Tonight is gonna be a short one

Zehn Jahre sind es schon. Die 71. Academy Awards waren es nämlich. Das große ES. Meine erste Oscarverleihung. Damals waren die Oscars noch etwas erhabenes, ein ritualisierte Erlebnis des nächtlichen Kampfes gegen die Müdigkeit von quasi-religiöser Natur. Vielleicht lag es nur daran, dass das Ereignis so groß war im glitzernden L.A. und ich so klein im fernen Gera. Vielleicht war es nur die Naivität der Jugend, der selbst Whoopi Goldbergs Moderation, Gwyneth Paltrows unverdienter Oscar und der völlige Untergang von Terrence Malicks “Der Schmale Grat” nichts anhaben konnten. Dieser eigentlich zutiefst enttäuschende Abend war der Beginn einer zehn Jahre währenden Hassliebe, bei der die Gewinner schon mal ausgebuht werden und nach jeder Lebenswerk/Gedenk – Montage eine kleine Träne an der Wange klebt.

Sentimentalität – das konnten die Oscars wie kaum eine andere Großveranstaltung transportieren. Die sentimentale Liebe zur Kinogeschichte, welche einfach gestrickte Filmsüchtige wie mich von Jahr zu Jahr aufs neue bewegt. Nun nach all der Zeit, in der sich  – wohl mit dem Alter – ein gewisser Grad an Objektivität in der Beurteilung der Veranstaltung entwickelt hat, nun soll sich alles ändern. Die 81. Academy Awards werden modernisiert, für die Werbekunden wieder salonfähig gemacht. Das wurde für den heutigen Abend zumindest angekündigt. Die Dankesreden werden wohl gekürzt – seltsam bei einer Preisverleihung, in der sich theoretisch alles um die Gewinner drehen sollte; statt der Standup – Comedians wird mit Hugh Jackman ein bei den Tonys erprobter Showmaster und einfach dashing aussehender Star engagiert. Ob der jedoch an Billy Crystal herankommt, ist fraglich. Die Präsentation der für den Besten Song nominierten Künstler wird auf ein kurzes Medley reduziert werden. Was den nominierten Peter Gabriel zur Absage und mich als PG-Fan zur Fluchtirade bewegt hat. Doch wir wollen optimistisch bleiben. Die Oscars besitzen noch immer das Potential zur Sentimentalität und auch das zur großen Geste. Solange Jessica Alba nicht den Preis für den Besten Film verleiht, können die Oscars noch immer erhaben erscheinen.  Doch so wie damals vor zehn Jahren wird es wohl nie wieder sein.

Kontrapunkt: Special zur Berlinale 2009

Um es vorweg zu sagen: Nein, ich hatte keine Akkreditierung und deswegen war ich auch nur vom vergangenen Donnerstag, dem 12.02. bis vergangenen Sonntag, den 15.02. in unserer Landeshauptstadt. Ein Großteil der populäreren Filme wie „The International” oder „Der Vorleser” waren bis dahin zwar leider schon wieder aus den Berlinale-Kinos verschwunden, aber dennoch hielt das größte deutsche Filmfestival ein paar kleinere Perlen bereit.Doch alles der Reihe nach. Donnerstag um die Mittagszeit machten wir uns vom beschaulichen Jena zu fünft im Auto eines Kumpels (Jojo rocks!) auf nach Berlin, wo wir nach 3 Stunden Fahrtzeit inklusive Einchecken in unser Hostel eingetroffen sind. Nach einem eher ernüchternden Ausflug zum Vorverkaufsschalter in den Arkaden am Potsdamer Platz liefen wir etwas bedrückt durch die Innenstadt, bevor wir uns schließlich an der Tageskasse des Cinemaxx noch Karten für „Wir sind schon mittendrin” inklusive des vorangestellten Kurzfilms „Nur für einen Augenblick” von Abel Lindner aus der Sektion „Perspektive Deutsches Kino” sichern konnten.

Bei Wir sind schon mittendrin handelt es sich um einen knapp einstündigen Dokumentarfilm, in welchem Regisseur Elmar Szücs seine drei besten Freunde aus der Schulzeit porträtiert. Alle sind sie 29, alle irgendwie gescheiterte Existenzen, die bisher nichts wirklich aus ihrem Leben oder ihrer Familienplanung machen konnten und alle sind sie hochsympathisch. Man erkennt sich als eher unmotivierter Student in diesen schrulligen Typen wieder, die entweder ihr Musikstudium noch nicht beenden konnten oder ihr Biologiestudium gerade erst begonnen haben und sich mit wenig Geld durchs Leben schlagen müssen. Immer nah dran am Geschehen mit einer teilweise arg wackeligen DV-Kamera, aber mit Mut zur Selbstironie und authentisch schon einmal der erste filmische Glücksfall für mich. Und das sage ich nicht nur, weil hinterher das gesamte Filmteam im gleichen türkischen Imbiss einkehrte wie wir und auch zuvor, bei der Beantwortung einiger Fragen nach dem Film, einen äußerst sympathischen Eindruck hinterließ.

Nach besagter Stärkung war die Zeit auch schon fortgeschritten und wir begaben uns in unser Achtbettzimmer ins Hostel und gingen schlafen. Am nächsten Morgen ging es nach einem reichhaltigen Frühstück inklusive Müsli (ich esse sonst nie Müsli) in die Alte Nationalgalerie. Ja, auch ich habe es ab und zu (wenn auch eher selten) mal gern, wenn sich Bilder nicht bewegen und sowohl die Gemälde von Karl-Friedrich Schinkel als auch das selbstreflexive „Obststilleben” von Johann-Wilhelm Preyer hatten es mir besonders angetan. Danach stand 15.00 Uhr im Friedrichstadtpalast die Sichtung von Theo Angelopoulos’ neuem Film an.

The Dust of Time hieß dieses zweistündige, zwar ambitionierte, aber extrem kopflastige Werk. Bruno Ganz und Willem Dafoe spielen darin zwar mit und Kameramann Andreas Sinanos gelingt es hin und wieder, ein paar starke, sich ins Gedächtnis brennende Bilder einzufangen, jedoch vermögen sie nicht, gegen das wirre Skript anzukämpfen. Darin geht es um einen Komponisten, der seine eigene Vergangenheit um seine Eltern im poststalinistischen Internierungslager rekonstruiert, aber darüber hinaus Probleme mit seiner Frau und Tochter hat. Ein interessantes Tondesign mit leicht rauschenden Off-Kommentaren und einige fragwürdige Szenen legen gar eine perfide Deutung nahe, die allerdings nie aufgelöst wird und allzu abgegriffen und verquast wirkt.

Nachdem ich mich durch diesen im Wettbewerb außer Konkurrenz laufenden Film gequält hatte, liefen wir durch die Friedrichstrasse wieder Richtung Hostel und aßen dort total böse verboten auf unserem Zimmer zu Abend. Erst um 22 Uhr stand im Cinemaxx die nächste Sichtung aus der Sektion „Berlinale Shorts” an. Wir bekamen neben Jade, dem Gewinner des Silbernen Bären in der Kategorie Kurzfilm u. a. zwei weitere tolle kleine Filme zu sehen:

Karai Norte aka „Man of the North” ist ein 19-minütiges Zweipersonenstück in Schwarz-Weiß aus Paraguay. Darin geht es um eine alte Frau, die inmitten der Pampa in einer kargen Holzhütte lebt, einem zwielichtigen Fremden auf einem Pferd zu essen gibt und ihm davon erzählt, dass sie bestohlen wurde. Die staubige Atmosphäre und das originelle Setting des Films erinnern an Western und die Story birgt eine schöne Pointe. Da schaut man gerne zu.
Pure ist ein 5-minütiger, sehr dynamischer Zusammenschnitt mehrerer US-Actionfilme, der Szenen wie große Explosionen und gewagte Stunts auf ihre Ähnlichkeit zueinander „untersucht” und ebenso aus einem Guss montiert. Ein sehr schnelles filmisches Ratespiel für Cineasten und Fans von 80er und 90er Jahre-Actionfilmen das Spaß macht, obwohl es am Ende aufgelöst wird.

Es folgte für vier Leute von uns eine lange und bierselige Nacht in der Kneipe „PowwoW”, die uns die Berliner Stadtteile Kreuzberg/ Friedrichshain kennen lernen ließ. Um 5 lag ich schließlich in der Koje. Zum Glück stand am Samstag erst um 14.00 Uhr der nächste Film im International, einem Kino mit ganz speziellem Ostalgie-Charme, in der Sektion „Panorama” an.

Short Cut to Hollywood ist ein durchaus vergnüglicher deutscher Film, der allerdings auf platte Art und Weise Kritik am amerikanischen Reality TV-Wahn übt. Ein deutscher Versicherungskaufmann namens Johannes (Jan Henrik Stahlberg), 37, nennt sich fortan John F. Salinger, trägt Cowboykluft und Sonnenbrille und will mithilfe seiner beiden Kumpels in den USA berühmt werden. Dafür lässt er sich zunächst seinen kleinen Finger und dann seinen Arm amputieren, allerdings ohne Erfolg. Bis das Trio schließlich auf die Idee kommt, in Moslem-Kluft als gefakte Bombenattentäter ein amerikanisches Restaurant zu überfallen. Der Humor ist derb aber für einige Brüller gut, das Drehbuch hat so seine Löcher und hin und wieder fällt das knapp bemessene Budget auf. Alles in allem aber ein hübscher Film. Das Filmteam reagierte danach geduldig und gelassen auf Nachfragen zum Film und gar hinsichtlich eines gemeinsamen Fotos.

Gleich im Anschluss folgte im International mit Nord ein sehr vergnüglicher und mit unnachahmlich lakonischem Humor gesegneter Film aus Norwegen, in dem ein fauler Skiliftwärter (oder wie heißt dieser Beruf?) namens Jomar sich im winterlichen Norwegen mit seinem Schneemobil aufmacht, seinen Sohn mitten in der ländlichen Einöde zu besuchen. Natürlich begegnet er dabei einer Menge skurriler Gestalten und in einer der köstlichsten Szenen sieht man Jomar unkommentiert mit einem Tampon auf dem Kopf, welcher mit Alkohol vollgesogen ist, einem martialisch eingestellten Typen gegenübersitzen. Natürlich erinnert die Handlung des Films schon etwas an David Lynchs „The Straight Story”, ist aber um Einiges witziger, ohne zur platten Komödie zu verkommen.

Nach einem kurzen Spaziergang Richtung Alexanderplatz und anschließender Stärkung ging es einmal mehr zum Friedrichstadtpalast, wo ich mir 20.30 Uhr mit Tatarak aka „Der Kalmus” die neueste Regiearbeit vom 83-jährigen Urgestein des polnischen Films, Andrzej Wajda, anschaute. Ähnlich wie „The Dust of Time” kam auch dieser Film zunächst prätentiös daher.

Der Film beginnt mit einer mehrminütigen starren Einstellung von Krystyna Janda, die uns in einem Zimmer von ihren Erfahrungen mit ihrem verstorbenen Ehemann Edward K?osi?ski, eines berühmten polnischen Kameramannes, erzählt. Dann sehen wir, wie sie mit Namen Marta in einem Film mitspielt, der von der Liebe einer verheirateten Frau und ihrer tragisch verlaufenden Liaison mit einem Jungspund namens Bogus (Pawel Szajda) handelt. Martas Geschichte erinnert sie aber während Bogus’ Sterbeszene zu sehr an den Tod ihres Ehemannes, von dem sie immer wieder in den minutenlangen starren Inserts aus einem Zimmer berichtet. Realität/ Dokumentation/ Porträt und Fiktion/ Spielfilm verschmelzen dabei zu einem faszinierenden Ganzen und Wajda selbst ist sogar kurz im Bild zu sehen. Ein anstrengendes, aber enorm anspruchsvolles und reifes Alterswerk.

Diesen Brocken musste ich erst einmal setzen lassen, weswegen ich mich wiederum in unser Hostel-Zimmer begab. Der Abend wurde noch lang, allerdings konnten wir uns aufgrund der kollektiven Müdigkeit aller Beteiligten zu nichts mehr aufraffen und gingen schließlich schlafen. Am nächsten Morgen, Sonntag, war Packen angesagt. Bis 11 mussten wir aus unserem Zimmer heraus sein, weswegen ich auf das reichhaltige hosteleigene Frühstück für 5 Euro Aufschlag verzichtete.

Und 12.30 Uhr stand schließlich im Friedrichstadtpalast mit Lille Soldat unser letzter Wettbewerbsfilm an. Das mit Handkamera und Originalschauplätzen um Realismus bemühte Drama um eine alkoholkranke Ex-Soldatin namens Lotte (Trine Dyrholm), die für ihren Vater, einem Zuhälter, aushilfsweise dessen Freundin Lily (Lorna Brown) chauffiert, zog mich sofort in seinen Bann. Beide vom Leben enttäuschte Frauen freunden sich an und wollen schließlich aus ihrer unbefriedigenden Lage ausbrechen. Der Film von Annette K. Olsen (1:1 – Auge um Auge, 2006) ist spannend und so hart und rau wie das Leben und Milieu der Typen, die Lille Soldat bevölkern. Einzig etwas mehr Charakterzeichnung von Hauptfigur Lotte und ein paar Klischees weniger hätte man sich wünschen können.

Zum Abschluss unseres Berlinale-Trips ging es erst Mittagessen und schließlich noch ins Film- und Fernsehmuseum. Die deutsche Filmgeschichte wurde ebenso interessant mit vielen Ausstellungsstücken um Filme wie „Das Cabinet des Dr. Caligari” oder „Metropolis” aus der Blütezeit des Deutschen Expressionismus aufgearbeitet, wie ich es in Erinnerung hatte. Auch die Sonderausstellung „Casting a Shadow” zu Alfred Hitchcock wusste von ihrem Detailreichtum von Kostümen, über Interviews von Beteiligten bis zu Filmausschnitten zu begeistern. Leider musste ich mangels Zeit dann durch die Sonderausstellung „Loriot. Die Hommage” hetzen, die mir allerdings reichlich oberflächlich schien. Zwar wurden akribisch viele seiner audiovisuell aufgeführten Sketche zusammengekratzt und präsentiert und man erfährt, dass Vicco von Bülow nicht zuletzt durch seine Porträts von Nietzsche und Wagner auch ein begnadeter satirischer Maler war, allerdings bleibt seine Personlichkeit, welche Eigenarten er aufwies usw., leider im Dunkeln.

Gegen 18.30 Uhr (denke ich) starteten wir dann in Berlin wieder gen Heimat. Auf der Autobahn kam allerdings Schneetreiben auf, so dass wir erst nach einer knapp 4-stündigen ermüdenden Fahrt wieder in Jena ankamen. Und trotz des mittelgroßen finanziellen Lochs, das dieser 4-tägige Trip in die Landeshauptstadt in meinem Portmonee hinterlassen hat, kann ich nur sagen, dass er sich aus cineastischer Sicht durchaus gelohnt hat. In diesem Sinne: Die nächste Berlinale kann kommen!

The Chaser = Woah!

Gestern habe ich mir endlich mal den koreanischen Thriller The Chaser (2008) gegeben und was soll ich sagen? Mir fehlen mal wieder die Worte.

In meiner xls-DVD-Liste stehen nicht nur der Originaltitel, Regisseur etc., sondern auch ausgefeilte Kommentare zu den jeweiligen Filmen. Die reichen dann von hä? (z.B. bei “Pi”) bis zu Woah! (“Die Nacht des Jägers”) oder lauten in seltenen Fällen auch mal Hä? Aber Woah! (“The Sun Also Rises”).

The Chaser hat jedenfalls ein deutliches Woah! verdient. Wer hätte gedacht, dass dem Serienkillergenre nach all den schlechten “Sieben”-Kopien noch soviel Suspense abzuringen ist und dies ganz ohne die möchtegern-düstere visuelle Masturbation, die dem Genre seit den Neunzigern anhaftet (Hallo “Saw”, mein Finger zeigt auf dich!). Absolute Sehempfehlung!

Kurtz & Knapp VI

Dumplings (HK 2004)

Fruit Chan ist so etwas wie das einsame Zugpferd der Hongkonger Indieszene und noch dazu verantwortlich für einen der besten HK- Filme überhaupt (“Made in Hong Kong”). Bezeichnenderweise sind seine Filme nicht gerade für ihre Linearität oder Zuschauerfreundlichkeit bekannt. Dumplings markiert nun seinen gelungenen Schritt zum Mainstream – oder sagen wir lieber zu geradlinigen Narrationsformen. Denn der Film glänzt mit einer selbst für Hongkong- Verhältnisse recht geschmacklosen Prämisse: Ex- TV Star Mrs. Lee (Miriam Yeung) hadert mit dem Alter und v.a. den dazugehörigen Falten. Um Mr. Lee (Tony Leung Ka-Fai) nicht endgültig an junge Konkurrentinnen zu verlieren, wendet sie sich an die ‘Köchin’ Mei (Skandalnudel Bai Ling), deren Teigtaschen ein wundersames Verjüngungsmittel bereit halten: menschliche Föten.

Ist man den asiatischen Umgang mit menschlichem Leben aller Altersstufen nicht gewohnt, erscheint die angewiderte Abwendung von diesem Filmschmankerl als gerechtfertigte Reaktion. Leicht bekömmlich ist dieser Film offensichtlich nicht. Vertragen die filmischen Geschmacksnerven aber auch härtere Kost, kann man “Dumplings” durchaus als Hybrid aus Psychothriller und Satire empfehlen. Dabei beweisen Regisseur Chan und DoP Christopher Doyle (“In the Mood for Love”) ihr Können v.a. in den Momenten der unangenehmen Andeutung, die nicht nur Miriam Yeung zwischen Faszination und Abscheu erstarren lassen.

2046 (VRC/HK/D/F 2004)

Christopher Doyle die Zweite: Die Entwicklung kaum eines Regisseurs ist so eng mit seinem Kameramann verbunden wie die von Wong Kar-Wai. Zwar arbeitete Wong auch mit anderen Größen wie Andrew Lau (später Regisseur von “Infernal Affairs”) zusammen, doch seit “Days of Being Wild” (1990), stellte Doyle fraglos das perfekte Auge seines zugleich farbintensiven wie düster- melancholischen Stils dar. Und keiner filmt rauchende Divas wie Chris Doyle. Dafür legt Wongs vorerst letztes HK- Werk 2046 erneut Zeugnis ab. Als lose Fortsetzung von “In the Mood for Love” konzipiert, haben wir erneut am Schicksal des Journalisten und Autoren Chow (Tony Leung Chiu-Wai) teil, der die Nachwirkungen seiner gescheiterten Affaire aus dem tragisch schönen Liebesfilm von 2000 noch zu verarbeiten sucht. So erscheint “2046” weniger als “ultimativer Liebesfilm”, wie ihn die deutsche Werbung anpreist, treffender wäre da das Etikett als “ultimativer Liebeskummerfilm”. 2046, das ist schließlich der Ort der Erinnerung in Chows Sci-Fi- Romanen, von dem niemand je zurückgekommen ist. Im Jahr 2046 wird Hongkong außerdem seinen Sonderverwaltungsstatus verlieren und nach Ansicht vieler Pessimisten seine verbliebenen Freiheiten an die Volksrepublik China abgeben. Davon weiß Chow reichlich wenig, schließlich spielt der Film wie auch schon der Vorgänger im Hongkong der 60er Jahre.

Einen häufig verwirrenden Flickenteppich aus Schicksalen webt Wong um die Geschichte, welche von unser aller Lieblingsmelancholiker Leung getragen wird, der gleich drei asiatische Diven zur Seite gestellt bekommt: die göttliche Gong Li, die feenhafte Faye Wong und die alles überragende Zhang Ziyi. Von dem eher kurzen Auftritt von Leungs Ehefrau Carina Lau ganz zu schweigen. Das fragmentarisch angelegte Figurenkarussell ist wohl das hervorstechende Symptom der endlosen Produktionszeit des Films. Dass “2046”, eine 126 Minuten lange, visuelle Extravaganz eines ohnehin nicht gerade erzählerisch begabten Regisseurs, dennoch sowohl berauscht, als auch befriedigt, darf als kleines Wunder betrachtet werden. Wie genau der höchst eigenwillige Film das schafft, ist mir allerdings nach der ersten Sichtung noch nicht aufgegangen.

Jerichow (D 2008)

Ali hat es geschafft. Die Stolpersteine der Immigration und ihrer Folgen hat er hinter sich gelassen, denn Ali (Hilmi Sözer) ist ein erfolgreicher Geschäftsmann. Als Besitzer einer Kette von mehr als vierzig Imbissbuden scheint er angekommen zu sein in einem Deutschland, das sich beständig über gescheiterte Integrationsbemühungen echauffiert. Doch Alis perfektes Leben ist eine Illusion. Die Fassade beginnt zu bröckeln, als der Ex-Soldat Thomas (Benno Fürmann) von ihm als Fahrer eingestellt wird. Prompt fühlt der sich nämlich zu Alis Frau Laura (Nina Hoss) hingezogen.

Nach Motiven von James M. Cains Kriminalroman „The Postman Always Rings Twice” legt Regisseur Christian Petzold Jerichow als als eine ruhige, aber nichtsdestotrotz spannende Charakterstudie an, die nur vordergründig mit den Konventionen des Genres spielt. So lässt er sich beispielsweise nicht dazu verleiten, sein Werk allzu häufig mit den stilistischen Spielereien des Film Noir anzureichern. Viel Raum gibt er hingegen den Schauspielern. Besonders Benno Fürmann hat allerdings mit den vielen langen Einstellungen zu kämpfen. In der Rolle des stoischen, wortkargen Einzelgängers ist dem hölzernen Fürmann die latente Überforderung deutlich anzumerken, kann er doch spätestens nach der ersten halben Stunde seiner Figur keinerlei neue Facetten hinzufügen.

Womöglich trägt die Schuld daran aber auch der überragende Hilmi Sözer, der sich mit dem Portrait des self-made man Ali endgültig aus dem Komödien- Ghetto vergangener Jahre befreit. Sözer trägt schließlich souverän den Film. Den Hang zur Selbstzerstörung scheint Ali in jeder Zelle seines Körpers zu tragen. Es ist ein Leben am Abgrund, was Petzold mit einer z.T. allzu platten Bildsprache auch dem letzten Zuschauer klar zu machen versucht. Ali ist ein eifersüchtiger Trinker, der seine Frau nur durch Geld an sich binden kann. Dieser Imbissimperator hält seine Angestellten einzig mit Gewalt, nicht Respekt, unter Kontrolle und sein mühsam erarbeitetes Eigenheim steht versteckt irgendwo in den Wäldern des menschenleeren Nordostens Deutschlands. Er ist eben doch nicht Teil der deutschen Mittelklasse geworden und wird auf ewig ein Außenseiter bleiben. Daran wird auch sein wirtschaftlicher Aufstieg nichts ändern.

Sözers jovialem Äußeren liegt jedoch eine tiefe Melancholie und damit die Erkenntnis seines Scheiterns zu Grunde. Sein betrunkener Tanz am Meer, begleitet von türkischer Musik, ist wohl der beste Ausdruck seiner Unfähigkeit, dauerhaft in diesem Land Fuß zu fassen. Seine Präsenz rettet Jerichow vor dem eigentlich verdienten Schicksal im Eisschrank der Filmgeschichte. Denn Petzolds gemächliche Inszenierung und seine recht oberflächliche Handhabung der anderen beiden Hauptfiguren, deren weitgehend unglaubwürdige Beziehung mit einem Hang zur aufgesetzten Leidenschaft einhergeht, hätten Jerichow durchaus zu einem nichtssagenden, hochgradig unterkühlten Krimi verkommen lassen können. Dass dies nicht geschieht, verdankt er – aber auch der Zuschauer – einzig Sözer, der Seele des Films, gegen den überraschenderweise selbst Petzolds Stammmuse Nina Hoss glanzlos verblasst.

Erstmals erschienen in einer gekürzten Fassung am 11.02.2009 in der interkulturellen Hochschulzeitschrift Unique Jena.