Aus gegebenen Anlass: TV-Tipps

Regelmäßige TV-Tipps soll es hier keineswegs geben. Das machen andere Blogs wesentlich besser. Sonderlich hilfreich ist es auch nicht, dass sich mein Fernsehkonsum zunehmend auf Kulturzeit, Tracks und Taff reduziert (die gesunde Mischung), aber angesichts der überraschenden geschmacklichen Entwicklung des “Wir lieben Kino”-Senders Tele 5, sei an dieser Stelle mal eine Ausnahme gemacht, ganz zum Wohle der interkulturellen Bildung unserer Leser natürlich.

Dem ein oder anderen gescheiten Leser mag es schon aufgefallen sein, aber es sind unglaublich subtile Zeichen, welche daraufhin deuten. Eine ganze Kategorie widmet sich seinen Filmen, in jedem zweiten Post wird er erwähnt und über so gut wie jeden seiner Schritte berichtet. Ja, the gaffer ist eine inoffizielle Johnnie To-Fanpage, nur Lutz hat das noch nicht gemerkt, sonst wäre er schon längst verschwunden (wie bei Filmabenden alle Anwesenden, wenn ich eine To-DVD zur Auswahl stelle). In Deutschland ist der Action-Auteur nämlich noch schwer unterschätzt, weshalb es doch ein klitzekleines bisschen verwunderlich ist, dass ausgerechnet Tele 5 dem Mann eine ganze Reihe widmet. Arte wäre die logische Wahl gewesen. Wie dem auch sei, den To-Missionar freut’s, denn da seine Filme hierzulande meist entweder gar nicht, auf DVD oder nur auf Festivals zu sehen sind, läuft die Konfirmation der neu gewonnenen To-Gläubigen etwas schleppend. Fernsehausstrahlungen könnten bei der Erweiterung der Gemeinde also ganz hilfreich sein.

Freitag, 11.09., 23.50 Uhr (Tele 5)

Election (HK 2005) Kritik

Tele 5 ist clever oder der Zufall regiert. Für alle, die Angst vorm klassischen Hongkong-Kino oder den Klischees von diesem haben, weil sie in ihrer Jugend zu vielen John Woo-Filmen ausgesetzt wurden, ist “Election” vielleicht das perfekte Kontrastprogramm. Ein Gangsterfilm, der sich nicht in unfreiwillig komischen Blutgelagen aufhält, sondern minutiös die perfiden Mechanismen der jahrhundertealten Syndikate in Hongkong (genannt: Triaden) aufbröselt. Für Genrekenner absolut empfehlenswert und erst recht für alle, die Johnnie To nur für den “Typen mit den geilen Zeitlupen und der Gitarrenmusik” halten. Herrn Tarantino bewarb den Film  übrigens 2005 etwas überschwänglich als “besten Film des Jahres”.

Freitag, 18.09., 23.25 Uhr (Tele 5)

Election 2 (HK 2006) Kritik

Der beste Film des Jahres 2005 war der Vorgänger wohl nicht, das zeigt schon der zwei Jahre später in der Geschichte einsetzende “Election 2”. Der setzt nämlich in jeder Hinsicht noch eins drauf und gehört mindestens in die Top 3 der besten Johnnie To-Filme. Die Geschichte der Triade wird an Hand einer erneuten Wahl von deren Führer weitergesponnen, doch haben nun die politischen Umstände ihren äußerst brutalen Einfluss auf die gar nicht faire Auseinandersetzung der Kontrahenten. Nicht nur eine entlarvende Darstellung der häufig glorifizierten Triaden und eine pessimistische Bestandsaufnahme Hongkongs in seiner Epoche als Sonderverwaltungszone der Volksrepublik China, sondern auch ein überaus verstörender Thriller.

Freitag, 25.09., 23.45 Uhr (Tele 5)

Fulltime Killer (HK 2001)

Alle, die Johnnie Tos Vielseitigkeit nun kennengelernt haben, dürfen sich in “Fulltime Killer” an fast schon altmodischer Heroic Bloodshed-Action erfreuen. Zwar kommt der Film auf Grund der fehlenden Radikalität seiner Inszenierung und der überdreht cleveren Story nicht an Tos spätere Actionfilme wie “Exiled” oder abstrakte Übungen wie “PTU” heran, aber für kurzweilige Unterhaltung ist gerade auch dank des stets sympathischen Andy Lau in der Hauptrolle gesorgt.

Freitag, 02.10., 23.45 Uhr (Tele 5)

Running Out Of Time 2 (HK 2001)

Eigentlich ein kleiner Aussetzer in dieser Reihe, aber Tele 5 hat anscheinend nix anderes zu bieten. Der erste Teil ist ein brillant in Szene gesetztes und sehr unterhaltsames Katz- und Mausspiel der beiden Stars Andy Lau und Lau Ching-Wan, das mit überraschend sensiblen Seiten auftrumpft und einer der schönsten Busszenen der jüngeren Filmgeschichte. Die Fortsetzung, wiederum mit Lau Ching-Wan, einem der besten Charaktermimen Hongkongs, ist tendenziell überflüssig und leider auch noch mit Hongkongs charismalosen Holzblock Nummer Eins, Ekin Cheng, geschlagen.

(via)

Mother's finest

Vielleicht hat jeder mit “Thirst” (zu deutsch “Durst”) von Park Chan-wook gerechnet, als es um die Frage ging, welcher Film dieses Jahr für Südkorea ins Oscarrennen geht und wahrscheinlich wird der Vampirstreifen international für mehr Aufmerksamkeit sorgen. Dass sich die Koreaner (auch an den Kinokassen) stattdessen für ein Drama entschieden haben, in dem eine ältere Witwe die Unschuld ihres geistig behinderten Sohnes in einem Mordfall beweisen will, mag aber einiges über die Qualität von Mother aussagen.

Während “Thirst” im Wettbewerb lief, wurde Bong Joon-hos aktueller Film ‘nur’ in der Reihe Un Certain Regard in Cannes gezeigt. Am Ende der Kritik zum Film bei Twitch wird dem Regisseur von “Memories of Murder” und “The Host” folgendes attestiert: “Can Bong Joon-Ho do no wrong? He probably can. Who knows, maybe one day he even will. But today? Oh mother, today’s not that day. Not by a long shot…

Im Gegensatz zu “Thirst” hat “Mother” noch keinen deutschen Starttermin. Aber das war ja eigentlich klar.

(via)

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Inglourious Basterds (USA/D/F 2009)

„Die Ode an das Kino“ wird auch hier gern herangezogen, wenn alle anderen Worte zu versiegen beginnen, weshalb dieses Qualitätssiegel schnell Gefahr läuft, zur einfallslosen Platitüde zu verkommen. Doch wie soll man Quentin Tarantinos neuen Film anders umschreiben, wenn nicht mit diesen fünf Worten, die zumeist mehr von der Überwältigung des Kritikers berichten, als von den Eigenschaften des betreffenden Films. Inglourious Basterds ist leider ein Werk, mit dessen Genuss diese adrenalingeladene Überwältigung einhergeht, weshalb hier auf eine einfallsreiche Umschreibung verzichtet und erneut auf obiges Klischee zurückgegriffen wird: “Basterds” ist nicht nur eine Ode an das Kino, er ist pures Kino.
Den Filmen des Ex-Videothekars – das scheint Konsens der meisten Rezensenten – liegt es nicht im Sinn, sich der Realität anzunähern. Tarantino dreht Filme über Genres, kreiert eigene Popkulturuniversen, schreibt ausschließlich in eben solchen stattfindende Dialoge, welche nicht von Menschen, sondern figurativen Skizzen vorgetragen werden. Seine Filme strotzen vor Gewalt, doch führt er keinen Diskurs über diese. Das Blut ist da, die abgetrennten Gliedmaßen, doch in wessen Hand auch immer sie liegt, die Gewalt bleibt meist ohne Ambivalenz. Wenn Vic Vega einem Polizisten ein Ohr abtrennt, dann ist das vielleicht schockierend, aber zu solchen Mitteln greifen soziopathische Anzugträger im “Reservoir Dogs”-Universum nun einmal. Schlachtet Beatrix Kiddo dutzende ihrer Gegner auf ihrem Weg zu Bill ab, ist es ein Zeichen ihrer Meisterschaft mit dem Schwert oder einfach so cool, wie es die Inszenierung verlangt. Tarantino fordert uns nicht auf, unser Sehverhalten zu hinterfragen, vielmehr ringt er Bewunderung ab, ein Oh und ein Ah und ein paar Lacher. Es ist jedoch stets die distanzierte Betrachtung eines virtuos gewebten Netzes der Referenzen und überraschenden Verzweigungen.

Ja, mit “Basterds” hat er sich in den oben beschriebenen Punkten gewandelt. Nein, es ist ihm nicht plötzlich aufgegangen, dass er sein soziales Gewissen auf Zelluloid bannen muss. Inglourious Basterds ist kein Film über den Zweiten Weltkrieg und auch keiner über die Shoah. Hier soll daher nicht spekuliert werden, ob und inwiefern Tarantinos  oftmals unterstellte Annäherung an dieses dunkle Kapitel menschlicher Geschichte nun die richtige, mögliche oder schlichtweg falsche Darstellung der Ereignisse in sich trägt. “Basterds” ist ganz offensichtlich eine Fiktion und zieht durch seine Natur höchstens die uns in Erinnerung gebliebenen Bilder anderer Darstellungen von Nazis, G.I.’s und Juden in anderen Filmen hervor. Wir gleichen ab und erkennen Unterschiede, sind zufrieden oder nicht. Zwar mag der Film eine Rachefantasie sein, die nur im Kontext des Wissens um das Grauen der tatsächlich geschehenen Verbrechen ihre volle Kraft entfaltet, doch es ist und bleibt eine Fantasie, in ihrem Kern enthoben jeglicher Verankerung in historischen Ereignissen abseits der Filmgeschichte. So bemüht sich Tarantino nicht, mit Hilfe unzähliger Quellen das Eigenschaften- und Manierismenbündel Hitler darzustellen, wie es andere Filme vor ihm getan haben. Vielmehr zeichnet Schauspieler Martin Wuttke, ebenso wie Sylvester Groth mit seinem Goebbels, eine lächerliche Karikatur einer Filminterpretation einer historischen Persönlichkeit namens Adolf Hitler. Ähnlich “grob” arbeiten häufig Satiren, doch Tarantinos in “Basterds” geschaffene Welt entbehrt ansonsten der ironischen oder auch nur kritischen Überzeichnung. Sein Europa vor der Kulisse des Zweiten Weltkriegs ist hingegen ein kinematografisch zusammengesetzter Märchenschauplatz. Da spazieren französische Bauern durch die Westernlandschaft eines John Ford, wird ausgerechnet ein Filmkritiker für einen Geheimauftrag ins Feindesland geschickt und David Bowies “Putting out Fire” aus Paul Schraders “Cat People” begleitet Racheengel und Kinobesitzerin Shosanna (eine Entdeckung: Mélanie Laurent) bei den Vorbereitungen zu ihrer tödlichen Mission. Häufig fehlen Verbindungsstellen einzelner Handlungsstationen, es ist eben nicht nötig, zu erklären, wie eine dem Tode entronnene Jüdin im besetzten Frankreich zu einem Lichtspielhaus kommt. In diesem Universum ist es denkbar, filmbar, machbar.

Keine Apologie des Werkes eines filmbegeisterten Jungen, der nur spielen will, soll das hier jedoch sein. Tarantino bringt mehr als nur ein Genre-Pastiche. Zugegeben, ein paar seiner eher überflüssigen Markenzeichen hat er auch hier untergebracht. Das Hugo Stieglitz-Zwischenspiel sticht beispielsweise im falschen Moment äußerst unangenehm hervor. Was in seinen anderen Filmen aber clever ist, erscheint in “Basterds” plötzlich schlau. Todernst ist die in fünf Kapitel unterteilte Geschichte trotz aller Lacher, welche überdimensionierte Pfeifen und hysterische Bingos hervorrufen. Über Christoph Waltz und seinen Hans Landa wurde viel geschrieben. Soviel sei gesagt: Er ist so brillant, wie die Vorschusslorbeeren es verheißen, doch wird seine Leistung keinesfalls von diesen erdrückt. Der SS-Mann Landa ist wohl zum einen Tarantinos größte Schöpfung, auf der anderen Seite aber die Personifizierung des gesamten Films. Ein Mann, der genüsslich und ein bisschen ulkig übertrieben seinen Strudel mampft, um dann lieblos seine Zigarette darin zu versenken. Einer, der im selben Atemzug mit Worten betört und bedroht. “Basterds” ist schließlich kein cooler Actionfilm und das nicht nur auf Grund der zahlreichen Verhörsituationen, welche Tarantinos Sunspense-Qualitäten in Wort wie Bild zum Vorschein bringen. Vollzogen wird die Rache, wird das groß angekündigte “Nazis töten” in einem ambivalenten Gewand. Für die von Aldo Raine (Brad Pitt) angeführten Basterds sind alle deutschen Soldaten Schergen Hitlers, würdig einzig der Bestrafung. Anders wäre ihr brutaler Schlachtzug kaum zu begründen. Aber wenn Tarantino sie nicht darzustellen versucht, so weiß er doch, dass sie existiert, die Wirklichkeit.

Deshalb ist die Rache der Basterds kein Spaß, deshalb zeigt er die Skalpierungen, die hemmungslos orgiastischen Bleigewitter, die Verstümmlungen, die ohne Rücksicht auf Schuld oder Unschuld der Opfer vor sich gehen. Deshalb macht er keine Gefangenen. Inglourious Basterds preist die Macht der Fiktion, die Macht der Bilder, ist Kino durch und durch. Gereift, wie der Regisseur und Autor nunmehr ist, führt die Blutspur der Basterds durch Frankreich bis ins Fegefeuer eines Pariser Kinos, in dem der Jubel des Publikums alsbald von unserem abgelöst wird, um schlussendlich im Schock zu ersterben. Das sich rächende Riesengesicht, es schaut auch auf uns.

Shameless Self-Promotion

Nach Monaten der Überlegung, ob es sich tatsächlich lohnt, ist the gaffer nun auch bei twitter vertreten. Wer Lust hat, darf mir gern folgen (im rein virtuellen Sinne natürlich).

Mal sehen, wie lange ich durchhalte:

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