Infernal Affairs (HK 2002)

Glaubt man, das Hongkong-Kino auf Filme über extravagant gekleidete Triaden-Mobster, die sich Zeitlupenschießereien zu überschwänglicher Synthie-Musik liefern, reduzieren zu können, so hat man entweder einen fanatischen Faible für die frühen Werke John Woos oder kein Interesse am Filmexport der Sonderverwaltungszone im Süden Chinas.

Dass auch der gelegentliche Filmkonsument einiges an spannender Thrillerkost verpasst, wenn nur Hollywood auf seiner Kinokarte steht, beweist die Infernal Affairs-Trilogie (2002-2003 (!)) von Andrew Lau und Alan Mak. Deren erster Teil diente bekanntlich als “Inspiration” für Martin Scorseses Oscaransammlung The Departed.

Genau wie im Remake wird die Geschichte zweier Cops erzählt, die eines gemeinsam haben: Sie sind Gangster. Der eine, Inspektor Lau (Andy Lau, Bild rechts; Superstar, Sänger und bekannt aus House of Flying Daggers), ist ehrgeizig, adrett und in Wirklichkeit ein in die Polizei eingeschleuster Spitzel der Triaden.

Der andere, Yan (Tony Leung, Bild links; Superstar, Sänger, bekannt aus so ziemlich jedem Film von Wong Kar-wai, sowie Hero), arbeitet für genau diese, ist aber eigentlich ein Spitzel der Polizei. Klingt kompliziert, ist aber so. Natürlich läuft alles darauf hinaus, dass die beiden von ihren wahren Vorgesetzten darauf angesetzt werden, die Identität des jeweils anderen herauszufinden. Auf die folglich unvermeidliche Konfrontation arbeitet die flotte Erzählung geradezu unbarmherzig hin und wird nur selten durch Cantopopsongs und sentimentale Flashbacks unterbrochen; nervige Stilmittel, welche bei einer solch fähigen Besetzung unnötig sind und in Teil Zwei dann auch ganz verschwinden.

Hätte John Woo diesen Film gedreht, hätten die beiden Männer sich wohl in der Mitte des Films verbrüdert und das Böse dieser Welt – d.h. zwischen 100 und 200 anonyme Killer, die ihr ganzes Magazin leer schießen können ohne zu treffen und generell mit wild wedelnden Armen das Jenseits betreten – in einer Reihe zehnminütiger Shootouts beseitigt. An dieser Stelle sei gesagt, dass die Hongkongphase des Herrn Woo einige Schmankerl hervorgebracht hat, die man einfach gesehen haben muss, um die body count zu glauben.

Infernal Affairs ist aber kein Actionfilm, sondern ein Thriller, der mit einer spannenden, und im Gegensatz zu seinem Remake, auch straff gefädelten Story aufwartet. Während Yan zunehmend am Dasein als Undercovercop leidet und eigentlich nur ein Gesetzeshüter sein will, verfängt sich Polizist Lau in seinen verhängnisvollen, kriminellen Verpflichtungen. Um Identitätsfindung geht es also in Infernal Affairs, aber gerade auch um die Frage, welche Konsequenzen man in Kauf nimmt, um dem Guten zu dienen. Dieses buddhistisch geprägte Grundthema hebt den Film von vielen anderen Werken aus Hongkong wohltuend ab, denn ihm genügt zur Charakterzeichnung nicht nur ein angedeuteter Ehrenkodex und ein cooler Anzug.

Die moralische Zwiespältigkeit der beiden Protagonisten erfasst auch die anderen (männlichen) Figuren. Triadenboss Sam (Eric Tsang) etwa und dessen Gegenspieler Inspektor Wong (Anthony Wong, Bild rechts), die sich seit Jahren ein Katz-und-Maus-Spiel liefern, das auf dem Rücken ihrer jeweiligen Spitzel ausgetragen wird. In einer der besten Sequenzen des Films treffen die beiden “Bosse” aufeinander und liefern sich ein zunächst fast freundschaftliches Wortduell, dass am Ende in Todesdrohungen ausartet.

Dabei liegen die Sympathien des Films recht eindeutig bei der Polizei, was jedoch nicht in einer tumben Dämonisierung der “Bösen” ausartet. Ebenso wenig mystifiziert Eric Tsang (Bild links) seinen Gangsterboss, in dem er ihn zum allmächtigen, monologisierenden Paten hochspielt. Wenn er auf der Flucht vor der Polizei nervös durch eine Tiefgarage stolpert, dann offenbart er damit die eigene Schwäche und entblößt seine Hilflosigkeit jenseits der Triadenstruktur.

Alles in allem erweist sich Infernal Affairs als aalglatter Thriller, der es, was die Schauspieler, die visuelle Umsetzung und die verblüffende Story betrifft, ohne weiteres mit jedem Blockbuster aus dem Westen und erst recht seinem erfolgreichen Remake aufnehmen kann.


Zum Weiterlesen…
Infernal Affairs II
The Departed

Tödliche Versprechen (GB/CDN/USA 2007)

Mein letztes Referat für dieses Semester liegt nun endlich hinter mir, so dass die sträfliche Vernachlässigung dieses Blogs ein Ende hat.

Als Anfang gibt’s hier ein paar Worte zu David Cronenbergs aktuellem Werk “Eastern Promises”, für dessen deutschen Titel höchst einfallsreich Tödliche Versprechen gewählt wurde. Der verantwortliche Ex-Ich-mach-was-mit-Medien-Student gehört entlassen oder nach Sibirien, aber das nur am Rande.

“Tödliche Versprechen” gibt sich als Thriller, der die Rituale und Traditionen der russischen Mafia (hier in London) analysiert und ihre Brutalität offenzulegen versucht. Die Betonung liegt hier auf “versucht”.

Der Stein des Anstoßes dafür ist der Tod einer Zwangsprostituierten, deren Tagebuch in die Hände einer Ärztin (Naomie Watts) gelangt. Die kann natürlich kein Russisch und lässt es bei einem freundlichen älteren Herrn und Restaurantbesitzer (Armin Müller-Stahl) übersetzen, nichtsahnend, dass dieser ein russischer Vito Corleone ist. So trifft sie auch dessen Fahrer (Viggo Mortensen), der der nächste große Mann im Klan zu sein scheint.

Wer hier nun ein Mafiagroßwerk à la Goodfellas auf kyrillisch erwartet wird enttäuscht werden. Doch selbst als reiner Thriller funktioniert “Tödliche Versprechen” nicht wirklich. Die dünne Story ist gerade im Mittelteil spannungsmindernd, die ungelenk wirkenden Tagebuchauszüge aus dem Off und die beeindruckend realistische Darstellung des Alltags der Zwangsprostituierten deuten hier und da ein Thema an, das viel zu selten im Kino aufgegriffen wird, doch stellt sich Cronenberg selbst ein Bein, wenn seine Inszenierung eine solch offene Faszination mit den Ritualen und Symbolen der russischen Mafia an den Tag legt.

Die Kamera erfreut sich am tätowierten, muskelbepackten Körper Viggo Mortensens, was in einem fragwürdigen Gegensatz zu den leblosen, mit blauen Flecken übersähten Körpern der Prostituierten steht und am Ende einigermaßen unentschlossen wirkt. Will Cronenberg diese (betont maskuline) patriarchalische “Gesellschaft” der Mafia anklagen?

Dem steht die Stilisierung des männlichen Körpers besonders in der Badehaus-Sequenz gegenüber, die wohl den Höhepunkt des Films markiert und die ganze Prostituierten-Problematik klar in den Schatten stellt.

Schauspielerisch gesehen sind gerade Armin Müller-Stahl und Vincent Cassel Lichtblicke in Tödliche Versprechen. Ersterer mutiert sekundenschnell vom charmanten Opa zum eiskalt kalkulierenden Pate, letzterer gibt den schwächlichen Sohn desselben.

Leider wird der Verlust des Fokus’ der Erzählung in der Mitte des Films auch noch durch eine stellenweise ideenlose Inszenierung bereichert. Die Schaupieler können “Tödliche Versprechen” wohl kaum im Alleingang retten. Cronenbergs Freude an antiklimaktischen Erzählweisen verliert ganz einfach an Wirkung, wenn er sein Interesse auf zuviele Themen verteilt.

Melancholia

Keiner kann großstädtische Melancholie und Liebesschmerz so schön darstellen wie der Hong Kong-Regisseur Wong Kar-wai, dessen Filme Chungking Express, In the Mood for Love und 2046 davon Zeugnis ablegen (alle sind zu empfehlen!).
Nun wagt der Meister der Neonlichter und Imbisse einen ersten Schritt ins Ausland, nach Amerika. Am Stil hat sich dabei scheinbar wenig geändert, zumindest was die nächtlichen Stadtdarstellungen samt ihrer einsamen, verlorenen Seelen betrifft.
“My Blueberry Nights” heißt das Werk. Es startet bei uns am 24. Januar und die Besetzung allein entschädigt schon für den Weg zur Kasse:
Die (Na was wohl? Melancholische!) Jazzsangerin Norah Jones gibt ihr Schauspieldebüt neben Jude Law, Natalie Portman, Rachel Weisz und David Strathairn (Good Night and Good Luck).
Der nächste Spielfilm von Wong Kar-wai wird voraussichtlich ein Remake von Orson Welles’ “The Lady from Shanghai” sein. Ich bin gespannt.
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Brügge wie es leibt und lebt

Coole Gaunerkomödien sind ja schon seit langem ein Steckenpferd der britischen Filmindustrie. Nachdem sich der Maestro in diesem Genre, Guy Ritchie, sich in den letzten Jahren eher verfahren hat, gibt’s weiter Nachschub für die Fans in Form des ein oder anderen Debütfilms.
Am 24. April 2008 wird bei uns beispielsweise der Film “In Bruges” anlaufen, der auch das renomierte Sundance Film Festival eröffnen wird. Das Erstlingswerk von Martin McDonagh, dessen Trailer (siehe unten) äußerst amüsant ist, versammelt Colin Farrell, Brendan Gleeson und Ralph Fiennes als Auftragskiller in der titelgebenden Stadt Brügge in Belgien.
Shootouts in mittelalterlichen Stadtkernen sind im Kino meiner Meinung nach viel zu selten zu sehen und was soll man noch gegen einen Film sagen, der mit der Tagline “Shoot first. Sightsee later.” aufwartet?
Irgendwie klingt Ralph Fiennes hier auch noch wie Charlie Croker, äh, Michael Caine in The Italian Job. Die Freuden englischer Dialekte…
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WALL-E lebt!

Wer Pixars neue Charakterkreation WALL-E erstmals sieht könnte sich an seine Kino-/Fernsehkindheit erinnert fühlen, als ein Roboter namens Nummer 5 die Leinwände/Bildschirme in zwei Filmen unsicher gemacht hatte.

Hier noch einmal der direkte Vergleich:

Nummer 5 versus WALL-E

Ich sag’s mal so: Nummer 5 hat mich schon als Kind dermaßen genervt, dass ich mit ihm gern einen Schrotthaufen aufgesucht hätte. WALL-E dagegen ist einfach nur anrührend lustig.

Der amüsante Trailer für Pixars neuesten Streich ist verheißungsvoll:

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