True Grit (USA 2010)

Solide ist irgendwie ein schreckliches Wort, wenn man über Filme spricht. Solide ist nützlich, wenn man von Häusern spricht oder Stühlen, Dingen vielleicht, von denen man erhofft, dass sie nicht in sich zusammenbrechen, die dann aber, sobald sie diese Minimalerwartung erfüllen, keine weiteren Gedanken verdienen. True Grit ist solide. In Verbindung mit einem gewöhnlichen Film ist das durchaus positiv zu verstehen, in Verbindung mit einem Werk der Coen-Brüder aber nicht. Nett ist auch so ein fürchterliches Wort, das auf diesen Film zutrifft. Jeff Bridges ist nett und solide als Rooster Cogburn, wie er da halbbetrunken in seinen Bart hineingrummelt. Matt Damon ist nett als schwer einzuschätzender, weil einfältig wirkender “I’m a Texas Ranger“- Ranger. Selbst Josh Brolin ist irgendwie nett als Mörder Tom Chaney, der über weite Strecken des Films ausgespart wird, was seinen Auftritt umso antiklimaktischer macht, wenn er dann endlich da ist. Hailee Steinfeld als abgeklärte, Rache schwörende Mattie Ross ist das einzige an True Grit, das nicht nur nett und solide ist. Die junge Schauspielerin hatte etwas zu verlieren – oder besser: zu gewinnen – mit diesem Film. Sie scheint die einzige zu sein, die in diesem ganz und gar nicht modernen Western vom Ehrgeiz gepackt wurde. Alles andere: business as usual.

Mattie Ross, die soeben ihren Vater verloren hat, wird treffend eingeführt durch mehrere lange Dialogszenen, die sie beim Feilschen zeigen. Die junge Dame weiß, was sie will, egal ob es um ein paar Pferde, einen Sarg oder die Rache für ihren verstorbenen Vater geht. Das bekommt auch der versoffene Rooster Cogburn zu spüren, den sie anheuert um den Mörder, Tom Chaney, zur Strecke zu bringen. Doch bis es endlich losgeht, zeigen sich Joel und Ethan Coen von ihrer selbstverliebten Seite. Die umständlich artikulierten Feilsch-Szenen sind noch ganz nett (da ist es wieder!) und irgendwie sinnvoll für die Charakterisierung der Hauptfigur. Das Kreuzverhör des Rooster Cogburn vor Gericht, das folgt, scheint dagegen reichlich überflüssig und zu lang. Wozu endlose Dialoge, wenn man einen Western dreht? Schließlich sind genügend Western damit zufrieden gewesen, ihre Figuren während der Reise, nicht vor Beginn derselben, zu charakterisieren. Dazu ist die Reise schließlich da! Man schaue und lerne bei John Ford (Stagecoach, The Searchers…), nicht nur was das angeht.

Die Geschwätzigkeit von True Grit ist durchaus unterhaltsam, keine Frage. Die Coen-Brüder wissen, wie man pointierte Dialoge schreibt, auch wenn manches Mal fraglich ist, ob die damaligen Wildwest-Bewohner einen so großen Wortschatz hatten, wie ihre Schöpfer in diesem Film. Doch wer auch nur einen Western gesehen hat, wird in “True Grit” keinerlei Überraschung, nicht einmal den gescheiterten Versuch einer Neuerung zu sehen bekommen. Der Film plätschert vor sich hin, rüttelt hie und da mit ein paar wenigen blutigen Schocks auf, nimmt ein gemächliches Tempo wieder auf und macht weiter. Routiniert reitet er bis zum Ende, bei dem wenigstens so etwas wie ein Funke Ehrgeiz in der Nacht aufscheint. Doch das war es dann schon. Unterhaltsam, aber auch durch und durch selbstverliebt und gleichzeitig seltsam lustlos ist das Ganze. Wenn dann der Pfiff der Eisenbahn durch den Kinosaal hallt, beschleicht einem das Gefühl, eine Collage aus Western-Zitaten gesehen zu haben. Doch statt etwas Unordnung in die Reihenfolge  der Ausschnitte zu bringen, wird alles vorhersehbar linear aneinandergeklebt. Das ist solide. Das ist nett. Das ist aber auch langweilig.


Zum Weiterlesen:
Überblick über die Kritiken bei Film-Zeit.de

8 Antworten auf „True Grit (USA 2010)“

  1. Meiner eigenen, unbedeutenden Meinung nach, sind ja die Werke eigentlicher aller Coen-Filme der letzten zehn Jahre allenfalls solide und nett. Auf sowas wie FARGO, BIG LEBOWSKI, BARTON FINK oder MILLER’S CROSSING warte ich seit jeher (vergeblich).

  2. Du hast schon recht, wobei No Country for Old Men für mich dahingehend ein Ausreißer war. Leider ein einsamer.

  3. Und nicht mal der. Die Konstellation und die Umsetzung gefiel mir außerordentlich gut, bis der Film dann zu Ende war. Danach hatte ich ihnh schon vergessen, das gilt für alle Coens der letzten Zehn Jahre, die Halbwertzeit ist extrem kurz

  4. Langweilig empfand ich das jetzt nicht, langweilig war der letzte Film der Brüder. Aber “solide” und “nett”, das trifft es gut. Find ich aber nicht schlimm. Besser ein solider Film als ein beschissener Film.

  5. diesem ganz und gar nicht modernen Western
    Da würde ich mit der Postmoderne-Keule dezidiert widersprechen. Der den Coen-Brüdern trotz der inhaltlichen Beliebigkeit von “True Grit” durchgehaltene, einzigartige Gewalt- und Abstumpfzynismus – was mit abgehackten Fingern in Großaufnahme losgeht und mit dem Song “Leaning in everlasting arms” zum Bild einer Frau mit verlorenen Arm seinen Schlusspunkt findet – entspricht eher jenem eines blutigen Thrillers mit Westernmotiven als einem klassischen Western, von dem Inszenierung des Duells als Ritterspektakel einmal abgesehen. Das reicht jedoch auch nicht aus für wirklich Innovatives und ein Prädikat, das über ein “gut” hinausgeht – trotz aller technischer Makellosigkeit. Vollkommen zu Recht der Oscar-Loser!

  6. Die Coens sind nun mal überschätzt. Handwerklich ist das bestimmt alles super, aber sympathisch waren mir deren Filme noch nie. (Und wenn ich “noch nie” sage, meine ich “seit dem Dude nicht mehr”.)

  7. Jetzt kommen sie alle aus ihren Löchern, die Coen-Hasser…^^ Im Ernst, mir waren ihre Filme aus den 90ern sehr sympathisch, in den 2000ern lieferten sie mit Intolerable Cruelty eine schöne guilty pleasure und mit No Country einen hervorragenden Neo-Western ab. Ans Herz gehen ihre Filme selten, aber wenigstens sind sie manchmal richtig gut, was bei True Grit leider nicht der Fall ist.

  8. Von Hassen würde ich nicht sprechen; ich habe noch keinen Coen-Film gesehen, der auf seine Art nicht gut oder wenigstens okay war. Trotzdem fehlt mir da irgendwie der Zugang. Leider. Zumindest “No Country” möchte ich mir aber noch mal anschauen, den habe ich seit der Erstsichtung schon wieder komplett vergessen …

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