Dieser Regisseur hat einen kometenhaften Karriere-Aufstieg zu verzeichnen: Christopher Nolan. Von der New York Times als „blockbuster auteur“ bezeichnet, gelang es ihm insbesondere durch seine beiden „Batman“-Filme, kommerziellen Erfolg und inhaltlichen Anspruch miteinander zu vereinen. Eine Kombination im hollywood’schen Mainstream-Kino freilich, die selten ist.
Dabei hat Nolan auch einmal klein angefangen, mit einem merkwürdigen Kurzfilm namens Doodlebug. Darin verfolgt ein verängstigter Mann in einem heruntergekommenen Zimmer Ungeziefer, welches er erschlagen will. Wie sich herausstellt, ist das Ungeziefer eine kleinere Ausgabe von sich selbst, desselben Mannes in einer anderen raumzeitlichen Dimension, die durch serielle Wiederholung derselben Tätigkeit(en) gekennzeichnet ist. Dieser Riss im Raum-Zeitgefüge bleibt unerklärt, was diesem kafkaesken Schwarz-Weiß-Film beinahe schon experimentelle Züge um das Spiel mit der (Kamera-)Perspektive verleiht.
Der Übergang zum zweifelsohne narrativen, aber zugleich die standardisierten Sehgewohnheiten aufbrechenden Film gelang Nolan dann mit Memento, auch wenn er sich noch nicht thematisch wie formalästhetisch (zum Teil wieder schwarz-weiß) von seinem Kurzfilm löste. Auch hier greift er den Riss im Raumzeitgefüge wieder auf, macht ihn gar zum zentralen Gegenstand der achronologisch erzählten Story, doch legitimiert er dies durch eine Schädigung des Kurzzeitgedächtnisses der Hauptfigur. Leonard Shelby (gespielt von Guy Pearce) hat darin kein Zeitgefühl, kann Zeit nicht empfinden, weil er nach einigen Minuten nicht mehr weiß, was gerade geschehen ist. Sein Leben ist durch seine eigene Zeitwahrnehmung episodisch strukturiert (so auch der Film) und zirkuliert in ewig gleichen Handlungsmotivationen. Er sucht den Mörder seiner Frau, einen Mann namens „John G.“, immer wieder. Auch wenn er ihn gefunden und ermordet hat, wird dies wieder zu seinem Lebensziel, sobald ihn sein „Zustand“ dieses Ereignis vergessen lässt. Shelbys Leben in seiner abgeschotteten, nach eigenen Regeln funktionierenden Gedankenwelt, die sich von jener der Lebensumwelt drastisch unterscheidet, ist in serieller Wiederholung organisiert, ein abgeschlossenes System im System.
Ähnlich lässt sich auch die durch Halluzinationen geprägte Wahrnehmung von Will Dormer (Al Pacino) in Insomnia deuten, die anders als seine Kollegen und die der Bewohner Alaskas funktioniert. In seinem Kopf konvergieren Traum und Realität, Vorsätzlichkeit und Fahrlässigkeit beim Tod seines Kollegen, im Film metaphorisch dargestellt durch das Grün der Natur (Leben) und Eis (Tod), welche beide nebeneinander existieren, miteinander. Der Film lebt von diesen dualistisch aufgeladenen Schauplätzen und es ist bezeichnend, dass die Schlüsselszenen des Films im Nebel stattfinden, welcher die vernebelte Wahrnehmung und die aufgewühlte Gedankenwelt Dormers exemplifiziert.
Diese Gedankenwelt ist in Inception ein zentraler Bestandteil. Sie wird von Dom Cobb (Leonardo Di Caprio) und seinen Kollegen im Unterbewusstsein eines Träumenden um Ideen bestohlen oder neu angeordnet, indem eine neue Idee ins Unterbewusstsein implementiert wird. Nolan präsentiert dabei atemberaubende Bilder der Schwerelosigkeit und Zeitlupen, die allesamt durch die Traumlogik motiviert sind. Ähnlich „Memento“ und Prestige (Dreiteilung eines Zaubertricks; auch der Film hält am Ende einen überraschenden Twist bereit) wird auch bei „Inception“ das Sujet auf die Struktur des Films übertragen. Dass für Cobb die Grenzen zwischen Traum, Erinnerung und Realität verschwimmen, wird für den Zuschauer durch das wiederholten Hin- und Herspringen zwischen mehreren Traumebenen und dem daraus folgenden Overkill in den Erzählsträngen deutlich. Er erhält einen Einblick in die Funktionsweise der Traummanipulation – stets konfrontiert mit dem Zweifel, ob er seinen Augen trauen kann. Und auch hier wird wieder die philosophische Frage gestellt, ob eine Welt außerhalb der eigenen Gedanken existiert oder einen Wert hat. Das kann man auch als eine Allegorie auf das Filmemachen verstehen: Ohne diese im Innern reifenden Ideen, nur durch die perspektivlose Abbildung der äußeren Welt entstehen keine Spielfilme.
Nolan spielt mit diesen psychologischen Themen. Alle Figuren sind ausgestattet mit einem Makel in den kognitiven Fähigkeiten. Er stellte gar Fragen um die moralische Befindlichkeit eines gebrochenen Helden und einer von Verbrechen erschütterten Stadt, als er sich der Frischzellenkur des „Batman“-Comicuniversums annahm. Stets anspruchsvoll, aber unterhaltsam, stets mainstreamtauglich, aber mit Mut zu außergewöhnlichen Themen. Da freut man sich schon auf Nolans nächsten „Batman”-Film.
Meine detailliertere Besprechung von „Inception“ findet ihr auf MovieMaze.de.
Da freut man sich schon auf Nolans nächsten „Batman”-Film.
Nicht wirklich, nein.
@Flo I second that
Das ist mir eh alles zuviel Lobhudelei hier:-)
Prestige war ja ganz nett, belangloser Mainstream, aber unterhaltsam, ein besserer Ron Howard. Der Rest ist schweigen…gerade in der Charakterausarbeitung mangelt es Nolan ja ganz gewaltig. Seine Figuren sind ja sowas von egal und eindimensional.
@die zwei vor mir: Oh mann…^^
Also ich freu mich riesig auf den nächsten Batman =)
Ich hab mal den Part über ,,Inception” ausgelassen, noch drei Tage…:D Aber die Lobhudelei ist ziemlich berechtigt wie ich finde. Ich kann mich zwar nicht mehr so gut an ,,Insomnia” erinnern, aber die restlichen Filme waren doch wohl um Meilen besser als der standatisierte Hollywoodcrap.
Der luzifus ist übrigens gerade auf Reisen, daher kann sich seine Verteidigung hier etwas verzögern. ;)
Ich für meinen Teil finde es gut, dass es Filme wie die von Nolan im Blockbusterbereich noch gibt. Mir selbst gefallen nur THE DARK KNIGHT und INSOMNIA. Letzterer ist allerdings im Vergleich zum Original arg auf Hollywood gebürstet. THE PRESTIGE ist Mittelmaß, MEMENTO nicht mehr als eine gute Idee. Nolans Werke erinnern leider eher an Schaltpläne als an Filme.
“Prestige war ja ganz nett, belangloser Mainstream,”
Prestige ist mehr als das.Im Film wird erklärt wie ein Zaubertrick aufgezogen werden muss, damit er funktioniert und diese Vorgehensweise lässt sich tatächlich in der Struktur des Drehbuchs und vor allem im Schnitt wiederfinden. Prestige ist also nicht nur ein Statement über die Verwandschaft von filmischer Illusion und Bühnenmagie, sondern demonstriert dem Zuschauer zugleich die Prozedur…clever, wirklich clever. Ist mir allerdings auch erst aufgefallen, als ich mir den Film ein zweites Mal anheschaut habe…
Im Film wird erklärt wie ein Zaubertrick aufgezogen werden muss, damit er funktioniert und diese Vorgehensweise lässt sich tatächlich in der Struktur des Drehbuchs und vor allem im Schnitt wiederfinden.
Sehe ich ähnlich wie du, Filmhass, auch wenn mir dazu oben etwas die Artikulationsfähigkeit abhanden gekommen ist ;-). Die Inhalte/Themen schlagen bei Nolan oftmals auf die Struktur der Filme zurück. Von daher finde ich eben nicht, dass “Memento” nur eine gute Idee ist, sondern den Zuschauer in das Hirn der Hauptfigur eindringen lässt. Ebenso im Plural bei “Inception”.
@ jenny: Danke für den Hinweis für die Leser, aber glücklicherweise gibts auch in Österreich Internet ;-). Auch wenn ich es hier nur sporadisch nutzen kann.
@Filmhass
eben nicht. Gerade die Einsichten in die Funktion eines Zauberers oder Magiers und dessen arbeiten kommen doch viel zu kurz. Da wird vieles angeschnitten, aber leider nicht zu Ende gebracht. Daneben mangelt es Prestige auch an vernünftiger Kameraarbeit, die das Thema adäquat umsetzen, die dem Thema leider ganz und gar nicht gerecht wird
“Following” noch nicht gesehen, mal so nebenbei?
Okay, hier spricht ein Nolan-Fanboy; für mich sind seine Filme von “Memento” über “Batman Begins” und (vor allem) “The Prestige” bis zu “The Dark Knight” allesamt Meisterwerke, und ich freue mich schon riesig auf “Inception”. Nolan dreht so intelligente, hintersinnige Filme, wie Hollywood-Mainstream überhaupt nur sein kann, und macht damit einfach unbändigen Spaß. Lobhudelei kann gar nicht hoch genug ausfallen. ;-)
“eben nicht. Gerade die Einsichten in die Funktion eines Zauberers oder Magiers und dessen arbeiten kommen doch viel zu kurz.”
Ich sprach nicht von einem allgemeinen Einblick in die Zauberei, sondern speziell von der Aussage, dass jeder Zaubertrick aus drei Akten usw. bestehen würde. Wird im Film, glaube ich, von Caines Figur ausformuliert…dieses Konzept hat Nolan sowohl auf die Struktur der Handlung (die ja in 95% aller Filme eh in drei Akte aufgeteilt ist) und den Schnitt übertragen.
“Prestige war ja ganz nett, belangloser Mainstream, aber unterhaltsam, ein besserer Ron Howard.”
2006 war bekanntlich das Jahr der konkurrierenden Magier. Entweder man schwärmte für “The Illusionist” und unterstellte “The Prestige” Gefühl- und Belanglosigkeit – oder man hielt den Film mit Edward Norton, der übrigens seine “Tricks” gar nicht aufdeckt, für unerträglich kitschig. – Seltsamerweise kann ich mit beiden Filmen gut leben, wobei ich durch “The Prestige” zum richtigen Nolan-Jünger wurde und mir den Film mehrere Male im Jahr ansehe.
Was ich noch hinzufügen wollte: “Filmhass” hat mir eine Besprechung von “The Prestige” auf Jahre hinaus verunmöglicht, weil er das, was den Film ausmacht, in seinen beiden Kommentaren auf den Punkt bringt.
,,THE PRESTIGE ist Mittelmaß, MEMENTO nicht mehr als eine gute Idee.”
Oha, stimme ich auch nicht wirklich zu…die Filme sind viel besser. Auch in Bezug auf die Beschreibung von Filmhass.
Und, stimmt, was ist mit Following?
Für ein Erstlingswerk sehr groß.
@Filmhass
ja, schon klar, ich gab nur meinen Eindruck des Mangels wieder. Was die Aufteilung in drei Akte nun besonders oder speziell machen sollte, erschliesst sich mir nicht. Mit Formalien hat es Her Nolan durchaus, nur sollten diese auch mit Leben gefüllt werden.
@Whoknows’ Best
The Illusionist war kaum auszuhalten, nicht nur fehlte jeglich Stringenz, der war auch noch ganz mies geschrieben und inszniert.
@Whoknows’ Best
Sorry ;-) Über eine Besprechung des Films deinerseits würde ich mich aber trotzdem freuen :-)
@JMK
Caines Figur führt noch mehr aus. Bei dem Hinweis auf die drei Akte bleibt es nicht ;-) Schau dir am besten den Film noch mal an…d.h ich meine mich zu erinnern das auch ein paar gute Besprechungen online stehen, die diesen Aspekt ausführlich beleuchten. Aber vielleicht kümmert sich ja Whoknows’ Best demnächst darum ;-)
Das ist ja eine sehr umfangreiche Diskussion, die sich in 2 Lager aufspaltet.
Zu “Following”: Gut erkannt! ;-) Den habe ich bewusst ausgespart, weil ich ihn noch nicht gesehen habe. Laut Synopsis weißt aber auch dieser ein sehr psychologisches Thema um Isolation und den Wunsch sozialer Integration auf. Er passt also – zumindest davon ausgehend – zu den übrigen Filmen Nolans.
@JMK zu
Daneben mangelt es Prestige auch an vernünftiger Kameraarbeit, die das Thema adäquat umsetzen, die dem Thema leider ganz und gar nicht gerecht wird
Wie hätte denn dann deiner Meinung nach eine adäquate Umsetzung bei der Kameraarbeit aussehen müssen? Ich stimme dahingehend weiterhin Filmhass zu insb. bei der Einteilung des Films in Akte und insbesondere der “Prestigio”, der drehbuchtechnische Zaubertrick am Ende. “The Illusionist” hab ich allerdings auch leider noch nicht gesehen.
@Filmhass
Ich hätte es nicht besser in Worte fassen können als du. Vielleicht bespreche ich stattdessen mal den Houdini-Schmachtfetzen, in dem ich 2007 mitspielte.
Gruss Catherine Zeta-Jones ;)
@Khitos und luzifus: So schön durchdacht THE PRESTIGE von der Struktur her auch ist*, ändert das nichts daran, dass der Film für mich nie über die gute Idee hinauskommt. Selbiges Problem habe ich mit MEMENTO. Die Idee wird solide (nicht mehr) umgesetzt, als würde ein Mathestudent eine besonders knifflige Gleichung an der Tafel lösen. Das ist am Ende auch ebenso spannend (oder eben nicht).
*abgesehen von dem seltsam depperten Twist auf dem Niveau einer billigen TV-Serie.
Ich habe Prestige sogar schon dreimal gesehen:-) Ich finde den ja auch gar nicht schlecht, ganz allgemein gesprochen. Nur leidet der wie alle Nolan Filme daran schlauer zu sein, als er ist. Wie schon on Memento oder auch im Dark Knight versucht er Konstrukte aufzubauen die doch recht simpel sind, aber vermeintliche doppelbödigkeiten vortäuschen. Da hat Jenny ganz recht, eine (durchaus gute) Idee wird auf Spielfilmlänge ausgewalzt. Das reicht mir nicht, zu Flm gehört für mich auch immer Empathie den Protagonisten gegenüber und bisher liessen mich diese komplett kalt. Ihr Schicksal, ihre Handlungen interessieren mich icht wirklich.
Zur Kamera bei Prestige: Die war mir zu wenig “magisch” :-), zu steril, zu abgeschmackt, gerade bei Zaubereren bieten sich doch unzählie Möglichkeiten an, sich auszutoben, sich den Tricks nicht nur von der Bühne zu nähern. Exemplarisch wird das bei Jackmans Besuch bei David Bowie belegt, das Feld der Glühlampen, das sich doch wirklich für eine Sequenz anbietet, wird fast ebensächlich abgefrühstückt. Wieder mal ein vertane Chance.
@JMK Interessant ist ja, dass auch die Kritiker von INCEPTION gerade die fehlende Fantasie hervorheben, die du in deinem zweiten Absatz anmerkst. Selbst die Träume würden nach einem durchkonstruierten Plan ablaufen. Entsprechend hat Jim Emerson (denke ich) in einer Besprechung gefragt, ob Nolan vergessen hat, wie man träumt.
Warum gibt’s hier keine Edit-Funktion:-) Die Tippfehler sind der neuen Tastatur anzukreiden.
Auf Inception bin ich ja schon ein wenig gespannt, das sieht ja alles interessant aus, wenn auch wieder sehr konstruiert. Vielleicht fehlt ihm der Mut mal ein wenig radikaler zu sein und nicht mit einem Auge auf das Mainstream-Publikum zu schielen.
@JMK: Vielleicht gibt’s ja ein Plugin für eine Edit-Funktion. Muss ich mal suchen. ;)
Ich frage mich, ob das wirklich die fehlende Radikalität ist. Sein trockener Batman-Ansatz zeigt schließlich, wieviel er von Fantasie hält.
@JMK zu
Vielleicht fehlt ihm der Mut mal ein wenig radikaler zu sein und nicht mit einem Auge auf das Mainstream-Publikum zu schielen.
Ich denke, dass du von “Inception” unter diesem Gesichtspunkt wohl leider auch enttäuscht werden wirst.
@ jenny:
Hinsichtlich mangelnder Fantasie bzw. mangelnden Mut zum Experimentieren braucht man sich nur mal die in sich schlüssige Kritik von Björn Lahrmann zu Gemüte zu führen ;-).