Kontrapunkt: Blood Diamond, Armee der Finsternis & Die purpurnen Flüsse 2

Manchmal ist es lohnend, sich Filme in Originalsprache (in diesem Fall: Englisch) mit deutschen Untertiteln anzuschauen. Dass ich so etwas sage/schreibe, scheint für die Leute, die meine Faulheit beim Filmrezipieren kennen, wie ganz böse Ironie zu wirken. Doch ich kann euch versichern: Bei Blood Diamond sowie Armee der Finsternis habe ich mal eine Ausnahme gemacht. Und nicht nur, weil man das Nuschel-„Yaa”-Brit-Englisch von Leo nicht und Bruce Campbells rotzige Kommentare dafür umso besser versteht, ist letzterer Film der bessere von beiden.

Blood Diamond (USA/D 2006)

Der Afrikaner Solomon (Djimon Hounsou) findet während Zwangsarbeit einen riesigen Diamanten, vergräbt den irgendwo in der Nähe und kann fliehen. Seine Familie wurde jedoch interniert und er will sie wieder. Da kommt der böse weiße Kapitalisten-Mann mit afrikanischen Wurzeln (Leonardo DiCaprio) gerade richtig: Beide wollen den Diamanten und Solomon bekommt von ihm die Freiheit seiner Familie versprochen.

Die ganzen Geschehnisse haben einen Funken von Zeitgeschichte inne, die Actionsequenzen muten realistisch an und gelegentlich kommt eine gewisse kritische Haltung durch, wenn der Handel mit „Blutdiamanten” aus afrikanischen Krisengebieten latent angeprangert wird.

Soweit ein ambitionierter Film, der einige wenige Afrika-Klischees jedoch nicht aussparen kann und spätestens beim arg peinlich wirkenden, gedehnten Pathos-Finale, bei dem das böse Weißbrot Leo im Sterben liegend noch etwas Gutes für den guten schwarzen Mann tut, nervt, anstatt aufzuwühlen oder zumindest zu unterhalten. Gesamtnote: „gut”, aber seine 5 Oscarnominierungen (u. a. für Leos Performance mit unverständlichem Dialekt-Kauderwelsch) nicht annähernd wert.

Armee der Finsternis (USA 1992)

Bruce Campbell-Filme sind ein eigenes Genre, das gemeinhin (etwas weiter ausgeweitet) als „Kult” bezeichnet wird. Und bezogen auf diese Tatsache stellen sich gewisse Fragen nach wesentlichen Filmelementen dieses finalen Teils der Tanz der Teufel-Trilogie gar nicht.
Special Effects: Stop Motion ist mittlerweile veraltet und die meisten anderen Effekte sind – nun ja – schlecht.
Dialoge: Reden wir nicht drüber.

Humor: Sehr ironisch und reich an Slapstick mit gelegentlichem Hang zur Absurdität, wenn ein Ritterfilm mit Fantasy- und Horrorelementen aufgepappt wird, was zum Beispiel in einem Auto mit Propeller als “Braindead”-Rasenmäherersatz zum Meucheln von Untoten gipfelt, nur dass hier keine Zombies aus Fleisch und Blut, sondern Skelette dran sind.

Inszenierung: Brillant! Sam Raimi liefert Action en masse, Cinematographer Bill Pope (später u. a. für die Bebilderung der “Matrix”-Trilogie verantwortlich) irritiert mit ebenso hektischen wie unkonventionellen Kamerafahrten und insbesondere das Set Design auf dem Friedhof ist mit seiner unheilvoll-düsteren Grusel-Atmosphäre, das es hervorbringt, schlicht genial. Bruce Campbell in seiner Paraderolle als Ash ist göttlich, wenn er grimassiert und einen großkotzigen Spruch nach dem anderen loslässt.

In den letzten 20 Filmminuten beim Kampf der Lebenden gegen die Toten um das Nekronomicon, das Buch des Todes welches man schon aus den 2 Vorgängern kennt, gibt es dann auch Action satt. 80 Minuten läuft “Armee der Finsternis”, also nicht zu lang, und am Ende bleibt dem Zuschauer nur das Sprüchlein zum Film zu sagen, mit welchem Hauptfigur Ash am Ende dieses Trash-Meisterwerks seine Geliebte rumbekommt: Hail to the King, Baby!. Horror-Kino, das rockt und zugleich der beste Teil der Trilogie.


Noch ein kleiner Nachtrag: Eine Kurzkritik zu einem Film, den ich heute mangels massentauglicher Alternative gesehen habe (allerdings nur in der deutschen Synchronfassung). Den ersten Teil fand ich seinerzeit (vor längerer Zeit, als ich ihn sah) durchaus gelungenen, diese Fortsetzung nun jedoch nicht. Die Rede ist von…

Die purpurnen Flüsse 2 – Die Engel der Apokalypse (F/IT/GB 2004)

Die Ermittlungen von Inspektor Niemans (Jean Reno), die in Teil 1 schon irgendwie hoch vertrackt, um nicht zu sagen: verwirrend waren, werden hier in Sachen Abtrusität noch weiter gesteigert. Man bekommt als Zuschauer der Fortsetzung des französischen Kinohits eine mit religiösen Motiven vollkommen hoffnungslos überfrachteten Blödsinn um Herrschsucht und Mord (soweit ich das ausmachen konnte) geboten, der nach knapp einer Stunde Filmlaufzeit beginnt, zu nerven.

Jean Reno macht als klugscheißerischer Bulle wie eigentlich immer eine ganz passable Figur, sein Gegenüber, Kollege Benoit Magimel, bleibt dafür genauso farblos wie die dümmlichen Apokalypsen-Mönche auf Drogen in ihren schwarzen Kutten, die ständig irgendwelche Leute, die religiösen Kram faseln, töten. Sinn und Verstand kann man da schon ab dem eingemauerten Typen in der Wand vom Anfang lange suchen, Logik und Charakterzeichnung noch länger: man wird sie kaum finden.

Atmosphärisch gesehen ganz nett im Sinne der schummrig ausgeleuchteten, stets keimig wirkenden Sets wie Sieben, bietet “Die purpurnen Flüsse 2” allenfalls durchschnittliches Mystery-Entertainment, aber auch nur dann, wenn man den Kopf auslässt.

Spoiler Time

100 Filmenden in 5 Minuten werden in dem folgenden Video auf höchst unterhaltsame Art und Weise verraten. Meine Favoriten: “Meg’s Many Men”, “Spacey Spoilers” und das Ende von “Die Passion Christi”: Jesus gets killed.

Wer hätte das gedacht?

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Fokabular: Auteur

Im letzten und ersten Beitrag zur Klärung filmwissenschaftlicher Grundbegriffe hatte ich ja noch angekündigt, dass es sich hier primär um formales Fachgesimpel handeln würde, d.h. die Fachbegriffe zur Beschreibung formaler filmischer Darstellungsweisen im Blickpunkt der Aufmerksamkeit stehen würden. Diese werden auch weiterhin das Hauptaugenmerk der Kategorie darstellen. Heute soll jedoch eine Ausnahme gemacht werden für den ominösen Begriff des “Auteurs”.

Man könnte ihn schlicht und sehr deutsch als Autor oder Urheber bezeichnen, aber das wäre ziemlich langweilig und mit französischen Wörtern lässt sich ein selbstverliebter Studentenintellektualismus wesentlich leichter zelebrieren.

Jeder, der schon mal eine Filmkritik schreiben musste oder wollte, hat zu einem hohen Prozentsatz zumindest indirekt auf den Auteur zurückgegriffen. Denn anders als bei einem literarischen, musikalischen oder einem Werk der bildenden Kunst, ist der Urheber eines Films nur schwer auf einen einzigen Namen festzunageln.

Schreibt man also eine Kritik mit der Absicht, nicht seitenweise auf den Kameramann, den Cutter, den Drehbuchautor, den Rigging Gaffer oder gar den Best Boy einzugehen, sondern irgendwann mal zum Punkt zu kommen, wird man schnell zum einfachen Ausweg verleitet: Der Regisseur ist schuld.

Dem Inhaber des Regiestuhls wird die künstlerische Verantwortung, Lob und Tadel, der Einfachheit halber zugeschoben, da ein differenzierteres Urteil für den Zuschauer aus nachvollziehbaren Gründen meist schon bei Schnitt, Drehbuch und Kamera an seine Grenzen stößt. Der Regisseur hält schließlich alle Fäden in der Hand. Aber hat nicht gerade in Hollywood der Produzent die eigentliche Macht?

Hier in Europa sei einmal Bernd Eichinger in Gedächtnis gerufen, der zwar mit einigen namhaften Regisseuren (a.k.a. Auteurs) zusammengearbeitet hat, wie Tom Tykwer oder Bernardo Bertolucci, aber seinen Großproduktionen immer auch den eigenen Stempel aufdrückt. Sein Hang, die komplette deutsche Schauspielelite in einen Film zu quetschen, ist eines der auffälligeren Merkmale, ebenso seine Vorliebe für literarische Stoffe wie “Das Parfüm” oder “Der Baader-Meinhof-Komplex”.

Um das Problem mit einer viel zu oft genutzten Floskel zu fokussieren: Die Grenzen sind fließend. Während Thomas Mann eindeutig für den “Zauberberg” verantwortlich ist und auch an der Urheberschaft J.M.W. Turners an seinem “Sklavenschiff” niemand ernsthaft zweifelt, kann jeder Hitchcocks Vertigo begutachten und dem Hitch-Fan entgegenhalten: Ja, aber die Musik stammt doch von Bernard Herrmann, die Kamera hat er nicht selbst geführt und das Drehbuch auch nicht geschrieben. Dennoch ist Alfred Hitchcock eines der Paradebeispiele für die Auteur-Theorie.

Als Wurzel allen Übels bzw. als die Advokaten der Erleuchtung werden heute die französischen Filmkritiker der Cahiers du Cinema angesehen. Beeinflusst durch die Schriften ihres Mentors Andre Bazin stellten junge Kritiker wie Francois Truffaut oder Jean-Luc Godard in den 50er Jahren die Forderung, eine persönliche moralische oder philosophische Handschrift solle in Filmen erkennbar sein. Später wurde das Konzept in der englischsprachigen Welt durch Andrew Sarris als Auteur-Theorie bekannt.

Eine “subjektive Haltung” war für Godard, Truffaut und andere in den Filmen Jean Renoirs, Howard Hawks und eben Alfred Hitchcocks zu erkennen. Viele der so wiederentdeckten Regisseure waren zuvor v.a. als Handwerker der Massenware bekannt gewesen, schließlich schreien die Western Anthony Manns oder Samuel Fullers weniger offensichtlich nach der Aufmerksamkeit von Kritikern als die Filme Roberto Rosselinis.

Stets zu beachtender Hintergrund dieser Wendung zum Auteur war und ist der Wunsch, das relativ junge Medium Film neben den alteingesessenen Künsten zu etablieren. Ein auf industrieller Arbeitsteilung beruhender, im nachhinein kaum zu überblickender Entstehungsprozess ist da nicht gerade hilfreich.

Dem Film als Kunst Anerkennung zu verschaffen, das schien zu dieser Zeit nur durch die Angleichung des Vokabulars an die Literatur möglich. So wurde mit dem Konzept des Auteurs letztendlich die Annahme auf den Film übertragen, dass ein künstlerisches Genie hinter einem Film stehen kann.

Für die Kritiker der Cahiers war jedoch nicht jeder Regisseur zugleich ein Auteur. Unterschieden von diesem wurde noch der “Réalisateur”. Der Réalisateur ist, wenn man so will, der Kino-Handwerker. Seine Filme können auf inhaltlicher oder formaler Seite der Perfektion zustreben, doch sein künstlerischer Einfluss geht selten über die Vorlage des Drehbuchautors hinaus.

Der Auteur kann hingegen an seinem Größenwahn scheitern oder nur ein unvollkommenes Meisterwerk drehen und doch ist in jeder Einstellung seine Persönlichkeit, seine Haltung spürbar. Deshalb sind seine gelungenen Filme dazu in der Lage, den Zuschauer auf besondere Weise zu berühren.

Da ist schon mal von der “enormen Zärtlichkeit” gegenüber ihren Figuren und “kleinen Schönheiten”, die es zu entdecken gibt, die Rede. Formale Innovationen etwa der Mise en Scène gehören naturgemäß ebenfalls zu den Merkmalen, die den Stil eines Auteurs prägen können.

Vom Kritiker und Filmliebhaber zum Regisseur war in den 50er Jahren der Weg nicht weit, so dass aus Eric Rohmer, Jean-Luc Godard und eben Francois Truffaut sehr bald selbst Autorenfilmer wurden, die den Grundstein für die Nouvelle Vague legten. Das Konzept des Auteurs ist gerade bei Ansicht ihrer Filme nachvollziehbar. Betrachten wir beispielsweise Die Amerikanische Nacht von Truffaut, fällt – mal abgesehen vom Fakt, dass Truffaut hier einen Regie-Handwerker, also nicht sich selbst, spielt – die Thematisierung seiner eigenen Cinephilie ins Auge.

Sinnbild dafür ist eine Traumsequenz, in welcher Ferrand (Truffaut) als kleiner Junge zu sehen ist, wie er Aushangfotos für Citizen Kane aus einem Kino stiehlt. Dieser Moment ist tatsächlich höchst berührend und natürlich zugleich subjektiv geprägt. Schließlich offenbart Truffaut hier seine Verehrung für den großen Auteur Orson Welles.

Die subjektive Haltung des Auteurs äußert sich nicht nur in der Selbstreferenzialität des Mediums. Nicht jeder Auteur muss das Kino selbst thematisieren, wie es Godard in Die Verachtung tut, wenn er der Regielegende Fritz Lang eine Rolle gibt.

In Sie küssten und sie schlugen ihn verarbeitet Truffaut seine eigene Jugend bis ins Detail. So lebt sein Film-Alter Ego Antoine Doinel genau wie er selbst bei seiner Großmutter bis diese stirbt, um dann mit seiner Mutter und seinem Stiefvater zusammen zu wohnen, regelmäßig die Schule zu schwänzen, Diebstähle zu begehen usw.

Ein Auteur präsentiert nich zwangsläufig seine privaten Probleme auf dem Tablett, wie es Truffaut oder Godard getan haben. Wiederkehrende Themen, die sich durch ihre ganzes Werk ziehen und damit einhergehend eine gewisse künstlerische Kontrolle, machen den Auteur jedoch aus. Man denke nur an Hitchcocks Vorliebe für kühle Blondinen, die komplizierten Mutter-Sohn-Beziehungen und sein beliebtes Handlungsschema über einen unbescholtenen Bürger, der zu Unrecht verfolgt wird.

In den Filmen eines modernen Auteurs wie Michael Mann lassen sich ebensolche Konstanten auffinden, während die Filme eines Handwerkers wie Brett Ratner uninspirierte Auftragsarbeiten darstellen. Auch wenn die Titulierung als Handwerker eine abwertende Note trägt, wurde die Unterscheidung zwischen Auteur und Réalisateur ursprünglich nicht auf einer wertenden Ebene genutzt. Dennoch wurden die Filme eines Auteurs dem steril perfekten (französischen) Kino der damaligen Zeit vorgezogen.

Die Einführung des Auteur-Begriffes führte in Europa letztendlich zu einer Bedeutungsverlagerung von narrativer Perfektion zur Betonung der subjektiven und damit womöglich ungewöhnlichen Perspektive auf die Welt. In Hollywood wurden die wiederentdeckten Auteurs der Studiozeit durch das New Hollywood abgelöst.

Berühmte Beispiele für für heutige amerikanische Regisseure, deren distinkter Stil und thematische Konstanten zur Nutzung des A-Wortes herausfordern, sind Steven Spielberg und Martin Scorsese.

Ersterer, ein Scheidungskind, dreht z.B. seit über 20 Jahren immer wieder Filme mit problematischen Vaterfiguren, letzterer schafft es, in so gut wie jedem Werk seine italo-amerikanische Einwandererherkunft und den Katholizismus anzusprechen.

Abgesehen von der Therapiefunktion, die das Filmemachen für einige Auteurs anzunehmen scheint, sollte er in der Lage sein, seinen Stil trotz unterschiedlichster Vorlagen erkenntlich zu machen. Scorsese schaffte  eben das auch ohne seinen Stammautor Paul Schrader. Nicht zufälligerweise vertrauen berühmte Auteurs oftmals auf dieselbe Crew. Spielbergs Filme werden seit 1979 von Michael Kahn geschnitten, von John Williams komponiert und seit rund 10 Jahren steht Janusz Kaminski hinter der Kamera.

Einfacher, den Stil an einer Person festzumachen, ist es da noch bei Stanley Kubrick, dessen Filme kaum jemals denselben Cutter oder Kameramann hatten. Dennoch ist die Handschrift des Regisseurs sofort erkennbar, ob man nun “Wege zum Ruhm”, “Uhrwerk Orange” oder “Eyes Wide Shut” heranzieht.

Dem Auteur-Konzept ist eine gewisse Idealisierung der Position des Regisseurs im Prozess des Filmemachens zu eigen. Gleichfalls verkennt seine Überhöhung des Künstlergenius’ andere Einflüsse auf die Autorschaft. Der oben genannte Paul Schrader könnte das Siegel als Drehbuchautor ebenso  verdienen. Oder man stelle sich Lost in Translation in den Händen eines anderen Regisseurs vor. Mit Bill Murray wird die Veränderung kaum auffallen. Ohne ihn ist der Film unvorstellbar. Seine Persönlichkeit ist für die emotionale Wirkung prägend, nicht die Sophia Coppolas.

Ausgehend von der Tendenz, Regisseure hierarchisch nach “Auteur” und “nur Réalisateur” zu werten, hat die  offenkundige Unschärfe der Theorie in Folge also zu einiger Kritik geführt. Schließlich wird dem Handwerker ein gewisser Grad an Originalität abgesprochen, sofern er keine Nabelschau betreibt. Auch verleitet die Unterscheidung zu unverdienter Nachsicht gegenüber dem gescheiterten Auteur. Von der Missachtung der künstlerische Leistungen Anderer während des Prozesses des Filmemachens ganz zu schweigen.

Der Poststrukturalist Roland Barthes verkündete 1968 sogar den Tod des Autors. Bezogen war sein Aufsatz auf die Literatur. Er ist aber auch anwendbar auf den Film. Demnach besteht jeder Text aus einer Vielzahl anderer Texte aus einer Reihe von Kulturen. Erst beim Leser (sprich: Zuschauer) werden die Bedeutungseinheiten zusammengesetzt.

In den letzten zwanzig Jahren wird die Titulierung “Auteur” bewusst zur Vermarktung von Filmen eingesetzt. Bestes Beispiel hierfür ist Quentin Tarantino, der Filme auf DVD-Hüllen “präsentiert”, mit deren Produktion er nicht das geringste zu tun hatte.

Für den Filmkritiker bleibt das Konzept jedenfalls Anlass zur Reflexion. Denn auch wenn man dem Kult des Regisseurs nicht verfallen ist, kann man die persönliche Note und Wiedererkennbarkeit in den Filmen von Guillermo Del Toro, Terrence Malick oder Darren Aronofsky kaum ignorieren. Der Auteur ist eben noch lange nicht verschieden. Von Zeit zu Zeit geistert er nur unter dem Pseudonym des “großen Regisseurs” durch den Blätterwald.


Literatur:

 

Koebner, T. (Hrsg.): Reclams Sachlexikon des Films, Stuttgart 2002

The Machine Girl (J/USA 2008)

Noch vor Einsetzen des Vorspanns von Noboru Iguchis The Machine Girl künden die reißerische Inszenierung und der verschwenderische Umgang mit vollkommen übertriebenen Blutfontänen vom Wesen der folgenden 96 Minuten. Nein, es ist keine feministisch angehauchte Science-Fiction-Meditation. Auch handelt es sich nicht um einen sozialkritischen Film über ausgebeutete Arbeiterinnen in Top Ramen-Fabriken. “The Machine Girl” ist stattdessen ein Trashfilm, wie ihn wohl nur die Japaner auf die Leinwand bringen können. Während anderen Regisseuren die Idee, ein Schulmädchen mit einem Maschinenpistolenarm auf eine tödliche Vendetta zu schicken, für einige unterhaltsame Geschmacklosigkeiten genügt hätte, baut Noboru Iguchi aus Spaß an der Freude Yakuza, Ninjas(!) und sogar eine fliegende Guillotine ein. Da verwundert es nicht, dass der Trailer des Films seine Attraktionen der Tradition von B- und C-Filmen entsprechend anpreist. Mit fetten gelben Buchstaben, das versteht sich.

Die recht platt gestrickte Geschichte erzählt von der Schülerin Ami (Minase Yashiro), die den Mord an ihrem Bruder rächen will, dabei ihren Arm verliert und mit Hilfe von einem KFZ-Mechanikerpärchen zur ihrer protzigen Wunderwaffe kommt. Ein Mädchen – natürlich die ganze Zeit ihre knappe Schuluniform tragend – das mit ihrer Protese Horden von Yakuza-Kiddies niedermäht; die Idee an sich ist High Concept à la carte, wie sie ein guter Trashfilm sich nur wünschen kann. Die von vornherein veranschlagte Einfachheit kann als ein erster Trumpf des Films gesehen werden. Iguchi gibt gar nicht erst vor, auf eine Sinn ergebende Story aus zu sein. Warum sollte er auch, schließlich stehen ihm Kampfszenen zwischen peinlich verkleideten Ninjas und einem mordlustigen Mädel zur Verfügung. Trumpf Nummer Zwei ist sein Verzicht darauf, sich nach der Einführung seiner Heldin einzig auf den Unterhaltungsfaktor von Blutfontänen zu verlassen. Der ist auf Dauer schließlich begrenzt.

Stattdessen beweist der Film bei den unzähligen Tötungs- und Verstümmlungsszenen seine ungebremste Phantasie. Abgetrennte Köpfe im Mittagessen und Sushi aus menschlichen Fingern sind da noch die konventionelleren Ausprägungen. Wenn hingegen ein Arm im Tempura-Stil frittiert wird, läuft der Zuschauer Gefahr, sein Bier vor Lachen über den Vordermann im Kinosaal zu versprühen. Ausgangsbasis des Unterhaltungspotenzials ist natürlich eine gewisse Offenheit gegenüber den Freuden des schlechten Geschmacks. Bei wem angesichts von Teenagern, die sich gegenseitig die Gliedmaßen abhacken, die Alarmglocken der Political Correctness läuten, mag der Genuss des Films höchstens zu einem besorgten Stirnrunzeln führen. Pflegt man allerdings einen Faible für intentional gedrehten Trash, der seine schlechten Gore-Effekte und die diversen abwegigen Einfälle mit Stolz vor sich her trägt, ist The Machine Girl absolut empfehlenswerte Kost.

Einziger Kritikpunkt sind ein paar der wenigen lang geratenen Passagen, die sich nicht gerade für eine bierselige Mitternachtsvorstellung eignen. Da Iguchi die melodramatischen Momente jedoch immer wieder ironisch bricht und die Heldin uns zuweilen zuzuzwinkern scheint, als wäre sie sich über den Spaßfaktor ihrer traurigen Story bewusst, fallen die wenigen Längen von “The Machine Girl” nicht weiter ins Gewicht. Man möchte ihr vielleicht nicht auf der Straße begegnen, aber man kann nur hoffen, dass das Machine Girl eine europäische DVD-Auswertung erhält. Am besten ist der Film wie seine Genregenossen in Anwesenheit von Freunden blutiger Ausschweifungen zu genießen.


Zum Weiterlesen:
Beiträge zum Exground Filmfest 2008 in Wiesbaden.

Kontrapunkt: Der Mann, der niemals lebte & Resident Evil: Extinction

… und es geht weiter mit der Sichtung von „Jungs-Filmen“, dieses Mal im Kino zum neuesten Ridley Scott-Politfilmchen mit selbst mitgebrachten Bier (3,20 Euro für ein Flaschenbier an der Snack-Theke? Es hackt wohl!) sowie in einer Runde mit Freunden zu Pizza, Bier, elektrolytischer Dickmacher und später Glühwein. Bei letzterer Veranstaltung gab es diesmal ein nur 5-minütiges Auswahl-Prozedere, welches der basisdemokratischen Grundüberzeugung unserer Gesellschaft entspricht, wobei sich Sexy-Milla auf Zombiejagd gegen die Vampire in Near Dark – Die Nacht hat ihren Preis nur durch das Los knapp durchsetzte.

Der Mann, der niemals lebte (USA 2008)

Nach American Gangster und Königreich der Himmel drängt sich mit Der Mann, der niemals lebte endgültig der Eindruck auf, dass Ridley Scott nicht mehr kurz und prägnant unter einer Laufzeit von 2 Stunden inszenieren kann. Ob das Alter daran schuld ist? Allerdings knallt es immerhin wieder an allen Ecken und Enden und die Geschichte um einen CIA-Agenten (Leonardo DiCaprio) im Nahen Osten im Krieg gegen den Terror(ismus) weiß durchaus zu fesseln, auch wenn sie keinen wirklichen Anfang und nur ein Pseudo-Ende aufweisen kann.

US-kritisch, allerdings nie wirklich originell und teils (Stichwort: Rettung in letzter Sekunde) konstruiert, vermag Der Mann, der niemals lebte seinen auf Authentizität ausgerichteten Inszenierungsstil nicht durchzuhalten. Das Ergebnis ist zwar kein gänzlich schlechtes, aber ein sehr hollywoodeskes. Eingehender habe ich mich dazu in der OFDb geäußert.

Resident Evil: Extinction (F/AUS/D/GB/USA 2007)

Eigentlich ist schon alles gesagt: Die immer noch extreme scharfe Milla Jovovich, die nach über zehn Jahren immer nur gerade eine überzeugende Performance (bezeichnenderweise) als Naivchen Leeloo in Das fünfte Element auf dem schauspielerischen Konto hat, kämpft gegen Zombies und eine böse Organisation, die mit/an irgendwelchen Viren herumdoktert. Das Wüsten-Setting, das Durch-die-Gegend-Geirre in alten Karren und die durchaus gelungene, staubige Postapokalypsen-Atmosphäre, dessen Set-Highlight ein unter Sand begrabenes Las Vegas darstellt, ist bei Mad Max 2 abgekupfert, die Idee mit der unterirdischen Überlebenden-Enklave aus Romeros Day of the Dead, nur dass man niemals in Sachen Klasse an die Filme herankommt.

Gefällige, blutige Shoot-Outs und ein paar nette Computereffekte kann der tief gesunkene Regisseur Russel Mulcahy, der immerhin vor Ewigkeiten schon bei Highlander auf dem Regiestuhl saß, aber heute im Angesicht seiner zum größten Teil im TV- und Direct-to-Video-Bereich versickerten Karriere glorreichen Zeiten nachtrauert, immer noch inszenieren. Deswegen bemerkt man auch kaum, dass Milla, deren potenziell schönsten Körperteile man trotz ihrer gelegentlichen Nacktheit leider nie zu Gesicht bekommt, nicht schauspielern kann und das Drehbuch so einige Dümmlichkeiten und Löcher bereit hält. (Insbesondere der Endgegner ist extrem bertzig.)

Fazit: Gut geklauter, passabel wegguckbarer Zombieaction-meets-Softest-Erotik-Streifen mit einigen deftigen Gore-Einlagen. Für Genre-Freunde ganz nett, der Rest findet’s mit Recht doof.