Kontrapunkt: 6/10 Punkte-Filme

Was kann man sich unter diesen Motto vorstellen? Nun ja, vielleicht noch am ehesten Filme, die den Zuschauer ein „Naja, ganz nett“ beim Erheben aus dem Kino- bzw. Fernsehsessel murmeln lassen. Und die man vielleicht nie wieder anschauen wird, weil sie „so gut“ doch nicht waren, aber irgendwie unterhalten haben. „Public Enemy No. 1 – Mordinstinkt“, den the gaffer schon treffend rezensierte, stach bei den gesehenen Filmen vergangene Woche positiv hervor, soll aber hier nicht nochmal besprochen werden.

Berlin Calling (D 2008)

Dieser Film lief vergangenen Montag bei “Cinebeats”, der offiziellen Semester-anfangsparty des StuRa im Jenaer Cinestar, wo für 6 Euro Eintritt auf eindrucksvolle Weise einmal mehr bewiesen wurde, wie Kinofilme und laute Musik nicht zusammenpassen. Nein, ich möchte mich jetzt nicht über die zuhauf anwesenden spastisch herumhampelnden Arschloch-Partypeople aufregen (Tanzen kann man das meist nicht nennen), die zu widerlich wummernder Elektro-Schrottmucke das Kino durch verkippte Cocktails und Zweckentfremdung von Klopapier in einen Schweinestall verwandelten.

Jedoch gab es zwischen ihnen und dem immerhin ansatzweise witzigen Film um den dauerbedröhnten Elektro-DJ Ickarus (Paul Kalkbrenner), der die partygeile Crowd dancen sehen will, einige Parallelen. Doch ein mieser Trip lässt ihn schnell in der psychiatrischen Anstalt von Dr. Petra Paul (tolle Rolle als „Drachen“: Corinna Harfouch) landen, wo er das Leben der Insassen gehörig auf den Kopf stellt, bis er endlich einsieht, dass sein Leben so nicht weitergehen kann. Ja, die Musik ist ganz nett und die Darsteller sind sympathisch, aber die ohnehin dünne Handlung zieht sich insbesondere im letzten Viertel etwas hin. Das fanden übrigens auch die blonden Dummbrot-Tussis und ihre ach so süßen „Niedlich“-Macker neben mir, die dann mitten im Film wieder den Kinosaal Richtung Tinnitus-Zone nebenan verließen.

Shadow of the Sword – Der Henker (GB/A/CH/L/H/D 2005)

Im 16. Jahrhundert werden in Tirol zwei Waisenkinder getrennt. Das eine, Georg (als Erwachsener: Peter McDonald) wird unter den Fittichen des Erzbischofs Prior des örtlichen Klosters, der andere, Martin (erwachsen: Nikolaj Coster-Waldau) Soldat. Als Martin mit der Tochter des Henkers, einer Unberührbaren, die mit heilenden Kräutern experimentiert, anbändelt, muss er ebenfalls einer Karriere als Henker nachgehen. Als dann ein Prozess gegen angeblich ketzerische Wiedertäufer stattfindet und Martin eine entwendete Reliquie untergeschoben wird, ruft das den Inquisitor (sadistisch: Steven Berkoff) auf den Plan und es kommt zum Eklat.

Die Handlung springt und man fragt sich schon etwas, worauf genau das alles hinauslaufen soll, aber sowohl Kostüme als auch Ausstattung und Optik sind auf höchstem Niveau. Aus diesem Grund wird „Der Henker“ auch nie langweilig, sondern zeichnet ohne Anspruch auf Authentizität der Geschehnisse das düstere Bild einer rückständigen Gesellschaft, in der vormals beste Freunde durch Interessenkonflikte plötzlich Feinde werden und Loyalität nichts mehr bedeutet.

X-Men Origins: Wolverine (USA/CDN/AUS 2009)

Zu der einfallslosen Prequel-Mania hat Martin hier auf dem Blog schon alles gesagt. Deshalb möchte ich mich hier auf die offenen Fragen beschränken, wovon es einige gibt. Zunächst einmal: Hat es einen Grund, dass Jim und Victor von verschiedenen Eltern großgezogen werden? Was wird aus Gambit? [SPOILER] Warum lässt sich „Waffe XI“, die so aussieht wie Jason Vorhees auf Speed, so leicht abmetzeln? [SPOILER Ende] Warum ist der Filmschnipsel nach dem Abspann eigentlich so sinnfrei oder war das schon ein Outtake? Das alles sind Dinge, die man sich bei Action-No-Brainern wie The Marine einfach so hinnehmen würde.

Nicht so jedoch bei diesem potenziell ambitionierten Action-Spin-Off, welches uns die Vorgeschichte von Wolverine näher bringen will. Aber die Enttäuschung über eine dünne Story, die nichts übrig hat für Motive und Tiefgang der Figuren ist groß. Immerhin gibt es dafür eine solide Inszenierung zu konstatieren, die mit originellen Übergangstechniken bei der Montage nicht spart. Da verzeiht man die fast schon sklavisch auf Kontinuität bedachte Inszenierung, doch immer wieder Ansatzpunkte zum ersten „X-Men“-Film herzustellen. Für ein launiges Actionspektakel mit durchwachsenen Effekten reicht es, für mehr jedoch nicht.

Kontrapunkt: Kino pur II

Neues Blog-Theme, neuer Kontrapunkt. Und dieses Mal einmal mehr ganz im Sinne des kinematographischen Dispositivs, da sich die durchschnittliche Abendgestaltung vergangene Woche wenig abwechslungsreich gestaltete.

Radio Rock Revolution (GB/D 2009)

Der Originaltitel „The Boat That Rocked” lässt sich 1:1 auf den Film übertragen: Ein heiterer und extrem kurzweiliger Film für den Sommer, dessen tolle Musik und köstlicher Humor zwischen derben Zoten und Mokierung über Spießer verknüpft mit Zeitgeschichte enormen Spaß machen. Die Story um den kernigen, aber verschüchterten Jungen Carl (Tom Sturridge), der in den 60ern auf ein Piratensender-Schiff kommt, um dort seinen leiblichen Vater kennenzulernen und ein gestrengen britischen Minister (Kenneth Branagh), der alles daran setzt, illegale Radiosender zu verbieten, sind die zwei Fäden, aus der die arg dünn geratene Story zusammengestrickt ist.

Mehr ist aber auch nicht nötig, um den mit skurrilen Typen (Rhys Ifans bleibt dabei als lasziv hauchender Macho-DJ am meisten im Gedächtnis haften), und herrlicher Situationskomik (u. a. um Carls Entjungferung) angereicherten Film über die Runden zu bringen. Weteres von mir dazu hier.

Gran Torino (USA/AUS 2008)

Ich mag diesen Film seit der Sichtung sehr, obwohl er ganz offensichtlich einige Schwächen aufweist: Das Drama um die Themen Rassismus und Bandenkriminalität sowie die komödiantischen Anteile um einen grantigen alten Korea-Veteran, der sich zusehends auch für seine asiatischen Nachbarn öffnet, harmonieren nicht wirklich gut miteinander. Doch Eastwood beweist in seinem Alterswerk einmal mehr, dass Sympathie für die Hauptfiguren und harte Sprüche (derbe Beleidigungen fallen wie am Fließband) die einzigen notwendigen Dinge sind, um einen Film tragen zu können.

Ja, man kann Clint Eastwood Gemächlichkeit beim Erzählen seiner Geschichten vorwerfen, doch liegt bei „Gran Torino” in der Ruhe gleichzeitig die Kraft, wenn Eastwoods Figur mit schlimmen Vorurteilen in „Dirty Harry”-Manier in seinem Viertel für Ruhe und Ordnung sorgt. Dass man ihm diese Rolle als bald 80-Jährigen noch abnimmt, spricht für sich – seine Katharsis wie gleichsam Läuterungsfähigkeit in diesem Film jedoch auch. Großes Kino!

Nur ein Sommer (D/CH 2008)

Kommt eine Berliner Schnauze (Anna Loos) aus dem brandenburgischen Plattenbau durch eine Laune der Bundesagentur für Arbeit und ihres „Bisher hab ich doch nur gewartet”-Aktionismus auf die Schweizer Alm und bändelt im harten Melker-Alltag mit Bauer Daniel (Stefan Gubser) an. Klingt nach ner Schnulze, ist aber ebenso unkitschig wie dröge inszeniert.

Seltsamerweise ist dementsprechend der durch das schwache Drehbuch fabrizierte (unfreiwillige) Humor- höher als der Herzschmerz-Anteil, auch wenn man als Zuschauer zumindest pittoreske Postkartenansichten der Berner Berge und a bisserl nackte Haut zu sehen bekommt. Zwischen Bergromantik, an der der technische Fortschritt scheinbar spurlos vorüberging, und zahlreichen soapartigen Beziehungskonflikten mag sich aber trotz latenter Sozialkritik kein tatsächlich hochklassiger Film fernab des Niveaus eines Fernsehfilms entfalten. Weiteres dazu von mir hier.

Kontrapunkt: Ostern – Der Rückblick

Das Fernsehprogramm und die Sichtung schon vor langer Zeit gekaufter und mittlerweile Staub ansetzender DVDs hielt sich um Ostern die Waage, weil dieses Fest bei uns kaum zelebriert wurde. Am Karfreitag lief dabei um 13.50 Uhr auf Pro 7 ein Film, den ich ob der Kritikerschelten schon lange Zeit überhaupt einmal sehen wollte:

Super süß und super sexy (USA 2002)

„Super doof und extrem vulgär” würde es besser treffen. Die Man-Eaterin Christina (nervig: Cameron Diaz) lässt sich von Männern anmachen, verdreht ihnen den Kopf und haut immer ganz schnell ab, damit ihr nicht wehgetan werden kann. Doch dann kommt Thomas Jane, der ihr Gefühlsleben „punisht”, so dass sie ihm zu seiner Hochzeit hinterherfährt, wobei er seine Braut gar nicht heiraten will, was dann vor der Heirat, aber nach Christinas Enttäuschung herauskommt.

Wie es ausgeht, weiß jeder Dreijährige. Allerdings sollten diese den Film nicht schauen, weil er vor peinlichen Witzen um beim Oralsex verhedderte Intim-Piercings, minutenlangen Musikeinlagen um die Größe des männlichen Sexualorgans und allerlei weiterem debilen Sex-Klamauk nur so strotzt. Ein Film wie „Road Trip”, nur mit peinlichen, nahezu würdelosen Frauenfiguren, wenig Trip und mit seeeehr wenig Humor. Unfassbar, dass Regisseur Roger Kumble noch drei Jahre zuvor mit „Eiskalte Engel” bewies, wie man Charaktere in der körperlichen Pubertät seelische Erwachsenheit verleiht. Hier kehrte sich das um.

Aus der DVD-Sammlung:
Midnight Movies (CDN/USA 2005)

Eine interessante Doku über die kurze Ära der “Midnight Movies”, welche Anfang der 70er Jahre in Mitternachtsvorstellungen in Kinos gezeigt wurden und einen ganz eigenen Charme zwischen Trash und Underground atmeten. Die Filmemacher (u. a. George A. Romero, John Waters und David Lynch) der Filme „El Topo”, „Die Nacht der lebenden Toten”, „Pink Flamingos”, „The Harder They Come”, „Rocky Horror Picture Show” und „Eraserhead” kommen in informativen Interviews zu Wort, die die politisch aufgeladene Stimmung von damals wieder aufleben lassen und rekonstruieren, wie sich ein wenn auch kurzlebiger Alternativ-Kult fernab des Mainstream entwickelte.

In zahlreichen Filmausschnitten wird dabei gezeigt, wie sehr die Filme von den damaligen Konventionen abwichen und das Gras rauchende Publikum gerade dadurch anzog. Schade nur, dass Tim Curry, Hauptdarsteller von „The Rocky Horror Picture Show” nicht zu Wort kommt.

Ostersonntag, morgens um 0.20 Uhr auf Tele 5:
Cusack – Der Schweigsame (USA 1985)

Ex-Karateweltmeister und Mörderpuppe Chuck Norris in einem seiner besseren Filme. Als Chicagoer Cop, der nach der Aussage gegen einen Kollegen auf sich allein gestellt ist, gerät er zwischen die Fronten eines Bandenkrieges und – wer hätte es gedacht? – macht sie schlussendlich alle platt.

Zwar hat der Film im Mittelteil so einigen Leerlauf und die moralische Nebenhandlung um einen Polizisten, der durch die Deckung anderer Kollegen einen Mord zu vertuschen versucht wird etwas zu breit ausgewalzt. Doch die ausreichend vorhandenen, gut ausgearbeiteten Action-Sequenzen und eine Prise Humor machen das wett und man darf Chuck auch zusehen, wie er minutenlang Karatetritte trainiert. Kein wirklich großes Actionhighlight, aber ganz nett und vor allem: ansehbar.

Aus der DVD-Sammlung:
Léon – Der Profi (Die Kinofassung) (F 1994)

Über den Film muss man nicht viele Worte verlieren: Er ist schlicht meisterhaft. Jean Reno brilliert als wortkarger und analphabetischer Profikiller, Natalie Portman (*schmacht*) als misshandeltes und rachsüchtiges Mädchen, dessen Familie von korrupten Drogen-Cops um Psychopath Gary Oldman ermordet wurde. Die Charaktere und das Verhältnis derselben zueinander haben Tiefe, die Actionsequenzen sind klasse inszeniert.

Schade nur, dass man in der Kinofassung im Vergleich zum Director’s Cut von allen drei Dingen weniger präsentiert bekommt. Insbesondere die Szenen, als Mathilda (Natalie Portman) bei einem „Auftrag” Leons übt und Leon schließlich von der Polizei aus seiner Wohnung herausgesprengt werden soll, mussten Federn lassen. Schade drum. Mehr war in diesem Falle auch mehr.

Ostermontag, 13.45 Uhr auf Sat 1:
Der 1. Ritter (USA 1995)

Oder: Das Best Of der Artus-Sage. Lancelot (Richard Gere) liebt Guinevere (Julia Ormond), die liebt ihn zwar auch, aber anders als den gütigen Artus (Sean Connery), den sie schließlich heiratet, damit der ihr Land beschützen kann. Zwischen dieser kitschigen Dreiecks-Liebesgeschichte, die von Jerry Goldsmith mit einem träumerischen Musikthema untermalt wurde, gibt’s dann hin und wieder auch noch ein paar kurze jugendfreie Kampfszenen gegen den abtrünnigen Ritter der Tafelrunde Prinz Malagant (Ben Cross), der mit seinen Schergen die Macht in Camelot an sich reißen will. Doch wie es der ideologische Subtext so will, triumphiert am Ende die Camelot’sche Demokratie und die (wahre) Liebe über den diktatorischen Aggressor.

Die Ausstattung und Kostüme sind opulent, die Bilder sind meist auch hübsch, nur liegt es an der etwas zu behäbigen Inszenierung von Jerry Zucker und dem schwachen Drehbuch, dass der Film kein großes Ritter-Epos um Liebe und Krieg geworden ist. Mal abgesehen davon, dass die Mystik und Magie der Artussage in diesem Film niemals spürbar sind. Aber besser, als es die derzeitige Note von 5.6 in der IMDb vermuten lässt.

Kontrapunkt: Diana & Me, Speed Racer & Die Klasse von 1984

Die Qualität der vergangene Woche von mir gesichteten Filme war eher durchwachsen. Daran konnten auch der entfesselte visuelle Overkill der Wachowski-Brüder und ein Klassiker des Vigilanten-Genres nichts ändern. Doch zunächst zu einem eher unbekannten Film:

Diana & Me (AUS 1997)

Eine australische Kleinbürgerin namens Diana Spencer (Toni Collette) gewinnt bei einem Preisausschreiben und darf ihre Namensvetterin, die Prinzessin von Wales, in London treffen – glaubt sie zumindest. Doch dazu wird es nie kommen, weil diese eben eine VIP ist. Stattdessen macht sie Bekanntschaft mit dem skrupellosen Paparazzo Rob Naylor (Dominic West), der sich als wahres Fotografen-Genie und ach so liebenswerte Person, die doch nur ihren Job tut entpuppt, dass man auch bald weiß, wie diese Romantik-Dramödie ausgeht.

Die unterschwellige Kritik an Paparazzi-Fotografen, die bekanntlich auch für Lady Dis Tod mitverantwortlich waren, kommt ebenso zu kurz wie eigene Einfälle, die dünne Story zu entfalten und nicht nur Klischees brühwarm zu servieren. Aber immerhin gibt es kurz Bob Geldof und Kylie Minogue als sie selbst zu sehen. Zumindest etwas Glamour für diesen ansonsten glanzlosen Film, über den ich mich auch in der OFDb äußerte.

Speed Racer (USA/D 2008)

… a.k.a. „der filmgewordene Augenkrebs”. Die Wachowski-Brüder, die hier zum ersten Mal nach der „Matrix”-Trilogie wieder dem Regiestuhl eines Kinofilms saßen, überfrachteten ihre Realverfilmung eines Animes visuell mit zahlreichen, wenn auch illustren Schiebeblenden, einer hohen Farbsättigung und unentwegten CGI-Spielereien.

Die Story um die Rennfahrerfamilie Racer, bei der Sohnemann Speed (Emile Hirsch) fleißig das Erbe seines im Rennen umgekommenen Bruders antritt und sich gegen einen Rennkonzern behaupten muss, wird von den zahlreichen schnellen Renn-Sequenzen hinweggefegt, so dass Löcher in der Story und holzschnittartige, flache Charaktere die Folge sind. Meinen Geschmack hat dieser Overkill nicht getroffen, auch wenn ich die erneute Sichtung zu ein paar Bier in geselliger Runde ob des doch ganz annehmbaren Unterhaltungswertes nicht ausschließen will.

Die Klasse von 1984 (CDN 1982)

Eine Schule wie die Abraham-Lincoln-Highschool sei – so die Texttafeln vorm Film – 1982 noch eine Seltenheit, aber die Probleme der Gewalt und Kriminalität würden an Schulen immer größer. Mit dieser Prognose lag der Film leider richtig, aber warum er dann gerade so reißerisch mit seinem Thema umgehen muss, weiß er wahrscheinlich selbst nicht. Die Klasse von 1984 ist eine Art „Ein Mann sieht rot” an der Highschool, wo sich ein idealistischer Lehrer (Perry King) gegen eine marodierende Bande, die Drogen verkauft und Mitschüler drangsaliert, bis sie sich schließlich an seiner Frau zu schaffen macht, mit aller Härte zur Wehr setzt. Bis dahin konnte jedoch der Bande, die behauptet, dass ihr die Zukunft gehöre, nie etwas nachgewiesen werden.

Mit dieser zynischen Pointe der Nichtnachweisbarkeit spielt dann auch der Film, der über die reißerische Ausschlachtung seines brisanten Themas hinaus sämtliche Nebenhandlungen und kritischen Ansätze abrupt abbricht oder links liegen lässt (was geschieht nach der Konzertaufführung am Ende eigentlich?). Diese ideologische Fragwürdigkeit wiegen jedoch ein diabolisch-psychotischer Bösewicht (Timothy Van Patten), Michael J. Fox in einer frühen Rolle als pilzköpfiger Vorzeigeschüler und Alice Coopers toller Song „I am the Future” wieder etwas auf.

Kontrapunkt: Slumdog Millionär, Sunshine Cleaning & Ben X

Dieses Mal ein Kontrapunkt über noch relativ aktuelle Filme, die allesamt spätestens vergangenes Jahr in den deutschen Kinos liefen bzw. im nächsten Monat noch laufen werden. Und nein, ich habe mir „Sunshine Cleaning” nicht gesaugt, sondern habe mir den einmal mehr zusammen mit the gaffer zusammen in die Erfurter Sneak gegeben.

Slumdog Millionär (GB 2008)

Hier nun also noch irgend so eine Kritik zum am meisten über den Klee gelobten Film 2008. Die gute Nachricht vorweg: Ein Großteil der 8 Oscars für diesen Genre-Mix zwischen Armutsdrama, Liebesgeschichte und Thriller ist hochverdient (Kamera, Ton, Musik, Regie) und das ist nur einer der Gründe, warum dieses Feel-Good-Movie of the Year noch mehr Spaß macht.

Einziger Wermutstropfen: Bollywood hat damit auch den Westen erobert und ich kann mit Shahrukh Khan und den wüsten 2,5 Stunden-Genremixen mit Love-Story meets Actionfilm meets Musical-Epos nichts anfangen. Und dass man sich im indischen Kino auch unter britischer Regie nicht gänzlich von diesen für mich als Westeuropäer immer noch befremdlichen wie überladenen Dingen verabschieden will/kann, zeigt sich im Abspann, der dem vorhergegangenen bewegenden Seriös-Film eine unnötige Spaß-Musicalnummer bar jeglichem zuvor kolportierten Knallhartrealismus folgen lässt. Der Film berührt, aber man sollte schon mit Beginn des Abspanns und noch gänzlich unter dem visuell-akustischen Drogencocktail, den uns Slumdog Millionär bis dahin verabreichte, das Kino verlassen.

Sunshine Cleaning (USA 2008)

„Ein überdurchschnittlicher, aber entbehrlicher Independent-Film” trifft als Fazit wohl am besten zu. Irgendwie geht es in Sunshine Cleaning um das Schicksal der working class-Schwestern Norah (Emily Blunt) und Rose (Amy Adams), die zusammen eine Reinigungsfirma mit Namen – na? – Sunshine Cleaning eröffnen und bevorzugt an Tatorten nach der Spurensicherung Körperflüssigkeiten und ähnliches Gekröse von den besudelten Wänden entfernen. Natürlich fehlen ein spleeniges, seltsames Kind und ein schrulliger Großvater, der die seltsamsten Geschäftsideen hat, auch nicht im Figurenbrei. Alan Arkin ist in letzterer Rolle einmal mehr die Idealbesetzung und weckt nicht nur durch die Parallelen, was seine Rollenwahl angeht, Assoziationen zu „Little Miss Sunshine”. Nur dass „Little Miss Sunshine” wenigstens eine Story entwickelte, während man sich bei „Sunshine Cleaning” stets fragt, wann diese abseits der vorgetragenen, losen Episoden und Momentaufnahmen schwankend zwischen Drama Komödie endlich beginnt. Charmant, ja, aber inhaltlich dennoch irgendwie ziemlich planlos.

Ben X (B/NL 2007)

Ein Autist namens Ben (Greg Timmermans), der sich in der Computerwelt des Online-Rollenspiels „Archlord” ausleben kann, während er in der Schule von Mitschülern nur drangsaliert wird, setzt zum Gegenschlag an. Dabei ist Ben X ebenso berührend wie durch die zunehmende Verschmelzung von virtueller Realität und Alltag aus der subjektiven Sichtweise der Hauptfigur so faszinierend wie verstörend.

Man erlebt seinen von Anfeindungen und Unverständnis geprägten Alltag und seinen innerlichen Kampf mit, auch wenn Greg Timmermans hin und wieder bei seinem um Einfühlsamkeit bemühten Schauspiel die Augen etwas zu weit und wahnsinnig aufreißt. Schnelle Schnitte, unverhoffte Nahaufnahmen, kurze Inserts usw. strengen bei Sichtung dieses außergewöhnlichen Films mit noch außergewöhnlicherer Pointe, die es sich nicht so leicht macht wie das Klischee, an, reflektieren aber eindringlich den Seelenzustand des Autisten Ben, der in seiner eigenen Welt lebt. Ein Film der manchmal hart an den Nerven zerrt, anstrengt, vielleicht auch schwer zugänglich ist, aber durch die vielen Reflexionsmöglichkeiten lohnt.