. Der Zuschauer wird dabei Zeuge, wie sich das Trio der Möchtegern-Filmemacher in den Wäldern verirrt und schließlich den Kontakt mit der Hexe von Blair mit dem Tod bezahlen muss. Die wackelige First-Person-Perspektive garantiert dabei durch seinen dokumentarischen Charakter größtmögliche Authentizität und lässt den Zuschauer auf beklemmende Art an den mysteriösen Geschehnissen sowie an der Angst und den Gefühlen der Beteiligten teilhaben. Ein Film, der zum Vorbild für zahlreiche Spielfilme im Dokumentarstil wurde, wobei „Cloverfield“ und „District 9“ (dort allerdings gefilmt aus der Third-Person-Perspektive) herauszuheben sind. Ein ebenso innovatives wie cleveres Werk.

Deep in the Woods – Allein mit der Angst (F 2000)

Schon seltsam der Titel, wenn man bedenkt, dass a) nur 5 Minuten des Films überhaupt im Wald spielen und b) eine Gruppe von 4 der 5 Theaterstudenten dabei zusammen unterwegs ist. Doch die Liste der Ungereimtheiten bei diesem dümmlichen Edel-Slasher ist noch länger. Die Story um einen Mörder, der im Anwesen von einem Milliardär umgeht und es im Wolfs-Kostüm unter anderem auch auf eine dort „Rotkäppchen“ aufführende Gruppe von Theaterstudenten abgesehen hat, ist dünn, zäh vorgetragen und ergibt in der Motivation des schizophren scheinenden Mörders keinen Sinn. Zahlreiche falsche Fährten zur Verhüllung seiner Identität und Klischees (plötzlich auftauchender Polizist, angeblicher Triebtäter im umliegenden Wald, Überwachung im Schloss, Psycho-Kind, Ausweiden von Tieren) werden uns in der um Kunstfertigkeit bemühten Inszenierung präsentiert, die zwar einige nette POV-Aufnahmen und schöne Bilder in Chiaroscuro-Beleuchtung zu bieten hat, allerdings mit dem unmotivierten Einsatz von Chorälen wie dem penetranten „Böser Wolf“-Motiv und sexuellen Motiven (latent schwuler Gastgeber, Lesben-Szene, Sex im Wald) überladen wirkt. Diese 20 Mio. Franc teure Kunst-Trash-Mixtur ist wahrlich nur schwer genießbar.

Cabin Fever (USA 2002)

Eine Gruppe ignoranter College-Studenten (2 weiblich, 3 männlich) machen Urlaub in einer Waldhütte, bevor eines Abends ein Mann mit einer widerlichen, fleischfressenden Krankheit auftaucht. Nachdem der von ihnen in die Flucht geschlagen wurde, verseucht dessen Leiche ein Trinkwasserreservoir und alle infizieren sich nach und nach. Die Seuche ist eine Metapher – nur wofür? Ich mutmaße ja AIDS oder Homosexualität. Zumindest gehen die Hinterwäldler extrem auf Infizierte ab. Eli Roth präsentiert uns in seinem teilweise immerhin spannenden Survival-Schocker mit der gründlichsten Beinrasur der Filmgeschichte (ihhh!) zahlreiche Referenzen an Genre-Vorbilder wie „Beim Sterben ist jeder der Erste“ (degeneriertes Kind auf Schaukel) oder [SPOILER] „Die Nacht der lebenden Toten“ (der einzige Uninfizierte wird von der Staatsmacht erschossen) [SPOILER ENDE], neigt aber insbesondere durch die dümmlichen Figuren und dem zu gewollt ironischen Ende zur unfreiwilligen Selbstparodie. Das einzig wirklich gelungene ist der Score von Lynch-Komponist Angelo Badalamenti, welcher unvergleichlich gut auf der Klaviatur des Schreckens zu spielen versteht.

Visions of China 2009

China ist groß. Das wissen selbst Menschen, die keinen Zugang zu Wikipedia haben. Seit den frühen 80er Jahren – mit dem ersten Jahrgang der Beijinger Filmakademie, dem u.a. Zhang Yimou und Chen Kaige angehörten – ist die Filmindustrie im Reich der Mitte im Wiederaufbau begriffen. Doch selbst heute ist ihr kommerzielles Potenzial noch nicht vollständig erschlossen, bedenkt man, dass der Ausbau der Kinos noch im vollen Gange ist.

Immer dem potenziellen Konflikt mit der Zensurbehörde SARFT ausgesetzt, bewegen sich die Filme, ob Mainstream oder Kunst, bekanntlich auf dünnem Eis. Auf diesen Konflikt sollte man die Auseinandersetzung mit der fernöstlichen Filmindustrie jedoch nicht reduzieren, auch wenn das deutsche Feuilleton leider dazu neigt. Konform oder kritisch – das sind Kategorien, die jegliche Grautöne vermissen lassen. Kann man die Werke von Feng Xiaogang unbeachtet lassen, weil er Star-Vehikel dreht, welche die Kassen füllen, statt mit der Handkamera verbotenerweise in Shanghai unterwegs zu sein? Das Filmfestival Visions of China bot jedenfalls eine hervorragende Gelegenheit, sich mit einer Auswahl von kleinen und großen Filmen dem aktuellen Geschehen im Filmland China anzunähern, die nicht zum üblichen Festival-Futter gehören. In einem Special, das beim MANIFEST erschienen ist, kann man nun etwas über die diesjährige dritte Ausgabe des Festvals lesen.

Kontrapunkt: 90er Jahre-Vampire

Das Subgenre des Vampirfilms hat so seine eigenen Regeln: Bestimmte Klischees um das Töten der Blutsauger müssen (zumindest bei den hier besprochenen Filmen) immer erfüllt werden. Sex spielt immer eine Rolle und das mit dem Beißen ist auch obligatorisch. Dennoch gibt es auch Unterschiede in den Lesarten der Filme.

Interview mit einem Vampir (USA 1994)

Ein wohltuend zurückhaltend auftretender Brad Pitt mit Grunge-Frisur erzählt Schreiberling Christian Slater seine bis dahin 200 Jahre dauernde, weichgespülte Lebens-geschichte als Vampir. Das Szenario schwelgt nur so in seiner prachtvollen Gothic-Ausstattung, einer netten düsteren Atmosphäre, der Selbstverliebtheit des unsympathischen und weibstollen Tom Cruise und endlos langweiligen Dialogen, die wirken wie aufgesa(u)gte Theaterphrasen und null Erkenntnisgewinn um das Wesen der Vampire mit sich bringen. Immerhin wird es dann gegen Ende des melodramatischen Konflikte-Potpourri etwas temporeicher und Antonio Banderas, der als einziger prominenter Blutsauger eine mysteriöse Aura um seine Figur aufzubauen vermag, beißt das Spektakel dann noch aus den Untiefen der Genre-Hölle heraus. Inhaltlich auf das Drama ein Vampir zu sein aufbauend, kratzt der Film leider nur an der Oberfläche eines interessanten Themas.

Bram Stoker’s Dracula (USA 1992)

Die Exposition: genial. Doch danach geht es in diesem Rausch der Farben und Formen dauerhaft bergab. Stets überzeugend in den Set-Designs und Kostümen, verärgert die postmoderne Machart des Films, welche sich in der Reflexion des eigenen Mediums (man erinnere sich an den denkwürdigen Besuch einer Kinematographen-Vorführung) und der Zurschaustellung der eigenen Künstlichkeit offenbart. Letzteres geschieht mit betont künstlichen Lichtsetzungen, mehreren nicht räumlich zusammen passenden Motiven innerhalb eines Bildes sowie der Betonung der farbenfrohen Dekors/Kostüme und omnipräsenten Spezialeffekten. Die Handlung beginnt sich alsbald zu verflüchtigen, um sich in diesen visuellen Exzessen zu verlieren. Evident dafür ist Anthony Hopkins’ selbstparodistische Darstellung des wahnwitzig-überdrehten Vampirjägers Van Helsing. Viel Wahnwitz und Sinnesreize, aber wenig Sinn.

From Dusk Till Dawn (USA 1996)

Der erste Teil: ein ironischer Gangstertthriller, der zweite Teil: ein blutiges Vampirgemetzel. Ein ebenso haarsträubender wie schlicht großartiger Genre-Mix. Zwei Gangsterbrüder (Quentin Tarantino und George Clooney) wollen mit ihrer Beute nach Mexiko fliehen, nehmen eine Familie um Priester Jacob (Harvey Keitel) als Geisel und kehren fatalerweise in ein verlaustes Vampir-Etablissement ein. Es folgt der wohl erotischste Tischtanz der Filmgeschichte durch Salma Hayek bevor ein Kampf auf Leben und Tod beginnt. Tarantinos vor tollen Dialogen und Monologen sprühendes Drehbuch hält einige ironische Brechungen mit dem Genre parat („Sollten die nicht verbrennen oder sowas?“) und George Clooney mit Tattoo ist die coolste Sau wo gibt – mal abgesehen von Maskenbildner Tom Savini als „Sex Machine“ mit Puller-Revolver. Da sieht man über einige unnötige CGI-Effkte beim Vampiretöten gerne hinweg.

gelb! #3 [lost.minds]

Um es gleich vorweg zu sagen: der Rosenkeller in Jena  hat schon etwas von einer Albtraum-Location für jeden Dreh. Seinem Namen gerecht werdend (dem “Keller”, nicht der “Rose”) ist der “Club” eng, dunkel, laut und wenn man betrunken ist, wird das dann urig oder authentisch genannt. Ist man nicht betüdelt – was vor und hinter der Kamera von Vorteil sein kann – erweist sich die Rose ästhetisch (visuell und akustisch) gesehen als schwarzes Loch. Besonders wenn man, von einem Studentensender kommend, kein Geld für Lichtkoffer, geschweige denn Scheinwerfer hat. Aber letztere hätten sowieso nicht in den kleinen, spärlich beleuchteten VIP-Raum gepasst, den wir für unser Interview nutzen durften/mussten.

gelb! hat es sich also wie immer zur Aufgabe gemacht, Künstler aus Jena und Umgebung vorzustellen und in der dritten Folge ist die Indietronic-Band lost.minds Aufhänger unserer kleinen Rubrik bei Campus TV Jena. Da die Band an jenem Montag  in jenem Ur-Jenaer Etablissement auftrat, haben wir das zum Anlass genommen, die auch bei Beschaffung von Lichtquellen extrem hilfsbereiten Musiker vor, während und nach Ende des Konzerts zu begleiten. Dass man also in den folgenden Bildern überhaupt etwas erkennt, verdanken wir u.a. den lost.minds und der Band Standek, die uns eine Lampe gespendet haben. Soviel zum Lokalkolorit.

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From the director of "Harvie Krumpet"

2004 gewann der Australier Adam Eliott für seinen Kurzfilm “Harvie Krumpet” einen Oscar, weshalb sein erster Spielfilm durchaus mit Spannung erwartet wurde. Mary and Max feierte nun dieses Jahr beim Sundance Filmfestival Premiere und bezirzt seitdem nicht nur die amerikanischen Kritiker. Wie auch schon die Biographie Harvie Krumpets ist Mary and Max ein Knet-Animationsfilm.

The film tells the story of the unlikely pen-pal friendship between Mary, a chubby lonely 8-year-old girl in Melbourne, Australia, and Max, a 44-year-old, severely obese, atheistic, Jewish man with Asperger syndrome who lives in New York. [Quelle: Wikipedia]

Für alle, die sich ein Bild von den Künsten Elliots machen wollen, gibt es hier den neuen Trailer für “Mary and Max” und den überaus sehenswerten Harvie Krumpet in seiner vollen 22-minütigen Schönheit. “Krumpet” wird übrigens von keinem geringeren als Geoffrey Rush erzählt. Für seinen Spielfilm konnte Elliot die Stimmen von Toni Collette, Philip Seymour Hoffman und Eric Bana gewinnen.

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