Kontrapunkt: Film vs. Buch – Homo Faber

Dass beide Medien unterschiedliche Ausdrucksmöglichkeiten haben, beim Roman die Sprache, beim Filmen die Bilder und Töne, ist nicht neu. Doch Volker Schlöndorff, der „Die Blechtrommel“ von Günther Grass fürs Kino durchaus adäquat für die Leinwand aufbereitete, ignoriert in Homo Faber (F/D/GR/GB 1991) diesen Fakt. Natürlich will er sich eng an die Vorlage halten, um die Leser des Buches nicht zu verärgern und um Max Frischs Bericht um die letzten Monate eines rational denkenden Logikmenschen gerecht werden zu können. Doch dieses Vorhaben scheitert nicht nur in Anbetracht einiger Freiheiten, die er sich dabei nimmt und auf die noch näher einzugehen sein wird. Wenn Walter Faber im Buch emotional unterkühlt daherkommt, aber der Leser immer wieder tief in seine Psyche einzudringen vermag, für die menschliche Empathie ein Fremdwort zu sein scheint, in seine Lebenslügen und die wehmütige Auseinandersetzung mit seiner Vergangenheit, so endet das Einfühlungsvermögen des Films – ohne Schrift, aber eben mit Bildern – vor den runden Brillengläsern der von Sam Shepard unzugänglich, gar unsympathisch verkörperten Hauptfigur.

Diese Hauptfigur ist ein gestandener Mann, unnötig und unpassend stilisiert zum Womanizer. Auf dem anfänglichen Flug, bei dem er Herbert Hencke kennenlernt, wird ihm bereits eine unglaubwürdige Affäre mit der Stewardess angedichtet, die es im Buch nicht gibt. Faber wird im Laufe der Handlung konfrontiert mit dem Tod seines ehemals besten Freundes Joachim, lernt nach einem Wiedersehen mit seiner Flamme Ivy seine ihm unbekannte Tochter Elsbeth kennen, mit der er schließlich zusammen durch Europa tourt. Am Ende steht dabei Fabers Wiedersehen mit seiner ehemaligen Fast-Ehefrau Hanna und Mutter Elsbeths – unter traurigen Umständen.

Die Figur des Amerikaners Marcel, welchem Faber und Hencke in Palenque begegnen, fehlt ganz, was allerdings nicht weiter stört. Ohnehin ist ein Film darauf angewiesen, die komplexen Bilder und Motive des Buches zu vereinfachen, für die Geschichte Unerhebliches auszusparen. Die Reise zur Farm von Joachim wird verknappt, die Öde in der schwirrenden Hitze von Palenque, im Buch wiederum stimmungsvoll geschildert, fällt weg und wird aufs Nötigste zusammengekürzt. Nahezu unverzeihlich sind jedoch die sich fundamental voneinander unterscheidenden Enden. [SPOILER] Während Faber im Buch seinem Magenkrebsleiden erliegt, rahmt der Film die Geschichte dadurch, indem Hanna Faber zum Flughafen bringt (getaucht in Sepia-Töne). Dieser wohlgemerkt in dem Wissen über die Geschehnisse, die dann – der Struktur des Buches als „Bericht“ sehr ähnlich – rückblickend geschildert werden. Unverzeihlich ist dies deswegen, weil der Film Fabers Zusammenbruch auf der Flughafentoilette zu Beginn als Auswirkung dieses Leidens zeigt, dies aber dann zugunsten eines weniger pessimistischen Endes – in welchem Faber immerhin mit dem Leben davon zu kommen scheint – fallen lässt. [SPOILER ENDE]

Sam Shepard gelingt es dabei in der Hauptrolle nie, Sympathie zu wecken. Dies ist auch seinem – in der deutschen Synchronisation – mehr oder minder lustlos vorgetragenem Off-Kommentar geschuldet. Julie Delpy als jugendlicher Wirbelwind Elsbeth vermag durch ihren frischen Charme aus der Besetzung noch herauszustechen, Barbara Sukowa als Hanna und Deborra Lee-Furness als Ivy gelingt es jedoch kaum, Akzente zu setzen. Über allem thront jedoch Schlöndorffs unentschlossene Regie, die nicht so recht weiß, wo sie der literarischen Vorlage treu bleiben kann und wo sie ihr treu bleiben soll. Das Medium Buch lässt sich vom Medium Film nicht ohne Qualitätsverlust übertragen – das beweist zumindest „Homo Faber“

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