Ausreden, mal wieder

An alle, die sich wundern, warum hier in den letzten Tagen so wenig los war:

Nein, es ist nicht der Weihnachtsstress. Wie immer bin ich mit meinem Geschenkekauf viel zu spät dran, was keine Ausrede für die seit Jahren herrschende Ideenlosigkeit der Präsente sein soll. Die ist Tradition.

Lily Chou-Chou ist  aber Schuld an der Pause. Eigentlich sollten hier Kritiken zum CAT III-Kultfilm “Sex & Zen” (der Name sagt schon alles) und zur “Capote”-Konkurrenz “Infamous” gepostet werden. Und dann kam Lily. Das wiederum sagt schon alles über Shunji Iwais Film aus. Ein bisschen verdirbt er einem halt den Magen. Im positivsten Sinne natürlich.

Zurück zum Alltag…

All About Lily Chou-Chou (J 2001)

Bloggen – das ist nichts anderes als der Aufbau einer virtuellen Identität. Selbst wenn man den korrekten Namen, die eigene Adresse bis hin zum Aszendenten des eigenen Geburtsdatums, also freizügig Informationen über die eigene Person dem weitgehend anonymen Onlinepublikum preisgibt, bleibt der nickname eine von der konkreten Körperlichkeit losgelöste Identität. An deren Konstruktion hat das reale Alter Ego ebenso wie der Gelegenheitsleser und -klicker teil. Im Gegensatz zu anderen Medien, die eine ähnliche Wirkung erzielen, steht das Internet allerdings jedem mitteilungsbedürftigen, nicht sonderlich technikfeindlichen user offen. Second Life, aber auch simple Foren, Chats und Blogs akkumulieren damit das offenkundig moderne Bedürfnis nach der Erfindung eines alternativen Ich. Nicht selten ist die Kompensation der Mängel des alltäglichen Lebens Grund für die Inanspruchnahme des mit Millionen von Parallelidentitäten überfüllten World Wide Webs. Abgesehen vom bloßen Eskapismus, welcher der Netzkultur zuweilen unterstellt wird, bietet sie sich als anarchisch anmutender Sandkasten alternativer Lebensentwürfe geradezu an. Hält das notdürftig zusammengezimmerte Identitätsgerüst den eigenen Ansprüchen nicht mehr Stand, ist schließlich der logout button der mühelose Weg zum Neuanfang.

Für blue_cat und philia ist das Netz die ideale Möglichkeit, sich über ihren Lebensinhalt auszutauschen: Die mysteriöse Sängerin Lily Chou-Chou. Eine Mischung aus Björk und Sinead O’Connor ist sie. Ihre Musikwelt wird im Chat als Äther bezeichnet und tatsächlich eröffnet Regisseur Shunji Iwai (“Yentown”) seinen Film mit einem halluzinatorischem Traumbild, begleitet von der schwebenden Stimme der fiktiven Sängerin: Ein Junge steht mit seinem Discman mitten in einem sattgrünem Reisfeld und lauscht den Liedern seiner Lieblingssängerin, als befände er sich in einem von der ihn umgebenden Welt abgeschirmten Raum. Für Yuichi (Hayato Ichihara) ist dieser Äther das unumgängliche Narkotikum, um sein tagtägliches Leben zu überstehen.

Alles beginnt recht harmlos mit dem neuen Schüler Hoshino (Shugo Oshinari), der auf seiner alten Schule schikaniert wurde und sich nun beim Kendo mit dem introvertierten Yuichi anfreundet. Auf einem Ferientrip nach Okinawa entkommt Hoshino nur knapp dem Tode. Nach diesem einschneidenden Erlebnis wandelt sich der ehemals zurückhaltende Vorzeigeschüler zunehmend zum mitleidlosen Schultyrann, der mit seiner Bande Altersgenossen drangsaliert und auch vor Prostitution und Vergewaltigung nicht zurückschreckt.

Die zunächst reißerisch erscheinende Plot erinnert an andere japanische Jugendfilme, in denen die Teenager in ihrem Verhältnis zur Gewalt wie kleine, psychotische Erwachsene dargestellt werden. Battle Royale ist wohl eines der bekannteren Beispiele dafür. All About Lily Chou-Chou mit japanischen Splatterfilmen zu vergleichen, tut dem Film jedoch Unrecht, auch wenn die Situation der japanischen Gesellschaft wohl für beide Herangehensweisen verantwortlich zeichnet. Im  Zentrum von “All About Lily Chou-Chou” steht nicht die Darstellung körperlicher Gewalt  und Ausbeutung an sich, sondern deren Auswirkungen auf die Psyche der jungen Protagonisten.

Über eine Zeitspanne von drei Jahren erzählt Iwai von der Freundschaft der beiden Außenseiter, die sich zur eiskalten Repression des einen durch den anderen wandelt. Dabei verfällt er jedoch nicht auf das zu oft gesehene schüchterner – Junge – entwickelt – homoerotische – Abhängigkeitsbeziehung – zu – psychopathischem – Charismatiker – mit – fatalen – Folgen – Schema. Die Ähnlichkeit verbindet Yuichi und Hoshino zunächst. Zwar wirkt letzterer oberflächlich gesehen wie ein gut aussehender Spitzenschüler, dem alles zufliegt. Beide leiden aber ebenso wie scheinbar ein Großteil der japanischen Gesellschaft an einer ausgesprochen erschreckenden Passivität.

Es ist das hilflose Danebenstehen der Eltern- und Lehrergeneration, wenn die pubertierenden Jugendlichen beginnen, verrückt zu spielen. Es ist aber auch die Apathie der gehänselten, malträtierten Opfer, deren einziger Fluchtweg in den oben beschriebenen Äther der Popmusik, des Internets oder gar in den Suizid führt. Die emotionale Isolation schweißt die beiden Freunde zunächst zusammen, bis Hoshinos Verhaltensweise spätestens nach dem Nahtoderlebnis von destruktiven Aktionen dominiert wird. Sich auflehnend gegen einen schikanierenden Mitschüler, findet  er Gefallen an der Erniedrigung anderer. Oder ist es nur sein persönlicher Verzweiflungsschrei über die gefühlsentleerte Welt?

Auch Hoshino ist dem Äther der Lily Chou-Chou verfallen, so dass wir versucht sind zu rätseln, ob es sich bei blue_cat und philia um die virtuellen Identitäten der beiden Protagonisten handelt. Die schmucklos gehaltenen Chatzeilen überlagern im Verlauf der 150  Minuten des Films immer wieder die farbenprächtigungen, zutiefst melancholischen Bilder, deren Schönheit hin und wieder fühlbar schmerzt. Zuweilen scheinen unsere Teenagerhelden und -heldinnen mitten in der Verbildlichung des von ihnen ersehnten Äthers zu stehen. Die Unerreichbarkeit desselben im realen Leben lässt den Zuschauer daher ihre seelische Qual unwillkürlich nachfühlen.

In den Chatgesprächen wird einer erzählenden Rahmung gleich die Liebe zu Lily Chou-Chou geteilt und diskutiert, aber auch der eigene Seelenzustand. Für diese Worte gibt es im Alltag keine Hörer. Die fortwärende Spekulation über die körperlichen Alter Egos füttert Iwai durch verschiedene, sich erst bei näherem Hinsehen als Hinweise entpuppende Anhaltspunkte. Von Sichtung zu Sichtung verleitet der Film daher zu neuen Interpretationen genau darüber. Darin liegt eine seiner diversen Stärken.

Das 150 minütige Rätselraten mag für die nicht voll investierte Aufmerksamkeit strapazierend wirken. Gerade wenn Iwai die nicht-lineare Erzählung durch einen Mittelteil ergänzt – der Trip nach Okinawa – der mit seiner Handkameraoptik nicht nur wie ein Urlaubsvideo wirkt, sondern eines sein soll, könnte der ein oder andere Zuschauer nur noch mit einem verwirrten Kopfschütteln reagieren. Im Endeffekt erreicht er jedoch gerade durch seinen Verzicht auf eine konventionelle Narration und einfache Antworten im allgemeinen die gewünschte prägnante Darstellung der Jugend seiner Zeit, ohne dabei den rechthaberischen Zeigefinger zu schwingen.

Wenn virtuelle und reale Welt schließlich einander kreuzen, der ersehnte Äther sich nur als scheinbare Rettung vor der Wirklichkeit erweist, genügt jedenfalls die Erkenntnis, dass Hoshino und Yuicho Inhaber der Netzpersönlichkeiten Philia und blue_cat sein könnten. Mit der Feststellung, dass auch der kaltblütige Hoshino nur einer unter vielen Jugendlichen ist, welche die Unschuld der Kindheit allein aus Filmen kennen, sind wir durchaus gut bedient. Näher als Iwai kommt nämlich kaum ein Regisseur seinen 13- bis 15-jährigen Protagonisten.

Dank der Integration des modernsten Mediums, seiner Grenzen und Möglichkeiten, ohne in eine abgedroschene Cyberpunk-Optik zu verfallen, sowie der Idee Popmusik nicht – wie in unzähligen Coming-of-Age-Filmen – als melancholisches Begleitgedudel, sondern als zentrales Element der Story zu instrumentalisieren, gleitet All About Lily Chou-Chou sanft dem Status eines wegweisenden Beitrages seines Subgenres entgegen. Der großartig verwirrende, äußerst traurige, viel zu lang geratene und dennoch wunderschön tiefsinnige Film ist ein Markstein des neuen Jahrtausends, der erstmal eingeholt werden will.

Die Golden Globes 2009

[UPDATE: Die Gewinner findet man jetzt hier]

Woran merkt man, dass der Winter angekommen ist selbst zu Zeiten globaler Erwärmung? An der Oscarsaison  natürlich. Die beginnt im Gegensatz zum launischen Wetter verlässlich wie immer mit den Preisen der diversen Kritikervereinigungen in den USA und nimmt mit den Nominierungen für die Golden Globes schließlich volle Fahrt auf. Während jedoch die Gewinner der Academy Awards von knapp 6000 Professionellen aus der Filmindustrie gewählt werden, ist die Hollywood Foreign Press Association für die Globes verantwortlich. Wie der Name schon andeutet, handelt es sich  dabei um Filmjournalisten, die für Publikationen außerhalb der USA arbeiten.

Der nicht unumstrittene Verein gab gestern seine Nominierungen für die 66. Zeremonie bekannt, die am 11. Januar 2009 in aller Welt ausgestrahlt werden wird. Abgesehen davon, dass Kritiker, nicht Filmschaffende, die Sieger auswählen, honorieren die Globes außerdem noch die besten Fernsehserien, -filme und -schauspieler. Die Globes sind also sozusagen eine Mischung aus den Emmys und den Oscars. Über den Sinn dieser Zusammensetzung darf diskutiert werden.

Ungeachtet dessen ist die Verleihung der wichtigste Gradmesser für die einen Monat später am 22. Februar stattfindende Verleihung der Academy Awards. Nachdem die letzten Oscars die schlechtesten Einschaltquoten aller Zeiten eingefahren hatten, trotz oder gerade wegen des starken Wettbewerbes mit “No Country For Old Men”, “There Will Be Blood” und “Michael Clayton”, wurde der Ruf nach mehr Zuschauerfreundlichkeit laut.

Zuschauerfreundlichkeit heißt in diesem Zusammenhang: Nominieren wir doch Filme, die das breite Publikum auch gesehen hat! Da die Oscarsaison jedoch wie oben angedeutet zum Winter gehört, wie die CO2-Emission zum globalen Klimawandel, werden populäre Sommerblockbuster so gut wie gar nicht berücksichtigt.

Dass die Globes nun für “Massenware” eine Lanze brechen, war nicht zu erwarten gewesen. Vielleicht wird es bei den Oscars ja anders aussehen. Die Auslandsjournalisten haben Filme wie The Dark Knight oder Iron Man jedenfalls so gut wie vollkommen ignoriert. “Iron Man” ist sicher nicht der beste Film des Jahres, aber Robert Downey Jr. nur mit einer Nominierung als Bester Nebendarsteller (“Tropic Thunder”) zu ehren, ist nicht wirklich nachvollziehbar. Selbiges gilt für Heath Ledger.

And the nominees are…

Best Motion Picture – Drama
The Curious Case Of Benjamin Button
Frost/Nixon
The Reader
Revolutionary Road
Slumdog Millionaire
Best Performance By An Actress In A Motion Picture – Drama
Anne Hathaway – Rachel Getting Married
Angelina Jolie – Changeling
Meryl Streep – Doubt
Kristin Scott Thomas – I’ve Loved You So Long
Kate Winslet – Revolutionary Road
Best Performance By An Actor In A Motion Picture – Drama
Leonardo DiCaprio – Revolutionary Road
Frank Langella – Frost/Nixon
Sean Penn – Milk
Brad Pitt – The Curious Case Of Benjamin Button
Mickey Rourke – The Wrestler
Best Motion Picture – Comedy Or Musical
Burn After Reading
Happy-Go-Lucky
In Bruges
Mamma Mia!
Vicky Cristina Barcelona
Best Performance By An Actress In A Motion Picture – Comedy Or Musical
Rebecca Hall – Vicky Cristina Barcelona
Sally Hawkins – Happy-Go-Lucky
Frances McDormand – Burn After Reading
Meryl Streep – Mamma Mia!
Emma Thompson – Last Chance Harvey
Best Performance By An Actor In A Motion Picture – Comedy Or Musical
Javier Bardem – Vicky Cristina Barcelona
Colin Farrell – In Bruges
James Franco – Pineapple Express
Brendan Gleeson – In Bruges
Dustin Hoffman – Last Chance Harvey
Best Animated Feature Film
Bolt
Kung Fu Panda
Wall-E
Best Foreign Language Film
The Baader Meinhof Complex (Germany)
Everlasting Moments (Sweden/Denmark)
Gomorrah (Italy)
I’ve Loved You So Long (France)
Waltz With Bashir (Israel)
Best Performance By An Actress In A Supporting Role In A Motion Picture
Amy Adams – Doubt
Penelope Cruz – Vicky Cristina Barcelona
Viola Davis – Doubt
Marisa Tomei – The Wrestler
Kate Winslet – The Reader
Best Performance By An Actor In A Supporting Role In A Motion Picture
Tom Cruise – Tropic Thunder
Robert Downey Jr. – Tropic Thunder
Ralph Fiennes – The Duchess
Philip Seymour Hoffman – Doubt
Heath Ledger – The Dark Knight
Best Director – Motion Picture
Danny Boyle – Slumdog Millionaire
Stephen Daldry – The Reader
David Fincher – The Curious Case Of Benjamin Button
Ron Howard – Frost/Nixon
Sam Mendes – Revolutionary Road
Best Screenplay – Motion Picture
Simon Beaufoy – Slumdog Millionaire
David Hare – The Reader
Peter Morgan – Frost/Nixon
Eric Roth – The Curious Case Of Benjamin Button
John Patrick Shanley – Doubt
Best Original Score – Motion Picture
Alexandre Desplat – The Curious Case Of Benjamin Button
Clint Eastwood – Changeling
James Newton Howard – Defiance
A. R. Rahman – Slumdog Millionaire
Hans Zimmer – Frost/Nixon
Best Original Song – Motion Picture
“Down To Earth” — Wall-E
“Gran Torino” — Gran Torino
“I Thought I Lost You” — Bolt
“Once In A Lifetime” — Cadillac Records
“The Wrestler” — The Wrestler
Quelle: Variety [Dort sind auch die Fernsehkategorien einsehbar]

Trailer: Slumdog Millionär

Heißer Oscarkandidat und Publikumsliebling auf diversen Festivals ist Slumdog Millionär, der aktuelle Film des Briten Danny Boyle (“Trainspotting”, “28 Days Later”). Vom amerikanischen National Board of Review erhielt Boyles Regiearbeit erst kürzlich sogar den Preis für den Besten Film des Jahres, die Kritiker überschlagen sich derweil vor Lob. Grund genug ist das, mal den sehenswerten Trailer zu begutachten.

Der Inhalt: Nur noch eine Frage trennt Jamal (Dev Patel) vom 20 Millionen Rupien-Hauptgewinn in Indiens TV- Show “Wer wird Millionär?”. Doch was in aller Welt hat ein mittelloser Youngster aus den Slums von Mumbai in dieser Sendung verloren? Und wie kommt es, dass er auf alle Fragen eine Antwort weiß… [Quelle: Filmstarts.de]

Am 19. März startet der farbenfrohe Ausflug nach Indien in unseren Kinos. Der Trailer ist unten einzusehen oder bei MovieMaze.

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=AIzbwV7on6Q]

Kurtz & Knapp V

Der Mann, der niemals lebte (USA 2008)

Ein weiterer Eintrag auf der länger werdenden Liste unbefriedigender Filme von Ridley Scott. Der Regisseur, dessen letzter guter Film (Black Hawk Down) rund sieben Jahre zurückliegt, versucht sich in Der Mann, der niemals lebte am Spionagethriller, einem Genre, dass zur Zeit so “in” ist wie der Berliner 80er Jahre Heroin-Schick in der Modewelt. Leider hat Scott zwei massive Fehlkalkulierungen zu verantworten: Eine belanglose Story, die eine Momentaufnahme der modernen Spionagewelt sein will. Aber selbst Momentaufnahmen können irgendwo hin führen. Dazu ist seine traurigerweise nicht in der Lage. Unweigerlich vermisst man außerdem die nötige Konsequenz und Härte gegenüber den Figuren, denn wenn Scott schließlich den Ausweg im Klischee sucht, bleibt nur noch der Wunsch nach einer Geldzurückgarantie und der fahle Nachgeschmack vergeudeter Lebenszeit.

Fehlkalkulierung Nummer zwei ist das Casting von Leonardo DiCaprio. Der ist, wie wir alle wissen, seit einigen Jahren auf einem Trip zwanghaft suggerierter Männlichkeit, der sich in verschiedenen Ausformungen ärmlicher Bärtchen  und nervtötender Stirnrunzelei äußert. Dass ihm sein Gesicht in betont maskulinen Rollen im Wege steht, hat ihm offensichtlich noch niemand zugeflüstert. Ein Beispiel könnte er sich mal an Matt Damon nehmen, der mit  seinem jugendlichen Aussehen gekonnt spielt und trotzdem oder gerade deswegen zum glaubwürdigen Actionhelden geworden ist.  Stattdessen lässt sich Leo als tougher Agent im Nahen Osten sowohl von Russel Crowe (der sich gar nicht mal richtig bemüht) und erst recht von Mark Strong (als jordanischer Geheimdienstchef) an die sprichwörtliche Wand spielen. Denn die beiden sind im Gegensatz zu ihm zu subtilen Leistungen in der Lage.

Death Race (USA 2008)

Jason Statham ist sozusagen das genaue Gegenteil von Leo Dicaprio. Wenn die Kamera in Death Race geradezu sabbernd vor Schaulust über sein kantiges Gesicht, seinen freien Oberkörper gleitet, glaubt man sich in der übertriebenen Körperlichkeit von Actionfilmen der 80er Jahre wiederzufinden. Statham, der glücklicherweise wesentlich mehr Charisma und Ironie transportiert (schlechtes Wortspiel) als Arnie und Co. ist der geborene Actionheld. Ein wenig sieht er aus wie Bruce Willis, nur eben mit dieser offenkundigen physischen Härte und Unkaputtbarkeit, die der betonten Verletzlichkeit und Sensibilität in Stirb Langsam 1 unversöhnlich gegenübersteht.

“Death Race” ist nun ein in jeder Einstellung übertriebener Actiontrash und liefert damit für Autorennfilme das, was vor einem Jahr Shoot ‘Em Up mit dem Heroic Bloodshed à la John Woo getan hatte. Und Statham ist die perfekte Besetzung  für den Exrennfahrer Jensen Ames, der fälschlicherweise für den Mord an seiner Frau auf eine Hochsicherheitsgefängnisinsel gebracht wird und dort in den titelgebenden Todesrennen vor laufender Kamera seine Freiheit erfahren muss. Die sind auf Dauer etwas langweilig, auch wenn Regisseur Paul W.S. Anderson versucht, sie durch verschiedene Tricks zu variieren. Die Unfähigkeit des Films, den Rennverlauf für den Zuschauer ersichtlich zu machen oder auch nur die einfache Frage zu beantworten, wer gerade vorne liegt, ist dem miserablen Schnitt zu verdanken, der, wie in so vielen modernen Actionfilmen, zur Unübersichtlichkeit neigt.

Das Potenzial zur unterschwelligen Gesellschaftskritik verwässert der Film. Zwar wird der Rennverlauf, also auch die Todesfälle, für die imaginierten Zuschauer am heimischen Bildschirm recht makaber wie eine DSDS-Abstimmung präsentiert. Da allerdings die Perspektive ebenjenes Publikums ansonsten überhaupt nicht eingenommen und der Film fast ausschließlich aus der Sicht Ames’ und der Gefängnisleiterin (Joan Allen !) erzählt wird, hat die Medienkritik weder Hand noch Fuß. Mehr als kurzweiliger Trash mit ein paar außerordentlich komischen Momenten ist Death Race daher nicht. Aber vielleicht reicht das ja auch.