Breaking News (HK/VRC 2004)

Die Hongkonger Polizei steckt in einer Publicity-Krise. Soeben ist die Überwachung einer Bande von Gangstern zu einer blutigen Schießerei in den Straßenschluchten der ehemaligen Kronkolonie ausgeartet. Die Medien haben das Desaster naturgemäß eingefangen, das Versagen angeprangert. Die Gangster sind nämlich auch noch entkommen. Kommissar Wong (Simon Yam) beauftragt die in Publicity-Fragen versierte Rebecca Fong (Kelly Chen) mit der Schadensbegrenzung. Um die Berichterstattung der Medien nach ihren Gunsten zu lenken, versorgt sie das Fernsehen gleich selbst mit dem Sendematerial: Polizeieinheiten werden kleine Kameras verpasst, die Aufzeichnungen musikalisch untermalt und effektheischend wie in einem Task Force-Werbefilm zusammengeschnitten. Währenddessen spürt Cop Cheung (Nick Cheung) die Flüchtigen (u.a. Richie Ren) in einem Wohnblock auf und eine kräftezehrende Belagerung beginnt.

Als Mediensatire wird Johnnie Tos Breaking News ebenso gern gelobt wie kritisiert. Eine offene Einladung dazu bieten in gewisser Weise der Plot und erst recht die TV-Schnipsel, welche To à la Zapping International komplett mit Rauschen immer mal wieder einfügt, um die Medienberichterstattung sozusagen als parallele Realität in den Film zu integrieren. Dass “Breaking News” die gegenseitige Instrumentalisierung von Medien, Polizei und Gangstern hin und wieder mit einem ironischen Unterton kommentiert, erhebt den Film allerdings noch lange nicht in den Status einer Mediensatire. Es ist, betrachtet man den 90-Minüter, auch zweifelhaft, ob es To und seinem Milkyway-Team überhaupt darum geht. Etwas schmunzelt man schon, wenn die auf Imagepflege bedachte Polizei bei der Belagerung eine Mittagspause einführt, ganz uneigennützig die wartenden Journalisten mit verköstigt und die Gangster der Öffentlichkeit anschließend ihr eigenes gemütliches Essen mit einem als Geisel gehaltenen Vater und seinen beiden Kindern präsentieren. Doch irgendwie führt das alles zu nichts. Zumindest wenn man am Ende so etwas wie eine Pointe der Satire erwartet. Wenn To Gesellschaftsstrukturen kritisch anpackt wie beispielsweise im “Election”-Doppelschlag, sieht das Endergebnis anders aus.

Zunächst einmal befriedigt Breaking News – keine große Überraschung bei dem Regisseur – aber als kurzweiliger Actionthriller. Zwar fehlt es dem Film ganz und gar an der melodramatischen Überdrehtheit eines “Fulltime Killer”, dem düsteren Nihilismus von “The Longest Nite” oder auch dem Zeitlupen-Heroic Bloodshed aus “Exiled”. Doch wie üblich enttäuschen Tos Inszenierungskünste nicht. Vielmehr kann man es fast schon als etwas prahlerisch bezeichnen, wenn der Regisseur seinen Film mit einer sieben Minuten langen Plansequenz eröffnet. Es wird zwar nicht die letzte des Films sein, doch sicher ist der Auftakt ungemein spektakulär. Orson Welles und Robert Altman hat man es aber auch verziehen.

Gemächlich wandert der ungeschnittene Blick von der Skyline der Stadt auf eine gewöhnliche Straße, um nach der Etablierung des Schauplatzes sofort in die Wohnung der Gangster zu schwenken, die sich zum Aufbruch bereit machen. Hinab geht es dann wieder zu den observierenden Polizisten im Auto. Schwenk für Schwenk, Fahrt für Fahrt baut To langsam die Spannung bis zur Schießerei auf, die immerhin vier Minuten auf sich warten lässt. Die Gangster verlassen das Gebäude, misstrauische Blicke werden ausgetauscht, arglose Streifenpolizisten mischen sich ein. Fast scheinen die Uniformierten beruhigt, ihr Leben gerettet, doch ein einziger Fingerzeig genügt und der Sturm bricht los. Von einer Front zur nächsten schnellt die Kamera, während der Schusswechsel seinen Lauf nimmt, ohne dabei die Hektik der frühen Filme des Regisseurs oder anderer HK-Größen anzustreben. Die Ästhetik ist bis ins Detail kontrolliert, also zu keiner Zeit diffus, denn “Breaking News” zeigt Johnnie To im Mantel des Marionettenspielers. Eine Vorgehensweise ist das, welche die Distanzierung des Zuschauers nicht notwendigerweise mit einschließen muss.

Betrachtet man etwa The Mission (1999), einen Actionfilm, der einem architektonischen Grundriss voller diffizil aneinander gefügter geometrischer Formen gleicht, brilliert der formal überragende Regisseur da ebenso durch eine vergleichsweise subtile Figurenzeichnung. Eine solche geht “Breaking News” allerdings ab. SchauspielerInnen wie Kelly Chen, Nick Cheung oder Richie Ren gehören in variierenden Graden leider zum Typ “kühle Fassade”. Es wäre also gewagt, zu behaupten, der Film ringe dem Zuschauer irgendeine Form emotionaler Involvierung ab. Andererseits handelt es sich hier wohl um Tos abstrakteste Auseinandersetzung mit seinem Lieblingsthema: Das Schicksal. Denn das in den ersten sieben Minuten geschilderte Geschehen setzt wie der Finger eines erbarmungslosen Dominospielers eine geradezu unabänderliche Ursache-Wirkungskette in Gang, perfekt visualisiert durch das verbindende Element des Kameraauges.

Gerade Tos Gangsterfiguren sind unfähig, dauerhaft von ihrem Weg abzukommen und einen anderen zu wählen. Es ist dieser Pfad – im Grunde vergleichbar mit der in Infernal Affairs zitierten Avici-Hölle – den Figuren wie Blaze, Lok, Jimmy und Co. mehr oder weniger freiwillig bis zum Ende gehen. In der Trilogie von Alan Mak und Andrew Lau liegt das angehäufte Karma dem Schicksal der Figuren zu Grunde. Das führt die Story soweit, dass quasi jede böse Tat mit dem Tode oder der Hölle auf Erden bestraft wird; ein Schema, welches besonders mit Kenntnis des zweiten Teils ersichtlich wird. In Running on Karma (2003) ging To einen Schritt weiter als seine Kollegen und behandelte Karma als eine sich über Generationen hinweg auswirkende Kraft.

Vielfach bilden die Tätigkeiten des organisierten Verbrechens jedoch den Rahmen seiner Explorationen. Variierend zwischen den klassischen HK-Gangstern, welche wie mittelalterliche Schwertkämpfer ihrem Kodex ohne Rücksicht auf die eigene Person folgen, und berechnenden, machtgierigen Bossen, sind seine Figuren in den Mechanismen der Schwarzen Gesellschaft gefangen. Die so gut wie vollkommene Abwesenheit handelsüblicher Motive der Gangster in Breaking News bestätigt Tos in diesem Fall geradezu radikal abstrakte Herangehensweise an das Thema. Austauschbare Hauptdarsteller schultern hier Rollen, die nicht viel mehr als die Bezeichnung “Gangster” oder “Polizist” verdienen. Durch die Strukturen ihrer jeweiligen Institution (Triaden/Unterwelt und Polizei) vorbestimmt, müssen Gangster Raubüberfälle und Auftragsmorde begehen und die Polizisten sie eben bis zum bitteren Ende jagen. Ein Abweichen ist durch die Regeln des Spiels ausgeschlossen, was der Film noch einmal unterstreicht, wenn Cop Cheung während einer Schießerei auf die Frage “Und warum wirst du nicht Killer?” zurückfragt “Je daran gedacht, Polizist zu werden?” und sich anschließend beide Seiten darüber herzlich amüsieren.

To ist ein Regisseur, dem man kaum Abgehobenheit vorwerfen kann. Jedem noch so ausgefallenen Stoff, jeder noch so auffälligen Auseinandersetzung mit der Gesellschaft Hongkongs oder buddhistischen Glaubenskonzepten versetzt er einen Schuss Zugänglichkeit. “Breaking News” mag zwar bei näherem Hinsehen wie ein reichlich trockenes, formales Experiment eines allzu selbstsicheren Regisseurs wirken, dessen “Medienkritik” nicht über die To-üblichen Tricks hinauskommt. Doch glücklicherweise ist das Ergebnis dessen zumindest eine attraktive Ansammlung von Schauwerten. Ein Actionfilm eben. Leider einer der schwächeren des Meisters.


Eine Überdosis Plansequenzen für’s Wochenende:
Breaking News (Opening Shot)
The Player (Opening Shot)
Im Zeichen des Bösen (Opening Shot)
Hard-Boiled (Body Count from Hell)

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