Kontrapunkt: Wir waren Helden

Entweder, man beweist sich im Krieg oder im alltäglichen Leben, indem man Mitmenschen hilft. Die Frage ist nur, ob es etwas bringt.

Spezialeinheit Werwolf (RU/UKR 2009)

In dieser mutmaßlich fürs russische TV produzierten Kriegsfiktion plant eine kleine Spezialeinheit im Zweiten Weltkrieg, Adolf Hitler im Führerhauptquartier „Werwolf“ in der Ukraine zu ermorden. Doch nicht nur wegen eines Verräters in den eigenen Reihen gleicht das Unterfangen einem Himmelfahrtskommando. Aufwendig choreografierte Actionsequenzen, ein Effektespektakel oder charismatische Hauptfiguren sucht man in dieser zuweilen dialoglastigen DVD-Premiere vergebens. Dafür überzeugt der Film weitgehend mit solider Handarbeit und einem ganz ordentlichen Spannungsbogen. Zumindest, bis das Finale mysteriöserweise mittendrin abgebrochen wird und eine trauernde Frau Blümchen niederlegt. Zumindest ich fühlte mich dann doch etwas irritiert, weswegen der Film in meiner persönlichen Wertung knapp unter den Durchschnitt absackt.

Agenten sterben einsam (GB/USA 1968)

Eine kleine Truppe britischer Soldaten unter Führung von Major Smith (Richard Burton) soll zusammen mit dem GI Lt. Schaffer (Clint Eastwood) einen vermeintlichen General aus den Klauen der Nazis befreien. Doch das Schloss Adler wird sehr gut bewacht und auch hier scheint nicht jeder auf der Seite zu sein, wo man ihn zunächst wähnt. Die beinahe minutiöse Inszenierung – das ist der Grund, weswegen der Film eine satte Länge von 2,5 Stunden aufweist – hätte man etwas straffen können, doch abgesehen davon garantiert der spannende, actionreiche und wendungsreiche Agententhriller mit am Ende inflationär gebrauchter Pyrotechnik solide Unterhaltung. Da sieht man auch gerne nach, dass die zahlreichen Rückprojektionsaufnahmen als häufig verwendeter Effekt mittlerweile stark in die Jahre gekommen sind.

Kick-Ass (USA/GB 2010)

Die Geschichte über einen Loser, der über Nacht buchstäblich zum Superhelden mutiert, ist seit „Spider-Man“ nicht neu. Die Überlegung, dass Menschen ohne echte Superkräfte den Kampf gegen Verbrechen antreten seit „Watchmen“ auch nicht. Und dennoch ist „Kick-Ass“ originell: so comicnerdig-notgeil wie Protagonist Dave Lizevski (Aaron Johnson) im Alltag war Peter Parker, so talentunfähig beim Kämpfen war Spider-Man dann doch nicht. Dazu gesellen sich hyperbrutale Kämpfe, die mit all ihrem Blut und ihrer Überzeichnung ihre Comicwurzeln nicht verbergen. Das Filmbild wird zum Panel, die Vergangenheit von Damon Macready (Nicolas Cage) erstarrt in einer Rückblende zum dreidimensionalen Comicstrip. Beide, Dave sowie Damon und dessen Tochter jagen unter den Namen „Kick-Ass“ bzw. „Big Daddy“ und „Hit Girl“ die Schergen des größten Mafiosi der Stadt (finster: Mark Strong), dem es jedoch durch einen fiesen Trick gelingt, sie in seine Gewalt zu bringen. Das klingt ziemlich ernst und ist es auch, lässt aber auch witzige Zwischentöne und zahlreiche Anspielungen auf das Verhältnis Film und Comic zu, wo die Referenz an „Sin City“ nur die offensichtlichste ist.

Kontrapunkt: Osterrückblick

Da hat der Hoppelhase neben zahlreichen Eiern auch noch andere Dinge mit ins Haus gebracht. Ein Glück, dass er sich vorher die Pfoten auf der Fußmatte abgetreten hat. Endlich kam ich auch mal wieder dazu, mangels anderer Beschäftigungen fernzusehen. Am Karfreitag hielt RTL ein interessantes Fantasyspektakel im Vormittagsprogramm bereit:

Kampf der Titanen (USA 1981)

Diese eher freie Interpretation der Geschichte der griechischen Mythologie um Perseus (Harry Hamlin), der gegen die Medusa kämpft und schließlich die Prinzessin Andromeda (Judi Bowker) vor einem Meeresungehauer rettet, ist ziemlich unterhaltsamer, aber nicht sonderlich herausragender Fantasytrash. Warum er trotzdem in die Filmgeschichte einging? Effekte-Pionier Ray Harryhausen wendete hier letztmalig seine damals schon in die Jahre gekommene Stop-Motion-Technik bei der Animation der zahlreichen Kreaturen an. Dies bringt die Beschränkungen mit sich, dass die entsprechenden Figuren immer nur in einer Totalen aufgenommen werden konnten und/oder dann in das bereits ohne Effekte gedrehte Filmmaterial eingepasst werden mussten. Ob indes das in nahester Zukunft in den deutschen Kinos startende Remake denselben Charme des bisweilen effekthascherisch wirkenden Originals aufweisen wird, darf ernsthaft bezweifelt werden.

Torpedo (D 2008)

Das im Alter von 16 Jahren realisierte Regiedebüt von der jungen Skandal-Autorin Helene Hegemann um eine unangepasste Fünfzehnjährige (Alice Dwyer), die bei ihrer süchtigen Tante aufwächst, weißt autobiographische Bezüge auf. Leider vergisst Hegemann, die auch das Drehbuch beisteuerte, eine Geschichte zu erzählen und verliert sich in etlichen, kaum zusammenhängenden Episoden mit Figuren, die scheinbar relevant sind, aber teilweise nie wieder auftauchen. „Torpedo“ wirkt also etwas planlos in seiner Ausrichtung – weder ein wirklicher Spiel-, noch Experimentalfilm, weder Lang-, noch Kurzfilm. Als radikaler Einblick in die aufgewühlte, ungeordnete Gedankenwelt einer verunsicherten Teenagerin ist dieses absurdhumorige Drama dennoch interessanter als manch andere Adoleszenzgeschichte.

I love you, Phillip Morris (F/USA 2009)

Die Biografie vom echten Steven Jay Russell, dessen Geschichte hier nach Steve McVickers Roman erzählt wird, war sehr wechselhaft: Frau und Kind, Outing als Homosexueller, Betrü- gereien, Knast, die große Liebe im Knast, Ausbruch, Betrügereien, Knast, Ausbruch, Betrügereien… und so weiter, bis ihm 1998 eine 144-jährige Haftstrafe aufgebrummt wurde. Gespielt wird er von Jim Carrey, der etwas ernster als gewohnt, aber in seiner Rolle als windiger Berüger nicht humorlos agiert; Ewan McGregor spielt Phillip Morris, seine große Knacki-Liebe. Der Film weiß dabei als stimmige Tragikomödie mit hohem Unterhaltungswert durchaus zu gefallen, weißt sogar einige großartige Pointen auf. Negativ zu bemerken bleibt einzig die Reaktion des Publikums der Sneak Preview, die ich nach langer Zeit wieder einmal besuchen konnte: ausgiebige Küsse unter Schwulen oder die ironische Oralsex-Szene auf einem Boot bringen auch heute noch Ressentiments gegen Homosexuelle zum Ausdruck.

Kontrapunkt: Zum Teufel mit der Story!

Wer braucht die schon? Lasst gefälligst die Bilder wirken! Das ist Film: Leben in Bewegung! Lebendigkeit in den Figuren, Realismus! Oder wenigstens ein paar Effekte, wenn der Rest schon nicht passt…

Crazy Heart (USA 2009)

Die hier erzählte Geschichte ist wahrlich keine originelle, nein. Man hat sie schon tausend Mal gesehen. Zuletzt bspw. In „The Wrestler“. Auf jeden Fall gibt ein abgehalfterer Ex-Star seiner Branche, der sich mit seiner Familie verkracht hat und mit mies bezahlten Jobs herumplagt, auch storytechnisch nicht viel her. Doch wissen gerade solche Filme Mickey Rourke oder eben auch der großartige Jeff Bridges in beeindruckenden Performances aufzu- werten. Dazu gesellt sich ein Score, der zum Mitgehen und –fühlen einlädt, auch wenn man Countrymusik sonst nicht viel abgewinnen kann. Da verzeiht man auch die reichlich unglaubwürdige Beziehung zu einer jüngeren Reporterin (Maggie Gyllenhaal) – wieder diese wenig taugende Story – gern. Dank des Hauptdarstellers und der Musik großes Kino.

Scanners II – The New Order (CDN 1991)

Köpfe-Zerplatzenlassen die Zweite, etwas weniger unterkühlt als David Cronenbergs Erstling. Bei der dünnen Story um einen machtgierigen Polizeichef, der mithilfe der gefügig gemachten „Scanner“, Menschen mit telepathischen Fähigkeiten, die Gesellschaft kontrollieren will, wartet man sowieso nur auf die blutigen SFX. Schade nur, dass die ebenso wie Actionsequenzen nur spärlich gesät sind und die mediokren Darsteller mit Schauspielern diesen Mangel nicht übertünchen können. Für Fans der Reihe nett, wer etwas mehr Gekröse mit vergleichbarer Thematik sehen will, greift jedoch zu „Scanner Cop“, auch wenn der weniger auf Spannungskurve setzt.

Mit Herz und Hand (NZ/CH/USA/J 2005)

Fährt ein alter Mann aus Neuseeland zur „Speed Week“ nach Bonneville, Utah, holt nen Weltrekord und fährt wieder heim. Das ist die ziemlich simple Story dieses Films. Und genau so läuft der Film auch ab. Soll heißen: Konflikte, Bangen um das Erreichen des Ziels oder Exkurse sind nicht vorhanden. Getragen wird diese glatt gebügelte Heile-Welt-Schmonzette von einem omnipräsenten und wie immer – ja, auch als Kannibale – sympathischen Anthony Hopkins, der den Film an sich reißt. Das macht den zwar nicht besser, aber immerhin erträglicher und die hübschen Bilder und ein wenig kauziger Humor bekommen in Sachen Highlights Gesellschaft. Ein bisschen sehr viel ausfühlicher habe ich mich nach längerem Fernbleiben einmal mehr in der OFDb geäußert.

Kontrapunkt: Trash VI

Was haben nackte, masturbierende Frauen, ekelhafter Schleim und angreifende Plastikmonster gemein? Eigentlich nichts – außer dass ich vergangene Woche allesamt von ihnen heimgesucht wurde.

Engel mit schmutzigen Flügeln (D 2009)

Unfreiwillig komische Tanzeinlagen, eine theaterhafte Inszenierung, hölzern umgedichtete und aufgesagte philosophische Zitate (“Ich ficke, also bin ich”), unterdurchschnittliche Darsteller(innen)leistungen, und keine Story. Diese in ihrer Konsequenz misogyne Aneinanderreihung von unmotivierten Fahrten mit Motorrädern und Antje Mönnings entblößten Geschlechtsteilen ist eine plumpe Provokation, die nur selten nach- denkenswerte Ansätze um Selbsterkenntnis und Ich-Konstitution liefert. Da kann das rebellische Credo des gänzlich unabhängigen Filmemachens in Amateurfilmoptik mit wenig Geld, aber umso mehr Herzblut noch so radikal verteidigt werden: das Ergebnis ist haarsträubend einfältiger Trash ohne Sinn und Verstand!

Das Bildnis der Doriana Gray (CH 1976)

Ja, man liest richtig: Dieser Film handelt vom Bildnis der Doriana, nicht dem Dorian Gray, dessen x-te Verfilmung mit Colin Firth im April in den deutschen Kinos anläuft. Jess Franco inszenierte seine eigenwillige Oscar Wilde-Adaption mit “Der Mann in der eisernen Maske”-Anleihen als Erotikdrama, in welchem eine lüsterne, aber orgasmusunfähige Schlossherrin, die ihre Lover/-innen beim Sex tötet, und deren Zwillingsschwester in der Psychiatrie (Lina Romay in einer Doppelrolle) in einem ominösen Zusammenhang zueinander stehen. Abseits des wiederkehrenden Einsatzes von Spiegeln als penetranter Metapher zeugt die einfallslose und reißerische Inszenierung dieser miesen Muschiparade von der Unfähigkeit des Regisseurs, der literarischen Vorlage annähernd Herr zu werden. Trotz der Laufzeit von gerade einmal 69 Minuten ein quälend-langweilige und zähe Angelegenheit, die einzig von Franco-Gattin Lina Romays dauerhaft entblößter Weiblichkeit in zahlreichen Masturbations- und Lesbenszenen lebt, immerhin halbwegs erotisch fotografiert.

Power Rangers – Der Film (USA/J 1995)

Wie würde Android Alpha zu dieser Kinoadaption der bekannten (und dümmlichen) TV-Serie sagen: “Eijeijeijeijei!!!”. Da wird bei Bauarbeiten zufällig das Gefängnis des bösen Magiers Ivan Ooze entdeckt und schließlich von den bösen Monstern um Zauberin Rita geöffnet. Ivan Ooze stattet erst Erzfeind Zordon im Power Rangers-Hauptquartier einen fatalen Besuch ab, bevor er die Erwachsenen im Ort Angel Grove durch die Verbreitung seines widerlichen Schleims zu willenlosen Zombies macht. Es ist an den Power Rangers, auf einem fremden Planeten nach mordsmäßiger Ultra-Power zu suchen, um Zordon zu retten und schließlich bei einem finalen Fight gegen das riesige Plastikmonster von Ivan Ooze anzutreten. Über die hanebüchene Story hinaus sind die Mängel des Films vielerlei: extrem entbehrliche Nebenfiguren – wobei Bulk und Skull den Jar Jar Binks-Nervigkeitsgedenkpreis verdienen – mäßige CGI-Effekte und grelle Farben überall, dämliches Rumgefuchtel mit den Armen als martialische Gesten. Trashig und hohl, aber zumindest hin und wieder unterhaltsam.

Kontrapunkt: DVD-Premieren II

Stars im Film und trotzdem ist US-Filmen kein deutscher Kinostart vergönnt? Das könnte an unerfüllten kommerziellen Erwartungen oder an der fragwürdigen Klasse der Filme liegen. Hier der Beweis, dass sich beides nicht unbedingt gegenseitig ausschließt.

Boston Streets (USA 2008)

Regiedebütant Brian Goodman hatte es in seinem Leben bisher nicht leicht. In seiner Jugend rutschte er ins Verbrechermilieu ab, wurde alkohol- und drogenabhängig, schaffte aber nach einer Gefängnisstrafe den Ausstieg und brachte Frau und Kinder auf legalem Wege durch. Das ist zumindest die als autobiografisch präsentierte Geschichte, die in diesem zwar gut besetzten, aber leider eindimensional anmutenden Thriller- drama erzählt wird. Ethan Hawkes Figur ist an Stereotypie kaum zu überbieten und mit Mark Ruffalo als Hauptfigur scheitert jegliche Identifizierung. Zudem beginnt die episodenreiche, reichlich elliptisch Erzählweise alsbald zu nerven. Doch immerhin ist Goodman um die präzise Dokumentation des Alltags der beiden Freunde bemüht, zeigt die (familiären) Konflikte und Probleme auf und trägt sie auch aus. Das taugt trotz einiger Klischees zumindest als eine glaubwürdige Milieustudie.

Ca$h (USA 2010)

Hat man sich diesen gescheiterten Versuch einer launigen Thrillerkomödie angeschaut, ist man reichlich enttäuscht. Man fragt sich stets, was Tarantino und seine Epigonen aus der Storyline (abgezockter Gangster will seine Beute von einem ahnungslosen Pärchen zurück und stiftet selbiges zu Überfällen an) gemacht hätten. Das beginnt bei dem miesen Drehbuch (kaum pointierte Dialoge, kaum Tempo) und endet bei der mit Sean Bean (Boromir!!!) eigentlich gut besetzten Gangster-Hauptfigur. Letztere ist trotz aller Diabolik und Gelassenheit keine coole Sprüche klopfende und wild um sich ballernde Actionikone, sondern ein kühl (be)rechnender Analytiker, der immer den aktuellen „Kontostand“, wie viel Geld noch fehlt, im Kopf hat. So setzt sich der Film mehr aus befremdlichen Zahlenkalkulationen und angespannten Situationen um das vorübergehende unfreiwillige Zusammenleben von Gangster und Pärchen (das zunehmend Verbrechen cool findet) zusammen als aus Actionsequenzen, für deren Generierung bei dem sichtlich schmalen Budget (ca. 15 Mio. Dollar) wohl kein Geld mehr übrig war. Keine flotte, sondern nur ein reichlich schläfrige Räuberpistole ohne Kugeln im Lauf.