#145 – The Mission von Johnnie To

Rund 45 Jahre nach Erscheinen von Die sieben Samurai nahm der Hongkonger Regisseur Johnnie To eine Hommage an das große Vorbild von Akira Kurosawa in Angriff. In unter einem Monat wurde The Mission (1999) konzipiert, gedreht, geschnitten und veröffentlicht. Welche Parallelen es zwischen den fünf wortkargen Bodyguards und den sieben Samurai gibt, besprechen wir in der neuen Ausgabe des Wollmilchcasts. Und wir fragen uns, was herzergreifender ist: eine dramatische Schießerei oder das Spiel mit einem kleinem Papierball. Viel Spaß!

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Wollmilchcast #79 – Der König der Löwen von Jon Favreau

Der König der Löwen von 1994 ist der Millennial-Klassiker unter den Disney-Zeichentrickfilmen. Nun erhält er ein Remake von Iron Man-Regisseur John Favreau. Im Podcast fragen wir uns, ob wir einen Live-Action- oder Animationsfilm vor uns haben, wie die Tierdoku-Optik mit den expressiven Stimmen zusammenpasst und was der neue König der Löwen über die kreative Ausrichtung von Disneys Realfilm-Remakes aussagt. Außerdem reisen wir in einen Sommer von Éric Rohmer und in eine Komödie von Herman Yau, A Home With A View aus Hongkong.

Shownotes:

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15 Erstsichtungen 2018, die nicht viel miteinander zu tun haben, aber immerhin in dieser Liste stehen

The Sleep Curse

481 Seh-Einträge verzeichnet mein Filmtagebuch 2018, was ich leider nicht in irgendein Erkenntnis bringendes Verhältnis setzen kann, da mein Letterboxd-Account lange Zeit brach lag. Einiges davon wird in den Podcasts und Festivalberichten und Jahresendlisten trotzdem untergegangen sein. Oder vielleicht auch nicht. Lassen wir diese Charade. Das einzige Kriterium der folgenden Liste war die Erstsichtung 2018. Es sind auf jeden Fall nicht die schlechtesten, aber auch nicht durchweg die besten Erstsichtungen des vergangenen Jahres. Es sind gute Filme, das muss genügen.

The Sleep Curse (2017)

Schlaf ist überflüssig, glaubt der von Anthony Wong gespielte Wissenschaftler in Herman Yaus The Sleep Curse. Im Schlaf wird denn auch die wache Verdrängung von Geheimnissen und Schuld überwunden. Sie werden offenbar in Rückblenden in die Zeit der japanischen Besatzung, in der Männer sich als Kollaborateure durchschlagen (ebenfalls Anthony Wong) und Frauen als “Trostfrauen” über die Klinge springen lassen. Diese Ausbeutungsdynamik beobachtet Herman Yau in seinem Exploitationfilm ebenso wie allgemeinere Fragen des Umgangs mit der Vergangenheit in der chinesischen Gesellschaft. Damit hat Yau einen zwingenden Nachtrag zu seiner 90er-Trilogie mit Wong als (asozialer) Rächerfigur gedreht (Untold Story, Taxi Hunter, Ebola Syndrome), die sich ebenso in seine “sozial bewussten” Filme wie From the Queen to the Chief Executive, Whispers and Moans und True Women for Sale einreiht. (Anmerkung am Rande: Hier kann man die Dissertation von Herman Yau über politische Zensur im Hongkong-Kino lesen)

Pixote (1980)

In der Pressevorführung von Capernaum, Armutsploitation, die in Cannes  dieses Jahr 15 Minuten stehende Ovationen einsammelte, erwachte er wieder: mein Hass auf Fahrraddiebe und seine Nachahmer. Einen Monat später erinnerte mich das brasilianische Jugenddrama Pixote daran, dass das Sujet noch nicht den Film macht. Trotz Leimschnüffelei, Misshandlung im Gefängnis und einer sadistisch blinden Marginalisierung werden die jungen Helden des brasilianischen Dramas nicht ausschließlich als willenloses Gefäß einer wie auch immer gearteten sozialen Agenda ihres Schöpfers geformt. Ihr Leben bietet Volumen genug.

Baahubali: The Beginning und The Conclusion (2015/2017)

RRR lautet der provisorische Titel des nächsten Films von S.S. Rajamouli, über dessen Eega und Baahubali-Doppel ich im Wollmilchcast geschwärmt habe. Ein Reinkarnationsthema soll der Film über eine Freundschaft in den 1930ern haben, der auf einer zweiten Ebene in den 2000er Jahren spielt. Selbst wenn darin niemand singend einen Wasserfall besteigt, kann 2020 nicht schnell genug kommen. Die labt sich in Baahubali an der Anwesenheit der Kamera, sie breitet sich aus, zeigt sich von allen Seiten, biegt sich sogar zurecht für die perfekte Einstellung und manchmal schmunzelt sie uns sogar zu.

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Wollmilchcast #33 – Phantom Thread von Paul Thomas Anderson

Der seidene Faden

Der womöglich letzte Film von Daniel Day-Lewis wurde für ihn maßgeschneidert. Im Wollmilchcast sprechen Matthias von Das Filmfeuilleton und ich über diesen Phantom Thread (Der seidene Faden), ordnen ihn in der Filmografie von Paul Thomas Anderson ein und diskutieren den zweifelhaften Event-Charakter einer Daniel Day-Lewis-Performance. Außerdem sprechen wir über The Disaster Artist und das nicht weniger zweifelhafte Vergnügen The Room, sowie die Rückkehr von Herman Yau (Ebola Synrome) ins Hongkonger Category III-Subgenre: The Sleep Curse mit einem doppelt schlaflosen Anthony Wong Chau-sang.
Shownotes:
00:01:00 – Phantom Thread (Spoiler!)
00:53:00 – The Sleep Curse
01:02:33 – The Disaster Artist
01:23:00 – Verabschiedung
Hört euch die Wollmilchcast-Folge an:
Bei Audiomack oder hier im Blog:

@Beeeblebrox
@gafferlein
Der Wollmilchcast als Feed und bei iTunes.

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Intro und Outro: Kai Engel – Slum Canto (aus dem Album Sustains)
Nutzung im Rahmen der CC BY 4.0-Lizenz. (Homepage des Künstlers)
Copyright Titelbild: Universal

Punished (HK 2011)

Punished Film-Poster

Punished Film-Poster

In Johnnie Tos Vengeance gibt es diesen Moment, in dem Francis Costello (Johnny Hallyday) seine Tochter nicht mehr erkennt und die drei von ihm engagierten Killer dem alternden Ex-Kollegen erklären müssen, warum, wieso, weshalb er sich auf einem Rachefeldzug befindet. Wird im dritten Teil der Hitman-Trilogie der Wunsch nach Vergeltung weitervererbt, nachdem sein Ursprung verschwunden ist, nähert sich Law Wing-Cheongs Punished der Rache als Mittel der Selbstkasteiung. Zusammen mit Cheang Pou-Sois Accident bilden “Punished” und “Vengeance” ein faszinierendes Tryptichon aus dem Hause Milkyway Image, welches die Facetten des Themas mit unterschiedlichen Resultaten auslotet. Punished geht im direkten Vergleich als konventioneller, nichtsdestotrotz ungewöhnlichster Beitrag der Produktionsfirma von Johnnie To und Wai Ka-Fai hervor. Denn der Film kommt ohne den üblichen Milkyway-Style aus, besticht nicht durch Set Pieces, sondern gibt sich als nüchterne Charakterstudie.

Im Mittelpunkt des Geschehens steht der rücksichtslose Geschäftsmann Wong Ho-Chiu (Anthony Wong), der mit Immobilien sein Geld verdient und vor illegalen Methoden nicht zurückschreckt. Wong ist ein Kontrollfreak und damit ein echter Milkyway-Held, dem im Verlauf des Films die Zügel aus der Hand genommen werden. Seine Tochter Daisy (Janice Man) wird entführt und gleich zu Beginn erfahren wir – und das ist kein Spoiler – dass die junge Frau die Entführung nicht überlebt. So wird die geradlinige Erzählung bereits in den ersten Minuten zugunsten unvermittelter Zeitsprünge aufgegeben, die dem Film die Dynamik anderer Rachethriller verwehren. Aber Punished ist sowieso kein gewöhnlicher Rachethriller und nur bedingt ein “Thriller”. Wir wissen um das Schicksal Daisys, bevor wir ihre nicht sonderlich einnehmende Persönlichkeit kennenlernen. Sie ist die Ausgeburt der Teenager-Rebellion in ihrer nervigsten Form, schmeißt das Geld ihres Vaters für Koks und Klamotten raus, beleidigt ihre verständnisvolle Stiefmutter aus einem einzigen Grund (sie ist die Stiefmutter), benimmt sich alles in allem unerträglich. Unwesentlich vorteilhafter kommt ihr Vater weg, der seine Geschäftsmethoden auf das Familienleben ohne Hintergedanken überträgt, seinem Sohn vorschreibt, was er zu studieren hat und seine Frau als persönliche Assistentin (aus)nutzt. Man könnte auch sagen, die Figuren in “Punished” hätten ihr Schicksal verdient, dass die titelgebende Bestrafung, welche der Film austeilt, rechtens ist. Punished versinkt allerdings weder in der absoluten Hoffnungslosigkeit, noch in zynischen Attitüden. Das Drama – ja, es ist wohl am ehesten ein Drama – verdankt dies in erster Linie den Schauspielern und mit Abstrichen der erzählerischen Herangehensweise.

Anthony Wong ist spätestens seit Beast Cops ganz groß darin, Männer zu verkörpern, die an ihrer übertriebenen Maskulinität zu scheitern drohen. Manchmal reden sie viel, manchmal wenig, aber nur selten können sie das ausdrücken, was in ihnen vorgeht. Sie sprechen mit Taten und das hat meistens fatale Konsequenzen. Deswegen muss sich sein biestiger Cop zwangsläufig auf einen drogengeschwängerten Feldzug der Gewalt begeben, deswegen gedenkt sein Immobilienmagnat infolge des Todes seiner Tochter und seines Versagens als Vater sich einzig in Form der Rache Erleichterung verschaffen. Doch hier verlässt Punished die ausgetretenen Pfade des Genres. Anstatt wie Pierre Morels “Taken” den Erzeuger selbst zum Täter werden zu lassen, wählt Wong Ho-Chiu einen Weg, den ein Mann in seiner Position wohl wählen würde: Er beauftragt einen Angestellten. Während Chor (Richie Ren), ein ebenfalls von seinem Kind Entfremdeter, seinem Job methodisch kühl nachgeht, beobachtet der Boss auf seinem Smartphone die Folter und/oder Tötung der Beteiligten. Denn Rache erweist sich in “Punished” als abstrakte Idee, die nicht mit Emotionen angereichert werden kann. In ihrer Umsetzung gerät sie ebenso sinnlos wie der Tod Daisys. So verbleiben die gescheiterten Väter Wong und Chor mit dem Handy als unzureichendem Ventil für ihre Schuld, während der Film zum unsentimentalen Schluss kommt, dass manche Fehler schlicht nicht begradigt werden können. Obwohl sich “Punished” durch seine analytische Erzählweise und die für Genre-Fans wohl zu leidenschaftslose Aufbereitung der Rache und ihrer Folgen einiges an Immersionspotenzial verbaut, ist gerade dieser Ansatz erfrischend. Dabei greift der Film klassische Milkyway-Motive auf, um ihnen eine ungewohnte Wendung zu verleihen. Erscheinen die Professionals in vielen Werken der Produktionsschmiede als Gestrandete aus einer anderen Epoche, haben sich die Rächer in Punished allzu gut in der Moderne eingelebt und müssen nun mit den Folgen zurechtkommen. So ist der Film auch mit seinen Makeln eine Rachestudie für das neue Jahrtausend.


“Punished” ist bisher nur in Hongkong auf DVD (RC: 3) und Blu-ray (RC: A) erschienen und kann bei YesAsia erstanden werden.