Diary of the Dave #10 – Musikdokus

Als Jeffrey Hyman eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich auf einer Bühne zu einem riesigen Rockstar verwandelt wieder…

Als ich gestern früh aus unruhigen Träumen erwachte, wusste ich noch nicht, dass ich am Nachmittag in den Müller gehen würde, um das Angebot von 5 Filmen zum Preis von 4 zu nutzen. Oder vielleicht doch? Auf jeden Fall wusste ich nicht, dass ich am gleichen Abend “Dark Star”, das Erstlingswerk von John Carpenter sehen würde. Ich wusste auch noch nicht, dass mich ein herrlicher, wirklich wunderbarer Science-Fiction-Trash mit philosophischem Tiefgang erwarten würde… und später ein furchtbarer Wutanfall wegen des temporären Durchdrehens meines Computers…

Als ich heute morgen aus unruhigen Träumen erwachte, wusste ich auch noch nicht, dass ich heute Abend “End of the Century: The Story of the Ramones” gucken würde. Tatsächlich… denn außer “Dark Star” habe ich gestern ja noch vier andere Filme gekauft, die nicht “End of the Century” sind! Beim Frühstück habe ich jedoch wehmütig, wie auch zornig und ungehalten über Musik-Dokus und Konzert-Filme nachgedacht. Dabei bin ich zum Schluss gekommen, dass auch Dokus durchaus einiges an kinematografischer Handwerkskunst brauchen, um ansehnlich zu sein… dass Martin Scorsese ein ganz großartiger Dokumentar-Regisseur ist, was er nicht nur mit “Il mio viaggio in Italia”, sondern auch mit “No Direction Home” bewiesen hat; wenngleich Shine a Light micht ehrlich gesagt nicht so vom Hocker gehauen hat! Und dass “Ostpunk. Too much future” ein absolut grauenhaft schlechter, beschissener Film war, der einfach nur zum Kotzen war!!! Ein Film, der bewies, dass Dokumentationen wirklich eine gute Regie verdient haben bzw. in diesem Falle verdienen würden… Aber welche Musikdoku war wirklich gut? Wie gesagt: No Direction Home hat mich auch als jemand überzeugt, der Bob Dylan allgemein für überschätzt hält. Lou Reed‘s Berlin von Julian Schnabel war prätentiös: eine schlechte Aufführung des berühmt-berüchtigten Meisterwerks mit einem Lou Reed, der sich überhaupt keine Mühe gemacht hat, zu singen, begleitet von einem etwas dürftigen Ensemble und untermalt mit pseudo-intellektuellen Re-Enactment-Pseudo-Flashbacks. “Woodstock” war im großen und ganzen vielleicht etwas zu lang, die Splitscreens waren völlig unnötig. Bleiben also zwei Filme, die wirklich super waren: “Message to Love: The Isle of Wight Festival” (man beachte den Typen mit der Irokesen-Frisur, 1970!!!) und “Gimme Shelter”.

Also dachte ich, sollte ich heute Abend mal die aktuelle Ramones-Doku End of the Century: The Story of the Ramones gucken… gesagt getan… Und was ist passiert? Ich wurde mit schönen Bildern und Video-Ausschnitten, einigen interessanten Informationen, einigen verrückten „Doku-Flashback-Experimenten“ belohnt, aber zugleich auch mit einer ziemlichen Mittelmäßigkeit bestraft! Im Kino hätte ich sicherlich nicht mit faulen Tomaten nach der Leinwand geworfen, aber ich hätte mich sicher gefragt, ob es die fünf Euro wirklich wert war. Ein bisschen wie Nico-Icon, die Doku über Nico, die ich im Ami im Frühling 2008 sah, oder die Doku über Joy Division im Jahre 2009: beide enthielten interessante Informationen, einige schöne Bilder, aber auch viel zu lange Interview-Sequenzen… und irgendwelche sinnlosen Stadtlandschafts-Sequenzen, die verrieten, dass die Filmemacher nicht wussten, was sie eigentlich wollten. Das gleiche mit dem Ramones-Film.

Interessante Fakten: der eigentliche Grund der Annäherung der Herren Jeffrey, Johnny, Douglas und Thomas war ihre gemeinsame Begeisterung für die Stooges. In Forest Hills, Queens, war man wohl Ende der 60er Jahre als Stooges-Fan ein Außenseiter und musste deshalb mit anderen Außenseitern zusammenhalten. Von da an wurden sie Fans der New York Dolls, und begannen als eine Art Dolls-Nachahmung in Form einer Glam-Rock-Band. Dass Alan Vega von Suicide die Ramones als erster Musiker-Kollege lobte, wusste ich ebenfalls nicht. Dass die Ramones wie eine gestörte Familie funktionierten, weiss jeder… die Anekdoten über Johnny, der Dee Dee schlug wenn dieser schlecht Bass gespielt hatte und über Dee Dee, der Johnny wegen irgendeiner Kleinigkeit mit dem Messer bedrohte, illustrieren dies eindrücklich.

Durchaus gelungen vermittelte die Doku auch den Fakt, dass die Ramones immer kommerzielle Außenseiter blieben und permanent gezwungen waren, zu touren, um zu überleben. Und anscheinend auch zum Teil vom “T-Shirt-Geld” abhängig waren, wovon der dritte Schlagzeuger Richie aber nichts sah. Der kommerzielle Misserfolg der Ramones führte dazu, dass sie sogar auf die Sex Pistols neidisch waren, die mit mehr Erfolg durch die Staaten tourten. Interessant zu bemerken war für mich, dass Dee Dee Ramone in seinen etwas Drogen- und/oder Alkohol-benebelten Interviews ein bisschen einem meiner früheren Nachbarn.

Anders gesagt: End of Century: The Story of the Ramones rangiert im glanzlosen Mittelfeld mittelmäßiger Musik-Dokus. Haut einem nicht vom Hocker, ist aber auch nicht wirklich grottenschlecht. Klassisches Problem wie bei sehr vielen solchen Dokus: die interessanten Anfänge werden überbetont, dann verliert sich das ganze Narrativ immer mehr. Das bedeutet, dass der Film nach zwei Dritteln die Puste verliert.

Ich bin kein Filmemacher. Ich bin kein Filmexperte. Aber irgendwie könnte man die filmischen Annäherungen an Musik doch ein bisschen besser veranstalten. Die paar positiven Beispiele gelungener Musik-Dokus bzw. Konzertfilme haben vielleicht eines gemeinsam: ihr Thema ist sehr begrenzt. No Direction Home hat trotz seiner 200 Minuten nicht den Anspruch, den ganzen, kompletten Bob Dylan darzustellen, sondern bricht mit dem kontroversen Übergang zur „elektrischen Phase“ und dem mehrmonatigen Rückzug Dylans 1966 ab. Bei Message to Love: The Isle of Wight Festival geht es um gerade mal drei Tage, die aber sehr kompakt und spannend zusammengehalten werden durch Konzert-Ausschnitte und manchmal sehr lustigen Interviews beim Festival selbst. Gimme Shelter dokumentiert schlicht und einfach nur die erste USA-Tour der Rolling Stones, die in einer absoluten Katastrophe endete. Durch seine Zeitnähe besteht der Film nur aus „zeitgenössischem“ Material, wodurch die Dynamik des Films eben nicht ständig unterbrochen wird durch irgendwelche nichtssagenden Interviews mit irgendwelchen Leuten die fälschlicherweise denken, sie hätten was interessantes zu sagen. Eine thematische Eingrenzung scheint also durchaus sinnvoll zu sein bei solchen Musik-Dokus.

Als Historiker würde ich wahrscheinlich irgendetwas von Fragestellung brabbeln. Keine Ahnung… 2Die Anfänge der Ramones im CBGB‘s” oder so was in der Art… oder vielleicht nur die Entstehungsgeschichte des Debütalbums beleuchten! Oder vielleicht eine Einbettung der Ramones in eine jüdisch-amerikanische Kulturgeschichte der Nachkriegszeit (ich habe da natürlich das zentrale Kapitel über die Ramones in Steven Lee Beebers wunderbarem Buch über die jüdisch-amerikanischen Wurzeln des Punkrock im Hinterkopf). Womit ich zu meinem Anfangsgedanken zurückkomme: Ich werde wahrscheinlich heute Nacht wieder unruhige Träume haben und zwar über schlechte und mittelmäßige Musik-Dokus. Letztendlich tun die mittelmäßigen, wie eben “End of Century”, mehr weh: sie machen keinen wirklich großen Spaß, aber man kann sie eben auch nicht genüsslich herunterputzen.

Diary of the Dave #9

24 hours of the dead

a.k.a.

Ein verlängertes Wochenende… mit Zombies

Donnerstag, 7. Oktober

Der ursprüngliche Plan war, um Mitternacht mit “Night of the Living Dead” zu beginnen. Mitternacht: passend, da der Film seinerzeit ein großer Favorit des Mitternachts-Kinos war. Dann frühs, d. h. um 5 Uhr oder 6 Uhr morgens mit „Dawn of the dead“ weitermachen. Dawn – Morgengrauen. Mittags bzw. am frühen Nachmittag mit „Day of the dead“ weiter, (obwohl dies vermutlich der klaustrophobischste der Reihe ist… werd’ ich ja sehen) und dann am Abend mit „Land of the dead“ und schließlich „Diary of the dead“ die Romero-Reihe zu beenden. Daraus wird wohl doch nichts. Ich bin nicht mehr der Jüngste.

Deshalb wird es heute vorerst ein Double-Feature mit den beiden ersten Filmen der Reihe. Night of the Living Dead habe ich jetzt (22 Uhr) gerade zu Ende geschaut. Die dissonante Musik zur „Lynch-Szene“ ist gerade ein kleiner Ohrwurm. Musik, die übrigens im Laufe des Films nach und nach besser wird durch eine gewisse Minimalisierung (weniger kann manchmal mehr sein). „They‘re gonna get you“ ist vielleicht der berühmteste Satz des Films, aber wenn man die Pointe kennt hat der Satz „The cellar is safe“ einen köstlichen Nachgeschmack. Mit ihm hängt so viel zusammen: das Horror-Film-Klischee des Rückzugs in immer kleinere Räume, das immer wieder kehrende Thema der dysfunktionalen Familie im Film (kommt ja auch teilweise in „Land“), quasi-philosophische Gedanken zum Thema Zivilcourage (Cooper ist der extreme Individualist des Films, der andere Menschen in Not lieber krepieren lassen will, als ihnen zu helfen, und dies zwei Mal – quasi der FDPler des Films) und… ups, das wars schon? „Night“ ist im Vergleich zu anderen Zombie-Filmen einer mit wenig on-screen-Zombies. Die Bedrohung kommt zwar von außen, aber der Tod lauert im inneren Kreis. Alle sind hier mit einer Extremsituation überfordert und springen sich dann irgendwann an die Gurgel. Obwohl Ben die Identifikationsfigur des Films ist (und das vor den Blaxploitation-Filmen), hat er irgendwann kein sehr ausgeglichenes Konto mehr: er schlägt Barbara und erschießt Cooper (zwei Mal – hier diese Spiegelung: Cooper hätte ihn fast zwei Mal sterben lassen) und erschießt auch Helen. Barbara wird von ihrem eigenen Bruder verspeist. Nur die beiden Hippie-Kids sterben nicht durch die Hand (oder die Zähne) eines Mitglieds des „inneren Kreises“ (oder durch die Familie). Sie waren wohl aber auch ein Vehikel dafür, dass es wenigstens eine kleine Liebes-Dialog-Szene gibt. Ja… ganz so puristisch war Night of the Living Dead nun auch wieder nicht. Ich schreibe und schreibe… Jetzt ist aber erst mal Zeit für „Dawn“ (nach einer Zigarette und der Beschaffung eines neuen Getränks).

Übrigens: passend zum Schwarz-Weiß des Films habe ich ein friesisch-herbes Bier getrunken. Zur kolorierten Fassung würde eher ein Diesel (iihh-gitt I-GITT) schmecken. Durch die ganzen Licht-und-Schatten-Effekte entwickelt der Film wohl erst seine ganze Bedrohlichkeit. Vor allem durch das, was man nicht (!) sieht oder ihm Dunklen nur erahnen kann!

Shoppen wäre wirklich so eine tolle Sache… wären da nicht diese Zombies, und diese Motorradgang, die auch gerne… shoppen möchten.

Mensch… 2h 35min purer Zombie-Spaß mit sozialkritischem Subtext und einer furchtbar schlechten deutschen Synchro, bei der eine Frau mal einfach so mitten im Satz die Stimme wechselt. Und Robert De Niros Synchronstimme für Peter.

Da es jetzt kurz vor 1.30 Uhr ist, kann ich erstmal nur sagen: den Film sollte ich ein zweites Mal schauen. Dawn of the Dead zeigt insgesamt sehr beeindruckend, was passiert, wenn die öffentliche Ordnung zusammenbrechen wird: die Leute werden „einkaufen“ gehen. (Um das böse P-Wort nicht zu verwenden… Xlündern). Stephen, Peter, Roger und Fran landen wie Robinson Crusoe auf einer einsamen und verlassenen Insel. Diese Insel ist ein Kaufhaus. Und sie treffen da nicht auf Freitag, sondern auf eine Horde von Zombies, die sie ungefähr genauso verächtlich behandeln wie Robinson Freitag.

Wenn ich jetzt mal prätentiös werden wollte: interessant ist der Zusammenhang zwischen Konsumrausch, Gewaltrausch und Männlichkeitsbesessenheit, der in diesem Film dargestellt wird. Die (männlichen) Protagonisten rotzen Zombies (und auch Menschen) weg, plündern/konsumieren was das Zeug hält und fühlen sich dabei sehr sehr männlich, während die Frau gerne Frühstück machen würde, was aber auf Grund eines fehlenden Herdes nicht geht. Gemäß einigen Kritiken, die man über Romeros Zombie-Reihe liest, soll Day of the Dead deshalb besonders unverdaulich sein, weil ihm die sympathischen Identifikationsfiguren fehlen. Auch wenn “Dawn of the Dead” ein Film über extremen Konsum, also über Überfluss ist, einen Überschuss an sympathischen Identifikationsfiguren kann er nicht aufweisen. Roger ist ein völlig narzistischer und schießwütiger Vollidiot. Stephen ist der klassische Schwiegersohn-von-nebenan-Typ, den jeder normale Mensch am liebsten mit einer Rasierklinge (oder einer stumpfen Gabel) bearbeiten möchte. Fran ist so 70er, dass es irgendwie nicht mehr geht. Eigentlich könnte man sie mögen, wäre sie nicht so… farblos und langweilig… und letztlich oberflächlich. Und Peter ist wie ein nicht mehr integrierbarer Frontkämpfer: schießt gerne, säuft gerne und hat manchmal was prolliges (Stichwort Pelzmantel).

Der Film ist zugleich ein intensives Pladoyer GEGEN WGs. Die Mitbewohner sind blöd, drehen ständig durch, bringen einen in Lebensgefahr, verwandeln sich in blutdurstige Amokläufer, die am Schluss selbst verletzt werden oder in Zombies, lästern über die schwangere Mitbewohnerin oder den todkranken Mitbewohner, ziehen komische und augenkrebserregende Kleider an, und irgendwann wirkt das Morphium bei ihnen nicht mehr.

So… müdchen… morgen oder übermorgen geh’ts weiter mit „Day“, dann „Land“, dann „Diary“

Freitag,  8. Oktober

Im Trubel der Dinge ganz vergessen habe ich gestern ein kleines Detail, das Romeros Zombiefilme (und teils die Zombies selbst) so sympathisch macht: ganz viele Zombies sind Individuen. In “Night of the Living Dead” unterstreicht dies natürlich die Tatsache, dass es sich um „ganz normale Menschen“ handelt, die sich dem Blutrausch und Massenmord hingeben. (Irgendwie muss ich an Reemtsmas „Vertrauen und Gewalt“ denken… SELBSTVERSTÄNDLICH „normale“ Menschen… WER DENN SONST. Genau das machte die Nazis so schrecklich!!!).

Zu viel abgeschweift. Für jeden männlichen Zuschauer ein Augenschmaus: der nackte weibliche Zombie in „Night“, dann auch noch der Zombie vom Friedhof, die Zombies in Nachthemden, die biederen Frauen (und sogar Omis), und natürlich das kleine Mädchen.

Bei “Dawn of the Dead” absolut legendär: der Hare-Krishna-Zombie. Aber auch die Nonnen-Zombie, die ihr Kleid in der Tür des Ladens einklemmt… der Baseball-T-Shirt-Zombie, der sich nicht durch die weggehenden Kumpanen ablenken lässt vom Anblick Frans, der schwarze Musterehemann-Zombie am Anfang, der seine eigene Frau anknabbert (wer sagt dysfunktionale Familie?), die „bourgeoise“ Zombie-Frau, der die Motorradgang die Ketten und Ringe klaut, der etwas beleibte Zombie, der oben ohne versucht, durch die Glastür zu laufen, und natürlich der charmante Anblick von Roger und Peter als Zombies. Und wieder mein Argument: das Bedrohliche an ihnen ist nicht ihre Düsterheit, ihre Anonymität, sondern GERADE die Tatsache, dass sie „normale Menschen“ sind: Bekannte, Freunde, Familien-Angehörige, der Nachbar… Der Zombie ist in uns allen! Die Bedrohung kommt von innen! Nun (kurz vor 19.10) zum meiner Pizza, und zu „Day“.

Day of the Dead gerade fertig geschaut. Wo war ich vorhin stehen geblieben? Negatives Menschenbild oder so was?

Ja genau: die Bedrohung von innen, die wird bei „Day“ ganz besonders deutlich. Denn… wenn man dem Zombie ab und zu einen Happen gibt (muss ja nicht gleich ein ganzer Mensch sein, es reicht auch eine Leber… mit einem Chianti?), ihm ein Rasiermesser in die Hand drückt und ihm Kopfhörer an den Kopf steckt (Beethovens 9. Sinfonie: sehe ich da eine Hommage an Stanley Kubrick? Logan versucht in „Day“ auch, das grassierende Problem durch „Rekonditionierung“ in den Griff zu bekommen), dann fängt er an, sich wieder „zivilisiert“ zu benehmen, und ist auch wieder fähig, unliebsame Zeitgenossen „zivilisiert“ (durch Erschießen und nicht durch Zerfleischen!) um die Ecke zu bringen. Nein, nein, nein. Das wirkliche Hauptproblem sind die völlig debilen, sexistischen, rassistischen, testosterongesteuerten, barbarischen und autokratischen Militärs. Das Bild der US-Armee, das hier gezeigt wird, steht ungefähr dem von „Heartbreak Ridge“ diametral gegenüber… obwohl… in „Heartbreak Ridge“ sind sie genauso debil und etc… nur dass der satirische Unterton fehlt. Die (US)Armee wird als ein Laden dargestellt, in dem Rassismus, extremer Sexismus, grenzenloser Anti-Intellektualismus und abnormer (fürs 20. Jahrhundert) Aberglaube herrscht. Es ist aber nicht so, dass Naturwissenschaftler (huch, ich bin nicht betroffen) besser abschneiden. Day of the Dead sollte jedem Biologe gezeigt werden… aber ich will mich jetzt nicht auf eine Diskussion um Embryonen-Klonen, Tierversuche und ähnliches einlassen. Zur Reihe „Wissenschaft im Film“ würde er aber vortrefflich passen (ach so… wäre da nicht diese Indexierung… aber es gibt ja ÜBERHAUPT keine Zensur in Deutschland, Art. 5 des Grundgesetzes sei Dank). Nun, ganz so ungeschoren soll der Film auch nicht davonkommen: selbe Kritik wie bei „Dawn“ (und teilweise „Night“): Musik-technisch ist weniger manchmal mehr. Die Musik von „Dawn“ ist so unglaublich 70er, und die Musik in „Day“ ist so unglaublich 80er… das geht manchmal etwas zu weit!

Nichtsdestotrotz ist auch „Day“ eine relativ ausgewogene Mischung aus Splatter-Horror, Action, Satire und einem sehr pessimistischen Blick auf menschliche Beziehungen und Konflikte (letzteres ist in der ersten Hälfte sogar das dominante).

Damit ich sie nicht vergesse: der Clown-Zombie und die Ballerina-Zombie haben mir sehr gut gefallen!

Samstag, 9. Oktober

Hab gerade mit viel Genuss und Freude (zum dritten Mal, zum ersten Mal OmU) George A. Romeros 9/11-Film gesehen: Land of the Dead. Beim ersten Mal kam er als zweiter Teil eines Zombie-Double-Features auf RTL. Der erste Film war „Shaun of the Dead“. Ich hatte damals einen Slasher ohne Hirn und Verstand erwartet, aber er entpuppte sich als überaus gut gemachter, spannender und intelligenter Film mit so ziemlich allem, was man sich von einem guten Zombie-Film wünschen kann.

Das zweite Mal habe ich ihn auch in einem Double-Feature gesehen. Erster Film war „Der blutige Pfad Gottes 2“  (ganz nett, ohne wirklich mit dem ersten Teil mithalten zu können).

Jetzt habe ich ihn zum Brunch genossen, wie im Sommer Marc (Ende Juni), als er einige Tage zu Besuch war und an einem Samstag, als ich in der Thulb arbeiten wollte, Bespaßung wünschte. Auch er fand ihn ganz toll, inklusive des Subtextes.

Ich werde jetzt was Obszönes sagen… ich mag  Land of the Dead wirklich SEHR! SEHR! SEHR! Ein Grund könnte sein, dass ich als Kind der späten 80er Jahre, 90er Jahre und 2000er Jahre die subtextualen Probleme des Films sehr viel besser nachvollziehen kann als bei den alten Filmen. Zweifelsohne ist er auch der Film der Zombie-Reihe mit der meisten Action, ja, man könnte ihn sogar als Action-Zombie-Film bezeichnen. Die ersten drei Romero-Zombie-Filme haben kaum Action, sondern konzentrieren sich gezielt auf die zwischenmenschlichen Konflikte. Auch solche Probleme werden bei „Land“ angesprochen: Sexismus, Rassismus, dysfunktionale Familie (schon wieder…) und die Unmöglichkeit, eine Gesellschaft zu bilden (das Stehenbleiben im Zustand der Gemeinschaft). Aber sie sind eher nebenbei integriert. Der Film hat im Grunde auch mehr Story und Plot als die ersten drei Filme. Wenn man so will: es passiert auch vordergründig etwas. Oder bildlich gesprochen: „Night“, „Dawn“ und „Day“ sind eigentlich sehr sperrige Filme, während bei „Land“ die scharfen Ecken und Kanten etwas ausgeschliffen sind. “Land of the Dead” nähert sich fast dem an, was man einen Mainstream-Film nennen könnte. Auch Splatterfilme werden langsam, aber sicher mainstream-tauglich, siehe “Rambo 4” oder “The Expendables” (OK, da werden Leute nur geköpft und Kehlen herausgerissen, und nicht ausgeweidet, Zunge herausgerissen, Gesichtshaut abgezogen, Rumpf abgetrennt, Hirn herausgefingert und Augen herausgebissen)… Das satirische Element und der politische Subtext, sind sehr viel deutlicher gemacht als bei den ersten drei Filmen. Man möchte fast von marxistischer Gesellschaftsanalyse sprechen. Eine Katastrophe hat im Grunde zur Verschärfung der Klassengegensätze beigetragen: die Reichen sind noch reicher geworden, die „aufstiegsorientierte Mittelschicht“ (z. B. Cholo) ist sozial abgestiegen und weiter abstiegsgefährdet und dann gibt’s die ganz Armen (die Zombies). Die ganz Armen erlangen Bewußtsein (lassen sich z. B. nicht mehr von Feuerwerken ablenken), organisieren sich und proben den Aufstand. Die Oberschicht (Kaufmann und co. – ein ganz herrlicher Dennis Hopper) versucht sich dann der Mittelschicht zu bedienen, um diesen Aufstand niederzuschlagen, nur dass dann eben die bewaffneten Vertreter dieser selbst aufrührerisch werden (größtenteils aus egoistischen Gründen). Wobei hinzugefügt werden muss, dass diese Vertreter der Mittelschicht in eigenem Interesse auch gegen die Unterschicht kämpfen (da dies auf Gegenseitigkeit beruht). Am Ende, nach der Rache des Tankstellenwärters gegen den faktischen Stadtdiktator im Maßanzug, kommt es zu einer Art Burgfrieden zwischen Mittelschicht (die nach Norden abhaut) und der Unterschicht. Das ganze ist noch mit einem leicht ethnischen Unterton versehen: der Anführer der Unterschicht ist schwarz, während einige Vertreter der Mittelschicht latino-amerikanischer Herkunft sind.

Ich bin mal gespannt, wie die Zombies in „Diary“ dargestellt werden. Denn von der Entwicklung der Filme werden sie immer „sympathischer“. Bub, aus „Day of the Dead“ hatte meiner Meinung nach durchaus die Sympathie des Zuschauers während seines Duells gegen Rhodes (zugegeben eine extrem eklige Figur!). Der Tankstellenwärter ist wahrscheinlich die eigentliche zentrale Identifikationsfigur des Films. Ich konnte mich auf jeden Fall mit seinem Zorn identifizieren (teilweise auch mit seinem „Klassenhass“, um wieder marxistische Begriffe zu verwenden).

Die Identifikationsfigur auf Seiten der Menschen, ähm… der „normalen Menschen“, ähm… der Nicht-Zombies ist wohl, von der Intention des Autors, Riley. Da Simon Baker aber das Charisma einer toten und verfaulten Auster ausstrahlt, kann ich mich nicht wirklich mit ihm identifizieren: er ist farblos, profillos, strukturlos, ohne Geschmack, Ecken und Kanten. Charlie, der geistig zurückgebliebene und entstellte Scharfschütze ist mir da weit weit sympathischer. Und Cholo (John Leguizamo) ist die charismatische Figur: endlos cool, witzig, frech, sexy, redegewandt, charmant, diabolisch. Gut, er ist auch geldgeil, egoistisch, asozial, hinterhältig und latent gewalttätig, aber immerhin sind das auch Charakterzüge. Er hätte durchaus ein besseres Gegenüber als Simon Baker verdient.

Dies ist einer meiner einzigen Kritikpunkte (mal von offensichtlichen Plotinkohärenzen abgesehen, aber hey, es ist ein Zombiefilm!). Die Musik ist nun endlich mal dezent eingesetzt worden: ich hab’s doch gesagt, weniger ist manchmal mehr. Aber vielleicht passt eben „postmoderne“ Musik zu einem Film der „postmodernen“ Zeit.

Lieblingszombies des Films: natürlich der Tankstellenwärter, der Metzger und die junge Dame mit der abgerupften rechten Wange. Aber der Clown-Zombie, der Cheerleader-Zombie und der Zombie mit dem Tamburin sind auch nicht schlecht.

Diary of the Dave #8

Bei einem Glas schweren Rotweines mit Wildbeeren-Aromen denke ich wieder einmal über den Sinn des Lebens nach. Nun ja… eigentlich denke ich eher bei einem erlesenen Dessert über Modernität und Rückständigkeit in der Geschichte und in der Gegenwart nach. Nein. Um konkreter zu sein: bei einem Schokoladenbrötchen denke ich über die absolute Unfähigkeit der Deutschen Bahn nach, bei dem kleinen bisschen Wind und Wetter, das wir gegenwärtig erleiden müssen, ordentlich ihre Fahrpläne einzuhalten. Geplant war: 16.22 Uhr in Halle/Saale einsteigen und 17.36 Uhr in Weimar wieder aussteigen. Was ist passiert? Kurz nach 16 Uhr waren 10 Minuten Verspätung angekündigt. 16.15 ging es über zu 30 Minuten Verspätung. 16.45 fiel der Zug dann aus. Einfach so. Also 17.22 Uhr den Zug nehmen. 17.15 Uhr war er da. Aber er fuhr letztendlich erst etwa 17.35 los. Ja! Ich bin schließlich dann losgefahren in Halle zu dem Zeitpunkt, an dem ich eigentlich schon am Ziel ankommen sollte. Bin schließlich 19.10 in Weimar angekommen (90 Minuten Verspätung). Das war das Ende meines Aufenthaltes in Halle bei meinem Kumpel, der Beamter auf Abruf ist und an einer Hüftprellung leidet.

Von Montag Abend bis Mittwoch Nachmittag. Dazwischen lagen viele Stunden interessante Gespräche, nostalgischer Erinnerungen, Verbitterung und auch des großartigem Genusses von Kultur. Nicht, dass ich in Halle wirklich was richtiges besucht hätte (das hole ich nächstes Mal auf, ganz bestimmt!). Nein: bei der Hinfahrt und jeweils nach dem Aufwachen las ich in einem der großartigsten Werke der Weltliteratur… Gogol‘s Die toten Seelen (für Leute die nachfragen: das ist kein Apostroph, sondern ein transliteriertes Weichheitszeichen!). Zugegeben, beim zweiten fragmentarischen Teil merkt man, dass Gogol‘ psychisch sehr sehr sehr sehr schwer gestört war (permanente Lücken im Manuskript weil er die Hälfte verbrannt hatte, permanente Sprünge im Handlungsgeschehen dadurch usw.). Aber der erste Teil: Literatur in ihrer reinsten Form, und ihrer groteskesten Form, Extremsatire der menschlichen Seele und des nikolajischen Reiches. Und auch eine Projektionsvorlage für heutige Kapitalismuskritik: wie man mit genug Profitgier aus wertloser Nicht-Materie („tote Seelen“) Geld machen kann. Und das natürlich auf Kosten des Staates und der Mitmenschen. Wäre denn Pavel Ivanovic Cicikov heute wohl Börsenspekulant?

Mein verbeamteter Freund besitzt übrigens etwa um die 700 Vinyl-Platten. So konnten mir Neil, Patti und Bruce viel Gesellschaft leisten bei diesem Besuch. „Drehste mal um“ war zu keinem Zeitpunkt eine Aufforderung zum beidseitigen Anbraten von Spiegeleiern! Und so konnte ich unverdünnt und zum ersten Mal „On the beach“ und „Tonight‘s the night“ auf Vinyl genießen… und dies hintereinander!!!

Im Fernsehen kam fast nur Müll. Zuerst Die Säulen der Erde Teil 3. Ich habe Teil 1 und 2 nicht gesehen und werde, so wie ich mich kenne, auch Teil 4 nicht sehen. Mein Gastgeber und ich konnten uns der historischen Ungenauigkeiten des Films gegenseitig vergewissern: nein, es gab im 12. Jahrhundert weder Langschwerter, noch Baguettes. Wenngleich hübsche Decolletés und ein bisschen Splatter auch dazugehörten (nur ein bisschen, denn Beginn des Ganzen war 20.15).

KinopunktTO bescherte uns die ersten drei Folgen von How I met your mother. Ehrlich gesagt: Barney ist die coolste Figur der Serie. Und obwohl er zugleich der größte Vollidiot ist, so sind die anderen doch… nur… „durchschnittliche“ Idioten. Das und auch die eingespielten Publikumslacher machen das ganze eher anstrengend. Zumal die Location New York vielleicht nicht völlig ausgereizt wird. Vielleicht ist mein Bild von New York zu stark geprägt von Martin Scorsese, Charlie Parker, Lou Reed, den Ramones, Miles Davis und sonstigen Ausgeburten von Jazz, Rock und Film.

Ich habe nicht daran gedacht, dies dem Anfang des Eintrags voranzustellen, deshalb:

Ich liebe dich / Nordberg, ich liebe dich auch / Nein, Boot / Ja Nordberg, wenn du wieder gesund wirst, dann machen wir zusammen eine Bootsfahrt, wir mieten ein Schiff und machen eine Kreuzfahrt / Nein, nein, Drogen, Drogen / Schwester, geben Sie dem Mann ein paar Drogen, sehen Sie nicht, dass er Schmerzen hat? / Nein, nein, Heroin, Heroin! / Nordberg, das ist schwer zu besorgen. Da musst du mir ein paar Tage Zeit lassen!

in memoriam: Leslie Nielsen!

Zwei Actionfilme bildeten den filmischen Höhepunkt meines Aufenthalts in Halle. Zwei Actionfilme, die sich sehr ähnlich sind… und sich doch so unglaublich unterscheiden. Vielleicht zunächst zum Gemeinsamen: es sind beide sehr spannungsreiche Actionfilme, die von A bis Z große Unterhaltung bieten. Beide haben eine ähnliche Story: ein einsamer Held kämpft gegen einen eigentlich absolut übermächtigen Feind!

Vielleicht zu den Unterschieden. Der Held… einer ist eine testosterongefüllte Brutalo-Killermaschine, ein völlig gestörter Frontkämpfer (Vietnam-Veteran), der eigentlich nur mit Gewalt kommuniziert. Und dabei sehr sehr „gesprächig“ ist! Der andere ist ein extrem „unsoldatischer“ Grenzgänger aus der werktätigen Klasse, den die meisten als „Schwächling“ bezeichnen würden. Auch er kennt sich nur mit seinem eigentlichen Arbeitswerkzeug aus: seiner Lokomotive!

Auch der Bösewicht unterscheidet die beiden Filme zumindest auf einer formal-inhaltlichen (sic!) Ebene wesentlich. Unsere liebe „Killermaschine“ kämpft gegen ein halb-unsichtbares und voll-ekliges Monster aus dem Weltall, während sich unser Lokführer gegen die Konföderierten-Armee schlägt. JA: The General vs. Predator.

Predator lief, sagen wir mal „halb-ungeschnitten mit Werbung“ um Mitternacht auf Sat1, und konnte den Schlaf meines Gastgebers dadurch um fast zwei Stunden verkürzen! Sicherlich kein besonders intellektueller Film, obwohl man durchaus eine Metapher für das Vietnam-Trauma der USA hinein interpretieren könnte. Eher ein Film für… ultra-harte Männer (also… zum Beispiel… mich…?) und Anhänger ultraharter Männer. Der Wahlspruch: „Wenn es blutet, kann man es auch töten!“. Der ganze Dialog des Films besteht aus solcher phatischer Kommunikation! ZURECHT! Denn wenn die involvierten Schauspieler anfangen würden, Schopenhauer zu zitieren… Nein! Auch wenn zwei von ihnen später Gouverneure wurden (einer davon ist Jesse Ventura). Als unterhaltsames nichtjugendfreies Gemetzel für die späte Abendstunde für einen Adressatenkreis, der aus mindestens zwei Personen besteht, die nicht mehr legal in der Lage wären, Auto zu fahren, hat dieser Film eine 100-prozentige Daseinsberechtigung! Ich habe „Predator 2“, „Die Rückkehr der Predatoren“, „Predators reloaded: die blutige Rache der Monster aus dem All“, „Alien vs. Predator“, „Predators“, „Freddy Krueger vs. Predators“ und die ganzen Pre- und Sequels dieser Filme nicht gesehen. Ich glaube aber, dass sie diesen muffigen (hier sehr positiv gemeint) 80er-Jahre-Geruch, als die Russen noch die Bösen waren und Actionhelden echte, harte und höllisch schwitzende Muskelprotze waren, die sich ihrer Männlichkeit und ihrer Männlichkeitsersatz-Maschinen (Stichwort: Miniaturkanone, mit der der halbe Urwald niedergemäht wird) nicht schämten, nicht haben… und ihnen damit wichtige Attribute von Predator fehlen…

The General besticht natürlich durch seine für 1927 doch ziemlich mobile Kamera und durch die total geilen und awesomen Stunts, ausgeführt von Buster Keaton höchstpersönlich. Dies war auch das, was meinem lieben und verbeamteten Kumpel als erstes auffiel: „Oh Mann, wenn er jetzt hier ausgerutscht wäre, hätte er wohl beide Beine verloren“ und ähnliche Ausrufe begleiteten die Sichtung des Films auf DVD. Worüber ich aber zum erstem Mal nachdachte (zum ersten Mal sah ich ihn im Weimarer Mon-Ami-Kino, als ich noch Schüler war… also zwischen 2001 und 2004): im Grunde ist The General ein protorevisionistischer Western, denn die Bösewichte sind die Nordstaatler, während unsere ganze Sympathie als Zuschauer „Johnnie Gray“ zufällt (Johnnie Gray als nordstaatliche Bezeichnung für den typischen Südstaatler). Die Spannungsbögen und die Action überlagern jedoch auch das nicht gerade sehr progressive, bzw. nicht sehr vorteilhafte Frauenbild des Films. Denn wie hier mit dem Medium Film gespielt wird ist atemberaubend. Im Grunde ist dies der absolut ideale Stummfilm für Personen, die nichts mit Stummfilmen anfangen können… oder Hemmungen gegenüber Stummfilmen haben. Und wenn ich‘s mir recht überlege, könnte es vielleicht sogar der erste Stummfilm sein, den ich gesehen habe (vielleicht mit Ausnahme von Murnaus „Nosferatu“?). Für zumindest die DVD-Version, die ich besitze, empfiehlt es sich, keine Abneigung gegen Johann Strauss Sohn und seiner Musik zu hegen (was ich durchaus nicht tue… der Soundtrack hört sich aber trotzdem wie ein Best of Strauss an, mit Auflockerungen durch „Pomp and circumstances“, dem slawischen Marsch und dem Säbeltanz).

Also… gelungener Aufenthalt in Halle oder nicht? Die Rückkehr war ätzend! Der Aufenthalt war auch nicht wirklich beruhigend im engeren Sinne. Aber… mit einem guten Kumpel bei Pizza, Bier, guten Filmen, schlechten Serien, GEZ-finanzierten Pseudo-Dokus (ja, wir haben die Episode „August der Starke“ aus der Doku-Serie „Die Deutschen“ geschaut oder besser gesagt, erlitten), gutem Vinyl, und herrlichen Actionfilmen verweilen… das kann man eben und sollte man auch nicht die ganze Zeit im Thüringischen Bermuda-Dreieck machen! Und das ist gut so!!!

Diary of the Dave: Deleted Scenes 2010

2010 war ein erlebnis- wie auch filmreiches Jahr. Natürlich konnte nicht alles sofort in tiefsinnigen Formulierungen für die Ewigkeit festgehalten werden. Einige Ereignisse hätten aber durchaus eine gewisse intellektuelle Auseinandersetzung verdient, gingen jedoch in der Hitze des Gefechts verloren. An dieser Stelle ist es an der Zeit, sich an diejenigen kinematographischen Episoden zu erinnern, die es leider nicht ins Tagebuch geschafft haben. Meinen ganz persönlichen drei bemerkenswertesten Filmereignissen folgen sieben ehrenwerte Nennungen (chronologisch geordnet) und ein „Überraschungsbonus“.

1 Inglourious Basterds

„Inglourious Basterds“ war für mich DAS große Kinoereignis des Jahres 2009. Im Sommer 2010 konnte ich dieses wunderbare Erlebnis wiederholen, da der Film in meinem Lieblingskino (dem Lichthaus in Weimar) in der Open-Air-Reihe gezeigt wurde, und das sogar OmU. Nach dem Erwerb des Tickets und eines Getränkes ging es an Kinosaal 2 vorbei und raus ins Grüne. Auf der kleinen Grünfläche hinter dem Gebäude des ehemaligen Straßenbahndepots standen weiße Plastik-Gartenstühle. An den Gesprächen meiner Co-Kinogänger vor dem Beginn der Vorstellung konnte ich erkennen, dass auch die meisten von ihnen den Film nicht zum ersten Mal sahen und sich freuten (oder sich über die Vorstellung in OmU ärgerten, was wiederum meinen Zorn über diese bescheuerten Banausen hervorrief). Der Film begann schließlich. Die Zigaretten im Publikum qualmten. Zu fortgeschrittener Zeit konnte man riechen, dass nicht nur Tabak geraucht wurde. Unvergesslich wurde das ganze auch dadurch, dass ich nur die üblichen Klamotten trug, die ich auch sonst getragen hätte. Trotz des Hochsommers wurde es dann im Verlauf des Abends empfindlich kälter, spätestens bei der Szene über die Fragen der jeweiligen Identität in der Kellerkneipe. Der Film konnte aber durchaus davon ablenken. Sehr herzerwärmend und für mich eine Premiere war der Applaus des Publikums bei Beginn des Abspanns, nachdem Hans Landa das bekommen hatte, was er verdient (man stelle sich Hans Globke mit einer Narbe im Gesicht vor!). Mit schmerzenden Händen (ich hatte begeistert mitgeklatscht), völlig abgekühlt, aber trunken vor Freude verließ ich das Kino. Ich freue mich schon auf die nächste Kinovorstellung des Films im Jahre 2011!

2 Assault – Anschlag bei Nacht

Was als ein entspannter Filmnachmittag und -abend mit Bier, Antipasti und Chili con carne begann, entwickelte sich zu einer absurden und interaktiven (!) Filmvorführung, bei der die Unterscheidung zwischen den Filmschaffenden und dem Publikum weitestgehend verwischt wurde. In der Wohnung eines Kumpels, mit dem ich die Vorliebe für die Geschichte Osteuropas, Filme und scharfes Essen teile, wurde zunächst „Shoot‘ em up“ zum besten gegeben. Mit Chili con carne für ein ganzes Regiment ausgestattet, folgte „Wanted“. Ja, es war ein Tag für sinnlose, brutale, hirnverbrannte, frauenverachtende, urkomische, coole, sinnlose (hab ich wohl schon erwähnt) und wunderbar unterhaltsame Trash- und Ballerfilme. Mit der Ankunft von Stabsmitgliedern des Blogs (damals war ich selbst noch kein „the gaffer“-Mitarbeiter) wurde der Spaßfaktor noch erhöht, und zwar mit John Carpenters „Assault“ und der Interaktion eines diabolischen Schreiberlings mit dem Film. Vordergründig ein ziemlich düsterer, brutaler und humorloser Thriller, kann „Assault“ seine teils unfreiwillig komische, extrem trashige Ästhetik und die offensichtlichen Inkohärenzen im Plot nicht verbergen. Man muss den Mängeln des Filmes gegenüber einfach offen sein, dann ist er auch ein Genuss. Die bereits genannte Person mit teuflischem Hintergrund tat dies, indem sie spontan und live den Film mit einem improvisierten Audiokommentar und alternativen Dialogen begleitete. Dem Film konnte dadurch ganz neue Perspektiven entlockt werden, hauptsächlich über die sexuellen (oft auch homosexuellen) Motivationen der Charaktere. Auszüge aus diesem improvisierten Audiokommentar können an dieser Stelle (leider?) nicht zitiert werden. Pornographisch, geschmacklos, sexistisch, pubertär? Ja! Aber es war ein Riesenspaß. Und mein Blick auf „Assault“ ist für immer verändert!

3 Dead Man

Wie passen Hegel, Jarmusch, Bier und eine Knoblauch-Sauce, die einem für die nächsten 24 Stunden jegliches Sozialleben verbietet, zusammen? Eigentlich ganz gut! Philo-Kino war für mich im Frühling und Sommer dieses Jahres immer ein entspannendes Ereignis. Es wurde gegrillt, man aß mit Bekannten und Unbekannten zusammen Bratwürste, Steaks und Fetas. Dazu Bier und Wein. Um neun oder halb zehn fing der Film an. Für die meisten Anwesenden bedeutete das: Film-Gucken. Ein kleiner Kreis von Säufern, Musikfreaks und verlorenen Seelen zog sich hingegen in den Fachschaftsraum zurück, wo weiter getrunken und diskutiert wurde (meist eher über Neil Young als über Schopenhauer). Oft war ich Angehöriger der zweiten Gruppe. Nach dem Ende der Kino-Vorstellung gab’s für uns immer Resteessen (gratis Würste, Steaks und Kartoffeln mit der berüchtigten Knobi-Sauce). Und dann weiter trinken und quatschen bis in die Puppen. Einmal jedoch habe ich den Film tatsächlich geschaut: „Dead Man“. In einem Seminarraum mit Beamer und manchmal aussetzenden Boxen, mit deutscher Synchro, mit Leuten die ein und aus gehen, mit dem permanentem Gedränge bei der Getränkeausgabe und dem ständigen heiteren Flüstern lässt sich kaum von purem Kinogenuss sprechen. Aber das ist auch egal. Die Publikumsreaktionen auf die Gewaltszenen waren zumindest ähnlich wie im Kino. Nach der Vorstellung versuchte ein Fachschaftsmitglied, ordnungsgemäß eine Diskussion über den Film in Gang zu bringen, geleitet vom Semestermotto „Vergänglichkeit und [irgendetwas]“. Es entstand eine angeregte Meta-Diskussion, bei der letztlich der Diskussionsleiter verarscht wurde. Mein Banknachbar und ich traten mit tiefgreifenden Gedanken über die Bedeutung von Cole Wilsons ödipaler Ursünde hervor und fragten insbesondere nach der konkreten Reihenfolge ihrer drei Komponenten (Sex, Tod, Essen). Die Frage blieb unbeantwortet. Der Abend war aber ein voller Erfolg und klang wie immer im Raum der Fachschaft aus.

Die Nackte Kanone

Es muss nicht immer eine Kinoleinwand sein. Auch ein kleiner Laptop auf dem Tisch einer WG-Küche, um den sich vier Leute zwängen, kann reichen, denn diesen Film kann man auch mit dem piepsigen Ton der Notebook-Lautsprecher genießen. An diesem klirrend kalten Januarabend konnten wir nicht wissen, dass Leslie Nielsen das Ende des Jahres nicht mehr erleben würde. Durch Frank Drebin wird er aber immer unsterblich sein.

Armee im Schatten

Jean-Pierre Melville dekonstruiert in seiner Adaptation von Joseph Kessels autobiographischen Roman das Heldenbild der französischen Résistance. Diese wurde nicht durch Helden geprägt, sondern durch Menschen, die in einer Extremsituation zu extremen Mitteln griffen, oftmals gegen die eigenen Leute. Ein stilles, sperriges Meisterwerk, das sich wohl erst bei mehrmaligem Sehen voll entfalten wird.

Nokan

Ein wunderschöner Film über Zeremonien, Abschied, Trauer und Schmerz, der makabren Humor mit tiefer Emotionalität vermischt. Der Film des Jahres, bei dem ich am Schluss fast wie ein kleines Kind geheult habe. Oder doch nicht „fast“?

Hot Fuzz

Der zweite Teil der „Blood and Ice Cream“-Trilogie war mein Lacher des Jahres im Heimkino. Ein Plädoyer für die zügige Reparation baufälliger Gebäude, das die Lachmuskeln stark strapaziert.

Braindead

Morgens um halb drei in Jena… ich meine Sonntag Nachmittag kurz nach dem Aufstehen. Um mein postalkoholisches Intoxikationssyndrom zu bekämpfen, erschien mir ein hirnloser Splatterfilm genau richtig. Nichts hatte mich auf diese wunderbare Geschmacksverwirrung mit einem solch herrlichen 50er Jahre Teeny-Komödien-Charme, einem satirischen Blick auf dysfunktionale Familien und einer innovativen Anleitung zur Beseitigung lästiger Partygäste vorbereitet… Der ideale Katerfilm.

The Expendables

Dieses schweiß-, blut-, testosteron- und Botox-geschwängerte Machwerk war mein Kino-Lacher des Jahres. „The Expandables“ ist eine eindrucksvolle Demonstration dafür, dass man auch ohne sinnvolle Story und ausdrucksstarke (!) Charakterdarstellung (!!) viel Spaß im Kino haben kann: männliches Prügeln, Rumgeballer und Rumgeprotze reichen völlig aus. In der Nachdiskussion wurde für „töten“ das Synonym „wegrotzen“ sehr treffend geprägt.

Franziskus, der Gaukler Gottes

Mein neorealistisches Ereignis des Jahres war trotz des vordergründig religiösen Themas auch für einen bekennenden Atheisten wie mich interessant. Manche Episoden waren schwächer als andere. Die Bilder der Begegnung Francescos mit dem Leprakranken sind jedoch unvergesslich, einprägsam, unglaublich stark und bilden den Höhepunkt des Films.

Und das Nicht-Ereignis des Jahres

Das alljährliche internationale Très-Courts-Festival fand dieses Jahr nicht statt. Seit 2005 nahm das Lichthaus in Weimar immer im April bzw. Mai daran teil, mit den etwa 50 internationalen Ultrakurzfilmen (maximal drei Minuten) und einer regionalen Auswahl. Dieses Jahr nix… nächstes Jahr auch nix… Herzlichen Dank, liebe „große Koalition“ in Erfurt!

Diary of the Dave #7

Ich habe heute La dolce vità (Das Süße Leben) von Fellini zum dritten (oder vierten) Mal gesehen. Beim ersten Mal war ich wohl etwa 16 oder 17 Jahre alt. Er lief an einem Montagabend (wohl 20.45) auf arte. Am nächsten Tag hatte ich früh um 8 Uhr Deutsch-Unterricht. Irgendwie konnte dieser Film mich damals nicht ganz befriedigen. Ich glaube, dass ich damals “Ginger & Fred” schon gesehen hatte: bei dem Film ist natürlich “mehr” los. Es gibt zwar auch keine “Story” im engeren Sinne, aber es gibt mehr “Action” im engeren Sinne. Nun dann… irgendwie hatte ich das Gefühl, bei “La dolce vità” etwas verpasst zu haben. Ich hatte sowohl Recht als auch Unrecht, was das betrifft (dieser Satz ist ja nun mal grammatikalisch ziemlich offen!). Die Trevi-Brunnen-Szene mit Anita Ekberg hatte natürlich sofort etwas Kultverdächtiges. Die Orgie-Szene am Schluss war irgendwie heftig. Aber… die Vater-Episode (denn “La dolce vità hat zwar kein Szenario, besteht aber doch irgendwie aus Episoden) kam mir etwas lang vor. Die erste Episode (mit Anouk Aimée) fand ich irgendwie komplett langweilig. Bei einer Dauer von 167 Minuten (2h 47min) kam mir der Film schon etwas lang vor.

Das zweite Mal (das zweite bewusste Mal, denn irgendwie habe ich das Gefühl, dass die heutige Sitzung die vierte war! Wo ist die anderthalbte geblieben im Gedächtnis?), also das zweite Mal schaute ich den Film kurz nach der Rückkehr aus Voronez. Obwohl ich auf dem absteigenden Ast war in meinem Privatleben (und auch in meinem Studienleben) fühlte ich mich auf dem aufsteigenden Ast (zumindest subjektiv). Der Film kam mir bedeutender vor. Obwohl ich ihn dann im Zug der Ereignisse wieder schnell vergessen habe. Ende Dezember 2009/Anfang Januar 2010 fiel mir irgendwie plötzlich die Schönheit des Soundtracks ein: Nino Rotas wundervolle Musik. Und plötzlich waren damit auch die Bilder des Films oder vielleicht sogar: die Gefühle des Films wieder da! Und heute war es soweit! Fellini hatte angeblich 90h Film belichtet, die er zusammenschneiden musste. Selbst 10h wären wahrscheinlich unerträglich gewesen. 30 bis 50 Minuten mehr hätte der Film aber durchaus ertragen können! Wäre auf 200 bis 220min hinausgelaufen (3h 20min bis 3h 40min). Hätte der Film kürzer sein können: 2h 00min, vielleicht noch 2h 20min? Wer weiß? Aber er braucht Zeit zum Wirken! Zeit zum WIRKEN!

Worum geht es überhaupt in diesem Film? Vereinfacht ausgedrückt: ein Mann führt ein ambivalentes, ja schizophrenes Leben zwischen… ja… zwischen… gut und böse… Ideal und Zynismus… Liebe und Kaltherzigkeit… Kunst und Kommerz… Literatur und Journalismus… Verlobter und Schlampe/Hure (“putana”). Aber ist diese Dichotomie so einfach? Das Leben mit seiner Geliebten/Fiancée gleicht tatsächlich manchmal einer Hölle: eine medikamentensüchtige, Jesus-besessene und EXTREM dominante Frau, die ihn so wie einen Hund liebt, den man an der Leine führt (z. B. zum Gassi gehen). Ist dann im Gegensatz dazu seine Liebe zur “Hure” Maddalena nicht reiner, schöner, ehrlicher? Auch wenn sie ihn letztlich zurückweist… immer wieder… Sei es, weil sie (noch) schläft oder sich mit einem anderen Mann vergnügt. Und seine Beziehung zu Steiner? Marcello (Marcello Mastroianni) schreibt zwar schmierige Klatsch-Kollumchen für “halb-faschistische” Zeitschriften! Gibt seine Ideale als erstklassiger Schriftsteller auf, um besseres, sicheres Geld zu verdienen, und in der Klatschwelt leben zu können. Steiner hingegen hat eine schöne Familie, lebt ein schöngeistiges Leben unter Künstlern, kultiviert sich weiter, wundert sich an den kleinen Dingen des Lebens (sei es seine Tochter oder die Geräusche von Donner und Meer). Zugleich ist er seinem Namen gleich: quasi verSTEINERt. Er fasst kein Fuß im wirklichen Leben, lebt unter abgehobenen Künstlern in einer Welt, die er letztlich nicht beherrschen oder kontrollieren kann (im Atomzeitalter des Kalten Krieges). Ja, die Medaille hat zwei Seiten, und wohin die “dunkle Seite” Steiner bringt, wissen wir ja! Tut also Marcello doch Recht, sich dem völlig dekadenten, müßiggängerischen Leben der Romer Schickeria hinzugeben? Nein!!! NEIN!!!

Insbesondere wenn man sieht, dass er dadurch das engelhafte blonde Mädchen “betrügen” muss. Seine engelhaften Frauen hat M. Scorsese tatsächlich von Fellini. Möglicherweise ist das blonde Mädchen die einzige Frau, die Marcello wirklich betrügt. Er hat ja mit mindestens drei Frauen Beischlaf. Aber (SPOILER) nicht mit Anita Ekberg. Sie spielt (oder ist?) die Personifizierung einer völlig degenerierten, dekadenten, oberflächlichen Medienfigur, die absolut austauschbar wäre: große, schöne, blonde Frau mit großem Busen gibt’s ja genug auf der Welt. Aber sie hat auch etwas vom unschuldigen kleinem blonden Mädchen in der Strand-Trattoria-Szene in der Mitte des Films (und im Epilog). “Siamo tutti sbagliatti.” Wir haben alle Unrecht! La dolce vità macht in seinen Episoden jeglichen Mist zum Ereignis! Darin besteht das Szenario-lose des Films. Auch die Journalisten des Films tun das Gleiche: Eine Frau schluckt zu viele Pillen, ein Fernseh-und-Kino-Star kommt an, ein Literat bringt sich um, der Ehemann einer Schauspielerin schläft in seinem Cabrio ein, zwei Lausekinder spielen einen Streich… all dies wird ganz bewusst von den Journalisten zu Medienereignissen GEMACHT.

Als Mediensatire funktioniert La dolce vità auch ganz gut. Dass sich Papparazzi als Begriff durchgesetzt hat, ist durchaus verdient! Marcello, in diesen ganzen Dingen, bleibt letztlich doch eine sympathische Figur. Eine identifizierbare Figur. Nun ja, zumindest ich als Mann kann mich mit ihm identifizieren. Und ich glaube, mit den etwas tieferen Problemen, die er hat, kann sich jeder und jede identifizieren! Ob sich Marcellos Leben auf dem aufsteigenden oder absteigenden Ast befindet, weiß man doch nicht. Es bleibt ambivalent. Je öfter man diesen Film sieht, umso besser, schöner und wunderbarer wird er! Egal, ob man selbst auf dem aufsteigenden oder absteigenden Ast sitzt…