Red Cliff II (VRC 2009)

Über weite Strecken kommt Red Cliff II wie ein Selbstläufer von einem Film daher. Routiniert navigiert Action-Auteur John Woo seinen Historienfilm mal an das Schlachten-, mal an das komödiantische Ufer, stets auf die Massentauglichkeit bedacht. Souverän, fast schon im Autopilot, werden die strategischen Vorbereitungen der Schlacht heruntergekurbelt, die Finten und Tricks, welche Zhuge Liang (Takeshi Kaneshiro) und Zhou Yu (Tony Leung Chiu-Wai) sich ausdenken, um den übermächtigen Kanzler Cao Cao (Zhang Fengyi) in der zu erwartenden Auseinandersetzung auf See und Land zu besiegen. Woo hat offensichtlich einiges in Hollywood gelernt, was die Konstruktion glaubwürdiger Drehbücher angeht, auch wenn man das zuvor weder “Paycheck”, noch “Mission: Impossible II” oder gar “Face/Off” anmerken konnte. Es ist daher schwer vorstellbar, dass die “Red Cliff”-Filme und insbesondere der zweite Teil irgendjemanden nicht unterhalten. Das filmische Äquivalent zu einem süßen Hundebaby sozusagen, mit etwas mehr Blut und Gedärm.

So perfekt ist das Blockbustergerüst zusammengebaut, die Figuren durchgängig hochkarätig besetzt, der Kriegsstoff zu einem unterhaltsamen Abenteuerfilm abgekocht, dass es niemanden vorzuwerfen wäre, wenn das Geschehen auf der Leinwand nach Sichtung dem Vergessen anheim fällt. Das klingt natürlich ziemlich undankbar. Endlich wird für glänzende Unterhaltung gesorgt – fehlerlos inszeniert und noch dazu sympathisch – und trotzdem wird noch ein weit hergeholtes Haar in der Suppe gefunden. Hat John Woo das verdient? Wahrscheinlich nicht, denn es gibt wesentlich schlimmere Machwerke aus aller Herren Länder, welche ebenso nur auf Profit aus sind, diesen aber bewerkstelligen, in dem sie ihre eigenen Kunden beleidigen. Red Cliff kann sogar als Musterbeispiel eines Kinozweiteilers gelten, welcher zunächst Appetit auf mehr macht und eine Steigerung in der Fortsetzung erfährt, ohne sich zu wiederholen oder das homogene Gesamtbild zu stören.

Bei all den positiven Eigenschaften ist aber nicht zu übersehen, dass “Red Cliff II” vom Schein regiert wird. Es ist  der Schein des großen Dramas, der im ersten Teil noch verbergen konnte, dass Woo überhaupt nicht gewillt ist,  mehr als ein vierstündiges Strategiespiel mit anschließender Schlacht abzuliefern. Mal abgesehen vom Drang Cao Caos, das Land durch den Kriegszug zu vereinen, geht es diesem primär um die Eroberung einer Frau. Zhou Yus, um genau zu sein. Cao Cao ist besessen von dieser wandelnden Vase (fragwürdig blass und zerbrechlich gespielt von Lin Chi-Ling), weshalb die Andeutungen im ersten Teil diesen charismatischen Feldherrn nicht nur zu einem offenbar vielschichtigen Antagonisten werden ließen, sondern auch den Glauben schürten, dass hier in Sachen Charakterisierung mehr lauert, als in einem Woo-Film generell zu erwarten ist. Da Woo sich im Nachfolger auf Oberflächlichkeit beschränkt und dies sich auf alle Figuren auswirkt, kommt der “Red Cliff”-Zweiteiler in Sachen psychologischer Tiefe nicht einmal an Peter Chans The Warlords heran. Diesem etwas pathetischeren Film, sowie seinen Protagonisten war zumindest anzumerken gewesen, dass das Phänomen Krieg von mehr als nur Diskussionen vor der Landkarte und anschließenden heldenhaften Opfern ausgemacht wird.

Gibt das Drehbuch nicht genug her, müssen die Schauspieler diese Schwäche wettmachen und an diesem Punkt zeichnen sich besonders auffällig die Vor- und Nachzüge des Films ab. Tony Leung ist normalerweise ein verlässlicher Mime, doch entweder ist Ang Lees “Gefahr und Begierde” daran Schuld oder sein kurzfristiges Einspringen bei “Red Cliff” oder er hatte einfach keinen Bock; sein Auftritt ist – wenn auch kein Totalausfall – gelangweilt, müde und v.a. enttäuschend. Takeshi Kaneshiro guckt in erster Linie verschmitzt und schlägt sich besser als sein platonischer Kompagnon. Der Männerfreundschaft der beiden Protagonisten geht jegliches Konfliktpotenzial ab. Ihre Figuren sind, würden sie nicht von den beiden Stars gespielt werden, vollkommen uninteressant. Dabei zählten männliche Helden bisher immer zu den wenigen soliden Pluspunkten, welche Woo bei der Schauspielerführung für sich verbuchen konnte. Stattdessen wirken Woos Männer hier nur noch wie leere Hülsen. Ihr Dasein wurde vollständig der  hyperemotionalen Tragik beraubt, welche das Schicksal der Armani-Ritter seiner Heroic Bloodshed-Filme abseits der Action so ansprechend hatte erscheinen lassen. Angesichts von “Red Cliff II” ist es schwer zu glauben, wozu der Mann noch in “Bullet in the Head” oder “A Better Tomorrow” im Stande gewesen war. Kein Wunder also, dass Zhang Fengyi wie schon im Vorgänger durch ein paar minimale Anstrengungen seine Kollegen in den Schatten stellt, ohne der Versuchung zu erliegen, einen  stereotypen Bösewicht vom Stapel zu lassen. An der weiblichen Front schlägt sich hingegen die noch immer bezaubernde  Zhao Wei als Spionin im gegnerischen Lager wacker, die zumindest eine Lanze für unabhängige Frauenfiguren in Blockbuster-Schlachtenepen bricht.

Doch “Epos” ist eigentlich schon zuviel des Guten, denn auch wenn Woo unterhalten kann und seine nicht gerade zu Begeisterungsausbrüchen anhaltendenen Actionszenen Laune machen, kann der Film den Eindruck nicht abschütteln, dass es sich in Wirklichkeit nur um eine “Risiko”-Verfilmung handelt. Eben jenes einzugehen, haben die Macher leider vermieden. Unzählige Figuren, ihr ursprünglich dramatisches Leben und Sterben im Kampf, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Schlacht am Roten Felsen nicht vielmehr war als ein Spaß, den sich ein paar clevere Typen 208/9 v. Chr. erlaubt haben. Für einen Abenteuerfilm mag das genügen, trägt der Regisseur den Namen John Woo, ist das leider “nur” befriedigend.

 

Ernst sein ist alles

Exzessives Posten von Trailern ist ja eigentlich nicht der Sinn dieses  Blogs, aber was soll’s, die Gebrüder Joel und Ethan Coen haben mal wieder einen Film gedreht und der heißt A Serious Man. Von den großen Stars wie Pitt und Clooney haben sie sich erstmal verabschiedet und stattdessen Charakterdarsteller wie Michael Stuhlbarg und Richard Kind (bekannt aus Chaos City) angeheuert. Zum Inhalt kann man einen Satz hier lesen, aber das ist im Grunde gar nicht nötig, erklärt sich der wirklich hervorragende Trailer doch ganz von selbst. In sehr guter Qualität ist er auch bei Apple zu bestaunen.

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All bad art is the result of good intentions.

Hoffen wir, dass Oscar Wildes Weisheit nicht auf die neue Verfilmung seines Romans “The Picture of Dorian Gray” zutrifft. Obige Erkenntnis stammt übrigens aus dem Vorwort des überaus lesenswerten Werkes. Da Wilde zu meinen Lieblingsautoren zählt, gibt’s hier auch einen Hinweis auf den ersten Trailer zum Film von Oliver Parker. Der kennt sich mit Wilde-Verfilmungen aus, hat er doch zuvor sowohl “An Ideal Husband” (durchschnittlich), als auch “The Importance of Being Earnest” (köstlich) auf die Leinwand gebannt. Schade nur, dass der wunderbare Rupert Everett nun nicht mitspielt.

Stattdessen beehren Colin “Mr. Darcy” Firth und Ben “Prinz Caspian” Barnes Dorian Gray mit ihrer Anwesenheit. Letzterer gibt den ewig jungen Herrn mit der dunklen Seele und obwohl er nicht gerade die Traumbesetzung für die Rolle ist (da kommt mir Jonathan Rhys-Meyers eher in den Sinn), verleiht er dem Schönling zumindest im Trailer schon mal einen sinistren Zug. Ein deutscher Starttermin steht noch nicht fest.

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Track of the Cat – Spur in den Bergen (USA 1954)

Wenn der einen Tag später auf dem Festival in Bologna gezeigte “Trommeln am Mohawk” von John Ford den offiziellen Startschuss zur Eroberung des amerikanischen Kontinents thematisiert, erzählt Track of the Cat – Spur in den Bergen pessimistisch von deren Endstadium. Nicht die Weite der Prärie mit ihrer Freiheit gibt in William A. Wellmans Film dem Wilden Westen ein idealisiertes Gesicht. Verschneite, menschenfeindliche Berge umgeben indes die Ranch der Familie Bridges. Auch wenn das Frontier-Erlebnis der Siedler immer wieder gern für jedweden positiven Zug des American Way of Life verantwortlich gemacht wurde, zeugen die Risse, welche innerhalb dieser Familie verlaufen von den Opfern und Sünden, die das Leben im unentdeckten Land mit sich bringt. Die herrische Mutter (Beulah Bondi) bestimmt diktatorisch über die Geschicke der einzelnen Familienmitglieder. Einzig Sohn Curt (Robert Mitchum) steht der Patriarchin in Sachen Tyrannisierung der Verwandschaft in nichts nach. Gwen (Teresa Wright), die Freundin seines jüngeren Bruders Hal, wird von ihm schikaniert, während eine Heirat der beiden, d.h. ein flügge werdender Sohn der Mutter ein Dorn im Auge ist. Der Haussegen hängt überaus schief, als der auf der Ranch lebende alte Indianer Joe Sam verkündet, ein berüchtigter Berglöwe reiße wieder das Vieh der Familie. Der älteste Bruder Arthur und der herrische Curt machen sich auf den beschwerlichen Weg in die verschneiten Berge, um das Tier zu erlegen.

Hoch symbolisch sind die Handlungselemente. Im ganzen Film sieht man es nie, das Tier, welches vordergründig die Lebensgrundlage der Familie bedroht und doch eigentlich wie eine metaphysische Kraft das ganze Schicksal der Bridges in gewisse Bahnen lenkt. Mehr und mehr gefangen scheinen die Menschen in ihrem kargen, kalten Heim zu sein, während vor der Tür das Unheil unsichtbar seine Runden zieht. Ein Effekt, der von Wellman durch die filmische Collage eines Kammerspiels in der Tradition Eugene O’Neills oder Henrik Ibsens mit der monumentalen Berglandschaft eines Abenteuerfilms erzielt wird. Der Gedanke an ein einzelnes Tier bringt Furcht und Schrecken in die kleine, aber bewaffnete Gemeinschaft. Es ist die wohl tief verwurzelte Urangst, den Kräften der Natur nicht gewachsen zu sein. Das Tier ist auf einer weiteren Ebene auch das personifizierte Sammelbecken der Sünden, dessen Dasein nach Bestrafung schreit. Wellmans unheimlich depressives Werk liegt die Feststellung zu Grunde, dass der Mensch seinen Ursprung verloren hat. Er ist mit seinem Eintritt in die Zivilisation nicht mehr Teil der Natur. Das Paradies ist verloren, die Rückkehr notgedrungen ein gewaltsames Unterfangen, welches ihm wiederum die unabänderliche Trennung nur noch mehr verdeutlicht.

Einer existenziellen Bedrohung gegenüberstehend, flammen die Konflikte innerhalb der Familie umso schneller auf. Wellmans Frontier-Gemeinschaft wird von manipulativen Frauen, Tyrannen, Schwächlingen und apathischen Alkoholikern bevölkert. Es ist anscheinend nicht der Ort, an dem Tugenden florieren. Während die Mutter mit ihrer zukünftigen Schwiegertochter um die Macht über ihren offenbar entscheidungsunfähigen Sohn buhlt, ergeht sich der Vater, der von vornherein nie hatte die Zivilisation verlassen wollen, um in die Wildnis zu ziehen, in betäubenden Trinkgelagen. Sie alle zerfleischen einander verbal in der kahlen, fast schwarz-weißen Kulisse, die einem oft vergessen lässt, das man eigentlich vor einem Farbfilm sitzt. In tragenden Momenten expressiv von Wellman in Szene gesetzt, ist das Haus im Nirgendwo mehr Friedhof als alles andere. Nur vereinzelt platziert er bunte Tupfer ins ansonsten bleiche Geschehen, etwa Robert Mitchums knallrote, stets den Rest des Bildes dominierende Jacke. Im entscheidenden Augenblick aber, ist sein Curt gezwungen, sie abzulegen und die schwarz-weiße seines toten Bruders zu tragen; im Kontext des Films so etwas wie die Übergabe eines verhängnisvollen Staffelstabes.

Ein als Western getarntes Familiendrama wird natürlich zu vielerlei Enttäuschung führen, erwartet man ein Litanei-artiges Herunterbeten der gängigen Genre-Regeln. Entsprechend war der dialoglastige Film ein massiver Flop an den Kinokassen, der noch heute gern in Wellmans Filmografie übersehen wird. Dabei beweist sich der Regisseur einmal mehr als herausragender  visueller Künstler, dessen Inszenierung weit über die gängige Mise-en-scène des Klassischen Hollywood hinausgeht. Was soll man auch anderes über einen Regisseur sagen, der seinem Publikum für die gesamte Dauer einer Beerdigungsszene eine Perspektive aus der Tiefe des Grabes aufbürdet? Ohne Abstriche ist Track of the Cat ein überwältigendes Kinoerlebnis; ein trostloses Urteil über den amerikanischen Gründungsmythos, ein Psychodrama, ein so gut wie farbloser Farbfilm, ein wie ein Stummfilm daher kommendes Theaterstück, ein kondensierter Abriss des menschlichen Kampfes gegen die Natur. In einem Wort: sehenswert.

[Ebenfalls zu lesen in der OFDb seit dem 26. Juli ’09.]


Zum Weiterlesen:

Beiträge zum Festival Il Cinema Ritrovato, das vom 27. Juni bis zum 4. Juli 2009 in Bologna stattfand.

Bildung tut gut

Während die Hype-Maschinerie der Comic-Con in San Diego alle Nase lang Trailer auf das Internet los lässt, muss hier mal etwas stilvolle Ruhe Einzug halten. Wer stattdessen mehr von Tron Legacy oder Alice im Wunderland von Tim Burton sehen will, findet sein Glück nach einem Klick auf die beiden Filmtitel.

An Education heißt jedenfalls der neue Film von Lone Scherfig, die zuvor u.a. für den Dogma-Hit “Italienisch für Anfänger” und “Wilbur Wants to Kill Himself” verantwortlich zeichnete. Ihr neuer Film basiert auf einem Drehbuch von Bestsellerlieferant Nick Hornby und erzählt eine Coming-of-Age-Story über ein 17-jähriges Vorort-Mädel (Carey Mulligan) im England der 60er Jahre, das durch eine Romanze mit einem wesentlich älteren, aber weltgewandten Playboy (Peter Sarsgaard) in Sachen Jazz, Ravel und Paris “fortgebildet” wird. Sophisticated nennt man das Ergebnis auf der Insel, aber all das lenkt sie natürlich von ihrer geplanten  Ausbildung in Oxford ab.

Wirkt der Plot auf den ersten Blick nicht allzu neu oder einfallsreich, lockt der Film trotzdem mit einer fähigen Regisseurin, einem anscheinend sehenswerten Sixties Setting, einem angeblich ziemlich gutem Drehbuch und als Krönung Alfred Molina und “Happy-Go- Lucky”-Sally Hawkins in Nebenrollen. In Sundance hat der Film bereits den Publikumspreis gewonnen. Bei YouTube findet man den Trailer auch. Ein deutscher Starttermin steht abseits von “voraussichtlich 2009” noch nicht fest.

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