Legion (USA 2010)

So vielversprechend die Legion-PR auch ist: Paul Bettany zieht in seinem Outing als Actionheld nur einmal sein T-Shirt aus. Wer diese optische Enttäuschung zu verkraften weiß, muss im Regiedebüt von Special Effects-Maestro Scott Stewart noch allerhand andere Mängel in Kauf nehmen, die der Genre-Mischling bereithält. Dabei hat Stewart durchaus das Zeug dazu, eingängige Bilder zu kreieren, die zumindest das Potenzial besitzen, den Zuschauer mitzureißen in die Endzeit-Stimmung. Nur leider ist er kein Meister der Subtilität. Was man von Dennis Quaid auch nicht behaupten kann, der hier in einer Nebenrolle zu sehen ist. Über all den dick aufgetragenen Dialogen, welche den Film über weite Strecken lahm zu legen drohen, thront aber ein Mann. Der heißt eben Paul Bettany, ist ein gestandener Schauspieler und beeindruckt in der Rolle des Engels Michael, der sich gegen Gott wendet, um die Menschheit vor der Apokalypse zu retten, in erster Linie durch seine physische Präsenz (auch mit Shirt) und die von ihm ausgehende Autorität. Die ist schließlich nicht jedem angeboren. Der wandlungsfähige Bettany, den die meisten wohl als Silas aus “Sakrileg” in Erinnerung haben, rettet “Legion” vor den Tiefen des Endzeit-Trashs. Mehr dazu von mir kann man nun beim MANIFEST nachlesen. Lutz hat bei MovieMaze ebenfalls eine Kritik zum Film verfasst.

“Legion” startet am 18. März in Deutschland. Das nächste Stewart-Bettany-Projekt lässt übrigens auch nicht allzu lange auf sich warten. Priest heißt es, ist eine Comic-Verfilmung und wird Ende des Jahres in den USA zu sehen sein. Nach Rollen als Opus Dei-Mönch und Erzengel folgt nun Bettanys  filmische Priesterweihe:

In a world ravaged by centuries of war between man and vampire and follows a warrior priest who turns against the church to track down a murderous band of vampires who have kidnapped his niece.

(via)

Zur Einstimmung auf “Legion” gibt’s hier noch den Trailer:

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Sherlock Holmes (USA/D 2009)

Spätestens durch Gil Grissom wurde der Geek im Fernsehen zum salonfähigen Helden gemacht. Für alle, die noch nicht seine Bekanntschaft gemacht haben: Grissom war Chef der “C.S.I.”-Nachtschicht in Las Vegas. Er ist ein Mann vieler Talente, an deren erster Stelle nicht unbedingt soziale Kompetenz steht. Doch seine herausragenden Eigenschaften wiegen diesen minimalen Makel locker auf. Wer braucht schon Übung im Umgang mit Lebenden, wenn er hauptsächlich mit den „Toten redet“ (sein liebster Ausspruch)? Grissom ist jedoch nicht nur ein Experte der Kriminologie. Er hat auch interessante Hobbies. Dazu gehört beispielsweise sein Faible für Insekten aller Art. Grissom – oder nennen wir ihn lieber Gil, jetzt wo wir ihn besser kennen – dieser Gil beteiligt sich in seiner Freizeit z.B. an Kakerlaken-Rennen. Die Expertise in abwegigen Gebieten der Wissenschaft (und Kultur) macht Gil nämlich zum Geek und Geeks sind normalerweise keine Helden. Geeks sind Nebendarsteller, sie gehören zum farbenfrohen Hintergrund. Der Grat zwischen Geek und Freak ist immerhin recht schmal, zumindest aus Sicht der Außenwelt. Gil Grissom jedoch ist der Held einer Serie, die voll von seinesgleichen ist und Arthur Conan Doyle wäre sicherlich stolz auf ihn. Sherlock Holmes, seine größte Schöpfung, wurde zum Sinnbild kriminalistischer Untersuchungen mittels der Ratio, mittels der logischen Verkettung von Beweisstücken zu einem plausiblen Tathergang.

Sherlock Holmes ist eigentlich nichts anderes als eine Frühform des Geeks. Er ist ein Experte verschiedenster Wissenschaften, hat eine Monografie über die Asche von unzähligen Tabaksorten verfasst und neigt zu verschrobenen Verhaltensweisen. Holmes ist ein Geek, dem die Arbeit, die Erkenntnis, über übliche Konventionen des viktorianischen Zeitalters geht. Ein ewiger Junggeselle ist er, der angeblich nur eine Frau wirklich geliebt hat und mit seinem Kompagnon Dr. Watson eine WG teilt. In diesen beiden Merkmalen findet Guy Ritchies Filmversion Sherlock Holmes seine drehbuchtechnischen Knackpunkte. An erster Stelle steht die Bedrohung des Junggesellen-Paradieses, denn Watson gedenkt, zu seiner Verlobten zu ziehen. Fast schon ein wenig brillant ist die Idee, eine Frau zwischen die beiden Männer zu platzieren, die fruchtbare Zweisamkeit der beiden zur Disposition zu stellen. Kann Holmes ohne Watson funktionieren? Wie sieht es mit Watson aus, der immerhin auch auf seinen Kollegen angewiesen sein muss; irgendwie? Eben darin liegt ein zweiter, fast schon brillanter Zug des Films begründet. Denn der Watson dieses Filmabenteuers, hier von Jude Law einnehmend gespielt, ist einer der wenigen Watsons der Filmgeschichte, die sich tatsächlich unentbehrlich machen. Laws Doktor ist kein blasser Stichwortgeber, kein Stellvertreter des Zuschauers, dem der Plot erklärt werden muss. Er ist auch kein zwanghaft eingeführtes comic relief. Er hat einen Charakter und die Besonderheit dieser Herangehensweise ergibt sich aus Holmes’ Abhängigkeit von seinem Freund. Watson gehört zu Sherlock Holmes, nicht weil er als Alter Ego des Autors alles miterleben, alle Ereignisse für die Nachwelt notieren muss, sondern aus dem einfachen Grund, dass Holmes ihn braucht, nicht nur als Freund, auch als Verbindungsstück zwischen geistigem Geek-Exil und Außenwelt.

Dieses Exil wird in Ritchies Version deutlicher in den Vordergrund gerückt als anderswo. Vielleicht liegt die Wahl auch ein wenig am Hauptdarsteller. Robert Downey Jr. pflegt seit seinem zweiten (?) Comeback in seinen Rollen gern die Brillanz am Abgrund, etwa in Gestalt des Journalisten Paul Avery (“Zodiac”), der dem Alkohol verfällt. Nach Tony Stark (“Iron Man”) stellt Holmes nun einen weiteren Abstecher in diesen Rollentypus dar. Downey besitzt genug Charisma, um diese Wiederholung ansprechend erscheinen zu lassen, doch ein wirklich neuer Holmes ist ihm nur insoweit gelungen, als ein “Downey-Holmes” daraus geworden ist. Der große Detektiv scheint sich selbst verloren zu haben in den Untiefen seines unordentlichen Arbeitszimmers und Watsons Aufgabe, ihn tagtäglich ins Sonnenlicht zu zerren, wird durch seine drohende Domestizierung in Gefahr gebracht.

Ritchies Holmes-Film, der ganz klar als Vorbereitung von einer oder mehreren Fortsetzungen angelegt ist, gerät nicht zuletzt auf Grund dieses Konfliktpotenzials ein wenig überladen. Der Plot um die wundersame Auferstehung des hingerichteten Schurken Lord Blackwood (seinen Rollennamen voll und ganz verdienend: Mark Strong) ist ein wenig altbacken. Vor allem die skurrilen Handlanger – vom rothaarigen Zwerg bis zum grobschlächtigen Riesen – machen diesen Erzählstrang überhaupt interessant. Man kann konstatieren: Ritchies große Stärke ist hier wie schon in seinen früheren Filmen, die Charakterisierung mit wenigen filmischen Pinselstrichen. Insgesamt steht diese, den Film dominierende Handlung jedoch im Schatten der Andeutung des Sequels. Irene Adler (Rachel McAdams), besagte Ex-Geliebte von Holmes, mischt sich nämlich ins Geschehen ein. Sie steht im Auftrag eines mysteriösen Professors. Der heißt natürlich Moriarty und gegen Moriarty kommt im Holmes-Universum niemand an. Der Film wirft somit die ikonischen Figuren Doyles ins Feld, um den Zuschauer anzufixen. Es fehlt eigentlich nur noch Mycroft Holmes. Dass “Sherlock Holmes” trotz latenter Überlastungserscheinungen darin erfolgreich ist, liegt zum einen an der gekonnten Anreicherung mit einfallsreichen set pieces. Die “umwerfende” Prügelei in einer Werft ist hier als Beispiel zu nennen. So körperbetont war noch kein Holmes, doch allzu sehr weicht der Film dann doch nicht vom Mythos ab. Andererseits besticht Ritchies filmisches Comeback durch den einnehmenden Wortwitz samt Situationskomik, die beide das Tempo gehörig anziehen. Der im Ghetto britischer Gangsterfilme tot geglaubte Ritchie kann offensichtlich gute Blockbuster drehen. “Sherlock Holmes” ist dem Großteil der gegenwärtigen Konkurrenz durch seine Detailverliebtheit und die Betonung des Lokalkolorits weit voraus. Ritchies Vision vom London des ausgehenden 19. Jahrhunderts lässt einen deshalb wünschen, er hätte Hand angelegt an die Verfilmung von Alan Moores “The League of Extraordinary Gentlemen”.

Doch über allem schwebt die unbestreitbare Chemie zwischen Downey und Law, Holmes und Watson, dem eigenbrötlerischen Genie und seinem Tor zur viktorianischen Normalität. Gesellt sich im nächsten Teil in Gestalt  von Professor Moriarty der Größte aller Widersacher zu den beiden ins Scheinwerferlicht, wird die Freude womöglich noch anwachsen darüber, dass der Meisterdetektiv endlich wieder den Weg zurück ins Kino gefunden hat. Bis dahin kann “Sherlock Holmes” sich getrost als überaus sympathischer Actionfilm feiern lassen, den man allemal kämpfenden Robotern und blauen Außerirdischen vorziehen kann.


Zum Weiterlesen:

Meine Kritik zur 14-teiligen “Sherlock Holmes”-Kinoreihe mit Basil Rathbone und Nigel Bruce.

Up in the Air (USA 2009)

Es gibt schlimmeres, als von George Clooney gefeuert zu werden. Das könnte man bei Ansicht von Up in the Air etwas zynisch formulieren. Mit der vielversprechenden Diskrepanz, die aus der Konfrontation des glamourösen Lächelns eines (abgehobenen) Film- stars mit der Verzweiflung des Ottonormalarbeitnehmers entsteht, spielt Jason Reitman in seinem aktuellen Film. Das ist nichts neues für den Regisseur und Autor. Das hat er schon in “Thank You for Smoking” auf ähnliche Weise praktiziert. In dem ließ er Aaron Eckharts gigantisches Grübchen als Vertreter der Tabak- industrie auftreten. Nun spielt Clooney einen Mann, der Mitarbeiter über ihre Entlassung informiert. Deren Chefs sind nämlich zu feige dazu. Sein Ryan Bingham ist deswegen kein schlechter Mensch. Nein, er hat nur Angst davor, verletzt zu werden. Eine melo-kitschige Charakterisierung vom feinsten ist das eigentlich. Ryan flüchtet sich deshalb in die Luft. Er ist ein Vielflieger, der mit vollem Stolz seine Bonusmeilen vor sich her trägt und die effiziente Organisation seines Lebens in bezahlten Vorträgen preist. Es kommt, wie es im amerikanischen Zeigefinger-Kino der Wirtschaftskrise kommen muss: Ryan wird nicht nur mit der Außensicht auf seine Lebensweise konfrontiert. Diese selbst gerät in Gefahr als Videokonferenzen den persönlichen Besuch beim zukünftig Arbeitslosen ersetzen sollen. Nun lauten die großen Fragen: Wird er sein Leben ändern? Welchen Einfluss hat die sympathische Alex auf seinen potenziellen Sinneswandel? Und wie viel haben eigentlich American Airlines, Hertz und Hilton für das Product Placement bezahlt?

Wie dem auch sei: “Up in the Air” ist ein Problemfilm, der zu verbergen sucht, einer zu sein und am Ende tatsächlich vergisst, dass er einer ist (…was für ein Reim!). Ein seltsamer Fall filmischer Amnesie hat Reitmans Romanadaption befallen. Die gibt sich authentisch mit echten Arbeitslosen, welche über ihr Schicksal berichten und entscheidet sich trotzdem für Capraesque Weisheiten, die schon in den dreißiger Jahren naiv gewirkt haben. So schwankt “Up in the Air” stets zwischen Sozialmärchen und “Film zur Wirtschaftskrise”, ohne je das eigentlich notwendige satirische Gebiss einzulegen. Wer kann George Clooney schon bemitleiden? Not me, sorry. Gerade auf das Leiden des alternden Bingham verlegt sich nämlich “Up in the Air” und dafür ist einerseits Clooney der falsche Schauspieler. Er ist eben kein Jimmy Stewart, allenfalls ein Cary Grant und wann war der mal in “authentischen” Filmen zu sehen? Andererseits fehlt dem Drehbuch einiges an Härte. Es fehlt am Wunsch, dem Zuschauer mal etwas zuzumuten, ihn zum Mittäter zu machen, ihn sich unwohl fühlen zu lassen. Sofern er auftaucht, der Hauch von Härte, erscheint er eher wie die Nachwehe einer Geburt, die nie stattgefunden hat. So als ob etwas raus will, aber nicht kommt, weil die Eltern kalte Füße bekommen haben. Deswegen ist Reitmans neuester ein Film kreativer kalter Füße, der durchaus mit guten bis sehr guten Leistungen an der Schauspielerfront aufwarten kann. Die quirlige Anna Kendrick und die betörend coole Vera Farmiga sind hier beispielsweise zu nennen.

“Up in the Air” ist sicherlich nicht unansehnlich. Ganz im Gegenteil: Er langweilt nicht, ist komisch, kaum als belanglos zu bezeichnen. Ein perfekter Film für die Oscars ist Jason Reitman damit gelungen; im Grunde ein etwas besseres Sequel zum “Slumdog Millionär” aus dem letzten Jahr. Doch das heißt leider nicht viel. Oscar-Filmen fehlen nämlich gern die Zähne und Reitman bestätigt diese Regel. Für zwei Stunden fühlt man sich am Puls der Krisenzeit. Die verwaisten Büros kommen einem schließlich arg bekannt vor. Das sind zwei Stunden, in denen uns das Lächeln durch Amerika geleitet, von verzweifeltem Gesicht zu verzweifeltem Gesicht. Doch Ryan ist ja nur der Bote. Schuld sind die immer die anderen, die großen Bosse. Am besten gar nichts mit denen zu tun haben! Ein Häuschen braucht man und  die Familie, um glücklich zu werden. Das wusste schon Frank Capra und war damit zu Zeiten der Großen Depression nicht glaubwürdiger. Doch der Capra war sich zumindest darüber im Klaren gewesen, dass er Märchen dreht.

Duplicity (USA/D 2009)

Tony Gilroy ist fraglos der Filmemacher des Zeitalters der Wirtschaftskrise. Fasziniert ist er von abstrakten Mächten, gegen deren unsichtbare Strukturen der Einzelne sich verzweifelt zu erwehren versucht. So hat Gilroy nach diesem Muster den Anwaltsfilm á la John Grisham ad absurdum geführt (“Im Auftrag des Teufels”, Drehbuch) und den Agentenfilm grundrenoviert (die drei “Bourne”-Filme, Drehbuch). Mit seiner ersten Regiearbeit setzte er schließlich der Abstumpfung des modernen Großstadtmenschen mit überdurchschnittlichem Einkommen ein Denkmal (“Michael Clayton”). Dabei sind Gilroys Helden keineswegs Idealisten, die für ihre Prinzipien gegen die Übermacht in den Kampf ziehen wie David gegen Goliath. Kevin Lomax, Jason Bourne und Michael Clayton sind Mittäter, willfährige Rädchen im Getriebe unmoralischer Gefüge, deren Verästelungen in Gänze zu überblicken, aussichtslos erscheint. Irgendwann erreichen diese Figuren ihren breaking point, doch bis dahin schließt die Liste der Missetaten diese Männer eigentlich schon von der Thronbesteigung zum Helden Hollywood’scher Prägung aus. Duplicity, Gilroys zweite Regiearbeit, ist nun ohne Zweifel seine reduzierteste Modulation des corporate heroes, welcher sich dem Konzern (/dem Geheimdienst/der Kanzlei…) – seinem beruflichem Heim – widersetzt und zu dessen Stolperstein werden will.

“Duplicity” entbehrt jeder Unterscheidung zwischen Moral und Amoralität und ist in seiner Haltung am ehesten vergleichbar mit Soderberghs “Ocean’s”-Filmen, vor allem Dingen deren dritten Teil. Denn wie in den Gaunerkomödien auch ist in Gilroys Zweitling alles nur ein Spiel. Ray (Clive Owen) und Claire (Julia Roberts) heißen die Spieler, die zwei Konzerne hinters Licht führen und mit Millionen davonkommen wollen. Dabei handelt es sich nicht um böse Kapitalisten, welche den armen kleinen Bürgern unrechtmäßig das Geld aus der Tasche ziehen und nun ihr Fett wegkriegen. Nein, die Sache ist um einiges komplizierter; oder viel einfacher. Die Frage, womit Equikrom und Burkett & Randle nun genau ihr Geld verdienen, besitzt allenfalls den Status eines running gags. Sanitärprodukte, Windeln und Lotionen vielleicht, doch wen interessiert das überhaupt? Wer kann in den heutigen Zeiten noch die vielfältigen Einsatzgebiete solcher privatwirtschaftlichen Mächte durchschauen? Niemand. Das scheint sich Gilroy gedacht zu haben und schrieb einen Agentenfilm, in dem nichtssagende Konzerne die Staatsmacht ersetzt haben, welche einander ausgeklügelte Kriege mit Hilfe von ultrageheimen Abteilungen für Produktspionage liefern. Claire und Ray stecken da mittendrin. Eigentlich müssten sie die James Bonds und Jason Bournes des Filmes sein, doch dafür fehlt eine entscheidende Zutat: Man kann es vielleicht als Relevanz bezeichnen. Der Beruf, den Claire und Ray ausüben ist letztendlich ohne jede Bedeutung. Zumindest wenn man ihn nach konventionellen Maßstäben der Narration von Agentenfilmen beurteilt. Die beiden sind schließlich weder in den Kampf von Gut gegen Böse verstrickt, noch müssen sie ihre eigene Haut retten.

Claire und Ray könnten ihre Jobs bis ans Lebensende ausführen; ein ums andere Mal von ihren Kindern und Kindeskindern gefragt werden, was sie da eigentlich genau tun; ein ums andere Mal dieselbe Antwort geben; ein ums andere Mal verwirrte Blicke als Reaktion erhalten. Claire und Ray sind keine Astronauten, Feuerwehrmänner oder -frauen. Sie sind eben keine Helden, denn in der hübschen Hochglanz-Urbanität, in der sich “Duplicity” abspielt, gibt es keine Helden. Selbst Agenten sind zu demystifizierten Wesen geworden, deren  komplizierte Pläne, High Tech-Gadgets und Versteckspiele sich ewig im Kreis drehen. Sie und damit auch Claire und Ray und Equikrom und Burkett & Randle drehen sich um ein einziges, großes Nichts; eine überteuerte Verhaltenstherapie, um die Stunden zu füllen, deren konkreter Wert aber irgendwann einmal verloren gegangen ist. Tony Gilroy beschreibt das Spiel der großen Konzerne als Perpetuum Mobile, das beständig in der Ecke vor sich hin tuckert, während das wahre Leben sich irgendwo anders abspielt. Ein lächerliches Spiel ist das also und Claire und Ray stecken, wie gesagt, mittendrin. Auch wenn sie denken, sie seien schlauer als alle anderen.

Avatar (USA/GB 2009)

Anlässlich des kurzen Aufenthalts des Königs der Welt auf unserer Erde, habe ich mir Avatar in einem 3D-Kino angeschaut; wohlgemerkt mein erster Besuch in diesem Tempel der Brillenschlangen. Vielleicht werde ich deswegen im Folgenden etwas nachsichtig mit der Rückkehr des Königs sein. Vielleicht, hätte ich den Film erstmals auf meinem mickrigen Kaufland-Fernseher im nicht weniger hässlischen Plattenbau meines Vertrauens gesehen, wäre ein Verriss die einzig mögliche Antwort auf all die vergebenen Chancen, unfreiwillig komischen Dialoge und rudimentär ausgebildeten Handlungsstränge gewesen. Doch so ist es nunmal nicht gewesen und das lässt sich mit meinen begrenzten Zeitreisemöglichkeiten auch nicht ändern. Es ist allerdings nicht so, dass ich mich dafür entschuldigen muss, “Avatar” für einen guten Film zu halten. Das ist er schließlich nicht. Nach konventionellen wie unkonventionellen Maßstäben verdient James Camerons Sci Fi-Abenteuer dieses Prädikat nicht. Dazu ist die Öko-Message zu plump und etwa zwanzig Jahre zu spät vorgetragen, die dürftige  Handlung ansonsten nur Vorwand für visuelles Spektakel, die Figuren zu flach, das Design Pandoras stellenweise mehr als man an buntem Kitsch ertragen kann. Aber dafür sieht der Film schön, echt, atemberaubend aus, denn solch einen Grad an Realismus der Computereffekte habe ich noch nie vorher gesehen. So einfach ist das. Insofern bekommt Cameron schon mal einen Pluspunkt auf der Liste der Pros und Contras, denn welcher Regisseur posaunt vorher nicht gern herum, sein Film sei ein Meilenstein der digitalen Effekte? Welcher Regisseur kann die Erwartungen aber tatächlich erfüllen? Cameron kann es, tut es und findet damit die einzige Existenzberechtigung seines ansonsten maßlos uninteressanten Films.

“Avatar” bietet eine bisher ungesehene Greifbarkeit künstlich erschaffener Welten; eine Lebendigkeit in den Augen seiner blauen Na’vi, von der einer wie Robert Zemeckis nur träumen kann. Wäre “Avatar” ein annehmbar geschriebener Film mit einer existenten Figurencharakterisierung, könnte man glatt mit den blauen Dingern mitfiebern. So erstickt die Vorhersehbarkeit der Faszination und gleichzeitigen Abscheu vor dem militärisch-industriellen Komplex, die Cameron mal wieder offenbart, jedes wirkliche Interesse. Von Anfang an ist schließlich klar, wo das alles hinführen wird. Sully, der etwas dummdreiste Soldat, der von den umweltfreundlichen Wegen der Na’vi bekehrt wird, muss gegen seine einstigen Militär-Kumpels antreten, die des Profites wegen das schöne Pandora verunstalten, die Ureinwohner verjagen wollen. Anstatt jedoch die umfangreichen 160 Minuten Laufzeit für eine weitere Verfeinerung dieses altbekannten Schemas zu nutzen, vertrödelt Cameron die meiste Zeit mit der Exploration Pandoras. Angesichts der Energie, welche in die Entwicklung der Effekte im Vorfeld der Produktion geflossen sein muss, ist das ausführliche Auskosten aller Attraktion auf der Spielwiese, das “Avatar” eigentlich darstellt, nur allzu verständlich. Für eineinhalb Stunden kann man da auch mal über die geäußerten Esoterik-Weisheiten und depperten Kommunikationsversuche der Figuren hinwegsehen, die einen, wenn nicht lachen, so doch im Kinosessel zusammenzucken lassen. Doch 160 Minuten?

Über die Ziellinie rettet Cameron seinen Film mühsam mit der finalen, wirklich ansehnlichen Schlacht. In der beweist er wieder einmal, was er am besten kann: Action inszenieren. Romantik hat er anscheinend seit “Titanic” verlernt (oder satt) und liefert uns stattdessen eine “Vereinigung”, die man auch bei den Teletubbies hätte reinschneiden können, ohne einen Tyler Durden-Effekt hervorzurufen. Dialogszenen… ach das hatten wir schon. Die wundersame Erstarrung vor dem übermächtigen Effekt – das kann er auch und betreibt es über weite Strecken des Films. Je nachdem, wie sehr man sich an bunten Welten, leuchtenden Bäumen, Wiesen, Tieren erfreuen kann, wird “Avatar” überzeugen. “Avatar”, ich hab dich gesehen und fand dich hübsch.