Trailer: Public Enemy No. 1 – Todestrieb

Bei Filmstarts.de wird der erste Teil – Mordinstinkt – des Zweiteilers über den französischen Gangster Jacques Mesrine sinnigerweise als “Biopic-Drama” bezeichnet, dabei ist der Film voll von Action Setpieces. Anscheinend schraubt Regisseur Jean-François Richet im Nachfolger “Todestrieb” das Tempo noch einmal an, schließlich wird der dann schon als “Actionthriller-Biopic” gebrandmarkt.

Ungeachtet tendenziell verkrampfter Genre-Neuerfindungen auf deutschsprachigen Filmseiten, hat der erste Ausflug in das Leben Mesrines ungeheuer Lust und Vorfreude auf den Nachfolger gemacht. Public Enemy No. 1 – Todestrieb läuft am 21. Mai in deutschen Landen an.

Neben Vincent Cassel werden diesmal u.a. Mathieu Amalric (“Ein Quantum Trost”) und Ludivine Sagnier (“Swimming Pool”) zu sehen sein.

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=qcqBZkjFUSg]

Public Enemy No. 1 – Mordinstinkt (F/CDN/I 2008)

Das Destillat der puren Aggression ist die Figur Jacques Mesrine und in Vincent Cassel hat sie ihre perfekte Verbildlichung gefunden. Das schmale, vom Alter nicht übergangene Gesicht. Die spitze, herausfordernde Nase. Ein bisschen die teuflische Version eines James Dean; eine, die jedoch weiß, was sie tut.

Mesrine ist in Public Enemy No. 1 – Mordinstinkt keinesfalls das personifizierte Böse, dazu verpflichtet sich Regisseur Jean-François Richet viel zu stark den bereits in den Warner-Filmen der frühen dreißiger Jahre niedergelegten Erzählmythen. In seiner ziellosen Selbstzerstörung ähnelt er allerdings weniger Tom Powers (“The Public Enemy”) oder Tony Camonte (“Scarface”). Nein, diese Einwandererkinder sahen ihre Zukunft “on the top of the world” und ihre Welt war die Unterwelt. Mesrine, der von Raubüberfall zu Raubüberfall, Erpressung zu Erpressung durch sein Leben sprintet, manchmal stolpert und sofort wieder das Tempo anzieht, mag zwar das schnelle Geld locken. Sein chaotischer Lebensstil ähnelt eher dem der realen Gangster der frühen Depressionszeit, John Dillinger etwa oder Bonny Parker und Clyde Barrow.

Ungeachtet der vergleichsweise modernen Inszenierung, hält sich Richet an die klassisch-chronologische Erzählung dieses wilden Lebens, das im zweiten Teil Todestrieb seine Fortsetzung erfahren wird. Anders als seine klassischen Vorgänger ist Mesrines Weg in den verbrecherischen Lebensunterhalt weniger seinem sozialen Hintergrund geschuldet. Ganz im Gegenteil: Das gesicherte gutbürgerliche Leben seiner Eltern scheint ihn anzuwidern, Einschränkungen jeder Art – ob durch Gesetze, Ehefrauen oder Arbeitszeiten – wider seiner Natur zu sein. Als ein entwurzelter Algerien-Veteran kehrt er zurück in das Frankreich der frühen Fünften Republik und gerät durch den gestandenen Gangsterboss Guido (Gérard Depardieu) in die Geschäfte der ‘Szene’.

Den Auftakt bildet die Episode aus dem Algrienkrieg, sozusagen die Initiation Mesrines in das Geschäft mit dem Tod. Im Hintergrund des Gangsterlebens, das den von Cassel mit jeder Pore seines Körpers verinnerlichten Verbrecher bis nach Canada und in die USA führt, flimmern nicht zufällig immer wieder Fernsehbilder auf, hört man Radioausschnitte. Und immer wieder ist es de Gaulle, sind es die weiteren Entwicklungen der Algerienkrise und Guido hat auch noch Verbindungen zur OAS. Durchtränkt von Zeitgeschichte erhebt Richet seine mal faszinierende, mal abstoßende  Hauptfigur zum zutiefst französischen Helden der Krise, um ihm im gleichen Moment den Sockel unter den Füßen wegzureißen. An den Rand der plumpen Verherrlichung, der Versenkung im Gangster Lifestyle, gerät der Film schließlich eher selten, z.B. wenn er Mesrine und seine Freundin à la “Easy Rider” von Rockmusik begleitet durch Amerikas Westen jagen lässt.

Dass der Film sich in der zweiten Hälfte auffällig auf Action-Schauwerte – Schießereien, Gefängnisein- und Ausbrüche – verlegt, gerät kaum zum Nachteil des angepeilten Psychogramms. Wie Mesrines zunehmend blinde Wut ungeachtet aller Konsequenzen besser ins Bild setzen, als durch den absurden Angriff eines PKWs auf ein Hochsicherheitsgefängnis? Da ist er, Tom Powers, der mit einem Revolver aus Rache ins Hauptquartier der gegnerischen Gang stürmt. Doch Powers, ein öffentlicher Feind aus einer anderen Zeit, war noch von Motiven getrieben. Was auch für Motive angeboten werden, bei Anblick des Himmelfahrtskommandos kristallisiert sich einzig Mesrine heraus. Ist da wieder nur Cassels Gesicht, das eigentlich schon alles sagt. Beweggründe ausfindig zu machen, ist in Public Enemy No. 1 – Mordinstinkt letztendlich ein Spaß von zweifelhaftem Gewinn. Hinter diesen Augen verbirgt sich das Tier.


Zum Weiterlesen:

 

Public Enemy No. 1 – Todestrieb

X-Men Origins: Wolverine (USA/AUS/CDN 2009)

Auf eine ausufernde Diskussion im Anschluss des gestrigen Kinobesuches folgt hier eine Gastkritik meines MeWi-Kommilitonen Martin Schneider. Im Grunde bringt die folgende Kritik all das auf den Punkt, was auch mir bei Ansicht des Films durch den Kopf ging. Mit anderen Worten: Ich hätte zwar meinen Senf zum “Wolverine” – Spin off hier abgeben können, nur eben wesentlich weniger eloquent und mit mehr Schimpfwörtern.

Die Kritik enthält minimale Spoiler hinsichtlich der Frage, wie genau unser Held schließlich sein Gedächtnis verliert.

Das Erzählen von Geschichten vor den Geschichten scheint sich in diesem Jahr im Kino endgültig etabliert zu haben. Vor gut zehn Jahren gab George Lucas den Startschuss, als er die putzige Jugend des dämonischen und mystifizierten Darth Vader in „Episode 1: Die Dunkle Bedrohung“ dem Publikum entblößte. Spätestens ab diesem Moment schrumpfte die personifizierte dunkle Macht mit asthmatischen Zügen auf Otto-Normalverbraucher-Niveau. Und seitdem jeder Kinogänger die Motive eines Weltenbeherrschers verstehen kann, ist dann das Böse wirklich noch so furchteinflößend? Wirkt das sadistische Zungenschnalzen eines Hannibal Lecter überhaupt noch pathologisch, wenn der Zuschauer über das tragische Schicksal seiner Jugend Bescheid weiß? Nachdem Christopher Nolan mit seinem Reboot von “Batman” ein überraschend gutes Stück Arbeit gelungen war, zog Marvel jetzt nach, um die Vorgeschichte seiner “X-Men” zu erzählen. Mit Wolverine lief nun der erste „X-Men Origins“-Teil in den Kinos an.

Wolverine alias James (Hugh Jackman) wächst mit seinem Bruder Victor (Liev Schreiber) in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Nordwesten der USA auf. Beide besitzen die außergewöhnliche Fähigkeit, nicht zu Altern und unverwundbar zu sein. Dies macht ihnen ein Leben in der normalen Gesellschaft unmöglich, weshalb sie ihren Heimatort verlassen und untertauchen. Dennoch kämpfen beide Seite an Seite für ihr Vaterland an vorderster Front an allen wichtigen Kriegsschauplätzen. Dies wird eindrucksvoll innerhalb des Vorspanns erzählt, der ein gesamtes Jahrhundert umreißt und dabei vom amerikanischen Unabhängigkeitskrieg bis zum Vietnamkrieg geht. Als der General Stryker (Danny Huston) auf die Begabung der Beiden aufmerksam wird, rekrutiert er sie für besondere Einsätze in einer Special-Force. Die rabiaten Methoden des Generals, aber auch das rücksichtslose Vorgehen seines cholerischen Bruders, entsetzen James, der sich für mehrere Jahre in die kanadische Wildnis absetzt. Dort führt er ein spartanisches, aber befriedigendes Leben mit seiner Freundin. Doch er wird vom General gefunden, der Größeres mit ihm vor hat und ihn zur ultimativen Waffe machen will. Zunächst lehnt James ab. Als jedoch seine Freundin von seinem Bruder getötet wird, willigt er dem Experiment ein, um seine Rache an Victor in die Tat umzusetzen. Mit einem speziellen Metall, dem Adamantium, wird sein Skelett umhüllt, um ihn unverwundbar zu machen. Die Geburtsstunde von Wolverine.

Die Mixtur aus skurrilen Gestalten, die mit abnormen Fähigkeiten aufwarten und sich in den Kampf gegen oder für die Menschheit begeben und der für die “X-Men”-Trilogie typischen gesellschaftskritischen, Minoritäten unterstützenden Story, geht in diesem Film nicht auf. Denn eine Story ist, wenn überhaupt, nur in Fragmenten vorhanden. Das Drehbuch ist demnach auch die größte Schwachstelle von X-Men Origins: Wolverine, das zwar großen Wert darauf legt, eine Überzahl an Charakteren einzuführen, aber keine dieser auch nur ansatzweise zu vertiefen. Dabei bietet doch gerade der Bruderkonflikt zwischen Wolverine und Victor oder auch die tragische Vater-Sohn-Geschichte des Generals Stryker, der die Mutation seines Sohnes nicht verkraften konnte und daraus einen generellen Hass auf alle Mutanten entwickelte, einen herausragenden Filmstoff. Dagegen werden diese eigentlich starken Elemente mit albernen Zwischenbemerkungen beiseite geräumt. Schön, dass wir darüber gesprochen haben! Auch die Erklärung für Wolverines Gedächtnisverlust, der in den späteren/früheren Teilen signifikant ist, wird lächerlich lapidar dem Zuschauer vor den Latz geknallt: Eine Kugel aus Adamantium tötet Wolverine nicht, aber wird ihm das Gedächtnis rauben! Alles klar?!

Die Effekte hingegen sind gut gelungen, auf dem Stand der Zeit und lassen der Physis der Figur Wolverine genug Spielraum. Das hinein- und hinausschieben der Klingen sowie die Mann-gegen-Mann-Duelle sind launig, auch wenn manche Superzeitlupenaufnahme den Bogen überspannt. Generell ist dieser Film ungeheuer physisch und animalisch. Insofern wird er seinem Protagonisten, dem wilden Tier, voll und ganz gerecht. Was der Film im Übermaß an Körperlichkeit gewinnt, verliert er leider auf der Seite des Geistes.

Das Herumdoktern an der Vergangenheit von Filmklassikern mag in erster Linie ökonomischem Denken geschuldet sein. Doch wirkt sich dieses Eingreifen auch auf die filmgeschichtliche Wahrnehmung aus. Denn was bleibt einem Kunstwerk – besonders wenn es als gelungen betrachtet werden darf – wenn seine Abgeschlossenheit gebrochen wird und ihm verschiedenste Interpretationsmöglichkeiten nachträglich aufgedrückt werden. Es wird in Vergangenheit wie Zukunft beliebig und somit beliebig austauschbar. Am Ende bleibt dann so etwas wie der Killer-Mutant, der alle Eigenschaften eines X-Men besitzt, die ihn aber zu nichts mehr machen, als die Summe seiner Einzelteile, die irgendwie nicht zusammenpassen wollen.

[Ebenfalls veröffentlicht in der OFDb.]

The Fall (USA/GB/IND 2006)

Gemälde. Wie eine Sammlung von Gemälden wirken die Bilder, die sich im Kopf der kleinen Alexandria (Catinca Untaru) zu einer Abenteuergeschichte formen. Oftmals surrealistisch, als hätte Salvador Dali hinter der Kamera seinen Schnurrbart gezwirbelt. Zuweilen in ihrer extremen Betonung von Farbflächen wie eine malerische Version von Chen Kaiges “Gelbe Erde” wirkend. Dennoch ist Bewegung Lohn und Brot nicht nur Tarsems, der sie in den vielen Zeitlupen zelebriert, sondern auch des tragischen Helden und Erzählers Roy (Lee Pace). Der ist ein Stuntman in frühen Stummfilmen und wenn ein Stuntman eines kann, dann sind es Bewegungen, die der Star nicht auszuüben in der Lage ist. Stuntmen sind die unbesungenen wahren Helden der Filmwelt, denn Heldsein bedeutet, den eigenen Körper für eine höhere Sache in Gefahr zu bringen. Und was für eine höhere Sache ist das Kino!

Umso grausamer ist Roys Schicksal, denn er verliert seine Geliebte an den Star des Films. Sein verzweifelter Versuch, die Schöne mit einem Stunt zu beeindrucken, endet im Krankenhaus. Der Stuntman – im Liebeskummer ertrinkend – hat die Lust am Leben verloren. Er spürt seine Beine nicht mehr; ans Bett gefesselt ist er auf Alexandria angewiesen, um das zu bekommen, wonach er sich sehnt: Eine Überdosis Morphium. Das kleine Einwanderermädchen, das sich beim Orangenpflücken den Arm gebrochen hat, lockt er mit besagter Geschichte vom bösen Gouverneur Odious und den fünf Helden, die ihn gemeinsam zur Strecke bringen wollen.

Während die Realität des Krankenhauses in warmen Sepia-Tönen gehalten ist, entfaltet Tarsem die Fantasie des Mädchens in unglaublich farbenprächtigen Bildarrangements aus endlosen Wüsten, winzigen Eilanden im türkisfarbenen Meer und architektonischen Wunderdingen. Unwirklich und traumartig wirken die Schauplätze, doch sie alle sind auf unserer Erde zu finden. Keinem Computer sind sie entsprungen. Für diese Feststellung benötigt man weder Making Of, noch Audiokommentar. Die durchdringende Plastizität ist es hingegen, die Greifbarkeit des Dargestellten, nach der sich jahrhundertelang Maler gesehnt haben.

Doch Tarsem ist eben nicht nur der malerische Filmemacher, der ausgefallene Kostüme und Schauplätze zu ebenso märchenhaften wie wunderschönen und manchmal grausamen Tableaux vivants zusammenfügt. The Fall ist ein Film über den Film und die Quintessenz des Films ist Bewegung. Bezeichnenderweise sind Pferde hier sein liebstes Motiv. Ob das leblose Tier, das in den Credits aus dem Wasser gehoben wird und schon auf Roys Verletzung verweist oder die kurze Projektion, die Alexandria dank eines einfachen Lichtspiels zu sehen bekommt. Eadweard Muybridge hätte an diesem Film seine helle Freude gehabt. Mit Zeitlupenaufnahmen beginnt der Film und dermaßen betont Tarsem in Folge selbst die flüchtigsten Bewegungen seiner menschlichen und tierischen Körper, dass es naheliegt, “The Fall” als überstilisiertes Nichts abzutun. Wäre da nicht die ‘Realität’.

Roys tragische Liebe ist ein überaus melodramatisches Kontrukt, das sich nicht von ungefähr auch in seiner Geschichte wieder findet. Nichtsdestotrotz erscheint die Beziehung zwischen ihm und Alexandria ungemein natürlich. Zu verdanken ist das primär Catinca Untaru, die – und das ist im Film überraschend selten – schlicht wie ein normales Kind wirkt. Ihre wachsende Freundschaft zum suizidalen Stuntman gestaltet Tarsem mit überraschend viel Tiefe und Feingefühl. Gerade wenn sich das Drama in beiden Erzählebenen zuspitzt, beweist der ehemalige Videoclipregisseur ein figurenpsychologisches Talent, welches aus dem Film mehr als nur einen Bilderreigen, aus der Rahmenhandlung mehr als nur einen Vorwand macht. Schlussendlich weiß er, sein Medium auf eine Weise zu feiern, die schon Preston Sturges 65 Jahre vor ihm mit Hilfe eines einfachen Disney-Cartoons zur Meisterschaft gebracht hat. Manche Dinge ändern sich eben nie.


Andere Meinungen:

 

luzifus 6/10
Symparanekronemoi 8/10

Chef, my ass!

Eben noch für das Cannes Filmfestival ausgewählt, nun mit einem neuen Trailer am Start. Vengeance, der neue Film von Johnnie To, startet in knapp einem Monat in den französischen Kinos, so dass die Marketingmaschinerie langsam in Gang kommt.

Der zweite Trailer gibt nicht nur einen besseren Eindruck von der Story und den Englischkenntnissen Johnny Hallydays und Anthony Wongs. Als Bösewicht darf anscheinend Dr. Lamb höchstpersönlich – Simon Yam – auftreten, der hier übercool mit Sonnenbrille und Gewehr daherkommt. Auch wenn die etwas konventionelle Musik nicht an die des ersten Trailers herankommt, steigert sich beim Anblick Hallydays, der überaus gelassen Leute niedermäht, die Vorfreude langsam ins Unermessliche.

Ob Vengeance Johnnie To nun endlich zum internationalen Durchbruch verhilft, muss man sich unweigerlich bei dieser englischsprachigen Produktion fragen. Schon fürchten oder ersehnen Fans den Gang nach Hollywood. To hat sich für sein erstes internationales Projekt ausgerechnet an das Land von Alain Delon und Jean-Pierre Melville gewendet und das deutet zumindest an, dass er zu diesem Zeitpunkt nicht gewillt ist, den Pfad eines John Woo zu beschreiten. “Vengeance” spielt trotz oder gerade wegen des Hauptdarstellers in Hongkong und auch Tos geplantes Remake von Melvilles “Le Cercle Rouge” wird wohl in seiner Heimat gedreht werden. Genießen wir das, solange wir es noch können.

Bei Wildgrounds gibt es eine YouTube-Version des Trailers.

(via)

[vodpod id=ExternalVideo.814775&w=425&h=350&fv=file%3D600822e10a15449293dcca27537e633a%26]
Next up: “The Fall”.