K&K: Edizione Speciale V

Blonde Crazy (USA 1931)

James Cagney und Joan Blondell spielen zwei Trickbetrüger und damit ist eigentlich schon alles gesagt über diesen Film, der im Rahmen der Warner Bros.-Retrospektive auf dem Festival in Bologna lief. Blonde Crazy nimmt gewissermaßen Filme wie “Zwei hinreißend verdorbene Schurken” vorweg und kombiniert die Gauner- mit einer Love Story, die leider am Ende unnötig melodramatisch ausklingt.

Die damals wie am Fließband produzierten Warner-Filme waren und sind routiniert gemachte Unterhaltung, das gilt auch für diese Komödie von Roy Del Ruth. Ohne den Charme von Cagney und Blondell wäre “Blonde Crazy” aber nur uninspiriert inszenierte Füllmasse.

Shanghai Express (USA 1932)

Ganz anders verhält es sich mit Josef von Sternbergs Shanghai Express*. Wie der Name schon sagt, spielt der vierte Sternberg-Dietrich-Film in China, aber das sieht man sowieso kaum. Warum soll man auch China zeigen, wenn man Marlene Dietrich hat?

Wieder einmal ist sie die Frau mit geheimnisvoller Vergangenheit und verruchter Gegenwart. Shanghai Lily – so ihr Künstlername – war einst mit einem Arzt und Offizier (Clive Brook aus “Unterwelt”) liiert und trifft ihn nun wieder in diesem Zug, der noch einige andere zwielichtige Gestalten beherbergt.

In mitten der Wirren des chinesischen Bürgerkriegs müssen Brook und die Dietrich mit ihrer gemeinsamen Vergangenheit und dem fiesen Herrn Chang (Warner Oland, der in etwa so chinesisch aussieht wie Anthony Hopkins) ins Reine kommen. Mal abgesehen davon, dass dieser Film eigentlich weder Story noch nennenswerten Subtext abseits Sternbergs üblicher Obsessionen besitzt, ist er einer seiner besten.

Selten hat der Regisseur eine so geradlinige, einfache Liebesgeschichte erzählt. Vielleicht sieht Clive Brook nicht so gut aus wie Gary Cooper, vielleicht fehlt es dem ganzen Treiben an Spannung, schließlich hat Brook keine nennenswerten Rivalen. Das ist aber alles egal, wenn Sternberg eine der schönsten Einstellungen der Filmgeschichte aus dem Hut zaubert, die noch dazu den ganzen Film in wenigen Sekunden auf den Punkt bringt und die Dietrich mal eben zur Filmgöttin werden lässt. Bravo!

Touki-Bouki (SN 1973)

Ein Traum ist Touki Bouki, der auf Zelluloid gebannte Traum der Dritten Welt vom Leben in Europa und zugleich die Infragestellung desselben. Durchwoben von einem ausgeprägten, z.T. auch für europäische Augen verständlichen Symbolismus inszeniert Regisseur Mambéty episodisch die Geschichte eines senegalesischen Pärchens, dass sich nach der Auswanderung aus der aussichtslosen Heimat sehnt.

Touki Bouki ist ein visuell satter, ein bunter Film, der seine beschworene Magie mit dokumentarischen Aufnahmen des alltäglichen Lebens kombiniert und immer wieder einen ironischen Blick auf den Traum seiner Protagonisten wirkt. Wenn die zwei, auffällig westlich gekleidet, in einem Cabriolet durch die Straßen ihrer Heimat fahren, ist “Touki Bouki” so aktuell und sehenswert wie vor dreißig Jahren.


Zum Weiterlesen:

Alle Einträge zum Festival in Bologna.

*”Shanghai Express” ist einer der wenigen Sternberg-Filme, der in Deutschland auf DVD erschienen ist und zwar, ebenso wie “Marokko”, im Rahmen einer der unzähligen Editionen der Süddeutschen Zeitung.

Promo: New York, I Love You

Wie auch schon Paris, Je t’aime ist New York, I Love You, der kürzlich auf dem TIFF Premiere feierte, eine Sammlung von 12 Kurzfilmen international renommierter Regisseure. Die Starriege besteht diesmal u.a. aus Orlando Bloom, Christina Ricci, Eli Wallach (!), Natalie Portman und Shia LaBeouf.

Für die Besetzung der diversen Regiestühle konnten die Produzenten so unterschiedliche Talente wie Park Chan-Wook, Zach Braff, Fatih Akin, Jiang Wen (Yay!) und Brett Ratner (???) gewinnen. Angeblich sollen die nächsten Filme der Serie in Shanghai und Jerusalem spielen. Ein deutscher Starttermin steht jedoch noch nicht fest.

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Election 2 (HK 2006)

[Wie es sich für die Kritik einer Fortsetzung gehört, verraten die folgenden Absätze das Ende von “Election 1”, enthalten also Spoiler.]

Herr Lok ist eigentlich kein auffälliger Typ. Beim Elternabend würde er wahrscheinlich nur still dasitzen und höflich nicken, wenn über die Verwendung der Klassenkasse diskutiert wird. Vielleicht wundern sich seine Nachbarn über die auffällig gekleideten, meist männlichen Besucher, die Herr Lok in seiner Wohnung empfängt. Sofern sie über seinen Beruf nicht aufgeklärt wurden. Herr Lok ist nämlich der Chef der Triade ‘Wo Shing’. Dieser Herr Lok wird wie auch schon in Election vom vielseitigen Simon Yam gespielt, einen anerkannten Fachmann für Psychopathen. Wenn die oben genannten Kriterien auf ihren Nachbarn zutreffen, sollten sie sich Sorgen machen. Oder Telefonnummern mit ihm austauschen. Nach zwei Jahren, in denen Lok nun die Führung der Triade inne hatte, steht wieder eine Wahl an. Erst scheint es keinen ernsthaften Gegner zu geben, doch dann strebt der junge Jimmy (Louis Koo), Patensohn Loks, plötzlich das Amt an. Eigentlich wäre der lieber ein erfolgreicher Manager, doch seine Verbindungen auf dem Festland (sprich: der Volksrepublik China) zwingen ihn zur Bewerbung: Entweder er wird der Boss und bringt die Triaden unter Kontrolle oder alle wirtschaftlichen Transaktionen sind gestorben.

Dominierte “Election” noch die augenscheinliche Faszination des Regisseurs Johnnie To für die jahrhundertealten Rituale der Triaden, greifen die eleganten 92 Minuten der Fortsetzung nach dem düsteren Potenzial, welches das brutale Ende des Vorgängers angedeutet hatte. Damit wird Election 2 nicht nur ein dichter Spannungsbogen zu Teil, sondern auch eine Story, die offen den Anspruch auf eine epische Erzählung stellt. Anders als die Macher der “Infernal Affairs”-Trilogie verwehrt Regisseur To dem Zuschauer allerdings jene Momente dramatischen Pathos’, in denen die Orchesterbegleitung anschwillt und den Helden am Rande ihrer emotionalen Kapazitäten eine einsame Träne über die Wange läuft. Tos unterkühlter Blick auf das Treiben der Triaden unterbindet eine dermaßen tiefe Identifikation. Wenig überraschend ist es da, dass die Exponenten der Schwarzen Gesellschaft kaum althergebrachte Charakterisierungsversuche erfahren. Lok, Jimmy oder der Auftragskiller Jet (Nick Cheung) lassen ihre Taten sprechen.

Vielleicht lässt sich nur so ein in Mark und Bein gehender Effekt erzielen, wie ihn To am Ende von “Election” auf den Zuschauer los lässt. Der oberflächlich gesehen unscheinbar ruhige Lok sitzt da mit seinem  einstigen Rivalen beim Angeln. Lok hat die Wahl gewonnen, hat längst das Spiel um die Macht für sich entschieden. Doch dann macht sein neuer Verbündeter einen tödlichen Fehler: Er schlägt die Teilung der Macht vor. Und prompt wird ihm vom verstimmten Lok der Schädel eingeschlagen. Die Brutalität dieser (Männer-)Welt kommt problemlos ohne Motive aus, die über Schlagwörter wie Macht, Geld oder Ansehen hinausgehen. Lok, einmal angetan von seinem Führungsposten, will ihn eben nicht mehr hergeben und damit hat sich’s. Für Tos Triadenfiguren in den “Election”-Filmen wäre ein genauer Hintergrund, eine persönliche Geschichte überflüssig. So alt wie die Institutionen sind, denen sie dienen, sind ihre Motive, ihre Handlungsmuster. Mit dem Eintritt werden sie zu einem Rädchen in der Maschine, das sich in dieselbe Richtung dreht, wie schon hunderte andere vor ihm.

Insofern ist Louis Koo als ehrgeiziger Jimmy eine Ausnahmefigur. Sein Geld hat er mit Raubkopien gemacht, seine Kinder sollen einmal Ärzte oder Anwälte werden. Das sind die Träume einer Mittelstandsexistenz, die der Versuch legaler Geschäfte in Festlandchina manifestieren soll. Das Triadenleben soll nur eine kurze Episode sein auf dem Weg zum gut situierten, bürgerlichen Dasein. Mit dem Verlust seiner Distanz zum gewalttätigen  Triadengeschehen, also in der direkten Konkurrenz mit Lok, sind zunehmend auch seine Entscheidungen den blutigen Schablonen des Gangsterlebens nachempfunden. Gewinn und Erhalt der Macht rechtfertigen jedes Mittel.

Von “The Mission” über “Running out of Time” bis hin zu “Election” und “Exiled” gewinnen Johnnie Tos Regiearbeiten häufig durch die Paarung der Hauptfiguren ihre eigentliche Schwungkraft. So stellt er in ersterem den aufbrausenden Francis Ng neben einen stoischen Anthony Wong. “Election” funktioniert durch die Gegenüberstellung des zurückhaltenden Simon Yam mit dem lauten Tony Leung Ka-Fai auf ähnliche Weise. Wenn man so will, verzichtet To in Election 2 auf die besondere Chemie der Gegensätze und setzt auf gleichwertige Gegner. Wie schon die beiden Antagonisten in dem von To produzierten The Longest Nite sind sich Lok und Jimmy in ihrer berechnenden Kaltblütigkeit so ähnlich, dass sie sich zwangsläufig hochschaukeln in ihrer gewalttätigen Vorgehensweise bis einer von ihnen aus der Bahn geworfen wird. Seine Altersfreigabe ab 18 hat “Election 2” also unzweifelhaft verdient.

Einer gewissen Stilisierung seiner Gangster entgeht auch Johnnie To nicht, wenn er die zumeist wortkargen Männer an der Kamera vorbei ins nichts blicken lässt wie Westernhelden, die auf das nächste Duell warten. Dass der Regisseur ein Meister darin ist, auf einer schwarzen Leinwand die Gesichter seiner Figuren mit präzise gesetzten Lichtpunkten  aus dem Dunkel heraus zu schälen, sorgt auch nicht gerade für eine realistische Ästhetik. Diese zuweilen expressionistische Herangehensweise ist am Ende, nach all dem vergossenen Blut und der erlebten Abgründe menschlichen Machtstrebens, aber eine angebrachte Wahl. Tos Leistung liegt schließlich weniger im Realismus als in seiner unsentimentalen Herangehensweise an das organisierte Verbrechen Hongkongs.

Mit dem steigenden Einfluss der Volksrepublik sind die Zeiten endgültig im Wandel begriffen. ‘Früher war nicht alles besser’, sagte uns “Election”. ‘Die Vorzüge der Zukunft werden teuer erkauft’, ist die Weisheit der Fortsetzung. Johnnie Tos im Gewand eines Thrillers daher kommende Verweise auf das Hongkong nach dem 1. Juli 1997, die weder das Gestern noch das Morgen glorifizieren, lassen “Election 2” über unzählige Triadenfilme der ehemaligen Kronkolonie und auch seinen Vorgänger obsiegen. Rund zehn Jahre vorher hatte Simon Yam schon mal einen ruhigen, gerechten Boss in  der erfolgreichen “Young and Dangerous”-Reihe gespielt. Johnnie To reißt in Election 2 diesem viel zu netten Kerl die sympathische Maske vom Gesicht und fördert eine machtgierige, hässliche Fratze zu Tage.


Zum Weiterlesen:
Kritiken zum Hongkonger Kino und natürlich Election.

Tom Tykwer feat. Clive Owen: The International

Tom Tykwer wagt den Schritt auf das internationale Parkett mit seinem Thriller The International (was für ein Wortspiel!), in dem Mr. Badass himself, Clive Owen, sozusagen Jason Bourne vertritt und als Interpol-Agent allerhand Verschwörungen aufdecken muss.

Der bei uns leider erst am 12. Februar startende Film ist mit Naomi Watts, Armin Müller-Stahl und Ulrich Thomsen (“Das Fest”, “Adams Äpfel”) wie auch schon Tykwers letzter, “Das Parfüm”, vielversprechend besetzt.

Einsehen kann man den zweiminütigen Trailer bei Twitch oder unten:

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=GgMPsAzR9l8]

Neues von Joe Wright und Gus Van Sant

Schritt für Schritt nähern wir uns der Oscar-Saison. d.h. wir befinden uns sozusagen in den Vorwehen derselben.

Entsprechende Filme bewerben auch zur Zeit aktuelle Trailer, sofern diese sich nicht um die Martini- Eskapaden eines britischen Geheimdienstlers drehen.

Gus Van Sants neues Biopic Milk, das am 29. Oktober in Deutschland anläuft, hat dahingehend durchaus Potenzial.

Der titelgebende Harvey Milk (Sean Penn) war der erste bekennende Homosexuelle, der in den USA in ein öffentliches Amt gewählt wurde. Er diente nämlich in den Siebzigern als Stadtrat von San Francisco bis sein Leben ein tragisches Ende nahm.

Neben Penn werden Josh Brolin, Emile Hirsch und James Franco in dem Film zu sehen sein. Bryan Singer plante übrigens ein ähnliches Projekt unter dem Titel “The Mayor of Castro Street”. Der Streik der Drehbuchautoren verhinderte jedoch eine direkte Konkurrenz mit “Milk”.

Runterladen kann man den Trailer bei MovieMaze. Fehlt es an Festplattenkapazität macht’s auch die YouTube-Version:

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=WW0lQrWn5VI]


Joe Wright, der mit “Abbitte” Anfang des Jahres Platz eins meiner Top Ten und ein paar Oscarnominierungen eroberte, schickt die Literaturverfilmung The Soloist ins Rennen um diverse goldene Statuetten.

Der Inhalt wird wie folgt aussehen:

Steve Lopez (Robert Downey Jr.), Zeitungskolumnist der LA Times, trifft in den Straßen von Los Angeles durch einen Zufall das ehemalige Wunderkind der klassischen Musik Nathaniel Anthony Ayers (Jamie Foxx). Mit viel Verständnis, Geduld und durch die Kraft der Musik versucht Lopez, dem schizophrenen, obdachlosen Cellisten wieder eine Perspektive zu geben und ihn auf den richtigen Weg zurückzubringen.  [Quelle: Filmstarts.de]

Da es leider keinen Oscar “for just being awesomely cool” gibt, den Mr. Downey für “Iron Man” sicher in der Tasche gehabt hätte, wird’s vielleicht etwas mit dem dramatischen Soloist.

Der Trailer wirkt ein wenig wie Tränendrüsenkino, aber Wright hat bereits zweimal gezeigt, dass er einer ist, auf den man in Zukunft achtgeben sollte. Mal sehen, wie er nach “Abbitte” und “Stolz und Vorurteil” mit einem Stoff aus der Gegenwart zurechtkommt.

Abgerundet wird das Ensemble um Downey Jr. und Foxx mit Tom Hollander (“Fluch der Karibik”) und Catherine Keener (“Capote”).

The Soloist startet bei uns am 22. Januar.

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