Diary of the Dave: Deleted Scenes 2010

2010 war ein erlebnis- wie auch filmreiches Jahr. Natürlich konnte nicht alles sofort in tiefsinnigen Formulierungen für die Ewigkeit festgehalten werden. Einige Ereignisse hätten aber durchaus eine gewisse intellektuelle Auseinandersetzung verdient, gingen jedoch in der Hitze des Gefechts verloren. An dieser Stelle ist es an der Zeit, sich an diejenigen kinematographischen Episoden zu erinnern, die es leider nicht ins Tagebuch geschafft haben. Meinen ganz persönlichen drei bemerkenswertesten Filmereignissen folgen sieben ehrenwerte Nennungen (chronologisch geordnet) und ein „Überraschungsbonus“.

1 Inglourious Basterds

„Inglourious Basterds“ war für mich DAS große Kinoereignis des Jahres 2009. Im Sommer 2010 konnte ich dieses wunderbare Erlebnis wiederholen, da der Film in meinem Lieblingskino (dem Lichthaus in Weimar) in der Open-Air-Reihe gezeigt wurde, und das sogar OmU. Nach dem Erwerb des Tickets und eines Getränkes ging es an Kinosaal 2 vorbei und raus ins Grüne. Auf der kleinen Grünfläche hinter dem Gebäude des ehemaligen Straßenbahndepots standen weiße Plastik-Gartenstühle. An den Gesprächen meiner Co-Kinogänger vor dem Beginn der Vorstellung konnte ich erkennen, dass auch die meisten von ihnen den Film nicht zum ersten Mal sahen und sich freuten (oder sich über die Vorstellung in OmU ärgerten, was wiederum meinen Zorn über diese bescheuerten Banausen hervorrief). Der Film begann schließlich. Die Zigaretten im Publikum qualmten. Zu fortgeschrittener Zeit konnte man riechen, dass nicht nur Tabak geraucht wurde. Unvergesslich wurde das ganze auch dadurch, dass ich nur die üblichen Klamotten trug, die ich auch sonst getragen hätte. Trotz des Hochsommers wurde es dann im Verlauf des Abends empfindlich kälter, spätestens bei der Szene über die Fragen der jeweiligen Identität in der Kellerkneipe. Der Film konnte aber durchaus davon ablenken. Sehr herzerwärmend und für mich eine Premiere war der Applaus des Publikums bei Beginn des Abspanns, nachdem Hans Landa das bekommen hatte, was er verdient (man stelle sich Hans Globke mit einer Narbe im Gesicht vor!). Mit schmerzenden Händen (ich hatte begeistert mitgeklatscht), völlig abgekühlt, aber trunken vor Freude verließ ich das Kino. Ich freue mich schon auf die nächste Kinovorstellung des Films im Jahre 2011!

2 Assault – Anschlag bei Nacht

Was als ein entspannter Filmnachmittag und -abend mit Bier, Antipasti und Chili con carne begann, entwickelte sich zu einer absurden und interaktiven (!) Filmvorführung, bei der die Unterscheidung zwischen den Filmschaffenden und dem Publikum weitestgehend verwischt wurde. In der Wohnung eines Kumpels, mit dem ich die Vorliebe für die Geschichte Osteuropas, Filme und scharfes Essen teile, wurde zunächst „Shoot‘ em up“ zum besten gegeben. Mit Chili con carne für ein ganzes Regiment ausgestattet, folgte „Wanted“. Ja, es war ein Tag für sinnlose, brutale, hirnverbrannte, frauenverachtende, urkomische, coole, sinnlose (hab ich wohl schon erwähnt) und wunderbar unterhaltsame Trash- und Ballerfilme. Mit der Ankunft von Stabsmitgliedern des Blogs (damals war ich selbst noch kein „the gaffer“-Mitarbeiter) wurde der Spaßfaktor noch erhöht, und zwar mit John Carpenters „Assault“ und der Interaktion eines diabolischen Schreiberlings mit dem Film. Vordergründig ein ziemlich düsterer, brutaler und humorloser Thriller, kann „Assault“ seine teils unfreiwillig komische, extrem trashige Ästhetik und die offensichtlichen Inkohärenzen im Plot nicht verbergen. Man muss den Mängeln des Filmes gegenüber einfach offen sein, dann ist er auch ein Genuss. Die bereits genannte Person mit teuflischem Hintergrund tat dies, indem sie spontan und live den Film mit einem improvisierten Audiokommentar und alternativen Dialogen begleitete. Dem Film konnte dadurch ganz neue Perspektiven entlockt werden, hauptsächlich über die sexuellen (oft auch homosexuellen) Motivationen der Charaktere. Auszüge aus diesem improvisierten Audiokommentar können an dieser Stelle (leider?) nicht zitiert werden. Pornographisch, geschmacklos, sexistisch, pubertär? Ja! Aber es war ein Riesenspaß. Und mein Blick auf „Assault“ ist für immer verändert!

3 Dead Man

Wie passen Hegel, Jarmusch, Bier und eine Knoblauch-Sauce, die einem für die nächsten 24 Stunden jegliches Sozialleben verbietet, zusammen? Eigentlich ganz gut! Philo-Kino war für mich im Frühling und Sommer dieses Jahres immer ein entspannendes Ereignis. Es wurde gegrillt, man aß mit Bekannten und Unbekannten zusammen Bratwürste, Steaks und Fetas. Dazu Bier und Wein. Um neun oder halb zehn fing der Film an. Für die meisten Anwesenden bedeutete das: Film-Gucken. Ein kleiner Kreis von Säufern, Musikfreaks und verlorenen Seelen zog sich hingegen in den Fachschaftsraum zurück, wo weiter getrunken und diskutiert wurde (meist eher über Neil Young als über Schopenhauer). Oft war ich Angehöriger der zweiten Gruppe. Nach dem Ende der Kino-Vorstellung gab’s für uns immer Resteessen (gratis Würste, Steaks und Kartoffeln mit der berüchtigten Knobi-Sauce). Und dann weiter trinken und quatschen bis in die Puppen. Einmal jedoch habe ich den Film tatsächlich geschaut: „Dead Man“. In einem Seminarraum mit Beamer und manchmal aussetzenden Boxen, mit deutscher Synchro, mit Leuten die ein und aus gehen, mit dem permanentem Gedränge bei der Getränkeausgabe und dem ständigen heiteren Flüstern lässt sich kaum von purem Kinogenuss sprechen. Aber das ist auch egal. Die Publikumsreaktionen auf die Gewaltszenen waren zumindest ähnlich wie im Kino. Nach der Vorstellung versuchte ein Fachschaftsmitglied, ordnungsgemäß eine Diskussion über den Film in Gang zu bringen, geleitet vom Semestermotto „Vergänglichkeit und [irgendetwas]“. Es entstand eine angeregte Meta-Diskussion, bei der letztlich der Diskussionsleiter verarscht wurde. Mein Banknachbar und ich traten mit tiefgreifenden Gedanken über die Bedeutung von Cole Wilsons ödipaler Ursünde hervor und fragten insbesondere nach der konkreten Reihenfolge ihrer drei Komponenten (Sex, Tod, Essen). Die Frage blieb unbeantwortet. Der Abend war aber ein voller Erfolg und klang wie immer im Raum der Fachschaft aus.

Die Nackte Kanone

Es muss nicht immer eine Kinoleinwand sein. Auch ein kleiner Laptop auf dem Tisch einer WG-Küche, um den sich vier Leute zwängen, kann reichen, denn diesen Film kann man auch mit dem piepsigen Ton der Notebook-Lautsprecher genießen. An diesem klirrend kalten Januarabend konnten wir nicht wissen, dass Leslie Nielsen das Ende des Jahres nicht mehr erleben würde. Durch Frank Drebin wird er aber immer unsterblich sein.

Armee im Schatten

Jean-Pierre Melville dekonstruiert in seiner Adaptation von Joseph Kessels autobiographischen Roman das Heldenbild der französischen Résistance. Diese wurde nicht durch Helden geprägt, sondern durch Menschen, die in einer Extremsituation zu extremen Mitteln griffen, oftmals gegen die eigenen Leute. Ein stilles, sperriges Meisterwerk, das sich wohl erst bei mehrmaligem Sehen voll entfalten wird.

Nokan

Ein wunderschöner Film über Zeremonien, Abschied, Trauer und Schmerz, der makabren Humor mit tiefer Emotionalität vermischt. Der Film des Jahres, bei dem ich am Schluss fast wie ein kleines Kind geheult habe. Oder doch nicht „fast“?

Hot Fuzz

Der zweite Teil der „Blood and Ice Cream“-Trilogie war mein Lacher des Jahres im Heimkino. Ein Plädoyer für die zügige Reparation baufälliger Gebäude, das die Lachmuskeln stark strapaziert.

Braindead

Morgens um halb drei in Jena… ich meine Sonntag Nachmittag kurz nach dem Aufstehen. Um mein postalkoholisches Intoxikationssyndrom zu bekämpfen, erschien mir ein hirnloser Splatterfilm genau richtig. Nichts hatte mich auf diese wunderbare Geschmacksverwirrung mit einem solch herrlichen 50er Jahre Teeny-Komödien-Charme, einem satirischen Blick auf dysfunktionale Familien und einer innovativen Anleitung zur Beseitigung lästiger Partygäste vorbereitet… Der ideale Katerfilm.

The Expendables

Dieses schweiß-, blut-, testosteron- und Botox-geschwängerte Machwerk war mein Kino-Lacher des Jahres. „The Expandables“ ist eine eindrucksvolle Demonstration dafür, dass man auch ohne sinnvolle Story und ausdrucksstarke (!) Charakterdarstellung (!!) viel Spaß im Kino haben kann: männliches Prügeln, Rumgeballer und Rumgeprotze reichen völlig aus. In der Nachdiskussion wurde für „töten“ das Synonym „wegrotzen“ sehr treffend geprägt.

Franziskus, der Gaukler Gottes

Mein neorealistisches Ereignis des Jahres war trotz des vordergründig religiösen Themas auch für einen bekennenden Atheisten wie mich interessant. Manche Episoden waren schwächer als andere. Die Bilder der Begegnung Francescos mit dem Leprakranken sind jedoch unvergesslich, einprägsam, unglaublich stark und bilden den Höhepunkt des Films.

Und das Nicht-Ereignis des Jahres

Das alljährliche internationale Très-Courts-Festival fand dieses Jahr nicht statt. Seit 2005 nahm das Lichthaus in Weimar immer im April bzw. Mai daran teil, mit den etwa 50 internationalen Ultrakurzfilmen (maximal drei Minuten) und einer regionalen Auswahl. Dieses Jahr nix… nächstes Jahr auch nix… Herzlichen Dank, liebe „große Koalition“ in Erfurt!

Was sie schon immer über 1964 wissen wollten, aber bisher nie zu fragen wagten

Jethro Tull haben ein Lied, das “Living in the Past” heißt. Dies soll auch bei dieser Jahresendliste mein Motto sein. Einerseits, weil Jenny und Luzifus schon eine Jahresbesten bzw. –schlechtestenliste machen, und andererseits, weil ich nicht das Gefühl habe, mitreden zu können. Zuviel habe ich noch nicht gesehen („Carlos“, „Uncle Boonmee Who Can Recall His Past Lives“, „Book of Eli“, „Enter the void“, „The Road“, „Certified Copy“, „Film Socialisme“, „Fantastic Mr. Fox“) oder ich habe Filme auf Festivals gesehen, ohne dass diese irgendeine große Resonanz bekommen hätten („Parade“ von Yukisada Isao ist z. B. extrem empfehlenswert, aber wie alle seine Filme seit „Go“ total untergegangen). 2010 besteht für mich bisher aus vier super Filmen („The Social Network“, „Parade“, „Exit through the Giftshop“ und vielleicht noch „Greenberg“) und einem herben Enttäuschungsfall („The American”), mehr weiß ich darüber noch nicht.

Letztlich bin ich ohnehin für Vergangenheitsbewältigung zuständig. Deshalb möchte ich dem ehrenwerten Leser ein Filmjahr näherbringen, das es in sich hat: 1964. Es ist bestimmt kein Zufall, dass ich aus diesem Jahr die meisten DVDs besitze. Dementsprechend schwer fiel auch die Auswahl. Also los.

10. Der geteilte Himmel (DDR)

Es ist schon sensationell wie alt Konrad Wolf den Rest der deutschen Nachkriegsfilmproduktionen aussehen ließ. Formal bedient er sich zwar stark bei Resnais und Godard und doch gelingt es ihm, einen Film mit einer eigenen Identität zu erschaffen. Einen einfühlsamen Film über die DDR, die Unmöglichkeit dort zu leben und vor allem über die Verlogenheit der Ideologien der beiden deutschen Staaten. Etwas verkopft und in der Tagespolitik verfangen (anders als das westliche Pedant von 1965 „The Spy Who Came in from the Cold“), aber gerade damit fängt er die DDR perfekt ein.

9. Alexis Sorbas (GB/GR)

Der Evergreen über die Freude am Leben oder eher gegen Verbitterung und die Angst vor Fehlern. Spröde erzählt er von der archaischen Welt Kretas mit ihren rauen Bewohnern und ihrer rauen Natur, aber nur um sie als Hintergrund für die Darstellung der Verbohrtheit der Menschen zu nutzen. Und obwohl der Film in vielerlei Hinsicht sehr bitter ist, lehrt er uns das Tanzen und das Lachen im Angesicht der Verzweiflung.

8. Für eine Handvoll Dollar (I/E/BRD)

Ja, er war eine Frischzellenkur für ein im Sterben liegendes Genre, durch sein Mehr an Stilisierung, Zynismus und Gewalt. Und ja, er war gleichzeitig realistischer als der klassische Western, durch die fehlende Sauberkeit und den Zynismus. Und ja, er war der Ursprung eines ganzen Genres. Und ja, er ist ein Klassiker. Seine größte Stärke ist aber, dass er frisch und sehenswert bleibt, trotz seiner Allgegenwart.

7. Assassination (J)

Shinoda Masahiros erster Samurai-Film ist so etwas wie ein Spät-Western… nur eben mit Schwertern. Denn genau so oft wie Blutlachen in Gesichter platschen, werden Mythen entzaubert, wodurch die Orientierungslosigkeit eines ganzen Landes eingefangen wird, dass nach 1860 mit seinen Traditionen brechen muss. Zudem schafft es Shinodas Mischung aus hartem Actionfilm, poetischer Meditation und vertrackter Erzähltechnik, die „Citizen Kane“ mit „Rashômon“ kombiniert, den Spagat zwischen Anspruch und Unterhaltung sehr einfach wirken zu lassen.

6. Die rote Wüste (I)

“Die rote Wüste” wird in Antonionis Filmografie von seinen Meisterwerken flankiert und fällt im Vergleich zu diesen ab. Trotz alledem ist dies ein riesiger Film über Entfremdung und Kälte. Es ist sein düsterster Film, der Monica Vittis nahenden Nervenzusammenbruch in gespenstischen Bildern einfängt und dem Zuschauer am eigenen Leib spüren lässt.

5. Die Außenseiterbande (F)

Seltsamer Film. Eine Krimikomödie. Eine abermalige Variation über das Thema (welches Godards Frühwerk durchzieht), dass Menschen nicht hinter die Kulissen ihres Gegenübers schauen können. „Bande à part“ ist aber so etwas wie der naive Außenseiter in besagtem Frühwerk. Kaum Reflexion. Einfach eine eigenwillige Hommage an Hollywoodkrimis und -musicals, die sich nicht um Realität schert.

4. Soy Cuba (C/UdSSR)

Edelpropagandafilmer Michael Kalatosow ging zur Zeit der Veröffentlichung mit diesem Gedicht über die Kubanische Revolution unter. Vier kraftvolle Episoden, die das Leid, welches zum Sieg der Revolution führte, in magischen, gehetzten Bildern einfängt. Optisch gehört der Film zum Eindrucksvollsten, was das Kino zu bieten hat. Ich werde nie verstehen können, dass „Soy Cuba“ 30 Jahre später wiederentdeckt werden musste.

3. The Naked Kiss (USA)

Die Faust des Kinos auf der Spitze seines Könnens … ein Tiefschlag in die Gedärme des Zuschauers und der USA. „Der geteilte Himmel“ findet am Ende noch etwas Ruhe in der Erkenntnis „Home is Where the Hatred is“. So positiv ist Fuller nicht eingestellt.

Mehr von mir über “The Naked Kiss” und Sam Fuller kann man hier nachlesen.

2. Schatten vergessener Ahnen (UdSSR)

Sergej Paradschanow könnte man als großen „Primitiven“ sehen, doch seine Filme sind keine Versuche, dazu weiß er zu genau, was er mit der Kamera macht. Sie sind vielmehr angefüllt mit einem unfassbaren Reichtum an Ideen, welche die Bildgewalt Kalatosows mit einer traumhaften Unwirklichkeit verbinden, die man in einer introvertierteren Form später bei Tarkowskij finden wird. So entsteht eine Poesie der Bilder, die Ihresgleichen sucht… und bei deren Betrachtung man nicht die Zuflucht in billigen Symbolismus suchen sollte, sondern diese wundervollen, unwirklichen Bilder in erster Linie sie selbst sein lassen sollte.

1. Die Frau in den Dünen (J)

Wenn es um den besten japanischen Film aller Zeiten geht, hat Teshigahara Hiroshis Film mit „Death by Hanging“ zumindest einen gleichwertigen Gegner. 1964 ist er unschlagbar auf Platz 1. Der Plot (?/ein Hobbyornithologe wird in einer Sandgrube gefangen gehalten) ist vorhersehbar wie nüschts, aber zwischen den Geschehnissen der groben Handlung passieren so viele Sachen, sieht man so viele Sachen, hört man so viele Sachen von so ausgewählter Unerklärbarkeit, dass ich immer wieder mit einem ratlosen Grinsen zurückgelassen werde.


Das Verfolgerfeld wäre:

Gertrud (DK)

The Pink Panther (GB)

Onibaba (J)

Goldfinger (GB)

Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb (USA)


Was lief 1964 sonst noch? Hier einzusehen.

Was denken andere?

Jean-Luc Godards Top Ten von 1964 aus den Cahiers du Cinéma:

1. I fidanzati (Ermanno Olmi)

2. Gertrud (Carl Theodor Dreyer)

3. Marnie (Alfred Hitchcock)

4. Man’s Favourite Sport (Howard Hawks)

5. Il deserto rosso (Michelangelo Antonioni)

6. A Distant Trumpet (Raoul Walsh)

7. Love with the Proper Stranger (Robert Mulligan)

8. Cheyenne Autumn (John Ford)

9. La ragazza di bube (Luigi Comencini)

10. L’amour à la chaîne (Claude de Givray)

Eine etwas andere Top Ten

Der Listenterror geht weiter, aber dieses Mal handelt es sich nicht um eine Bestenliste. TorrentFreak hat die Filme zusammengestellt, die dieses Jahr am häufigsten via BitTorrent illegal heruntergeladen worden sind. Wenig überraschend: “Avatar” liegt auf Platz 1. Irgendwie traurig (unabhängig von der Qualität): die vergleichsweise kleine Comic-Adaption “Kick-Ass” rangiert auf Platz 2.

(via)

1. “Avatar” – 16,580,000

2. “Kick-Ass” – 11,400,000

3. “Inception” – 9,720,000

4. “Shutter Island” – 9,490,000

5. “Iron Man 2” – 8,810,000

6. “Clash of the Titans” – 8,040,000

7. “Green Zone” – 7,730,000

8. “Sherlock Holmes” – 7,160,000

9. “The Hurt Locker – 6,850,000

10. “Salt” – 6,700,000

The Essential 100 und andere Listen

Bevor hier im Blog ein paar Jahreslisten der Autoren gepostet werden, gilt es nochmal, auf andere  Bestenlisten zu blicken. Wer sich zum neuen Jahr ein paar filmische Vorsätze machen möchte, findet hier durchaus Inspiration.

Sight & Sound z.B. hat die zwölf Filme des Jahres gewählt:
1 The Social Network
2 Uncle Boonmee Who Can Recall His Past Lives
3 Another Year
4 Carlos
5 The Arbor
6 Winter’s Bone / I Am Love
8 The Autobiography of Nicolae Ceausescu / Film socialisme / Nostalgia for the Light / Poetry / A Prophet


Film Comment hat gar eine Liste aus 50 Filmen erstellt. Die Top Ten:
1. Carlos, Olivier Assayas
2. The Social Network, David Fincher
3. White Material, Claire Denis
4. The Ghost Writer, Roman Polanski
5. A Prophet, Jacques Audiard
6. Winter’s Bone, Debra Granik
7. Inside Job, Charles Ferguson
8. Wild Grass, Alain Resnais
9. Everyone Else, Maren Ade
10. Greenberg, Noah Baumbach


Das einstige Flaggschiff des guten Filmgeschmacks, die Cahiers du Cinéma, hat es sich ebenfalls nicht nehmen lassen, die zehn besten Filme des Jahres zu wählen (mit Berücksichtigung des französischen Starttermins):

1. Uncle Boonmee Who Can Recall His Past Lives, Apichatpong Weerasethakul
2. Bad Lieutenant: Port of Call New Orleans, Werner Herzog
3. Film Socialisme, Jean-Luc Godard
4. Toy Story 3, Lee Unkrich
5. Fantastic Mr. Fox, Wes Anderson
6. A Serious Man, Joel & Ethan Coen
7. To Die Like a Man, João Pedro Rodrigues
8. The Social Network, David Fincher
9. Chouga (aka Ainour), Darezhan Omirbayev
10. Mother, Bong Joon-ho


All jenen, für die die IMDb Top 250 keine Herausforderung mehr ist, kann ich die Liste von den Mannen vom Toronto International Film Festival empfehlen. Hier kann man sich ordentlich abarbeiten und hat gleichzeitig ein hübsche Vorlage, um in der Zukunft Bildungslücken zu schließen. Ich habe mal die 63 von mir gesehenen Filme blau markiert.

This list represents the merging of one 100 film list as determined by an expert panel of TIFF curators with one 100 film list as determined by TIFF stakeholders.

1 THE PASSION OF JOAN OF ARC (Carl Theodor Dreyer)
2 CITIZEN KANE (Orson Welles)
3 L’AVVENTURA (Michelangelo Antonioni)
4 THE GODFATHER (Francis Ford Coppola)
5 PICKPOCKET (Robert Bresson)
6 SEVEN SAMURAI (Akira Kurosawa)
7 PATHER PANCHALI (Satyajit Ray)
8 CASABLANCA (Michael Curtiz)
9 MAN WITH A MOVIE CAMERA (Dziga Vertov)
10 BICYCLE THIEVES (Vittorio De Sica)
11 ALI: FEAR EATS THE SOUL (Rainer Werner Fassbinder)
12 8 ½ (Federico Fellini)
13 BATTLESHIP POTEMKIN (Sergei Eisenstein)
14 RASHOMON (Akira Kurosawa)
15 TOKYO STORY (Yasujiro Ozu)
16 THE 400 BLOWS (François Truffaut)
17 UGETSU (Kenji Mizoguchi)
18 BREATHLESS (Jean-Luc Godard)
19 L’ATALANTE (Jean Vigo)
20 CINEMA PARADISO (Giuseppe Tornatore)
21 LA GRANDE ILLUSION (Jean Renoir)
22 LAWRENCE OF ARABIA (David Lean)
23 PERSONA (Ingmar Bergman)
24 GONE WITH THE WIND (Victor Fleming)
25 SUNRISE (F.W. Murnau)
26 2001: A SPACE ODYSSEY (Stanley Kubrick)
27 VOYAGE IN ITALY (Roberto Rossellini)
28 AMÉLIE (Jean-Pierre Jeunet)
29 CITY LIGHTS (Charlie Chaplin)
30 STAR WARS (George Lucas)
31 SHERLOCK JR. (Buster Keaton)
32 RULES OF THE GAME (Jean Renoir)
33 THE LEOPARD (Luchino Visconti)
34 LA DOLCE VITA (Federico Fellini)
35 L’ARRIVÉE D’UN TRAIN À LA CIOTAT (Frères Lumiere)
36 THE WIZARD OF OZ (Victor Fleming)
37 LA JETÉE (Chris Marker)
38 VERTIGO (Alfred Hitchcock)
39 NIGHT AND FOG (Alain Resnais)
40 PULP FICTION (Quentin Tarantino)
41 THE SEARCHERS (John Ford)
42 SLUMDOG MILLIONAIRE (Danny Boyle)
43 THE CONFORMIST (Bernardo Bertolucci)
44 CITY OF GOD (Fernando Meirelles)
45 TAXI DRIVER (Martin Scorsese)
46 APOCALYPSE NOW (Francis Ford Coppola)
47 SALÓ, OR THE 120 DAYS OF SODOM (Pier Paolo Pasolini)
48 THE SEVENTH SEAL (Ingmar Bergma)
49 LE VOYAGE DANS LA LUNE (Georges Méliès)
50 METROPOLIS (Fritz Lang)
51 THE BATTLE OF ALGIERS (Gillo Pontecorvo)
52 IN THE MOOD FOR LOVE (Wong Kar Wai)
53 VIRIDIANA (Luis Buñuel)
54 LIFE IS BEAUTIFUL (Roberto Benigni)
55 THE SORROW AND THE PITY (Marcel Ophüls)
56 PAN’S LABYRINTH (Guillermo del Toro)
57 THE EARRINGS OF MADAME DE… (Max Ophüls)
58 BLADE RUNNER (Ridley Scott)
59 THROUGH THE OLIVE TREES (Abbas Kiarostami)
60 LES ENFANTS DU PARADIS (Marcel Carné)
61 BRINGING UP BABY (Howard Hawks)
62 SINGIN’ IN THE RAIN (Stanley Donen)
63 JOHNNY GUITAR (Nicholas Ray)
64 A CLOCKWORK ORANGE (Stanley Kubrick)
65 MEMORIES OF UNDERDEVELOPMENT (Tomás Gutiérrez Alea)
66 M (Fritz Lang)
67 SCORPIO RISING (Kenneth Anger)
68 PSYCHO (Alfred Hitchcock)
69 DUST IN THE WIND (Hou Hsiao-Hsien)
70 SCHINDLER’S LIST (Steven Spielberg)
71 NASHVILLE (Robert Altman)
72 CROUCHING TIGER, HIDDEN DRAGON (Ang Lee)
73 WAVELENGTH (Michael Snow)
74 JULES ET JIM (François Truffaut)
75 CHRONIQUE D’UN ÉTÉ (Edgar Morin and Jean Rouch)
76 THE LIVES OF OTHERS (Florian Henckel von Donnersmarck)
77 GREED (Erich von Stroheim)
78 SOME LIKE IT HOT (Billy Wilder)
79 JAWS (Steven Spielberg)
80 ANNIE HALL (Woody Allen)
81 THE BIRTH OF A NATION (D.W. Griffith)
82 CHUNGKING EXPRESS (Wong Kar Wai)
83 LA NOIRE DE… (Ousmane Sembene)
84 RAGING BULL (Martin Scorsese)
85 THE MALTESE FALCON (John Huston)
86 CHINATOWN (Roman Polanski)
87 ANDREI RUBLEV (Andrei Tarkovsky)
88 WINGS OF DESIRE (Wim Wenders)
89 VIDEODROME (David Cronenberg)
90 WRITTEN ON THE WIND (Douglas Sirk)
91 THE THIRD MAN (Carol Reed)
92 BLUE VELVET (David Lynch)
93 THE GOOD, THE BAD AND THE UGLY (Sergio Leone)
94 BREAKING THE WAVES (Lars von Trier)
95 A NOS AMOURS (Maurice Pialat)
96 CLEO DE 5 A 7 (Agnès Varda)
97 ALL ABOUT MY MOTHER (Pedro Almodóvar)
98 EARTH (Aleksandr Dovzhenko)
99 OLDBOY (Park Chan-wook)
100 PLAYTIME (Jacques Tati)
(via)

10 Jahre // 15 Favoriten (3)

Im letzten Teil meines Dekaden-Specials geht’s etwas mainstreamiger (lies: amerikanischer) zu, als in den anderen beiden. Wer sich einen Überblick verschaffen will über die Konkurrenz, kann sich meine MyMovies Liste der gesehenen Filme bei der IMDb ansehen, die natürlich allerdings nicht vollständig ist. Was hat die Zusammenstellung der Liste mir gebracht? Vor allem eine Konfrontation mit all den Filmen, die ich noch nicht gesehen habe. Die von Apichatpong Weerasethakul (“Syndromes and a Century”) und den Gebrüdern Dardenne (“Lornas Schweigen”) beispielsweise. Aber gerade deswegen macht man Listen, liest die Listen anderer Leute und diskutiert darüber.


Children of Men (J/USA/GB 2005)

Die besten Dystopien erschüttern uns in Mark und Bein, zeichnen das Bild einer Zukunft, die wir keinesfalls erleben wollen und verweisen so auf die gefährlichen Wurzeln, welche dafür in der Gegenwart gelegt werden. In einem mit einigen Dystopien versehenen Jahrzehnt, stellte Alfonso Cuaróns “Children of Men” zweifellos den Höhepunkt dar. Denn keiner der anderen Genre-Beiträge wie “V wie Vendetta” oder “Equilibrium” vermochte es, eine vergleichbare Verzweiflung und Aussichtslosigkeit angesichts der Zustände in unserer Zukunft zu suggerieren. Dabei bedient sich Cuarón in erster Linie nicht einmal bei dem bekannten Motiv des Überwachungsstaates, wie es so viele andere seit Samjatins “Wir” getan haben. Nichts weniger als das drohende Aussterben der Menschheit hat die Gesellschaft in ein Chaos gestürzt, wie es nur durch das latente Gefühl der Sinnlosigkeit des eigenen Daseins entstehen kann. Wenn nach uns nichts mehr kommt, warum noch dem Handeln Grenzen setzen? Terroristen jeder Couleur, ein drohender Aufstand im Inneren und ein rücksichtsloser Polizeistaat am Rande des Kollaps… Vor dem Hintergrund dieser Kulisse fällt es ausgerechnet dem resignierten Theo (Clive Owen) zu, das schwach glimmende Licht er Hoffnung vor dem Verlöschen zu bewahren.

Die allseitige Bedrohung in dieser Welt, in der keine Kinder mehr geboren werden, setzt Cuarón mit beachtlicher Selbstsicherheit bei der Wahl der stilistischen Mittel (u.a. die berühmten Plansequenzen) um, ohne der Gefahr zu erliegen, sich in selbstverliebten Spielereien zu sulen.

Ratatouille (USA 2007)

Gut zu essen, das ist eine wunderbare Angelegenheit. Die komplexe Gewürz-mischung einer Sauce auf der Zunge zergehen lassen. Die Geschmacks-explosionen im Gaumen nachverfolgen, genießen, ihre Ingredienzen erahnen. Wenn der Widerstreit scheinbar nicht kombinierbarer Sinneseindrücke im Mund beigelegt, der Genießende eines besseren belehrt wird, findet dieser sich schon bald im siebten Himmel wieder. Gutes Essen gehört zu den schönen Seiten des Lebens und der Akt des (liebevollen) Kochens übrigens auch. Nicht die sklavische Verehrung von Rezepten, sondern die instinktive Mischung, die abwegigen Eingebungen. Deswegen ist Kochen die vergänglichste aller Künste und seine Freuden – sowohl auf Seiten des Künstlers als auch des Konsumenten – unheimlich schwer medial ausdrückbar. Zumindest solange es kein Geruchs-/Geschmackskino gibt. Dass nun ausgerechnet Pixar einer der besten Filme über das Thema gelungen ist, kann aus heutiger Sicht kaum überraschen. Die können ja so gut wie alles. Wenn es um die Aufnahme in Bestenlisten geht, hatte “Ratatouille” in den letzten zehn Jahren viel Konkurrenz aus dem eigenen Stall. “Wall-E” mag (anfänglich) radikaler sein, “Die Unglaublichen” bieten mehr Unterhaltung und “Oben” ist ein einziger Stich ins Herz. Doch “Ratatouille” ragt mit einer nahezu perfekten und v.a. gleichmäßig hochwertigen Erzählung heraus und kreiert aus einfachen Zutaten eine unerwartete Auseinandersetzung mit der Bedeutung der Kunst für Mensch und Ratte. Classical Hollywood Cinema eben, wie es kaum noch zu finden ist. Hauptsächlich aber macht “Ratatouille” eines: Appetit.

Zodiac (USA 2007)

Die Urkatastrophe des Serienkiller-Motivs ist bekanntlich Jack the Ripper und was hat ihn dazu gemacht? Nicht die Brutalität. Nicht die Kaltblütigkeit. Nicht die Opfer. Nicht der Ort. Whitechapel gehört zu den Zutaten genau wie die Prostituierten, die ihm zum Opfer gefallen sind, doch Jack the Ripper ist aus einem einzigen Grund zum Mythos geworden: Bis heute ist seine Identität unklar, denn er wurde nie gefasst. Darin gleicht ihm der Zodiac-Killer, dessen Verfolgung David Fincher seinen zweiten Ausflug in das Genre widmet. Hinzu kommen die Briefe und mit ihnen die seltsame Symbiose zwischen Killer und Presse, die problematische Kanonisierung der Opfer und damit letztlich die Ungewissheit. Gab es den Zodiac-Killer überhaupt? War es ein Täter, waren es mehrere? Fragen über Fragen, die Robert Graysmiths (Jake Gyllenhaal) Obsession füttern. Der Karikaturist und spätere Buchautor bewegt sich zunächst an der Peripherie der Ereignisse, müssten die eigentlichen Helden des Serienkillerfilms in diesem Fall doch der Inspektor David Toschi (Mark Ruffalo) oder der waghalsige Journalist Paul Avery (Robert Downey Jr.) sein. Graysmith avanciert jedoch bald zum Pendant all jener Ripperologen, deren Suche nach dem Mörder auch die Zeit nichts anhaben konnte. Das Genre auf seine Wurzeln zurückführend, zeichnet Fincher gleichzeitig ein stellenweise erschütterndes Bild der Taten und ihrer Auswirkungen auf San Francisco. Weniger reißerisch als viele Genrebeiträge (auch sein eigener “Sieben”), aber dafür eben ganz nah. Ein einfaches Picknick am See wird danach nie wieder dasselbe sein.

Che – Revolución & Guerilla (F/E/USA 2008)

Wäre “Ocean’s Eleven” ein ernsthafter Arthouse-Film, würde er wahrscheinlich so ähnlich aussehen wie “Che”. Ein Film über professionelle Räuber, der von der Zusammenstellung des Teams bis zum Gelingen des Coups jeden Schritt minutiös nachzeichnet, eben weil Soderbergh, der Analytiker, dafür verantwortlich zeichnet. Was also war zu erwarten, als sich der Mann mit der abwechslungsreichen Filmografie daran machte, Che Guevara auf der Leinwand zu begegnen? Kein Biopic, denn “Che” gehört  nicht zur “Erin Brokovich”-Sorte, sondern  entspringt vielmehr dem augenscheinlich entfremdenden “The Good German”-Soderbergh, der die Marketingabteilung des jeweiligen Studios gerne vor unlösbare Aufgaben stellt. Zum Ausklang eines Jahrzehnts, das von einem ganzen Biopic-Hype überfallen wurde, stellte sich Soderbergh gegen den Strom und lieferte statt der Aufarbeitung des Lebens einer Legende die Analyse zweier revolutionärer Kämpfe. Damit ist “Che” eine der ungewöhnlichsten Annäherungsweisen an eine historische Persönlichkeit, da der filmische Doppelschlag sich der klassischen Narrativisierung des Lebensweges widersetzt. Es ist wohl einer der abgeklärtesten Blicke auf eine Legende, den man in Filmform finden kann. “In seinem Zweiteiler wühlt sich Soderbergh durch die Barrieren, welche die Mythenbildung mit sich bringt, um eine vielleicht nicht neue, aber vormals verschüttete Sicht auf Guevara zu gewähren. Er nähert sich dem Selbstbild eines Soldaten an, eines argentinischen Arztes, der in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts zum Revolutionär wurde und als solcher 1967 in Bolivien starb. „Guerilla“ beweist, dass Soderbergh der perfekte Regisseur für diesen Job ist.”

Inglourious Basterds (USA/D 2009)

Mein persönliches Kinoereignis des Jahres. Nicht nur wegen Christoph Waltz und Mélanie Laurent. Nicht nur wegen des “Es war einmal…” und der Konsequenz, mit der Quentin Tarantino diese Idee bis zum Ende führt. Nicht nur wegen großartiger Bilder, wie dem in Flammen aufgehenden Riesengesicht, der Aschenputtel-Szene und den zwei Männern, die sich in einer Holzhütte gegenüber sitzen und reden. Was als Nazi-Klopperei in den Trailern verkauft wurde, entpuppt sich als Tarantinos bei weitem ehrgeizigstes Projekt. In jeder Sequenz, jeder Einstellung spürt man seine Ambition, ein Werk epischer Proportionen auf die Leinwand zu bannen und es ist ihm gelungen. “Inglourious Basterds” beweist, dass sich der einstige Posterboy der Postmoderne längst in eigenen Sphären mit einem unüberschaubaren System der (Selbst-)Referenzialität bewegt. Tarantinos Sprache – seine narrativen und metaphorischen Codes – ist das Kino und wo andere seiner Werke sich in Richtung semiotischer Spielereien, deren Strukturen interessanter sind, als die vermeintlichen Lebewesen, die sie verkörperten, bewegten, ist “Inglourious Basterds” nicht “nur” ein Film, sondern totales Kino geworden. Eines, das Gehirn ebenso anspricht wie das Herz. Ein wunderbares Werk, das dem amerikanischen und italienischen Western ebenso viel zu verdanken hat, wie der BRD-Trilogie Fassbinders und damit mal eben kinematografisch den Atlantik zu überspannen weiß.