Kontrapunkt: Trash III

Bei so viel 70er-Jahre-Blödsinn kann man sich nicht wundern, dass ich dieses Mal nur zwei Filme bespreche. Danach wäre einfach der Fernseher vor Scham implodiert.

Die Brady Family (USA 1995)

Oder: Eine achtköpfige 70er-Jahre-Familie gegen die bösen 90er. Nette Idee, aber einfach nur nervtötend, wenn die penetrant gut gelaunten menschlichen Anachronismen biedere Ratschläge geben und Werte wie Familienzusammengehörigkeit und sexuelle Zurückhaltung predigen, als würden wir noch in den 50ern leben. Zudem lassen sich zwischen der ganzen Fröhlichkeit und einigen immerhin im Ansatz schlüpfrigen Bemerkungen keine wirklich ernsten Konflikte erkennen, die ausgefochten werden müssen, welche die Handlungsentwicklung des mit Karo- und Punktmustern visuell außergewöhnlichen Films zumindest ansatzweise interessant gemacht hätten. Die drohende Versteigerung des Hauses wird als nicht so schlimm abgetan, man hat ja noch die Familie. Und dass die größere Schwester mehr Aufmerksamkeit bekommt als die mittlere, welche deshalb Komplexe ausbildet, ist doch auch nicht tragisch, wenn man eine Familie ist. Würg! Mehr zum filmischen Heile-Welt-Brechmittel hier.

Kitty & Studs – Der italienische Deckhengst (USA 1970)

Sylvester Stallones erste peinliche Hauptrolle, in alternativen Versionen auch unter den einprägsamen Titeln „Italian Stallion“ oder „Bocky – Ein Mann steckt einen weg“ bekannt. Die Story um einen heimgekehrten Vietnamveteran (Stallone) den eine Mädchenhandel-Organisation verfolgt, weil der bei ihnen Schulden gemacht hat, ergibt durch zwei nicht mit-, sondern nebeneinander stehenden Handlungssträngen keinen Sinn und verliert sich alsbald in unmotiviertem Rudelgeknatter mit behaarten 70er Jahre-Durchschnitts-Pussies. Der sichtbar als Sonderangebot produzierte, dilettantisch inszenierte C-Film besteht ohnehin eher aus Nackedeis und blöder Pseudo-Action als aus technischen Feinheiten. Hinzu kommt die dümmste Synchronisation ever, die eigentlich eine Mischung aus halbwegs zur Szene passendem Dünngelaber (ohne erkennbare Lippenbewegungen der Darsteller) und Voice Over mit verbalisierten Gedankenblasen (nein, nix Perverses) darstellt. Eine grottige Jugendsünde Sylvester Stallones, dessen kleiner – ich betone: kleiner – Freund hier auch zu sehen ist.

Kontrapunkt: „Nennen Sie mich Snake!“

Neben „Halloween“ (1978) und weiteren Horrorfilmen, die er in den 80er Jahren inszenierte, machte John Carpenter in seiner Karriere bisher vor allem mit der Sci-Fi-Action Die Klapperschlange („Escape from New York“) von sich reden. Mit Snake Plissken schuf er die Kultfigur eines einäugigen Einzelkämpfers und verhalf Kurt Russell mit weiteren gemeinsamen Produktionen (u. a. „The Thing“, 1982) zum Durchbruch als Schauspieler.
Im Jahre 1988 explodiert die Verbrechensrate in den USA, wes- wegen beschlossen wird, die Halbinsel von New York in ein Hoch- sicherheitsgefängnis zu verwandeln, welches umgeben ist von Wachtürmen. Sämtliche Zufahrtswege werden kontrolliert, die Häftlinge auf der Insel sich selbst überlassen. Dumm nur, dass 1997 das Flugzeug des US-Präsidenten (Donald Pleasence) entführt und hineingesteuert wird. Doch im letzten Moment kann er, der wichtige Unterlagen zur Kernfusion für eine Konferenz bei sich trägt, in einer Rettungskapsel fliehen und landet mitten in New York. Der ehemalige Elitesoldat und verurteilte Verbrecher Snake Plissken wird beauftragt, ihn zu finden und zurück zu bringen. Ihm injizierte Mini-Sprengsätze machen ihn gefügig. Nachdem er auf dem Luftweg in die Stadt gelangt ist, knüpft er schnell Verbindungen mit dem Taxifahrer Cabbie (Ernest Borgnine), der ihm auf seiner Suche behilflich ist. Auch trifft er einen alten Bekannten (Harry Dean Stanton) wieder, mittlerweile Handlanger von „The Duke“, des inoffiziellen Herrschers von New York.

John Carpenter gelingt es abseits des düsteren Polizeistaat-Szenarios eindrucksvoll, das Bild dieser kriminellen Subkultur zu zeichnen. In der düsteren Zukunft stehen sich dabei die militarisierte Gesellschaft und jene marode der Delinquenten gegenüber, die einen Staat im Staat formen. Die Sets zwischen kalter Technisierung (als Symbol für Fortschritt) auf Seiten des Polizeistaats und dreckiger, kaputter Vorhölle, die von gewaltbereiten Freaks bevölkert werden, zeugen von einem differenzierten und realistisch anmutenden Blick auf die Dystopie. Mitten unter den Schwerverbrecher einer von ihnen: Snake Plissken. Jeder auf der Insel scheint ihn zu kennen und für tot zu halten – warum wird wie seine stets angesprochene Vergangenheit Macguffin-like nie erklärt. Snake ist ein harter Kämpfer mit Schlangen-Tattoo auf dem Bauch und schäbiger Lederjacke, der auf die Zukunft der USA, einem Staat am Abgrund, pfeift. Snake muss sich in handgemachten Actionszenen beweisen, wenn er gegen den besten Kämpfer der kriminellen Subkultur im Ring antreten muss und schließlich auf einer verminten Brücke zusammen mit dem zuvor mit Perücke und Schminke erniedrigten Präsidenten die Flucht antritt – stets verfolgt von „The Duke“ und im Kampf gegen die Zeit. Bis er schließlich allen Autoritäten seine Verachtung entgegen schleudert: Ein Nennen beim Vornamen ist jetzt nicht mehr erwünscht und sie können froh sein, wenn er sie am Leben lässt.

Doch während die Pyrotechniker und Setdesigner in Snakes erstem Auftritt alle Hände voll zu tun hatten, bekamen in der um ein Vielfaches teureren Fortsetzung Flucht aus L.A. („Escape From L.A.“) verstärkt die Special Effects-Designer zu tun. Auch ist die Synthesizer-Musik im Vorspann einer rockigeren Version gewichen. Mittlerweile schreiben wir das Jahr 2013, Los Angeles wurde nach einem furchtbaren Erdbeben zu einem Hochsicherheitstrakt umfunktioniert, der christlich-reaktionäre und auch noch larmoyante US-Präsident auf Lebenszeit vereidigt, ein Krieg steht unmittelbar bevor und Snake wurde mal wieder geschnappt, nachdem er etwas in Cleveland ausgefressen hat. Das Problem diesmal: Die Präsidententochter Utopia (was für ein Name!) hat ein Flugzeug entführt mit einer Black Box an Bord, welche ein System beinhaltet, mittels EMP (wer „The Matrix“ gesehen hat, weiß, wovon ich rede) die elektronischen Systeme der gesamten Welt auszuschalten. Snake wird mit der Tötung von Utopia und der Sicherstellung der Blackbox betraut und mit der unbemerkten Verabreichung eines (angeblichen) Nervengifts gefügig gemacht. Nachdem er unerkannt die Insel erreicht hat mittels eines Trips per Atom-U-Boot mit der effekthascherischsten (und am schlechtesten getricksten) Unterwasser-Sequenz ever, trifft er sofort auf Pipeline (Peter Fonda – wer hat sich eigentlich die peinlichen Rollennamen ausgedacht?), der ihn als Snake erkennt, wohl gesonnen ist und ihm den Weg weißt. Im CGI-L.A. gerät er zunächst an eine Bande von schießwütigen Schergen, die er – gesegnet mit zwei Pistolen im Oberschenkelhalfter – zu einem Duell herausfordert. Hier deutet sich die Western-Motivik an, die Carpenter in „Vampires“ noch stärker herausarbeitete. Dann gerät Snake an eine Horde von brutalen Chirurgen (unter Führung von Oberschnetzler Bruce Campbell in einer ironischen Rolle), die Menschen bei lebendigem Leib Organe entnehmen (was keine Relevanz für die Handlung hat), bevor er zu Cuervo Jones, den wie Ché Guevara aussehenden Chef von L.A., vordringen kann, der ihn prompt in einem Basketball-Match auf Leben und Tod antreten lässt. Snake, den scheinbar wieder alle kennen und für tot halten, gewinnt das natürlich und ihm gelingt es mit Hershe, einem alten Bekannten aus Cleveland, und einem gewagten Flugmanöver mit Drachengleitern wie einer langweiligen Schießerei an die Blackbox zu gelangen.

Kurt Russell passten zwar seine alten Klamotten aus Teil 1 noch, doch wurden diese im Verlauf des Films durch „feuerabweisende“ Kleidung – einen wirklich coolen Ledermantel plus –hose – ersetzt. Er wirkt auch nicht mehr ganz so in Form wie 15 Jahre früher, teilweise gar etwas lahm, was sich insbesondere in der Steifheit offenbart, mit der er in den Actionsequenzen agiert. Und ich meine dabei nicht, dass er auch hier wieder am Bein verletzt wird. Leider krankt „Escape from L.A.“ vor allem an seinen absurden Einfällen (hanebüchener Höhepunkt: der Wellenritt quer durch Los Angeles) und der Überfrachtung mit mäßigen CGI-Effekten, welche allzu deutlich das Ende der realen Sets erkennen lässt. Es ist immer noch cool, wie Raubein Russell den Wertevorstellungen der amerikanischen Gesellschaft, in der mittlerweile Alkohol und das Rauchen verboten sind, ans Bein pinkelt, doch mit Originalität hat das leider nichts mehr zu tun. Dem stilbildenden Klassiker folgte leider nur eine zwar immer noch kultige, aber etwas gehaltlose Fortsetzung, die sich gleichzeitig auch dreist als Remake versteht (was man nicht so richtig akzeptieren will).

Doch nachdem es um Carpenter als Regisseur nach seinem Mars-Zombie-Desaster „Ghosts of Mars“ von 2001 ruhig geworden war, sind für 2010 gleich drei neue Projekte von ihm angekündigt, auf die ich mich freue. Mit „The Ward“, einem Geisterschocker, knüpft er wieder an seine Wurzeln im Horrorgenre an. Mit welchem Ergebnis bleibt indes abzuwarten, ist eine erste Aufnahme vom Set doch eher weniger aussagekräftig.

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Kontrapunkt: Herzschmerz

Die „Romantische Komödie“, kurz: RomCom, weißt einige Merkmale auf, die beinahe jeden Vertreter des Genres vorhersehbar werden lässt: Ein ungleiches, sich zunächst ablehnend gegenüberstehendes Paar bestehend aus einer extro- und einer introvertierten Person findet zusammen und wird am Ende mit einem sich aus der Charakterzeichnung der Figuren ergebenden Konflikt konfrontiert, welcher diese Verbindung wieder infrage stellt. Hab ich Recht? Bei diesen drei Filmen ganz sicher.

Die Standesbeamtin (CH 2009)

Oder: obiges Schema in der Schweiz. Rahel (Marie Leuenberger) arbeitet als Standesbeamtin in der Alpenrepublik und ist unzufrieden mit ihrer Ehe. Als sie den feschen Musiker Ben (Dominique Jann) wieder trifft, mit dem sie eine gemeinsame Band- Vergangenheit verbindet, keimen alte Gefühle von seiner Seite wieder auf. Dumm nur, dass er doch eigentlich der tussigen Schauspielerin Tinka (Oriana Schrage) das Ja-Wort geben will – organisiert von Rahel. Abgesehen von spärlich eingesetzter Situationskomik ist diese Beziehungsdramödie in Schwizerdütsch eher ernster Natur – und schwerfällig. Mit zahlreichen Konflikten gesäumt (Auftritt des Sohnes auf dem Flohmarkt, Fremdgehen von Rahels Ehemann) strahlt das klebrige Happy End im Sonnenuntergang umso mehr. Wer noch nicht genug hat von meinem Gemecker: klick.

Die nackte Wahrheit (USA 2009)

Kein Larry Flynt, dafür aber Gerard Butler, der als Macho-Moderator mit titelgebender Sendung die Quoten retten und der Produzentinnen- Emanze Katherine Heigl beibringen soll, wie Männer ticken, damit die auch mal wieder einen abbekommt. Ein Haufen von schmutzigen Sprüchen und urkomischen Situationen (missglückte Katzenrettung, vibrierender Slip) ist also dank des Mutes von Frau Heigl zur Peinlichkeit vorprogrammiert. Dieses Konzept unterhält trotz mangelnden Tiefgangs ganz gut, bis der Film von jetzt auf gleich einen Schlenker von rüder und ehrlicher Geschlechter-Komödie mit wahrhaftigen Erkenntnissen (Männer wollen nur Sex; Nie kritisieren! Hin und wieder zappeln lassen!) zu kuscheligem und wenig pointiertem Liebesfilm vollzieht, wenn der Macho plötzlich doch Gefühle hat, was ihn in der Belanglosigkeit versickern lässt.

Auf die stürmische Art (USA 1999)

Mal wieder ein deutscher Titel, der einen Preis verdient für die dümmste Übersetzung. Der schüchterne und biedere Klappentexter Ben (blass wie immer: Ben Affleck) ist nach einem Flugzeugcrash gezwungen, von seinem Junggesellenabschied über den Landweg zu seiner Hochzeit zu reisen. Doch eine Reihe widriger Umstände sorgen neben der zufälligen Anwesenheit der durchgeknallten Sarah (wie immer gut: Sandra Bullock) dafür, dass er über seine Hochzeitspläne noch mal nachdenkt. Interessanter als der Handlungsverlauf ist dabei jedoch das Visuelle des Films, das mit zahlreichen Blenden, hoher Farbsättigung und Kamerapositionen fernab der Horizontalen nahezu videoclipartig daherkommt. Dieser Formalismus steht zwar der Identifikation mit den Figuren im Weg, vermag aber Originalität zu versprühen. Dies kann man von dem mäßig witzigen Film (immer wieder hagelt es Kommentare gegen die Ehe) mit seiner wenig plausiblen Wendung zum Anders-als-erwartet-Happy End nicht behaupten.

Geht zwar nicht als RomCom durch, passt aber trotzdem zu „Herzschmerz“:

Heavenly Creatures (GB/D/NZ 1994)

Als Pauline (Melanie Lynskey) die zugezogene Juliet Hulme (Kate Winslet in ihrer ersten Rolle) kennenlernt, verbindet sie fortan eine intensive Freundschaft. Sie träumen sich in ihre mittelalterlich angehauchte, perfekte Welt, in der sie zusammen über aus Ton geformte Figuren regieren. Als die Eltern zur Unterbindung der lesbischen Züge der Freundschaft die beiden Mädchen trennen wollen, kommt es zu einer Gewalttat. Noch schlimmer als die hysterische Inszenierung vom späteren Ork-Dompteur Peter Jackson mit ausschweifenden Traumsequenzen und die kitschigen Dialoge sind einzig die beiden Hauptdarstellerinnen. Insbesondere geht dem Zuschauer Melanie Lynskey mit ihrem finsteren Blick und permanenter, pubertärer Angepisstheit tierisch auf die Nerven, während ihr darin die für ihre Rolle zu alt wirkende Kate Winslet in ihrem affektiven Spiel als Besserwisserin mit extremen Stimmungsschwankungen ebenbürtig ist. Ein visuell zum Teil überladener Film über eine wahre Geschichte, der nur Kopfschmerzen verursacht.

Kontrapunkt: Realismus (?)

Die Berliner Schule, der italienische Neorealismus und Dogma 95 gehören zu den realistischen Bewegungen innerhalb der Filmgeschichte. Doch während Andreas Dresens Film zweifelsohne die notwendigen Vorraussetzungen für dieses „Gütekriterium Realismus“ erfüllt, ist insbesondere Lars von Triers Beitrag diesem enthoben, was ihm nicht gut getan hat.

Halbe Treppe (D 2002)

Im Spätherbst entfremden sich in der ostdeutschen Provinz zwei befreundete Paare einander, bis die beiden Beziehungen an einer Affäre zerbrechen. Andreas Dresen fängt mit einer Handkamera in grobkörnigen Bildern minutiös den sich zwischen Arbeit und Familienstress ereignenden tristen Alltag der authentisch wirkenden Figuren ein. Dabei ist es vor allem dem großartig aufspielenden Ensemble zu verdanken, dass „Halbe Treppe“ stets wie die Dokumentation des Zerbrechens einer Partnerschaft wirkt, wenn Dresen auch nicht davor zurückschreckt, Streits und andere unangenehme Situationen minutiös  zu zeigen. Doch fernab aller Tristesse keimt menschliche Wärme auf, wenn Radiomoderator Chris (Thorsten Merten) im Horoskop versteckte Botschaften an seine gehörnte Ehefrau schickt oder Imbissbudenbesitzer Uwe (Axel Prahl) die in der Kälte stehenden Straßenmusiker (dargestellt von der Band „17 Hippies“) in seinen wärmeren Pavillon bittet. Anstrengend zu schauen, aber sehr intensiv und emotional.

Das Wunder von Mailand (I 1951)

Diese grandiose Tragikomödie mit Fantasyelementen um den gute Laune verbreitenden Waisenjungen Totò (Francesco Golisano), der eine Siedlung von Armen mit übersinnlichen Mitteln vor den skrupellosen Plänen eines gierigen Landbesitzers rettet, gehört der Spätphase des Italienischen Neorealismus an. Zwar werden noch soziale Probleme wie Armut und Obdachlosigkeit thematisiert, allerdings ist der Umgang mit ihnen ein spielerischer, hoffnungsvoller, wenn durch den Zusammenhalt der Menschen Hoffnung und Fröhlichkeit erwächst. Und wenn am Ende des sich zum Märchen bekennenden Films („C’era una volta…“-Einblendung zu Beginn) Menschen auf Besenstielen gen Himmel fliegen, so ist „Das Wunder von Mailand“ jeglichem Realismus enthoben. Unverständlich, dass diesem wie weiteren Meisterwerken des Neorealismus (u.a. „Umberto D.“) bisher keine deutsche DVD-VÖ vergönnt war.

Antichrist (DK/D/F/S/I/PL 2009)

Oder: Lars von Trier verarbeitet seine eigenen Depressionen in einem widerlichen, betont provokativen Pseudo-Kunstwerk um die böse und triebhafte Natur der Frau. Abseits der handgemachten Zwischentitel und einiger Reißschwenks mit der Handkamera sucht man dabei realistische Merkmale vergeblich. Die hochgradig ästhetisierte Rahmung in Zeitlupe, Schwarz-Weiß und mit klassischer Musik wirkt wie einige Szenen im Wald (z.B. sprechender Fuchs) durch ihre Überstilisierung und Symbolüberladenheit unfreiwillig komisch, die ermüdenden Dialoge sind bedeutungsschwanger gefüllt, einige Bilder aber immerhin hübsch anzuschauen. Doch wenn am Ende nur die Form, nicht der Inhalt dieses rätselhaften, mit zahlreichen Nackt- und Sex-Szenen angereicherten Films im Gedächtnis haften bleibt, ist freilich etwas verkehrt gelaufen. Dennoch: Ein vertrackter Film, den ich mir noch einmal anschauen muss (von wollen kann nicht die Rede sein).

Kontrapunkt: Überbewertet

Dabei geht es weniger um die schwarz-gelbe Mehrheit, die sowieso viel zu viel Stimmen bekommen hat, als um Filme, denen mehr Aufmerksamkeit oder Lob zukam als sie eigentlich verdient haben.

Oben (USA 2009)

Nach einer 15-minütigen, stummen Szene um das gemeinsame Altwerden von Ellie und Carl, die „ein Maximum an Lebenszeit auf ein Minimum an Erzählzeit verdichtet“, wie im SPIEGEL richtig über den Film zu lesen war, geht es leider filmisch bergab. Zwar kann sich Carl dann seinen Lebenstraum erfüllen, indem er zu den Paradiesfällen nach Südamerika reist und dazu sein Haus nicht verlassen muss, sondern es einfach mitnimmt. Doch geht seine Ankunft mit einer Verlagerung der Stimmung und der Altersgruppe einher. Die besagten 15 Minuten sind ein zutiefst bewegendes Highlight für adulte Cineasten, Carls Ballonreise mit seinem Haus eine wahrhaft magische Idee, doch dann wird „Oben“ zum quietschbunten Film „für die ganze Familie“ mit reichlich amüsantem Getier und konventioneller Handlungsentwicklung. Auch dieser Pixar-Film kann nach furiosem Auftakt fernab seiner technischen Perfektion nicht viel mehr, als mit minimalen (aber immerhin vorhandenen) Botschaften zu unterhalten.

Glaubensfrage (USA 2008)

Eine Nonne verdächtigt ohne Beweise einen Priester an einer katholischen Schule, ein Kind missbraucht zu haben. Ja, die beiden grandiosen Hauptdarsteller (Phillip Seymour Hoffman und Meryl Streep) duellieren sich mit pointierten Dialogen auf hohem Niveau und die Geschichte beinhaltet eine gewisse Spannung. Doch bleibt dennoch die Frage, warum dem Film stets der Eindruck eines Film gewordenen Theaterstücks anhaftet. Die beiden Medien rücken hier bedenklich nah zusammen zu Ungunsten von Tempo und Bewegung, die doch letztlich die Eigenheit des Mediums Film ausmachen. Das ist auch der Grund, weswegen dieses dialoglastige und behäbige Kammerspiel kaum optische Schauwerte zu bieten hat, sondern die Attraktionen eher als Stimuli auf der Ebene des Verstandes zu suchen sind. Kann man als großes Schauspielkino ansehen und mögen, muss man aber nicht.

Mrs. Miniver (USA 1942)

Oder: Aus dem Leben einer ganz normalen britischen Familie, die dem Konsum frönt und in Zeiten des 2. Weltkrieges noch enger zusammenrückt als zuvor. Dabei wird insbesondere gegen Ende mit widerlichen melodramatischen wie pathetischen Momenten nicht gespart. Auch die Rollenbilder sind dabei enorm angestaubt: Die kokette Mutti darf die ganze Zeit nur bangen, sich um ihre minderjährigen Kinder kümmern und verängstigt gucken, ob Ehemann und verkappter Marxisten-Sohn wieder heimkehren von der Front (die im Übrigen nie wirklich zu sehen ist). Unfassbar, dass Greer Garson für diese Rolle den Oscar einheimsen konnte – eine von sechs fragwürdigen Auszeichnungen mit dem Goldjungen, die an dieses kitschige Propagandawerk gingen. Durchhalten im Krieg gegen die Deutschen wird groß geschrieben, der Familienzusammenhalt, der Glaube und die Liebe als heilsame Institutionen gegen den Hass beschworen. Am Ende der Blick gen Himmel – god save the Queen! Und er erlöse uns bitte auch von solch scheinheiligen Durchhaltefilmen. Amen.